Aschekinder (4)

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Ein Kleid für Ella

Die Wochen vergingen und der Ball des Prinzen rückte immer näher. Ella hatte seit unserem Abend auf den Stufen der Haustür kein Wort mehr darüber verloren, aber ich wusste genau, dass sie insgeheim ständig daran dachte.
Denn jedes Mal, wenn ihre Stiefschwestern von einem erneuten Ausflug in die Stadt mit immer neuen Kleider, Bändern, Hüten oder Schmuck zurückkehrten, sah ich ein trauriges Schimmern in ihren Augen.

Es war noch eine Woche bis zum Ball, als ich beschloss, etwas dagegen zu unternehmen. So ungern sie es auch zugeben mochte, Ella wünschte sich, daran teilnehmen zu können. Alleine wegen der Gelegenheit, einmal am Hofe des Königs in einem großen Saal bei richtiger Musik tanzen zu können.
Sie hatte es verdient. Jahrelang hatte sie die Misshandlungen ihrer Stiefmutter und deren Töchter ertragen, ohne jemals ein böses Wort gegen sie zu richten oder die Beherrschung zu verlieren. Wenn es jemand verdient hatte, an diesem Ball teilzunehmen, dann sie.

Am Mittag, als Ella gerade damit beschäftig war, die Ballkleider ihrer Stiefschwestern anzupassen, schlich ich mich in die Küche zu Marie, der alten Haushälterin, die bereits seit Ellas Geburt im Dienst ihrer Familie stand.

Sie blickte von ihrer Arbeit auf, als sie mich kommen hörte und lächelte ein warmes, zahnloses Lächeln.
"Pascal, mein Lieber! Lässt du dich auch mal wieder hier blicken. Was führt dich zu mir? Du bis doch sicher nicht grundlos hier herunterkommen, wenn Ella nicht da ist."

Ich lächelte ertappt und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Sie winkte ab.
"Schon gut, schon gut. Es geht um Ella, nicht wahr?" Ich nickte. "Denkst du auch darüber nach, wie wir es anstellen können, dass sie auf diesen Ball geht?"

Ich nickte abermals und warf ihr ein dankbares Lächeln zu. Sie verstand mich zwar weniger gut als Ella, aber meist benötigte auch sie nicht lange um herauszufinden, was ich meinte. Sie kannte mich immerhin schon seit meiner Ankunft hier und war seitdem wie eine Großmutter für mich gewesen.

Marie wischte sich die runzligen Hände an einem Tuch ab und führte mich zu einem kleinen Tisch in einer Ecke der Küche, an dem wir normalerweise unsere Mahlzeiten einnahmen.
Mit einem leisen Ächzen ließ sie sich auf einen Stuhl sinken. Ich tat es ihr gleich. Dann legte sie die Arme auf den Tisch, lehnte sich etwas nach vorne und blickte mich aufmerksam an.

Ich griff an meinen Gürtel und löste einen kleinen Beutel davon, den ich anschließend vor mir auf die Tischplatte legte. Marie griff danach und warf einen Blick hinein. Dann machte sie große Augen und schob den Beutel energisch von sich weg.

"Aber Pascal! Das geht doch nicht. Das ist fast dein ganzes Geld!"
Ich zuckte nur mit den Schultern. Seit ich im Dienst von Ellas Familie stand, erhielt ich Lohn für meine Arbeit. Als Ellas Vater noch lebte, hatte er mir ungewöhnlich viel bezahlt, da er fand, dass ein Junge auch etwas Geld zu seiner Verfügung habe sollte und er mich sowieso mehr als Sohn denn als  Dienstboten ansah. Auch von Ellas Stiefmutter erhielt ich Lohn, wenn  auch deutlich weniger als von ihrem Vater. Aber ich hatte nie einen Grund gehabt, das Geld auszugeben, also hatte sich über die Jahre eine ordentliche Summe angesammelt. Es war allerdings immer noch nicht genug, um davon ein prächtiges Ballkleid zu kaufen, aber ich hoffte, dass Marie eine Lösung finden würde.

"Bist du dir wirklich sicher?", fragte sie erneut. Ich nickte entschlossen und schob den Beutel weiter auf sie zu. Marie seufzte ergeben, griff danach und verstaute ihn in ihrer Schürzentasche.

"Nun gut", gab sie sich geschlagen.
"Ich werde heute Abend ins Dorf gehen und mich um ein Kleid kümmern. Du wirst Ella doch sicher im Wagen zum Ball bringen, nachdem du ihre Schwestern gefahren hast, nicht wahr?"
Ich nickte zustimmend.
Marie lächelte.
"Wunderbar", sagte sie fröhlich und erhob sich. Ich tat es ihr gleich. Sie zwinkerte mir noch einmal verschwörerisch zu, bevor sie zu ihrer Arbeit zurückkehrte.

Am Tag des Balls, als Ella, Marie und ich gerade beim Frühstück saßen, gab die Haushälterin mir durch einen Blick zu verstehen, dass nun der Zeitpunkt gekommem war, Ella in unseren Plan einzuweihen.
Es schien auch höchste Zeit dazu zu sein, denn mit jedem Tag, den der Ball näher rückte, war Ella stiller geworden. Heute beim Frühstück hatte sie kaum ein Wort gesagt, obwohl sie sich  normalerweise angeregt mit Marie unterhielt.

Sie stocherte nur lustlos in ihrem Haferbrei und starrte abwesend auf die Tischplatte.
Da trat Marie auf sie zu, einen Berg aus Stoff in den Armen. Sie hatte mir erzählt, dass eine Bekannte von ihr, die im Dorf eine Schneiderei betrieb, dieses Ballkleid für jemanden angefertigt hatte, der sich am Ende doch dagegen entschieden hatte, es zu behalten. Seitdem hing es dort und niemand wollte es haben, da es relativ schlicht war und nicht mehr der neuesten Mode entsprach. Aber Marie hatte es gekauft und sich bemüht, es durch einige Stickereien und aufgenähte Perlen zu seinem alten Glanz zurückzubringen.
Und das war ihr mehr als gelungen. Die Nächte, die Marie durchwacht hatte, um daran zu arbeiten, waren es wert gewesen. Das blassblaue Kleid mit dem weiten Reifrock schimmerte verheißungsvoll und konnte mit Sicherheit mühelos mit den Kleidern der Herzoginnen und Gräfinnen mithalten, die auch auf den Ball gehen würden.

"Liebes!", sagte Marie sanft und Ella blickte auf. Als sie das Kleid in dem Armen der Haushälterin erblickte, erstarrte sie. Ihr Mund klappte langsam auf und ihre Augen schienen mit jedem Moment größer zu werden. Dann streckte sie ganz langsam die Hand aus und berührte das Kleid so vorsichtig, als fürchte sie, es könnte sich jeden Augenblick als Täuschung entpuppen. Aber der Stoff unter ihrem Händen war echt und weich und glänzend.
Sie hatte noch immer kein Wort  gesagt, sondern blickte nur mit Tränen in den Augen zu Marie hinauf. Es waren auch keine Worte nötig, wir wussten beide, wie dankbar sie war.

Marie lächelte warm auf sie hinunter, legte dann das Kleid vorsichtig über einen der Stühle und schloss Ella, die mittlerweile aufgesprungen war, in ihre Arme.
Und endlich hatte Ella ihre Sprache wiedergefunden, auch wenn sie  wegen ihrer zitternden Stimme nur schwer zu verstehen war.

"Danke. Aber ihr hättet das nicht tun sollen. Das Kleid war sicher schrecklich teuer."
Ein schuldbewusster Ausdruck hatte sich auf ihr Gesicht gelegt und die Freude vertrieben.
"Unsinn, Kind!", sagte Marie energisch   und strich Ella liebevoll über die Wange.
"Pascal wird heute Abend, wenn er deine Stiefmutter und ihre Töchter zum Ball gebracht hat zurückkommen und dich abholen. Dann wirst du dort einen schönen Abend haben und bevor die Herrschaften fahren wollen, bringt Pascal dich wieder zurück. Nicht wahr?", fragte sie, an mich gewandt. Ich nickte.
Ella löste sich aus Maries Umarmung und fiel mir um den Hals.

"Danke", flüsterte sie. Dann gab sie mir einen Kuss auf die Wange und hüpfte fröhlich davon. Ich starrte ihr nach. Die Stelle, an der sie mich geküsst hatte, kribbelte angenehm.

Marie warf mir einen wissenden Blick zu.
"Du solltest etwas tun. Sie wird nicht ewig bei dir bleiben."
Ärgerlich wandte ich mich zu ihr um, aber sie war bereits damit beschäftigt das Kleid bis zum Abend sicher zu verstauen und tat so, als hätte sie nichts gesagt.

Missmutig verließ ich die Küche und machte mich auf den Weg zum Stall. Ich war verärgert über Maries Bemerkung. Doch ein Teil von mir wusste genau, dass dieser Ärger hauptsächlich daher rührte, dass sie Recht hatte. Aber ich war zu stolz um mir das einzugestehen.

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