Monologe: Liebesbriefe an mich selbst

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Vor kurzem hat WattpadKaffeehausDE  eine neue Anthologie ins Leben gerufen: "Liebesbriefe an mich selbst"

Sobald ich es gesehen hatte, habe ich gleich einen Beitrag dazu verfasst und ihn eingereicht.

Als ich in den letzten Tagen mehr über das Thema Selbstliebe nachgedacht habe, habe ich schnell gemerkt, das manche der Briefe der Anthologie ein gewisses Unwohlsein bei mir auslösen, eine Art inneren Widerstand. Und ich frage mich, woher das kommt und warum ich so empfinde.

Texte, in denen man sich selbst lobt, für Eigenschaften, das Aussehen oder ähnliches, würde ich persönlich mit Vorsicht genießen. Denn meiner Meinung nach ist die Grenze zwischen Selbstliebe und unrefektiertem Eigenlob fließend.

Wer sich ständig sagt, wie toll er ist, verliert vielleicht die Fähigkeit, eigene Handlungen auch kritisch zu hinterfragen.

Aber Litteraria, werden jetzt vielleicht manche sagen, sich selber zu hinterfragen sind doch Selbstzweifel und die bremsen einen doch aus!

Jein. Für mich besteht ein klarer Unterschied zwischen Selbstzweifeln und dem hinterfragen seiner Handlungen.
Während ersteres durchaus hinderlich sein kann, ist letzteres meiner Meinung nach für eine menschliche Weiterentwicklung unabdingbar.

Und für mich hat Selbstliebe auch nicht zwingend etwas mit Lob oder dem Aufzählen positiver Eigenschaften zu tun. Sogar den Begriff empfinde ich als unpassend. Ich würde es eher Selbstwertschätzung oder Selbstakzeptanz nennen.
Denn genau das ist mein Ziel. Oder man müsste die Liebe auf alles und jeden ausweiten.

Natürlich, wer sich selbst permanent negativ sieht, der braucht vielleicht etwas Eigenlob als Ausgleich. Aber das eigentliche Endziel sollte sein, dass ich mich annehme, mich akzeptiere und mich nicht mehr auf meine Eigenschaften beschränke, sondern zu der Erkenntnis gelange, dass ich, alleine durch meine Existenz schon wertvoll bin. Dass alle meine Erfahrungen, meine guten oder schlechten Charaktermerkmale keine Rolle spielen und ich immer genau so viel Wert bin wie jeder andere auch.
Ich sollte niemals aufhören, an mir zu arbeiten, aber auch wenn ich scheinbar versage, ändert das nichts an meinerm Wert als Mensch.

Und dazu gehört auch, seine Vergangenheit zu akzeptieren. Ich bin mir sicher, dass viele von uns permanent mit einem "Was wäre wenn" oder "hätte ich doch" beschäftigt sind. Auch ich kämpfe mit dem, was ich getan habe oder nicht getan habe und muss mich immer wieder dazu zwingen, mich nicht selber zu belügen.
Andererseits sollte man auch nicht alles permanent mit der rosaroten Brille sehen und sich in einem "früher war alles besser" verlieren. Denn all das macht dich zu dem Menschen, der du heute bist.

Mit diesem Hintergrund könnt ihr nun die Briefe auf euch wirken lassen.
Mich interessiert sehr, wie ihr zu dem Thema Selbstliebe steht. Was haltet ihr von einer solchen Aktion?
Schreibt es mir gerne in die Kommentare oder, wenn euch das Thema zu privat ist, freue ich mich auch über Privatnachrichten.

Ich, 8 Jahre alt

Liebes Ich,
Ich denke in letzter Zeit häufig an dich zurück, da du mir jetzt so unglaublich weit weg vorkommst. Du, dieses fröhliche, unbeschwerte Mädchen, der Sonnenschein der Familie, die, die jedem die Hand reicht, auf jeden zugeht und niemanden traurig sehen will. Leider muss ich dir gestehen, dass davon  nicht viel übriggeblieben ist. Ich bin erwachsen geworden und habe verlernt, was es heißt, ein Kind zu sein.
Ich selbst zu sein, habe ich wohl auch verlernt. Aber ich weiß, dass du es mir wieder zeigen kannst, trotz oder gerade wegen deiner Fehler. Manchmal bist du so in deine Stimmung versunken, dass du das Gespür für den richtigen Augenblick verlierst und nicht merkst, wann es besser ist, mal nichts zu sagen.
Und wenn deine Fröhlichkeit Risse bekommt und du deinen Sturkopf einschaltest, hast du und deine ganze Familie damit zu kämpfen, dass dein Temperament mit dir durchgeht. Deine Eltern werden dir deshalb immer wieder Standpauken halten und dich bestrafen, aber vergiss niemals, dass sie dich sehr lieb haben und ihr bestes tun, dich zu einer wundervollen, starken und selbstbewussten Frau zu erziehen.
Du kannst alles schaffen. Höre niemals auf zu träumen.

Deine Phelicia

***

Ich, 11 Jahre alt

Liebes Ich,
Herzlichen Glückwunsch! Du hast deine Sturheit überwunden, hast gelernt und es aufs Gymnasium geschafft. Doch obwohl du dich so sehr darauf gefreut hast, hast du jetzt Angst. Du bist die einzige deiner Klasse, die noch niemanden kennt. Du fürchtest, den Anschluss zu verlieren. Ich würde dich gerne beruhigen, aber ich werde ehrlich zu dir sein: du wirst deine gesamte Schullaufbahn eine Außenseiterin bleiben.
Aber bevor du jetzt verzweifelst: in deiner Klasse wirst du deine beste Freundin finden. Ihr werdet ein paar Jahre brauchen um zueinander zu finden, aber eure Freundschaft wird so nur noch stärker und tiefer.

Schulisch läuft zurzeit aber alles gut bei dir.
In der sechsten Klasse wirst du aber feststellen, dass du doch nicht so schlau bist wie gedacht und du wirst wohl zum ersten Mal im deinem Leben wirklich lernen müssen. Die schlechten Noten werden dich frustrieren, genauso wie dir endlosen Diskussionen mit deiner Mutter. Aber keine Angst, du schaffst das.
Schlucke deinen Stolz herunter und alles wird gut.

Deine Phelicia

***

Ich, 14 Jahre alt

Liebes Ich,
Alles ist gerade sehr kompliziert. Du kämpfst mit deiner ersten großen Liebe, in der Schule verlierst du irgendwie den sozialen Anschluss, dein Körper verändert sich und da sind plötzlich Gedanken und Grübeleien, die vorher nicht da waren. An manchen Tagen erscheint dir das Leben grau und du weißt gar nicht wohin mit dir. Und dann ist da auch noch dein Körper, der nicht so ist, wie du dir ihn wünschst.
Ich kann dich leider nicht vor dem bewahren, was du die nächsten Jahre durchleben wirst. Deine Essstörung wird dir das Leben unglaublich schwer machen, aber egal wie verzweifelt du bist: du bist stark. Deine Sturheit, die dich vorher so gestört hat, wird dir die Kraft geben, dich da durchzukämpfen. Und irgendwann wird es dir auch wieder gelingen, deinen Körper zu lieben.
Halte durch, am Ende wird alles gut.

Deine Phelicia

***

Ich, 20 Jahre alt

Liebes Ich,
Viel Zeit ist seit meinem letzten Brief an dich vergangen. Du hast inzwischen das Abitur erfolgreich abgeschlossen (ich habe dir ja gesagt, dass du das mit den Noten hinbekommst), und steckst mitten in deiner Berufsausbildung.
Ein Studium, eine Ausbildung und gleichzeitiges Arbeiten fordern ihren Tribut. Die Ausbildung ist anstrengen und du musst dich mit extremem Leistungsdruck und Psychoterror herumschlagen.
Es ist kein Wunder, dass dich das alle Kraft kostet. Du steckst tief in einer Depression, aber willst es dir nicht eingestehen.
Aber das musst du, um eine Chance auf Heilung zu haben.
Es ist nicht normal, sich jeden Tag aus dem Bett zu quälen unter ständiger Hoffnungslosigkeit, Trauer und innerer Leere zu leiden. Du bist nicht wertlos, du bist nicht unnütz weil du nicht perfekt bist.
Du hast es nicht verdient, nie glücklich zu sein, du hast die schwarzen Gedanken, die Kraftlosigkeit, die Angst und die Panikatacken nicht verdient.
Du hast es verdient glücklich zu sein. Gestehe dir ein, dass du Hilfe brauchst. Das ist keine Schwäche, sondern unglaublich stark. Nur so können die Wunden in dir heilen.
Aber sie werden heilen. Sei geduldig mit dir.

Deine Phelicia

***
Ich, 21 Jahre alt

Liebes Ich,
Gestern bist du 21 geworden. Du hast es ignoriert, da du bis zum Hals in Abschlussprüfungen steckst und das ist auch okay so. In wenigen Wochen ist deine Ausbildung zu Ende und damit eine der anstrengendsten, schlimmsten, aber auch schönsten Zeiten in deinem Leben. Du bist in diesen drei Jahren unglaublich gewachsen, hast viel gelernt, bist gestolpert, gefallen, aber immer wieder aufgestanden. Die letzten Jahre haben Narben hinterlassen, aber auch wenn es manchmal unfassbar schwer war, erinnere dich an das, was du dir so oft sagst: "Auch wenn ich nochmal zurückgehen könnte und die Wahl hätte, das ganze nochmal zu erleben, ich würde es wieder und wieder tun. Denn es hat mich zu der gemacht, die ich heute bin."
Und du hast völlig recht damit. Denke daran, wenn du mal wieder nicht einschlafen kannst, weil du in Gedanken alles durchspielst, was du in deinem Leben bisher falsch gemacht hast. Denke daran, wenn du vor dem Spiegel stehst und dich die Dehnungsstreifen und kleinen Fettpolster stören, die dich an deine Esstörung erinnern. Denke daran, wenn du wieder in einer sozialen Situation bist und dir alles zu viel wird und du Angst bekommst und dich am liebsten zurückziehen würdest.

Sei offen, sei freundlich, sei geduldig, sei hilfsbereit, sei sanft. Du bist es zu anderen. Sei es auch zu dir selbst.

Du hast es verdient. Alles Glück der Welt, jeden schönen Moment und jeden Erfolg.
All deine Macken, all deine Narben machen dich wunderschön. Noch magst du daran zweifeln. Aber eines Tages wirst du das einsehen und dir ehrlich sagen können:

Ich liebe dich.

Deine Phelicia

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