Monologe: Attentat in München

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Wie mancher vielleicht weiß, habe ich früher in München gewohnt. Und, was sicher fast jeder mitbekommen hat, am 22.07.2016 hat ein 18-jähriger im OEZ auf Sinti/Roma und Menschen mit Migrationshintergrund geschossen. Damals gab es 10 Tote und der Attentäter hat sich das Leben genommen. So viel zu den Fakten.

Ich wohnte damals nicht sehr weit weg vom OEZ und war auch schon oft dort. Also war ich ziemlich geschockt, als ich gehört habe, was passiert ist.

Aber ich schreibe das hier nicht, weil ich sensationsgeil bin, oder etwas gesehen habe, zum Glück nicht. Aber ich würde dazu gerne etwas sagen.

Dass so etwas passiert ist ist furchtbar und ich bin in Gedanken bei den Opfern und deren Freunden und Angehörigen. Aber diese Reaktion auf das ganze kann ich nicht nachvollziehen. Kurz nachdem es passiert ist und sich die Information verbreitet hat, wurden die Gruppenchats mit Gerüchten, Videos und Bildern überflutet, mit der Begründung, man müsse sich ein Bild von der Lage machen.

Das kann man, wenn man die Nachrichten hört, aber ich brauche wirklich keine Bilder von Toten.

Das ist das erste. Das zweite ist, dass jetzt alle so geschockt und bekümmert sind und in ganz Deutschland nur noch über diese Tat geredet wird.

Natürlich ist es schlimm, das kann ich hier nur nochmal sagen, aber nur die wenigsten sind wirklich betroffen.
Also warum trauern sie?
Warum sind sie wütend?
Macht das die Toten wieder lebendig, verbessert das irgendwas?
Nein.

Denn die traurige Wahrheit ist, dass wir nichts tun können. Ich fühle mit den Opfern. Aber ich bemitleide sie nicht.

Und wenn man um die Opfer weint, dann stelle ich mir die Frage:
Wer weint um die Menschen, die tagtäglich in Syrien sterben?
Wer weint um die tausenden, die die Flucht aus ihrem Land nicht überleben?
Wer gedenkt derer, die Opfer von Verbrechern und Gewalttätigen Polizisten wurden?
Was ist mit den Frauen in Mexiko, die reihenweise ermordet werden?

Natürlich ist es unmöglich, jedem einzelnen zu gedenken, und das möchte ich auch nicht bewirken. Denn wie gesagt, Trauer hilft uns nicht weiter. Aber warum ist es so viel schlimmer, wenn in München 10 Menschen sterben, als wenn tausende in Afrika sterben?
Auch wenn es in meiner Nähe passiert ist, bin ich darüber nicht trauriger als über andere Morde oder Verbrechen.

Denn ich bin nicht direkt davon betroffen.
Und deshalb sollte ich auch nicht betroffen sein. Oder?

Ich weiß, das ist eine provokante Meinung, und ich bitte euch, mir eure Sichtweise auf das Geschehen zu schildern.
Ich will mit diesem Text auf keinen Fall jemanden verletzen oder beleidigen, falls ich es doch getan habe, weist mich bitte drauf hin.



Nachtrag

Damals, als ich diesen Text geschrieben habe, war ich 16 Jahre alt. Heute, 5 Jahre später sehe ich einige Dinge anders und empfinde manche meiner Aussagen als problematisch oder zumindest unglücklich formuliert.

Ich finde es jedoch wichtig, sie hier stehen zu lassen, auch weil man so mein Umdenken nachvollziehen kann. Ich möchte jedoch eine neue Perspektive ergänzen, da ich die alte Darstellung der Thematik als sehr eindimensional empfinde.

Was sehe ich heute also anders?

Zum einen ist das der "Whataboutism", der sich durch die ganze Argumentation zieht. Kurz zur Erklärung für die, denen dieser Begriff nicht geläufig ist: laut Wikipedia bezeichnet Whataboutism (wortwörtlich: was-ist-mit-ismus) "...eine Technik der Manipulation, durch die von unliebsamer Kritik abgelenkt wird, indem auf ähnliche oder andere wirkliche oder vermeintliche Missstände auf der Seite des Kritikers hingewiesen wird".

Ich habe ihn in diesem Fall weniger mit der Intention eingesetzt, Argumente außer Kraft zu setzen, die sich Konkret auf z.B. Maßnahmen zur Vorbeugung von solchen Anschlägen bezogen. Mir ging es mehr um den emotionalen und gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema. Trotzdem halte ich diese Technik für gefährlich, das sie manipulativ wirkt und, auch wenn ohne böse Absicht eingesetzt, die Grenzen verschwimmen lässt und so immer schneller als valides Argument akzeptiert wird, obwohl sie eigentlich nur ein Ablenkungsmanöver ist.

Nur weil in anderen Teilen der Welt schlimme Dinge passieren, heißt das nicht, dass Attentate, die eine geringere Zahl von Toten haben, weniger Aufmerksamkeit verdienen oder weniger tragisch sind. Der Schrecken solcher Ereignisse ist nicht untrennbar mit der Zahl der Opfer verknüpft.

Je mehr ich jetzt darüber nachdenke, desto problematischer empfinde ich meine Aussagen von damals. Denn würde man diese Argumentation weiter führen, so käme man schnell an den Punkt, an welchem man das Trauma der Betroffenen entwertet da es ja "schlimmer hätte kommen können".

In Teilen stimme ich aber meiner früheren Ansicht zu. Was ich nämlich vor allem kritisiert habe, war der öffentliche Umgang mit dem Thema, die Hysterie und die Betroffenheit, die aber schnell wieder verflog. Besonders ist mir das wieder beim Anschlag in Hanau aufgefallen.

Und hier schließt sich der Kreis. Dass Menschen von einem solchen Ereignis schockiert sind, ist vollkommen verständlich. Scheinheilig wird es aber dann, wenn nicht weitergedacht wird und daraus keine ensprechenden Konsequenzen gezogen werden. Dann kommt nämlich der Whataboutism ins Spiel, der die Erlebnisse der Opfer und Angehörigen bagatellisiert und als Ausrede genutzt wird, um nichts zu verändern.

Also Betroffenheit und Schock: vollkomen nachvollziehbar. Jedoch sollte man sich, wenn man so nah damit in Berührung kommt, auch bemühen, einen Schritt weiter zu denken und nicht in die Bequemlichkeit des Alltags zurück zu verfallen.

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