16 | Januar 2020

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Michael summte leise die Melodie des Songs, der aus den Boxen seines Sound Systems dudelte, während er das Fleisch in der Pfanne wendete. Der Reis köchelte nebenbei; das Gemüse war im Dampfgarer und die Soße würde er direkt in der Pfanne angießen.

Zufrieden mit sich selbst nahm er den Rotwein aus dem kleinen Weinregal, das ihm Felix geschenkt hatte und entkorkte die Flasche, überlegte kurz, ob er ihn zum Dekantieren umfüllen sollte. Nein, das war den Aufwand nicht wert. Stattdessen stellte er die Flasche geöffnet auf der Anrichte ab; den Wein ein wenig atmen zu lassen, würde zumindest nicht schaden – auch wenn es in der Flasche fast nicht zu merken war, für sein Gefühl war es gut. Überhaupt war er seit Österreich deutlich weniger pingelig; der Wein in Plastikbechern verfolgte ihn noch immer.

Er freute sich auf den Abend, denn Christian hatte sich zum Essen angekündigt. Anstatt wie so oft beim Lieferservice zu bestellen oder sich beim Italiener verköstigen zu lassen, hatte er sich entschieden selbst zu kochen. Auch wenn er nicht viel Übung hatte, ab und an hatte er Spaß daran. Im Alltag fehlte ihm meist die Zeit dazu, doch heute gab er sich Mühe.

Zufrieden mit sich deckte er den Tisch, als ein Klingeln ihn aus seiner Vorfreude riss. Stirnrunzelnd wischte er sich noch einmal die Hände an dem Geschirrhandtuch ab, das er in eine der Schlaufen seiner Hose gesteckt hatte und schlich zu Tür. Christian hatte seinen Schlüssel behalten, als er wieder ausgezogen war; wer klingelte denn? 

Doch hoffentlich nicht wieder die junge Studentin, die im Herbst die Wohnung über ihm bezogen hatte und in letzter Zeit überraschend oft Mehl, Zucker oder Eier von ihm lieh. Bei ihrem ersten Besuch hatte er leider den Fehler gemacht, sie auf ein Glas Wein einzuladen und jetzt wurde er sie nicht mehr los.

Möglichst leise tapste er zu Tür und spähte durch den Spion; doch statt ihrer dunklen Locken, sah er glatte blonde Haare. Phillip.

Er schluckte; was wollte der denn hier?

Zögerlich legte er seine Hand auf die Klinke. Auf keinen Fall hatte er Lust, mit ihm zu sprechen, aber er konnte ihn nicht einfach ignorieren. Christian müsste ebenfalls gleich hier sein.

Vielleicht ging es ja schnell und der ungebetene Gast verließ die Wohnung rechtzeitig wieder.

Als die Tür aufschwang, blickte Phillip zu ihm auf. So wie er dort stand, sah er elend aus. Die Schultern hingen schwer nach unten, in seinem Gesicht standen Scham und Schmerz.

„Phillip", sprach Michael ihn wenig geistreich an. Was wollte er? Warum stand er plötzlich vor seiner Tür?

„Kann ich kurz reinkommen?", fragte der Blonde leise, spielte dabei verlegen mit dem Saum seiner Jacke.

Michael konnte das Fleisch riechen, nach dem er dringend sehen sollte. Also nickte er wortlos, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück ins Innere der Wohnung. Die Höflichkeit, Phillip in seine Wohnung zu bitten oder sogar zu warten, bis er seine Schuhe ausgezogen hatte, konnte er nicht aufbringen.

Obwohl er wusste, dass Phillip mit sich zu kämpfen hatte, hatte er keine Sympathien mehr für ihn übrig. Es hatte wohl nicht gereicht, dass er aus Christians Haus ausgezogen war, um sich aus dessen Leben zu halten. Christian war sein Exfreund verdammt, nicht sein Therapeut oder sein Vater. Auch wenn die beiden viel verband, ein wenig Anstand gehörte dazu.

Michael seufzte. Na ja, vielleicht war er nicht der Richtige, um darüber zu urteilen. Aber er hatte dazugelernt. Phillip anscheinend nicht.

Zurück am Herd nahm er das Fleisch aus der Pfanne, um es auf einen Teller in den vorgeheizten Backofen zu stellen. Hinter ihm räusperte sich Phillip, lenkte ihn ab.

„Michi...", sein Blick huschte durch Michaels Wohnung , er sah überall hin, nur nicht zu ihm.

„Was?", knurrte Michael. Er hatte keine Geduld mehr mit ihm.

Phillip holte tief Luft. „Es tut mir leid."

Michael zog die Brauen nach oben und legte den Kopf schief. Das wurde ja immer besser. „Dir tut was leid?" Welche von deinen dummen Aktionen genau?

Wenn er daran dachte, dass er ihm auch noch mit der Wohnung geholfen hatte, überkam Michael die Wut. Er hatte es dennoch geschafft, sich wieder zwischen sie zu schieben; gerade befanden Christian und er sich am Tiefpunkt, seit sie sich kannten. Und das hauptsächlich, weil Phillip sich an seinem Exfreund festklammerte.

„Dass ich euch Weihnachten ruiniert habe", murmelte er, dabei sanken die Schultern noch tiefer. Unsicher rieb er sich den Nacken, sah zu Boden. „Und, dass ich es euch so schwer mache."

„Schön, dass Du das immerhin weißt", entgegnete Michael bissig. Dann rümpfte er die Nase; das Fett in der Pfanne auf dem Herd begann zu rauchen. Scheiße, die Soße! Hektisch nahm er die Pfanne von der Hitze, hielt sie unter den Wasserhahn. Es zischte und dampfte, aber immerhin war nichts Schlimmeres passiert; nur ein Teil ihres Abendessens war hinüber.

„Und jetzt wohl auch euer Abendessen", nuschelte Phillip und brachte ihn damit zur Weißglut. Er ballte die Fäuste, spürte wie sich die Muskeln in seinem gesamten Körper anspannten, während er langsam durch die Nase ein und ausatmete.

Der Reis! Er schaltete den Herd ab, rührte den Reis um, damit dieser nicht vollends am Boden des Topfes ansetzte und bereute es, dass er Phillip die Tür geöffnet hatte – der Abend hätte so schön werden können. Endlich wieder Zweisamkeit – seit ihrem Streit am Weihnachtsfeiertag war die Luft dick zwischen Christian und ihm. Heute hätte es bergauf gehen sollen. Gutes Essen, guter Wein, ein klärendes Gespräch. Aber nein, auch das vereitelte ein gewisser blonder Mann.

„Was willst Du noch?", ungeduldig fuhr er ihn an. Und plötzlich war da noch mehr Respekt vor Julia, die ihn auch nach all den Jahren noch angehört hatte. Er sah sich selbst dort stehen, an Phillips Stelle. Es half keinem von ihnen, wenn er ihm jetzt die Dinge an den Kopf warf, die ihm auf dem Herzen lagen.

Versöhnlicher fügte er hinzu: „Brauchst Du Hilfe?"

Verdutzt schoss sein Blick zu ihm. „Nein, nein, Michael. Du hast mir schon mehr geholfen als ich mir selbst in den letzten Monaten. Mir tut es wirklich leid, dass ich mich so zwischen euch gedrängt habe. Damals schon, im September, als Du bei uns vor der Tür gestanden hast. Ich wusste zwar schon von dir, aber es hat so weh getan dich zu sehen."

„Und jetzt?"

„Und ich wollte dir viel Glück wünschen mit Christian. Er hat dich gern und ich...", er leckte sich nachdenklich über die Lippen, saugte die untere kurz zwischen die Zähne. Es schien ihm schwer zu fallen, die nächsten Worte auszusprechen. „Ich möchte euch nicht mehr länger im Weg stehen. Christian hat es verdient, endlich eine schöne Beziehung zu haben. Nicht eine, in der er sich ständig um mich kümmern muss."

Es versetzte Michael einen Stich, dass Phillip so über sich selbst dachte. Egal, was zwischen ihnen vorgefallen war, diese nagende Zerrissenheit wünschte er ihm nicht.

„Danke", sagte er deshalb und musterte ihn nun mit mehr Bedacht. Die Tränensäcke unter seinen Augen waren dick geschwollen, die Lippen spröde. Außerdem sah er dünn aus. Ihm ging es nicht gut.

„Phillip, was ist wirklich los?", fragte er nun sanfter.

„Er fehlt mir", gab Phillip zu. „Aber ich habe langsam eingesehen, dass ich keine Chance mehr habe bei ihm. Ich habe es ja versucht." Schuldbewusst sah er zu Boden. „Aber immer war es Michael hier, Michael da."

„Phillip, ich kannte seine Situation nicht, als wir angefangen haben, uns zu treffen. Ich habe selbst noch mit so viel zu kämpfen gehabt. Und Christian war immer so verständnisvoll und geduldig, ich habe nicht erwartet, dass er gerade in einer Trennung steckt." Es tat ihm fast ebenfalls leid, wie sich alles überschnitten hatte. Auch, wenn es nicht in seinen Händen gelegen hatte.

Bei diesen Worten schüttelte Phillip den Kopf. „Natürlich war er verständnisvoll. Er hatte mit mir genug Zeit zu üben."

Meinte er das ernst? War Christian nur so fürsorglich, weil er es aus seiner Beziehung zu Phillip gewohnt war, sich hintenanzustellen? Hatte sich Christian möglicherweise in ihn verliebt, weil er seinem Exfreund so ähnlich war? Ein Schauder durchlief ihn. Das konnte nicht sein.

Bevor er jedoch antworten konnte, klimperte der Schlüssel in Tür.

„Hey Principessa, ich bin da!", rief Christian in die Wohnung. Phillip starrte ihn an, als er zu ihnen in den Wohnbereich trat; er stand wie versteinert mitten im Raum und konnte den Blick nicht von Christian abwenden. Michael aber stöhnte etwas entnervt, denn er hatte gehofft den Blonden rechtzeitig wieder loszuwerden und die Konfrontation zu vermeiden.

„Hi!", sagte Michael sanft zu Christian. Seine schwarzen Haare waren unordentlich, platt von der Mütze, die er wohl wieder den ganzen Tag getragen hatte.

„Was ist denn hier los?", fragte dieser und sah zwischen Michael und Phillip hin und her. Überrascht runzelte er die Stirn. Als er das Zimmer durchquerte, strich er auf dem Weg zu Michael über Phillips Oberarm, drückte Michael einen Kuss auf die Wange und blieb neben ihm stehen.

„Ich- geh dann wieder", kündigte Phillip an. Der sehnsüchtige Blick, den er Christian zuwarf, schnürte Michael die Kehle zu. Langsam kam er sich vor, als würde er ihm seinen Mann ausspannen. Technisch gesehen war der Gedanke auch nicht ganz falsch. Die beiden mochten nicht mehr zusammen gewesen sein, als er Christian kennen gelernt hatte, aber sie verband viel und sie ließen einander nicht los. Er schluckte; nein! Nein, er war mit Christian zusammen, Phillips Zeit mit ihm war vorbei.

Michael nickte Phillip schließlich abwesend zu, sah ihm hinterher, als er in den Gang verschwand. Auch Christian stand reglos neben ihm, bis sich die Wohnungstür geschlossen hatte.

„Was wolltest Du denn von Phillip?", fragte Christian trocken. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Emotionen, die Michael nicht deuten konnte. Phillips Auftauchen wühlte ihn wohl ebenso auf.

„Ich wollte gar nichts von Phillip. Er war plötzlich hier. Ich weiß gar nicht, woher er meine Adresse hat", ließ Michael ihn wissen und fuhr sich dabei durch die Haare.

„Wieso sollte er einfach herkommen?", Unverständnis schwang in Christians Stimme mit.

„Er hat sich entschuldigt", Michael konnte seinen Freund nicht ansehen. Es war, als machte dieser ihn verantwortlich für Phillips Besuch, den er offensichtlich nicht gut hieß. Stattdessen ging Michael zurück zum Herd, sah nach dem Gemüse, das zu weich geworden war.

„Für was hat er sich entschuldigt?", Christian klang mit jeder Frage distanzierter. Kälter. Ein dumpfes Gefühl beschlich Michael, dass sie diese Diskussion nicht zum letzten Mal führten.

Michael seufzte, öffnete einen Hängeschrank, um darin nach einem fertigen Soßenpäckchen zu suchen. Das musste jetzt reichen. „Für Weihnachten. Und, wie er mich bisher behandelt hat."

„Aha", machte Christian und lehnte sich neben ihn an den Tresen. „Das ist alles?"

Langsam reichte es Michael. Was sollte das Verhör? Etwas zu energisch riss er das Soßenpäckchen auf, verteilte dabei etwas des Pulvers auf der Arbeitsfläche. Ach, verdammt.

„Ja, das ist alles!", fuhr er Christian an, sah, wie dessen Kiefermuskulatur bei seinen Worten zuckte und mahlte. „Ich habe wirklich besseres zu tun, als mich heimlich mit deinem Ex zu treffen. Was willst Du denn jetzt hören?"

„Ich weiß doch auch nicht", Christians Schultern sackten nach unten, er holte tief Luft. „Phillip zu sehen ist einfach immer schwer für mich."

Während Michael die Soße anrührte und aufkochte, schwiegen sie. Christian deckte still den Tisch.

Die Erschöpfung, die sie beide fühlten, hing in der Luft; wog schwer auf ihnen und erstickte jedes konstruktive Gespräch im Keim.

Es ärgerte Michael ungemein, dass sie sich schon wieder wegen Phillip stritten. Das musste ein Ende haben, und zwar bald. So, wie er Phillip heute gesehen hatte, litt auch er unter der Situation. Inständig hoffte Michael, dass er sich nun wirklich zurückzog und Christian sich ebenfalls nicht wieder um den Finger wickeln ließ.


Das Essen schmeckte nicht besonders gut; das Gemüse war zu weich, der Reis pappig, die Soße gewöhnungsbedürftig, nur das Fleisch hatte einen annehmbaren Garpunkt. Immerhin.

Zwischen zwei Bissen musterte er seinen Freund; die Müdigkeit zeichnete sich deutlich in dessen Gesicht ab. Die Kälte zehrte im Winter an ihm, wenn sie auf einer Baustelle waren, und Michael war froh, dass er dennoch den Weg zu ihm in die Stadt auf sich genommen hatte.

Er seufzte. Einer musste jetzt wohl den ersten Schritt machen, die Stille zu brechen.

„Chris, ich mag nicht mehr streiten", sagte er bestimmt, sah, wie sich die Züge seines Gegenübers etwas glätteten.

„Ich doch auch nicht."

„Warum tun wir das dann momentan so oft?"

Unsicher räusperte sich Christian, ließ sein Besteck sinken. „Es tut mir leid, dass mir das mit Phillip so nachhängt. Ich- ich habe einfach immer Angst um ihn. Es passiert so schnell, dass er wieder abrutscht."

Michael nickte langsam, griff zu seinem Weinglas. Er trank momentan zu viel, aber es war ihm gerade herzlich egal. Viel schwerer wogen Christians Worte, die davon zeugten, wie sehr auch er noch an seinem Exfreund hing. Wo war der Enthusiasmus des Sommers? Wo war die Zeit hin, in der es nur sie beide und die Schmetterlinge im Bauch gab?

Trotzdem konnte er Christian auch verstehen; würde Julia ihn um Hilfe bitten, wäre er an ihrer Seite. Oder David. Sein Magen zog sich zusammen; er hatte ihm nach ihrem gemeinsamen Essen an Weihnachten seine Nummer diktiert, aber umgekehrt seine nicht abgespeichert und seither hatte David sich nicht bei ihm gemeldet. Es sollte ihm egal sein, aber mit jedem Tag, der verstrich, gab er die Hoffnung mehr auf, wieder Kontakt zu ihm zu haben.

Er schüttelte über diesen Gedanken den Kopf, konzentrierte sich wieder auf Christian, der gerade ein Stück Fleisch abschnitt. Schlechtes Gewissen überkam ihn, denn er hatte ihm nicht gesagt, mit wem er ihre Reservierung an Weihnachten in Anspruch genommen hatte. Nur, dass es ein alter Freund war; nicht aber, was er ihm bedeutete. Warum er es verheimlichte, wusste er selbst nicht genau; nur, dass es sich nicht richtig anfühlte, alles preiszugeben. Auch wenn nichts passiert war, das es wert war zu verschweigen.

„Das mit Phillip, Christian, wir müssen dafür eine Lösung finden. So geht das nicht weiter", sprach er endlich aus, was ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge lag. Er hatte weder die Kraft noch die Lust, derart um Christian zu buhlen. Denn er hatte sich für diese Beziehung entschieden, aber hatte Christian es auch?

Seit seinem Geburtstag hatte er mehrfach daran gezweifelt und immer war der Grund Phillip. Christian mochte zwar allein hier neben ihm sitzen, aber es war, als wäre Phillip noch mit ihnen im Raum. Nicht greifbar und doch präsent. Egal, wie verliebt Michael war, es war zermürbend.

„Ich weiß, Michi", antwortete Christian zerknirscht. „Aber was sollen wir denn tun? Ich kann ihn nicht einfach fallen lassen."

Ein Knoten in Michaels Bauch formte sich, schlang sich brennend um seine Eingeweide. „Ich sehe keine andere Lösung. Er vermisst dich, er liebt dich noch. Wenn Du ihn immer wieder aufnimmst, kommt er nie von dir los." Und Du auch nicht von ihm.

Christian verzog das Gesicht, kräuselte leicht die Nase. „Ich weiß nicht mehr, wie es ohne ihn ist. Ich meine, ich habe mich jetzt schon so lange um ihn gekümmert." Er schluckte. „Ich weiß, dass Du recht hast, aber es ist nicht so leicht. Wirklich. Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn er... und ich nicht für ihn da bin."

„Das verstehe ich", hauchte Michael kraftlos, denn er konnte sich wirklich vorstellen, was er meinte. „Aber, Du führst keine Beziehung mehr mit ihm. Ich weiß, dass das alles schnell ging mit uns und dass Du nicht viel Zeit hattest, die Trennung zu verarbeiten. Nur, wenn Du uns eine Chance geben möchtest, dann bitte, überleg dir, was Du wegen ihm tust."

Die Hilflosigkeit, die sich daraufhin in Christians Augen schlich, konnte Michael beinahe körperlich spüren. Er wusste ganz genau, was er da eben gefordert hatte, wusste, was er von ihm verlangte. Christian musste sich entscheiden und Michael fühlte sich schlecht, dass er es überhaupt so direkt aussprach.

Nur – wenn sich Christian nicht bald von seinem Exfreund löste und dafür sorgte, dass Phillip nicht mehr den ständigen Kontakt suchte, positionierte er sich damit auch klar zu Michael. Und er wollte, dass sein Freund wusste, wie kritisch er die Situation betrachtete. Verdammt, wie kritisch die ganze Situation auch tatsächlich war.

Er hoffte einfach nur, dass Christian mit dem glücklich würde, für den er sich letztendlich entscheiden würde. Selbst, wenn es weder Phillip noch er selbst sein sollte.

Mit einem tiefen Seufzen sank Christian in seinem Stuhl zurück und legte den Kopf in den Nacken. „Ach, Michi", sagte er unbestimmt, ohne ihn anzusehen.

Langsam stand Michael auf, umrundete den Tisch und beugte sich zu Christian hinab. Seine Arme schlang er um seine Brust, den Kopf drückte er seitlich gegen Christians. Er atmete seinen wundervollen Duft nach Orangen ein, der selbst nach einem vollen Arbeitstag noch leicht an ihm haftete. Die kurzen Bartstoppeln rieben angenehm über seine Haut; er erlaubte es sich die Augen zu schließen und die Umarmung einfach nur zu genießen. Seine Hände wanderten vorsichtig über Christians feste Brust hinab zu seinem Bauch, wo er ihn zärtlich mit dem Daumen streichelte.

Sie machten es sich so schwer, dabei könnte alles so leicht sein.

Michael konnte spüren, wie sich Christians Atmung beruhigte und sich dabei der Herzschlag verlangsamte, als er sich gegen ihn lehnte. Sie schmiegten sich aneinander, verloren sich in der Berührung. Es tat gut, dass trotz des Streits ihre Verbundenheit bestand.

„Ich liebe dich, Christian", flüsterte er nahe an seinem Ohr, drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe.

Christian summte leise. „Ich dich auch, Michael."


In dieser Nacht fand Michael kaum in den Schlaf. Christians Kopf lag auf seiner Brust, den Arm hatte er um Michaels Mitte geschlungen. Es war selten, dass er diese Art der Nähe suchte; meist war es Michael, der sich an ihn kuschelte. Nun ging dessen Atem langsam und schwer; er schlief. Doch, dass er es in dieser Position tat, zeigte Michael, wie sehr auch ihn dieser Abend mitgenommen hatte.

Ganz vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, strich ihm Michael über die Haare, die sich weich und seidig zwischen seinen Fingern anfühlten.

Er dachte an die erste Nacht, die sie gemeinsam verbracht hatten; was ein One-Night-Stand hätte sein sollen, war zu einer unendlich komplizierten Beziehung geworden. Beide plagte sie ihre Vergangenheit.

Und obwohl Michael nicht mehr der unsichere Mann war, mit dem Christian damals in der Herrentoilette des Clubs geflirtet hatte, war er sich bewusst, wie fragil seine Selbstachtung noch immer war. Und diesen Schwebezustand ihrer Beziehung hielt er nicht aus. Das Thema einer gemeinsamen Wohnung hatten sie ebenfalls auf Eis gelegt. Tief holte er Luft; wenn er ehrlich war, sah es nicht gut aus für sie. Aber er wollte die Hoffnung noch nicht aufgeben, zu gut fühlte es sich noch immer an, neben ihm einschlafen zu dürfen.

Rastlos starrte er in die Dunkelheit, versuchte die Schemen im Zimmer zu deuten. Das spärliche Licht, das durch die Ritzen der Rollos fiel, reichte kaum aus, um etwas zu erkennen. Immer wieder schloss er kurz die Augen, doch seine Gedanken huschten von einem Problem zum nächsten, mochten keinen Frieden finden. Es hatte keinen Zweck; so konnte er nicht wieder einschlafen. Vielleicht würde ja etwas Sport am Morgen helfen, besser zur Ruhe zu kommen?

Seine rechte Hand behielt er in Christians Haaren, während er mit der linken auf dem Nachtkästchen nach seinem Handy tastete. Er musste sich nur einen anderen Wecker stellen, damit er rechtzeitig aus dem Haus kam.

Als er das Display entsperrte, leuchteten ihm mehrere Benachrichtigungen entgegen, die er desinteressiert zur Seite wischte. Doch bevor er den Wecker öffnen konnte, erschien eine neue Nachricht, diesmal von einer unbekannten Nummer.

Hi Michael, ich hoffe dir geht es gut. Bitte entschuldige, dass ich mich jetzt erst melde.

Bei dieser Zeile klopfte sein Herz plötzlich etwas schneller gegen seinen Rippenbogen. War das...? Er tippte auf die Nachricht, sah sich das Profilbild in der App an. Ja, das war David. Er stand nur in Badehose am Strand, die Sonnenbrille lässig in die blonden Haare geschoben, einen Cocktail mit Schirmchen in der Hand. Ganz aktuell konnte das Bild nicht sein, denn der Schnauzer fehlte. Michael musste unwillkürlich lächeln; auf dem Foto sah David glücklich aus, gelöst.

Entschuldigung, hier ist David Naczynski.

Die neue Nachricht brachte ihn zum Grinsen. Als ob er diesem Blondschopf nicht überall erkennen würde. Sollte er direkt antworten? Es war beinahe ein Uhr nachts – warum zur Hölle schrieb David ihm ausgerechnet jetzt?

Verunsichert wechselte er doch zu seinem Wecker und stellte ihn eine halbe Stunde früher. Wenn er noch ins Fitnessstudio wollte, musste er etwas früher aufstehen. Und alles in ihm schrie nach einer ausgiebigen Einheit. Er musste wieder abschalten; seine kreisenden Gedanken unter Kontrolle bringen und mit was ging das besser als mit Sport.

Wieder öffnete er den beinahe leeren Chat mit David und las die Nachrichten, starrte auf das Profilbild. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass sie sich wieder getroffen hatten. Und dann ausgerechnet an ihrer Bucht am See.

Er beschloss, ihm morgen zu antworten, denn die Zeichen auf dem Display verschwammen langsam vor seinen Augen; es wurde Zeit, noch einmal zu versuchen, einzuschlafen. Er sperrte dein Telefon und legte es zurück auf das Nachtkästchen, dann schob er Christian vorsichtig von sich herunter. Auf dem Rücken hatte er noch nie gut geschlafen. Brummend rollte sich dieser zur Seite, blieb in der Mitte des Bettes liegen. Zufrieden schlang Michael nun seinen Arm um Christian, drückte seine Nase in dessen Haaransatz. So war es besser. Nach einem weiteren, herzhaften Gähnen schlief er schließlich ein.

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