Kapitel 2 - "Ich habe dich vermisst."

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

"You see her when you close your eyes,

Maybe one day you'll understand why..."

- Jasmine Thompson; Let Her Go


Sie spürte die Erschöpfung, noch bevor sie wirklich erwachte. In allen Gliedern, jeder Zelle ihres Körpers schien sie zu stecken, gemeinsam mit einer abgeklungenen Art von Schmerz, wie eine Wunde, dessen Schmerz man schon nicht mehr ganz spürt, weil man sich schon so an ihn  gewöhnt hatte. Das nächste, was sie spürte, war eine Hand, die die ihre hielt, dann, dass sie auf weichen Kissen lag. Es war ein ungewohntes Gefühl, an das sie sich zuerst gewöhnen musste.

Ihr Gehirn registrierte nur langsam, dass sie nicht mehr dort war, wo sie das Bewusstsein verloren hatte. Die weichen Laken und der Mangel an Ketten sprachen einen deutlichen Widerspruch zu jenem Platz aus, an dem sie sich befunden hatte. Sie spürte eine gewisse Wärme, die die klammernde Kälte abgelöst hatte. Ein Schauern überkam sie.

Sie wusste weder, wie viel Zeit vergangen war, noch, wo sie war - lediglich, dass sie unter keinen Umständen in dem Loch war, in das die Piraten sie gesteckt hatten. Die Wunden, die sie von ihren Versuchen, sie durch Verprügeln, Aushungern oder Frieren lassen, dazu zu bringen, ihre Fähigkeiten für sie einzusetzen, davongetragen hatte, waren verbunden - ein weiteres Zeichen, das gegen einen Aufenthalt bei ihnen sprach. Sie fühlte sich so ausgelaugt...

Ihre Gedanken kamen langsam wieder zurück, ließen sie nachdenken, spekulieren, wo sie war. Die Hand fühlte sich so vertraut an...

„Stella...", hauchte eine Stimme. Rauchig, aber kaum verändert. Hatte sie sich verhört? Oder hatte man ihn ebenfalls gefangen genommen, um sie mit seinem Leben zu bedrohen? Was war mit dem kleinen Jungen, den sie noch so klar, und doch so verschwommen in Erinnerung hatte? „Shh, shh, es ist okay... Langsam, ganz langsam...", sagte die Stimme beruhigend, und sie spürte, wie etwas über ihre Hand strich; hin und her, hin und her... 

Sie versuchte, etwas zu sagen, doch ihre Lippen verließ nur ein leichtes Stöhnen. Ihre Augen flatterten, wie Flügel von einem Vogel, der versucht, einem größeren Jagdvogel zu entkommen. Verschwommen machte sie eine Gestalt aus, die ihren Oberkörper über sie gebeugt hatte.  

„Jolly...?" 


„Wahnsinn...", murmelte Libertà, der sich mit Felicità und Nova auf den Innenhof begeben hatte. Der Blondschopf hatte keinerlei Ahnung wer die Frau, die sein Mentor mitgebracht hatte war, und noch weniger Ahnung, wieso ihre bloße Gestalt ihn so erschüttert hatte. Er hatte noch nie von ihr gehört, und wunderte sich dementsprechend. „Ich meine, ich hab sie noch nie gesehen oder je von ihr gehört, und trotzdem machen die so einen Aufstand daraus."

Felicità lächelte nicht. Sie war irgendwie bedrückt, ohne zu wissen, warum. Der Gedanke, dass diese Frau ihre Patentante geworden wäre, ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie wusste nicht, ob es wegen der verpassten Chance und Zeit oder dem plötzlichen Aufbringen einer solchen Sache war. „Ja, das stimmt. Allerdings ist das auch verständlich, wenn sie, wie Papà und Mamma sagen, für viele Jahre verschwunden war."

„Ihr Name ist Stella, falls du dich das fragst, Feli. Papà hat ihren Namen zwar erwähnt, aber... wer weiß, ob du es dir wirklich merken konntest, immerhin warst du mehr als nur überrascht. Damals hat sie sich von Piraten entführen lassen, um Regalo und die Familie zu beschützen. Seither hat man sie nie mehr gesehen, und daher für tot erklärt.", erklärte Nova. Seine Fassung war bemerkenswert, doch hinter seinen Augen glühte ein undefinierbares Gefühl.

Sie lächelte. „Danke."

Libertà nickte abwesend. „Für wie lange...?"

„26 Jahre insgesamt.", antwortete Nova direkt. Er sah zu Boden. „Mamma hat mir früher viel von ihr erzählt, doch die Meisten hier wahren Stillschweigen. Sie wäre auch meine Patentante geworden, doch daraus wurde ja nichts. Papà hatte das ja schon gesagt."

„Aber warum?"

Felicità's Frage ließ sie einen Moment anhalten. Sie wirkte noch bedrückter als vorher. „Warum sollten sie aufhören, über sie zu reden, wie als wenn sie nie existiert hätte?"

Die beiden Jungen wechselten einen Blick. Nova zögerte.

„Mamma hat es bereits gesagt; es war keine Absicht, dir oder auch Libertà nichts zu erzählen. Du siehst doch, wie sie im Augenblick reagieren. Sie war in der Familie sehr beliebt, und ihr Verschwinden war für alle eine schwere Sache."

„Ich weiß, aber..."

„Mach dir keine Sorgen, Principessa.", meinte Libertà, mit einem beruhigenden Lächeln. „Ich bin mir sicher, dass alles zusammenfinden wird. Und ich bin mir sicher, dass du sie mögen wirst."

Felicità sah auf. „Wie...?"

Die beiden lächelten.

„Du verstehst dich immerhin mit beinahe jedem hier."


In einem anderen Teil der Villa saß Luca zusammengesunken auf einem Stuhl. Mit einer Hand stützte er seinen Kopf, fassungslos, dass es wirklich seine Mutter war, die man gefunden hatte. Er hatte, entgegen dem, was der Rest der Familie dachte, noch immer verschwommene, manchmal sogar klare Bilder von ihr, und von jenem Tag im Kopf.

Drei Jahre war er alt gewesen. Es hatte gestunken, nach Feuer, nach Zerstörung. Jeder Moment, den er mit Jolly verband, war beinahe lückenlos ausradiert, willentlich. Dieser dagegen, war ihm noch immer in sein Gehirn gestanzt. Es war das erste und letzte Mal gewesen, dass er Jolly ohne seine berühmte Fassung gesehen hatte.

Schnelle Schritte. Pump, pump, pump. Er spürte die Anstrengung im Körper seines Vaters, den er heute im besten Falle nur noch als Erzeuger, vielleicht noch Lehrmeister betrachten konnte. Hörte, wie die Schuhe auf den Boden trafen, und das Geräusch von Schüssen, von Waffen drang an sein Ohr.

Er erinnerte sich nur zu genau an den festen Griff von Jolly, wie er ihn mit seinem Körper abgeschirmt hatte. Wie er selbst sich an seine Brust gedrückt hatte, vor Angst zitternd. Die Zeit war schnell, gleichzeitig aber auch so furchtbar langsam vergangen wie nie.

Die Geräusche waren nicht verstummt. Sie waren leiser geworden. Weniger verstörend allerdings nicht.

„Joshua!", hatte er ihn rufen hören, nach dem einzigen Freund von Jolly, den er je kennengelernt hatte; Mondo's Erstgeborenen. Die beiden waren zu jener Zeit wie Brüder gewesen, erinnerte er sich, und für ihn wie ein Onkel.

Er hatte sie empfangen, gemeinsam mit Mondo. Sumire war ebenfalls an ihrer Seite, ebenso wie Kiara, der Verlobten von Joshua. Ihre Züge hatte er nur noch verschwommen in Erinnerungen, einzig, dass sie fremd wirkten, als käme sie aus einem weit entfernten Land... Doch die Situation hatte das alles unwichtig gemacht.

„Mondo! Pass auf Luca auf! Ich muss sie suchen!", war alles, was Jolly gebrüllt hatte, als er ihn dem Oberhaupt der Familie in die Arme gedrückt hatte. Er war einfach losgerannt, um sie zu finden. Sie hatte nachkommen wollen...

Jolly war ohne sie zurückgekehrt, gemeinsam mit Dante. Er hatte gebrochen gewirkt, den Tränen nahe. Hatte mit stockender Stimme berichtet, dass sie fort war.

Fort. Entführt. Verschwunden.

Er hatte gelernt, damit zu leben. Gelernt, sich auf sich selbst zu verlassen, auf Pace und Debito. Auf sie aufzupassen, damit so etwas nicht noch einmal geschah. Und nun war sie zurück...

Luca atmete einmal durch, und bemerkte, dass seine Hände zitterten. Eine Erinnerung kam ihm in den Sinn, an eine Frau mit liebevollen Augen, die wie der Sonnenaufgang gewirkt hatten, ein feuriges Orange, und Haare dunkler als das dunkelste Holz, das er kannte. Warme Arme, die ihn getröstet hatten, wegen irgendeiner Kleinigkeit, die ihm damals so viel schlimmer vorgekommen war, als sie es heute tun würde. Ihre Stärke, die ihn dazu verleitet hatte, so sein zu wollen, wie sie. Dieselbe Frau, die nun geschwächt und kraftlos in derselben Villa wie er lag, wenige Gänge von ihm entfernt. 

Sie hatte ihm, auch, wenn er kaum noch Erinnerungen an sie hatte, so vieles beigebracht, was er bei der jungen Signorina hatte anwenden können, als er half, sie großzuziehen. Ihr Trost spenden konnte, wie er ihn von ihr erhalten hatte. Doch auf der anderen Seite hatte sie ihn allein gelassen. Zu seinem Schutze. Er konnte nicht sagen, ob er sie vermisst hatte. Sollte er sie besuchen?

Sumire, die ihm gegenübersaß, legte eine Hand auf seine Schulter. Lächelte, auch, wenn hinter ihren Augen derselbe Schmerz der vergangenen Jahre verzeichnet war.

„Sie würde sich freuen."

Er sah auf, obgleich er verstand, was sie meinte. Wusste, dass sie seine Züge genauer als er selbst hatte lesen können.

„Mamma..."


„Stella...", atmete der Mann über ihr aus. Sie erkannte schwarzes Haar, und lila Augen, die sie schon immer fasziniert hatten. Sie spürte seine Tränen. „Du bist wach..."

„Hallo, mia Luna...", flüsterte sie, selbst den Tränen nahe, heiser. Fuhr zögerlich mit ihren Fingern erst über seine Hand, dann über seine Wange. „Ich habe dich vermisst..."

Sein raues Lachen erhellte den Raum in ihren Augen, und ließ sie eine Gänsehaut verspüren. Zu lange hatte sie verzichten müssen... Er lehnte seine Stirn an ihre.

„Und ich dich mehr..."

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro