Festmahl

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Der Stein schnitt ihr ins bleiche Fleisch und ließ eine faulige Flüssigkeit austreten, die sie als das brandmarkte, was sie war. Ein Ungetüm.

Ihr Magen grummelte. Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Der verzierte Tisch war wieder gedeckt. Ein rohes Stück Fleisch schwamm in einer warmen roten Soße. Es war durchzogen von Knorpeln und Sehnen und ein Knochen trat daraus hinaus. Der frische Geruch einer vorzüglichen Mahlzeit lag ihr in der Nase. Sie wollte es in den Händen zerreißen, mit den Nägeln darin pulen und es aussaugen, die Zähne hineinbohren und es dazwischen zermahlen, während ihre Zunge es nach Geschmack abtastete.

Sie wollte nicht mehr königlich dinieren, denn ihr Magen war tiefer als der Abgrund, so wie ihre Sehnsucht. Der Hunger überwältigte ihren Körper. Diesmal musste die Illusion länger angedauert haben als sonst. Die Zeitspanne stieg stetig. Dreihundertundfünfundneunzig, wenn sie sich recht erinnerte.

Ihr tierischer Instinkt ließ sie aufschrecken und riss sie aus ihrem Wahn. All ihre Sinne waren mit einem Mal überwältigt, während sich ein unsichtbarer, formloser Dunst um sie ausbreitete. Die anderen spürten es genauso. Es begann als Kribbeln auf dem Körper und schwoll zu einem Druck an, der über die Ohren bis zur Kehle wanderte. Seine Präsenz war unvergleichlich.

Kaum fähig ihren gebrechlichen Körper zu bewegen, legte sie alle Kraft in Arme und Beine, um sich in die Hocke aufzurichten. Sie senkte den Kopf, vor ihrem Meister. Die anderen taten es ihr gleich.

Der wallende schneeweiße Mantel leckte den Boden und tänzelte über den schwarzen Stein. Ein eisiger Wind warf sich ihm entgegen, doch der Stoff war schwer und mit Kettengliedern verziert. Sie rasselten bei jedem Schritt. Ein leiser Ton, der sie alle zum Verstummen brachte. Nicht einmal die weiße Wolke eines Atemzugs beschmutze mehr das Auftreten ihres Gottes.

Sie spürte einen Ruck an ihrem Hals. Das Metall biss ihr in die eingefallene Haut. Dank den langen, nachtschwarzen Haaren, konnte sie nicht aufsehen, doch sie wusste, dass der Seelenmetzger sie betrachtete. Scham stieg in ihr auf, bei der Vorstellung ihres nackten, entstellten Körpers, doch alsbald war das Gefühl wieder abgeflacht. Ungetüme fühlten so etwas nicht.

"Nicht mehr lange meine Kinder", ertönte es von oben.

Das metallische Hallen der kehligen Stimme erschütterte ihre Glieder.

Sie konnte sich vor Angst nicht bewegen und das Herz schlug ihr bis zum Hals, doch diesmal musste sie fragen. Es ging nicht anders. Nicht länger.

Die anderen waren derweil dabei ihre Zahlen aufzusagen.

„Zweihundertunddrei"

„Fünfundfünzig"

„Hundertzweiunddreißig"

Sie ignorierte das wirre Durcheinandergeplapper. Mit Müh und Not, versuchte sie einen möglichst geraden Rücken zu formen, um die Töne besser herauspressen zu können. Sie biss sich auf die spröde Lippe und bemerkte, dass ihr Rachen vollkommen ausgetrocknet war. Von dem Zittern ihres Halses begleitet zog sie einen tiefen Atemzug ein. Die Luft schmeckte giftig. Dann erhob sie die Stimme. Dieses Werkzeug, das sie schon so seit Tagen nicht mehr eingesetzt hatte. Zumindest nicht hier.

"W. W. Wie. Lange noch. D-Drei-h-hundert. Dreihundertundfünfundneunzig, Es sind schon bald V-Vier", flüsterte sie mit Schmerzen im Hals.

Alle blickten zu ihr um. Die unförmigen Körper angespannt und mit angsterfüllten Minen. In manchen erkannte sie Mitleid, in wieder anderen Zorn, Schadenfreude und sogar Ekel.

Für jedes Leben, welches sie nahm, hatte sie sich bestraft. Als würde dies irgendwen von den Toten zurückholen. Es war einzig für ihr Gewissen. Selbstgeißelung brachte keine Erlösung. Die Götter hatten sie schon lange verlassen. Das war ihr klar.

Genau wie die Tatsache, dass der Leichenkönig den Gerber und die Händlerin durch die Erde geführt hatte, zahllose Monde, vor dem letzten Dorf, über das sie hergefallen waren. Ihre Überreste, mittlerweile von Maden zerfressen und an einem unbekannten Ort begraben, würden in keiner Welt von ihrer Hinterbliebenen besucht werden. Fall sie überhaupt die Tochter war, für die sie sich hielt. Jene für sie namenlosen Leute auf ihrem Hof, könnten genauso Opfer gewesen sein, an deren Haare sie sich erinnerte.

Knochen und Haare waren das Einzige, was sie übrig ließ. Ein Heer zu versorgen erforderte für gewöhnlich Ressourcen, aber das konnte man sich sparen, wenn die Siedler als Nahrungsquelle dienten. Daher waren nur diese in ihrer Erinnerung geblieben. Manche braun und kurz, andere rot und lang, schwarz und gewellt, grau und weiß. Dazwischen auch eine winzige Locke aus dünnen blonden Strähnen. So zart und klein. Die Gesichter hatte sie längst vergessen. Es musste enden.

Der Herr der Gedanken drehte sich zu ihr. Sie spürte einen Zug an ihrem Halsband und das Rasseln ihrer Ketten gesellte sich zu dem an seinem Gewand. Er zog sie hoch und ihr Blick traf auf ein trauriges Gesicht aus Metall. Als er den Helm senkte, schienen die gewellten Linien auf der silbrigen Oberfläche zu einem hämischen Grinsen anzuwachsen. Die Maske flimmerte vor ihrem inneren Auge. Illusion oder nicht, selbst wenn ihr die Augen tränten, würde sie sich nicht erlauben, zu blinzeln.

Mit einem kohlschwarzen Handschuh deutete er auf sie. Die Luft verschwamm, als wäre sie von Nebel getrübt und der Wind pfiff wilder als zuvor. Oder wollte er sie das nur denken lassen? Ein Pochen ging ihr durch den Schädel und sie heulte auf, doch der Seelenmetzger ließ nicht locker.

„Bald" hauchte er. "Du wirst erlöst und es findet ein Ende."

Er drehte sich zu den anderen und ließ die Kette los. Mit beiden Armen, die Handflächen zum Himmel zeigend, sah er sich um. Seine Finger richteten sich in Richtung des weißen Wolkenmeers über ihnen. Es war eine absonderliche Pose, als würde er das Himmelszelt herabreißen.

"Ihr alle werdet das", verkündete er diesmal lauter und formte die Hände zu Fäusten. "Jedes von euren bedauerlichen Leben wird ein Ende finden. Dort."

Er deutete auf das Land jenseits vom Gebirge, wo am Horizont ein blauer Streifen zu sehen war. Das Meer.

"Im Süden dieser Welt wartet es. Das Ende dieses Feldzugs. Doch vorerst erhaltet ihr eure Belohnung. Der Weg war weit, ihr hab es euch verdient, meine Kinder."

Mit diesen Worten fasste ihr Meister in einen Trog, der ihm von zwei Kuttenträgern gebracht wurde. Eine weiße Träne auf schwarzem Grund war auf ihrer Kleidung zu sehen, doch in ihren Gesichtern nichts als der blanke Wahnsinn. Mit zwei Handbewegungen segnete der Kettenträger sie mit der roten Substanz aus dem steinernen Gefäß. Sie schlossen die Augen und senkten die Stirn, während er ihnen jeweils einen Kreis mit dem Daumen darauf malte. Als sie sich wieder erhoben waren ihre vom Blut gezeichneten Gesichter leer und ohne jeden Ausdruck.

Dann drehte sich der Seelenmetzger um und hob das große Gefäß mit beiden Händen vor sich. Überall um die Frau herum begannen ihre Geschwister unruhig zu werden. Sie scharrten mit den Beinen, leckten sich die Hände und Sabber tropfte ihnen aus den Mäulern.

"Fisch", zischte es.

"Schwein"

"Nein, Reh"

"Lamm?"

"Rind!

Mit einem einzelnen Wort brachte ihr Meister den Sprechgesang zum Erliegen.

"Besser."

Die Maske lächelte. Es war ein liebevoller Ausdruck der Zufriedenheit.

"Es ist nicht weit bis zum nächsten Dorf und um euch auf das Festmahl einzustimmen, gibt es heute Hemnan."

Mit diesen Worten warf er etwas von der Größe einer Faust in die Menge. So schnell wie es in dem Strudel aus sich übereinander werfenden Leibern unterging, konnte sie nicht erkennen, was es war. Seine Diener standen mittlerweile hinter ihm mit steinernen Trögen.

Es flogen weiß-rote Hackstücke in die Menge und wurden von ihresgleichen im Nu verspeist. Sie waren ausgehungert. Genau wie sie.

Ein Stück landete vor ihr, doch wurde direkt von einer dürren Hand ergriffen und zu einem abscheulichen Mund geführt. Bevor die abgemagerte Gestalt es verspeiste, stimmte ihr Geschwisterchen ein Lied an.

"Ja Fleisch ist Fleisch und Fleisch ist Fleisch, und Fleisch und Fleisch und Fleisch ist Fleisch, das Fleisch von mir, das Fleisch von dir, das Fleisch von jeglichem Getier, ist kostbar gut und lecker fein, soll all das Fleisch das meine sein, egal von wo egal von wann, Fleisch ist Fleisch und meines dann."

Währenddessen riss es das Stück in kleine Fetzen und stapelte diese vor sich. Der Anblick erfüllte sie mit Wut, denn sie hatte noch keines abbekommen. Gerade da kam ein feuchtes Geräusch von hinten. Sie wandte sich um und sah ein Herz auf dem Boden liegen. Mit den runden Auswüchsen sah es aus wie ein abstruses Instrument. Ihr Gott hatte es fallen lassen.

Während sie es in beide Hände nahm und in das faserige Innere biss, blickte sie auf, an der schneeweißen Robe, von der alle Ketten ausgingen. Eine Hand fuhr ihr durch die Haare, tätschelte sie. Wusste genau, wo es ihr gut tat.

"Iss mein Kind", sagte eine Stimme aus dem Inneren des Helms.

Dann kuckte ihr Meister wieder auf und nickte jemandem zu, den sie nicht sehen konnte. Er erteilte ihm Befehle. So mächtig er war, ihr Gott war nur einer von vielen. Ein verwunschener Götze, in einem Heer des Unheils, welches über die Welt hereinbrach, wie die purpurnen Wolken auf diesem Gemälde.

Als sie das zähe Muskelfleisch zu zerkauen versuchte, floss ihr etwas Blut in den Mund. Es war zu ihrem Bedauern kalt, aber genügte, um die Schmerzen in ihrem Rachen zu mindern. Zumindest für den Moment. Ferne Erinnerungen an Rüben, Kohl und Pastinaken schluckte sie herunter. Das Land, welches sie berührte, war zu leblos, um solche Schätze zu bergen. Und war es das nicht, ging es in einem Meer aus Flammen unter.

Ihr Meister kam zurück und sie wusste, dass es diesmal nicht bei dem Herzen blieb. Die Seelenlosen führten jemanden mit sich. Er war fett und übersäht von Schrammen und Beulen. Seine Gewänder muteten an, dass er aus hohem Hause kam. Sie verstand die Sprache nicht, in der er um Gnade winselte. Selbst wenn war seine Stimme zu zittrig und heißer, um einen klaren Laut hervorzubringen.

Er wurde vor ihr auf den steinernen Untergrund geworfen. Als er versuchte aufzustehen, traf ihn ein Stiefel ins Gesicht und er spuckte Blut. Auf dem schwarzen Gestein hätte es ebenso jede andere Flüssigkeit sein können.

Ihr Gott sprach seinen Willen nicht aus. Die Forderung war ihr von Anfang an klar. Sie wusste, dass es töricht gewesen war, sich zu widersetzen. Ihr Schicksal war genau wie das des Mannes vorbestimmt und jede Abweichung bedeutete Schmerz und Leid. Er würde sterben und sie leben.

Die Erlösung lag weiterhin in weiter Ferne. Der Seelenmetzger würdigte sie keines Blickes und doch erkannte sie, dass es kein Entkommen gab. Bislang hatte sie sich geweigert, sie lebendig zu verspeisen, und das war ihm aufgefallen. Er sah alles, hörte alles, wusste alles, jederzeit. Schwäche war etwas, das er nicht duldete.

„Wie lange willst du ihn noch leiden lassen? Denkst, du er hat sich das ausgesucht? Wir sind die Vorhut und glaube mir, wenn ich dir sage, dass du ihn nicht denen überlassen möchtest die nach uns kommen. Sie spielen mit ihrem Essen."

Es lag eine tiefe Traurigkeit in diesen Worten.

„Tu es für mich."

Der beleibte Aristokrat musste nicht hinhören, um zu wissen, was mit ihm geschehen würde. In seinen Augen steckte kein Funken Hoffnung mehr. Ihr Blick schweifte an ihm herab, zu dem Bauch, der wie ein prall gefüllter Sack kurz davor war, die Nähte des feinen Stoffes zu sprengen. Es rumorte in ihr. Sie konnte nicht mehr herunterschlucken, was sich in ihrem Mund ansammelte und allmählich über die Lippen das Kinn hinab tropfte.

Dreihundertundfünfundneunzig. Genug.

Wie ein tollwütiger Wolf stürmte sie auf die vor Panik verzogene Fratze zu und riss sie in Stücke. Die spitzen Nägel zerteilten das weiche Fleisch besser als jedes Küchenmesser und der Stein war die perfekte Arbeitsplatte. Därme, länger als die schmackhaftesten Würste, eine Leber so ergiebig, dass sie ihr nicht in den Mund passte und dann die wahre Delikatesse. Mit aller Kraft bog sie die Rippen beiseite und riss ihm das Herz aus der Brust.

Als sie es sich über dem Mund ausquetschte, tropfte etwas Warmes ihre Kehle hinunter. Das Monster lächelte und biss hinein.

Zu ihrer linken kroch die Sonne hinter dem Wolkenmeer hervor und bewegte sich in Richtung Meer. Der Exzess war vorbei. Die Überbleibsel warf sie von der Klippe. Ihre Kette ermöglichte nicht mehr als das.

Das Gemälde in Richtung der Küche kam ihr in den Kopf, mit seiner traumhaften Landschaft. Ein jeder Künstler, wäre für diesen Anblick zum Rand der Welt gereist. Vom Gebirge bis zum Horizont lagen Täler, Wälder und Flüsse, die nicht malerischer hätten sein können. Die blanke Freiheit, so nah und unerreichbar. Oder doch nur eine Täuschung? Wäre es eine, dann war der Mann ebenso eine Illusion, den sie soeben zerfleischt hatte.

Ein großer Vogel flog über ihren Kopf hinweg. Sie erkannte ihn nur schattenhaft. Neid kam in ihr auf. Gern würde sie in die Lüfte emporsteigen und alles um sich herum vergessen. Doch metallene Masken und Ketten folgten ihr an jeden Ort. Wachsame Lügengötter und Versprechen von Erlösungen, zusammen mit einem unstillbaren Hunger, unterdrückten dabei den freien Geist. Nur in Momenten wie diesen, wenn er für drei Atemzüge gestillt war, konnte sie klar denken. Dann schmerzte es am bittersten und das Halsband war unerträglich eng um ihre Kehle.

Ihr Meister wachte über sie wie ein Hirte und kein Hirte ließ seine Schafe gehen.

Der Geschmack verschwand so langsam aus ihrem Mund. Sie dachte erneut an die Krieger, auf dem Kunstwerk, in ihren strahlenden Rüstungen, wie sie glorreich in die Schlacht ritten. Vielleicht waren sie die Wölfe, welche die schneebleichen Lämmer rissen. Noch immer benetzte Blut ihre Zähne und als sie es ableckte, dachte sie an Eisen.

Ob ihre Klingen wohl genauso schmeckten? 

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