Friedhofsmonolog

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Das Tor quietschte, als ich es mit dem Ellenbogen aufstieß. Es hörte sich beinahe unwillig an, vorwurfsvoll und tadelnd.

"Tut mir ja Leid, dass ich so lange nicht mehr hier war", grummelte ich. Ist aber auch nicht gerade der schönste Ort der Welt hier"

Mürrisch griff ich nach der eisernen Türklinke, um die Pforte wieder hinter mir zu verschließen. Als meine klammen Finger sich jedoch auf das feuchte Metall legten, fuhr ich plötzlich zurück und quiekte  überrascht. Ein Stromschlag hatte mich durchzuckt und hinterließ ein unangenehmes Prickeln auf meiner Haut.

"Hey, das musste jetzt echt nicht sein!", schimpfte ich und warf dem Friedhofstor böse Blicke zu, das mit einem unschuldigen Klicken wieder ins Schloss gefallen war. Meine Laune, die davor schon nicht unbedingt die beste gewesen war, wurde nach diesem Vorfall nur noch schlechter. Mit schlurfenden Schritten stapfte ich über den schlammigen Pfad zwischen den Grabsteinen hindurch. Den Kopf hielt ich dabei gesenkt, damit der Nieselregen mein Make-up nicht völlig ruinierte. Fast schon bereute ich es, mir so viel Mühe mit meinem Äußeren gegeben zu haben.

Ich meine, eigentlich war es doch total albern. Ich hatte schließlich noch nicht mal vor irgendeiner lebendigen Person gegenüberzutreten. Und das Wetter verhielt sich auch nicht unbedingt besonders kooperativ mir gegenüber. Andererseits, was sollte man auch sonst für ein Wetter im Februar erwarten? Schnee wäre vielleicht noch eine Möglichkeit gewesen, aber die Menschen hatten ja durch den Klimawandel ihr Bestes getan, um diese Chance so gering wie möglich ausfallen zu lassen.

Ich schnaubte abfällig, während ich eine Reihe nach der anderen passierte. Ich konnte dem Friedhof einfach nichts Gutes abgewinnen. Während manche Menschen beim Anblick der stillen Gräber ins Schwärmen kamen über Frieden und Ruhe, so sah ich doch einfach nur einen Ort, an dem das Leben endete und das Vergessen begann.
Man konnte die nachlassende Liebe bereits daran erkennen, dass fast jeder Grabstein von einem identischen Flecken Grün umgeben war. Ein akkurater Rahmen aus penibel zurechtgestutzten Miniaturhecken umgab eine Insel an roten Blumen, mit der wohl versucht wurde, dem Betrachter zumindest noch etwas Individualität oder Abwechslung vorzugaukeln.
Aber es war nun mal kein Geheimnis, dass sich die meisten Menschen viel zu schade dafür waren jede Woche ein kleines Grab auf dem Friedhof zu versorgen. Wozu hatte man schließlich Gärtner, die einem für eine horrende Summe die kleinen Hecken immer auf genau der gleichen Größe hielten?
Seufzend umrundete ich die kleine Kapelle, die in der Mitte des Friedhofs stand und ihn in zwei Teile teilte.

Meine Nase begann langsam von der kalten Luft zu schmerzen, weshalb ich meinen Wollschal etwas höher schob. Dein Schal. Die Erkenntnis traf mich nicht gerade sanft und ich spürte ein schmerzliches Ziehen in meiner Herzgegend. Fest biss ich die Zähne zusammen und beeilte mich weiterzukommen. Ich sollte es endlich hinter mich bringen!

Das Grab, das ich schließlich erreichte, war anders als alle anderen. Und das meine ich wirklich so.
Anstatt irgend eines dunklen, tristen Grabsteins, erhob sich eine rein weiße Statue zwischen den Pflanzen. Ihre Form hätte man nicht genau bestimmen können, aber genau deshalb war sie so passend. Sie wurde dir gerecht. Dir und deiner Einzigartigkeit, auch wenn du das immer geleugnet hattest.

Jetzt im Februar blickte mir vom Fuße der Statue, zwischen einigen wenigen Pflanzen, blanke Erde entgegen. Ich wusste jedoch, dass sie in nur wenigen Wochen unter einer Armee aus Krokussen und blutroten Tulpen verschwinden würde.
Ich lächelte bei dem Gedanken daran. Dir hätte das mit Sicherheit auch sehr gut gefallen.

Das heisere Krächzen einer Krähe holte mich aus meinem Tagtraum und wischte mir das zaghafte Lächeln vom Gesicht, das sich unbemerkt da rauf gestohlen hatte.
Hier war ich nun zwischen all den Toten, so nah bei dir, wie ich es lange nicht mehr gewesen war und wusste nicht was ich sagen sollte.

"Hey", begann ich zögerlich. "Wie geht es dir?" Im nächsten Moment ging mir die Sinnlosigkeit dieser Frage auf und ich stöhnte einmal.
"Was für eine Frage. Du bist tot! Da bist du jetzt entweder im Himmel, in der Hölle oder nirgendwo. Wie auch immer, antworten kannst du mir sowieso nicht"
Ich hielt einen kurzen Moment inne, um mich zu sammeln und horchte auf die Stille. Außer dem stetigen Plätschern der Regentropfen und einem leisen Keckern, immer wenn sich zwei Meisen stritten, war nichts zu hören.

Schließlich brach es aus mir heraus:
"Weißt du, es war ziemlich scheiße von dir einfach so zu sterben. Hast du auch mal an mich gedacht? Was ich ohne dich machen soll? Es hat sich ziemlich viel verändert, seit du nicht mehr da bist.
Jenny und Noah sind endlich zusammengekommen so wie du es immer prophezeit hast. Es scheint ein bisschen so, als hätte dein Tod sie daran erinnert, wie kurz das Leben eigentlich ist. Das war wohl der Arschtritt den sie gebraucht haben um endlich zu begreifen wie perfekt sie eigentlich füreinander sind.
Deinen Eltern geht es ganz gut glaube ich. Deine Mum geht wieder arbeiten und scheint den Verlust zumindest etwas verarbeitet zu haben. Ich denke, dass dein Dad dazu beigetragen hat. Du musst dir also keine Sorgen um sie machen. Die beiden kommen klar."

Ich atmete einmal tief durch.
"Apropos das Leben ist kurz und Arschtritt. Meiner kam wohl etwas zu spät. Ziemlich unfair oder?
Jetzt wo du tot bist, begreife ich erst wie wichtig du mir eigentlich warst. Und damit meine ich nicht unsere Freundschaft. Klar, natürlich war das wichtig. Aber obwohl du meine beste Freundin warst, gibt es doch Dinge, die ich dir nie erzählt habe. Du hast es ja immer darauf angelegt, mich mit Timo zu verkuppeln.
Du dachtest immer meine Gegenwehr beruht auf der Tatsache, dass ich eigentlich heimlich auf ihn stehe. Du lagst selten falsch mit deinen Vermutungen, aber da hast du dich voll geirrt. Ich stand nie auf ihn, weil ich allgemein nicht auf Typen stehe. Aber das wusstest du nicht. Du hast nicht gewusst wer mein eigentlicher Schwarm war."

Bei den letzten Worten hatte meine Stimme zu zittern begonnen. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht auf der Stelle loszuheulen.

"Es ist einfach so unfair, dass du tot bist! Es ist so unfair, dass ich jetzt nie die Gelegenheit haben werde, dir persönlich zu sagen, was ich für dich empfinde. Es ist unfair dass ich jetzt ausnahmsweise mal geschminkt vor deinem Grab stehen muss und so tue, als würde ich mit dir reden!"

Ich wurde immer lauter und krampfte meine Hände in den Jackentaschen fest zusammen. Es war unfair, so unfair! Meine Brust fühlte sich mittlerweile an, als hätte jemand eine Kette mehrmals fest darum geschlungen und würde die Schlinge nun immer weiter zu ziehen.

"Scheiße Nelly, ich habe dich geliebt! Ich liebe dich immer noch und es ist so scheiße, dass du tot bist! Warum? Warum du?"

Mein Make-up war wohl mittlerweile vollkommen ruiniert durch die Tränen, die unaufhörlich meine Wangen hinabströmten. Ich schlang die Arme fest um meinen Körper, während ich von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Warum tat es so weh? Ich wimmerte, gepeinigt von unendlicher seelischer Qual. Mir war, als würde ich von ihnen verbrennen.

"Von wegen Gott braucht einen Engel. Weißt du was? Fick dich Gott!"

Ich schrie es dem grauen Himmel entgegen, der so leer war, wie ich mich oft gefühlt hatte, seit du nicht mehr da warst. Jetzt aber wurde diese Leere durch das heiße Brennen von Schmerz und Wut ersetzt. Trotzig wischte ich mir die Tränen aus den Augen und blickte ein letztes Mal auf das Grab vor mir, das nach wie vor unverändert dalag.
Der Friedhof war still und ruhig, als ich den kalten Marmor küsste.
Und dann ging ich.

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