18 | März 2020 (2)

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Nachdem Michael seiner Kollegin einen groben Abriss der letzten Stunde gegeben hatte, bestand sie darauf, dass er den Abend nicht allein verbringen musste und lud sich förmlich zu ihm nach Hause ein. Und er musste zugeben, dass er ihre Fürsorge genoss. Obwohl er gefasst war, arbeitete es in ihm – würde er sich nun ins Bett legen, würde das Gedankenkarussell wieder Fahrt aufnehmen. Um jeden Preis wollte er verhindern, dass die Nostalgie von ihm Besitz ergriff.

„Stört es dich, wenn ich rauche?", fragte er sie, als sie bei ihm angekommen waren. Sein Körper verzehrte sich nach dem Gift in seinen Venen.

„In der Wohnung?", fragte sie leicht angeekelt, während sie sich die Schuhe von den Füßen streifte.

„Am Fenster", erklärte er und zog die Schachtel aus der Jacke.

„Wenn's sein muss."

Im Wohnzimmer ließ sie sich auf der Couch nieder, sah sich aufmerksam um. Sobald die Tür zu seinem französischen Balkon offen war, steckte sich Michael gierig die Zigarette zwischen die Lippen und ließ das Feuerzeug schnippen. Leise seufzend quittierte er den bitteren Rauch auf der Zunge, der seine beruhigende Wirkung entfaltete.

Er hatte es wirklich getan. Er hatte sich getrennt. In seiner Brust kämpfte das Gefühl der Befreiung mit der Angst vor erneuter Einsamkeit. Aber in den letzten Wochen hatte er sich auch oft einsam gefühlt, trotz seiner Beziehung.

„Michi, jetzt erzähl nochmal. Warum war das so ein großes Problem, dass Phillip heute da war? Er ist doch auch wieder gegangen und hat keine Szene gemacht. Es tut mir leid, aber ganz verstehe ich das noch nicht", Stefanie strich sich eine ihrer blonden Locken hinter das Ohr und sah ihn erwartungsvoll an.

Langsam entließ Michael den Rauch aus seiner Lunge, bevor er zu einer Antwort ansetzte. „Es geht ums Prinzip, Steffi. Dass er kurz da war... soll er doch. Aber das geht schon seit Monaten so, weißt Du?" Stefanie runzelte verständnislos die Stirn. Michael seufzte, bevor er begann zu erzählen; von Phillips Eskapaden und Einmischungen. Von Christians Unfähigkeit, etwas daran zu ändern.

Er machte lediglich kurze Pausen, um an der Zigarette zu ziehen. Während er sprach, zeigte Stefanie ihre Missbilligung deutlich, zog a manchen Stellen die Brauen nach oben, schüttelte den Kopf.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst?", fragte sie ungläubig. „Ich wäre schon über alle Berge gewesen, als Phillip dir die Tür aufgemacht hat! Was hast Du dir denn dabei gedacht, das ist doch eigentlich schon damals klar gewesen, dass was nicht stimmt zwischen den beiden!"

Gequält lachte Michael auf. „Doch, das ist mein Ernst. Er hat mir so viel Sicherheit gegeben, hat mir gezeigt, dass ich mich nicht schämen muss, dass ich auch mit Männern zusammen sein möchte. Deshalb habe ich ihm das alles verziehen, einfach so. Ohne ihn... ich glaube, ich wäre heute ein anderer Mensch."

Stefanie hatte indes eine der Wolldecken über ihre Beine gebreitet. „Ich verstehe schon, er hat dir trotzdem etwas bedeutet."

„Er bedeutet mir unglaublich viel, Steffi", stellte Michael klar und nahm einen neuen Zug. „Er hat mich aus einem riesigen Loch geholt, indem er einfach... da war. Er hat gar nichts spezielles gemacht, aber er war immer der Fels in der Brandung. Ich bin ihm wirklich dankbar. Ich habe sogar meinen Freundeskreis überdacht, weil die Jungs, mit denen ich nur feiern war,... da war ich nie ich selbst. Die hätten wahrscheinlich auch nur Witze gemacht und mich nicht ernst genommen."

„Okay, und wie ist das jetzt mit Phillip weitergegangen?"

Wieder begann Michael zu erzählen, spürte, wie die Worte aus ihm herausbrachen, als hätten sie nur darauf gewartet, endlich gehört zu werden. Es tat gut, sich ihr anzuvertrauen, hatte er doch selten mit jemandem über alles so offen sprechen können.

„Er hat dich wegen ihm versetzt. An Weihnachten?", Stefanie hatte sich aufgerichtet, starrte ihn mit großen Augen an. Michael merkte auch erst jetzt, wie schief alles tatsächlich gelaufen war. Ein letztes Mal führte er die Zigarette zum Mund, sah zu, wie der Tabak hell aufglomm. Sein Inneres war ruhig; fühlte sich taub an, als würde er neben sich stehen. Der Schmerz des Verlustes war weder in seinem Herzen noch in seinem Kopf vollständig angekommen. Kurz dachte er an David und den schönen Abend, den sie an Weihnachten stattdessen gehabt hatten.

„Mhh", machte er, während er ausatmete und den Filter gegen das Geländer drückte. „Ja. Seitdem ging es nur noch bergab. Aber ich kann das nicht mehr, Steffi. Es ist so anstrengend, vom eigenen Partner immer wieder hinten angestellt zu werden. Und es tut verdammt weh."

Er schluckte, sah auf die Lichter der Stadt hinaus, seufzte. Es war vorbei. Hatte er sich selbst vor weiteren Enttäuschungen bewahrt oder sich die Chance auf eine wunderbare Beziehung verbaut? Schützte er sich selbst oder war er unnötig egoistisch?

„Meinst Du... Meinst Du er ist dir fremdgegangen?", fragte sie nach einer Weile, in der sie beide schweigend ihren eigenen Gedanken nachgehangen waren.

„Warum fragst Du?"

„Na ja, er war ständig mit seinem Ex zusammen. Denkst Du nicht, dass es naheliegend ist, dass sie auch... na, Du weißt schon." Bei den letzten Worten wedelte sie wild mit der Hand, als ob sie bildlich darstellen wollte, was sie nicht benennen mochte.

Tatsächlich hatte Michael noch keinen Gedanken daran verschwendet. Er wusste, er sollte entrüstet darüber sein, dass sein Freund vielleicht mit seinem Ex im Bett gelandet war. Aber, er musste sich eingestehen, das war es nicht, was sein Blut gelegentlich zum Kochen gebracht hatte.

„Keine Ahnung, ist mir eigentlich auch egal."

„Wie? Dir kann das doch nicht egal sein, ob er mit einem anderen vögelt! Noch dazu vielleicht seinem Exfreund", rief Stefanie entrüstet.

Ausgelaugt seufzte er; rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel. „Eigentlich schon. Hätten die nur miteinander geschlafen und Christians und meine Beziehung wäre in allen anderen Aspekten perfekt gewesen, hätte mich das nicht groß gestört. Na ja, ich glaube zumindest, es hätte das weniger weh getan, als jede Woche wieder wegen Phillip zu streiten. Christian war manchmal lieber für ihn da als für mich."

„Michi!", keuchte sie. „Sag doch sowas nicht! Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass fremdgehen besser sein soll... Was kann für dich tun?"

„Nichts", er schüttelte kaum merklich den Kopf. „Du kannst gar nichts machen. Außer mir ab und an mal Gesellschaft leisten."

„Lässt sich einrichten", sie lächelte schief, aber die Geste erreichte ihre Augen nicht. Sie machte sich Sorgen. „Wie geht's dir jetzt?"

Mit den Schultern zuckend durchquerte er das Zimmer, ging zur Spüle, um sich ein Glas Wasser einzuschenken. „Ich weiß nicht. Ich... möchte nochmal mit Christian sprechen morgen. Vorhin habe ich einfach nichts sagen können, mich nicht erklären können. Ich bin mir zwar sicher, dass er im Grunde genau weiß, warum, aber ich möchte das nicht so stehen lassen. Außerdem habe ich noch Sachen bei ihm."

„Tust Du dir nicht selbst weh, wenn Du morgen direkt wieder hinfährst?"

„Nein, ganz im Gegenteil. Ich brauche da jetzt einen klaren Schnitt, sonst... Christian ist ein Mensch, von dem man nicht so leicht wieder loskommt, mit seiner Art. Und als Beziehung hat das für mich keine Zukunft mehr. Leider."

Stefanie hatte sich irgendwann ein Taxi gerufen und Michael doch allein mit seinen Gedanken gelassen. Beim Zähneputzen stellte er jedoch fest, dass er seine Entscheidung nicht bereute. Bis er sich geduscht hatte, siegte langsam das Wissen, das er nicht mehr länger gegen Windmühlen kämpfen musste.

Später im Bett fand er trotzdem keine Ruhe und scrollte ziellos durch die Social Media Apps seines Smartphones, bis ein Selfie von David in seinem Feed aufploppte. Darauf grinste er breit in die Kamera, die blauen Augen funkelten auch im Dämmerlicht der Bar. Was das wunderbare Bild jedoch störte, war der muskulöse Kerl, an dessen breiter Brust David lehnte. Michael schluckte, das war dann wohl sein Date.

Nach kurzem Googeln identifizierte er den getaggten Standort als Teil der queeren Szene. Ein Klick auf das verlinkte Profil identifizierte sein Date als Sven, 35 und verdammt gutaussehend mit seinem kantigen Kinn. Verschiedene Emotionen brachen in ihm aus; das Verlangen, die Freiheit zu schmecken, die die beiden auslebten. Wie es wohl wäre, in Berlin mit ihnen durch die Bars und Clubs zu ziehen?

Kurz entschlossen wechselte er zu seinen Nachrichten, tippte auf Davids Profil und schickte einige Zeilen ab.

Ich habe das Foto gesehen! Für ein blind date nicht schlecht ;) Hoffe, ihr hattet einen schönen Abend!

Zu seiner Überraschung färbten sich die Häkchen hinter der Nachricht nach wenigen Sekunden ein; David hatte sie schon gelesen. Sein Herzschlag beschleunigte sich etwas; aufgeregt starrte er auf das Display. Drei kleine, hüpfende Punkte kündigten eine baldige Antwort an.

Kann man so sagen. :) Ist schön mit ihm. Bei dir?

Bin schon zuhause.

Oh? Bin auch auf dem Heimweg.

Allein? ;)

Nein. :P Was ist los bei dir?

Fuck! Warum hatte er überhaupt gefragt? Warum hatte er überhaupt wissen wollen, was David gerade tat. Tun würde. Und mit wem. Herrgott! Er fuhr sich über das Gesicht. Und warum fühlte sich dieses Wissen so komisch an? Er entschloss sich, Davids Frage zu beantworten, denn er hatte das Bedürfnis, sich ihm anzuvertrauen. Auch wenn er damit wohl sein Date störte. Dann sollte er ihm eben morgen antworten.

Phillip war da.

Christians Ex? Und jetzt? Hört sich scheiße an.

Ja und jetzt? Allein lag er in seinem Bett, sehnte sich nach Gesellschaft, Ablenkung, Aufmerksamkeit. Vielleicht wäre ein Ausflug nach Berlin genau das Richtige, um seinen Fokus von der Trennung zu nehmen. Vielleicht würde er in Berlin abschalten und ein paar neue Erfahrungen machen können? Warum sollte er es denn nicht versuchen?

Was dagegen, wenn ich dich bald in Berlin besuche?

Die Frage war verschickt, ohne dass er länger über die möglichen Implikationen nachgedacht hatte. Aber... sie waren Freunde. Es war ja nicht komisch, einen Freund zu besuchen, oder?

Gern! :) So schlimm gewesen?

Ja. Sonst würde ich nicht allein im Bett liegen.

Unter seine letzte Nachricht schickte er ein Selfie, das er spontan knipste; warum? Konnte er nicht sagen. Für den Moment übernahm der Teil seines Hirns, der keine Selbstbeherrschung kannte; der, der das allein sein nicht akzeptieren wollte; der, der schon jetzt gerne den Blonden neben sich wissen würde. Im Halbdunkeln, mit nacktem Oberkörper, lächelte er müde in die Kamera. Würde David verstehen, was das Bild aussagen sollte? Keine Ahnung. Wusste er selbst, was er damit bezweckte? Auch nicht.

Gute Nacht :) Ich erzähl dir alles ein andermal. Viel Spaß ;)

Er wartete nicht mehr auf Davids nächste Nachricht, ärgerte sich kurz über sich selbst. Was sollte das Foto? Hatte er versucht zu Flirten? Nein, das war doch Blödsinn! Er hatte sich vor wenigen Stunden von seinem Partner getrennt; David hatte ein Date. Warum also, hatte er das Bild abgeschickt? Verdammt, was war nur los mit ihm? Konnte er ihm denn gar keinen Spaß gönnen? Warum machte er sich überhaupt Gedanken über David? Oder nahm ihn nur die Nachricht über ein erfolgreiches Date so mit, weil der Abend bei ihm so desaströs geendet hatte? Er hoffte einfach nur, dass sich das Chaos in ihm morgen wieder gelegt haben würde.

Er öffnete den Chat mit Christian, ließ ihn wissen, dass er morgen Mittag bei ihm sein würde. Dann sperrte er sein Handy, ohne die neueste Nachricht von David zu lesen. Irgendwann umfing ihn ein unruhiger Schlaf, aus dem er viel zu früh am nächsten Morgen mit pochenden Kopfschmerzen wieder erwachte.

Als Christian ihm am nächsten Tag die Tür öffnete, erschrak Michael fast; er sah fürchterlich aus. Dunkle Ringe unter seinen geröteten Augen traten auf der blassen Haut deutlich hervor und sein Shirt war zerknittert. Hatte er darin geschlafen? Hatte er überhaupt geschlafen?

Der gestrige Abend hatte Christian wohl noch mehr mitgenommen als ihn selbst.

Wortlos ging Christian ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch fallen ließ und die Unterarme auf den Knien abstützte.

„Ich habe deine Sachen dabei", begann Michael vorsichtig und setzte die Sporttasche neben dem Sessel ab, auf den er sich zögerlich setzte.

„Okay", hauchte Christian. „Dein Zeug steht an der Garderobe."

„Danke", Michael fuhr sich mit der Hand über den Nacken, wo eine kleine hartnäckige Stelle unter seinem Kragen begann zu jucken. Es war schrecklich, Christian in diesem Zustand zu sehen und er fühlte sich schuldig, dass es ihm selbst nicht so schlecht ging. Im Gegenteil war er eher froh, dieses Gespräch nun zu führen und damit einen Schlussstrich zu ziehen. Es musste sein.

„Christian, ich... es tut mir leid, dass es ausgerechnet gestern sein musste. An der Feier, das war nicht wirklich angebracht", entschuldige sich Michael. Denn dieser Punkt hatte den Morgen über an ihm genagt; ja, er hatte es sich einfach gemacht und war einfach gegangen, während Christian noch mit seinen Freunden konfrontiert war.

„Schon gut", sagte der kraftlos. „Du hattest jedes Recht dazu. Wenn ich darüber nachdenke, frage ich mich, warum Du das Drama mit Phillip so lange mitgemacht hast."

„Das ist ganz einfach. Ich habe dich geliebt oder tue es vielleicht sogar noch. Du hast mir so viel gegeben, dass ich lange gehofft habe, dass Du mit ihm noch eine Lösung findest."

„Ja?", Christian sah ihn traurig an, in den dunklen Augen lag ein feuchter Glanz. „Dann muss ich dich ja richtig enttäuscht haben."

Michael holte tief Luft. Ja enttäuscht war er definitiv gewesen für eine lange Zeit, aber gegen Ende war das Gefühl einer tiefen Resignation gewichen. „Weißt Du, irgendwann habe ich verstanden, dass Du nicht zu mir gehörst."

„Was meinst Du?"

„Na ja", Michaels Stimme war sanft und liebevoll, obwohl ihm die nächsten Worte unglaublich schwerfielen. „Ich weiß, dass Phillip und Du... ihr habt noch nicht miteinander abgeschlossen und ich glaube, das werdet ihr so schnell auch nicht. Und das ist okay. Das muss ich akzeptieren."

„Du bist nicht sauer?", Christians Mund stand offen, in seinen Augen spiegelte sich tiefe Zuneigung.

Nachdenklich schnaubte Michael leise, bevor er die Frage auch verbal beantworte. „Ich war eine Zeit lang wütend nach Weihnachten, sehr sogar. Aber ich möchte auch nicht mehr um etwas kämpfen, das es wahrscheinlich so für mich nicht geben wird." Er biss sich auf die Lippe. „Du hast mir trotzdem gezeigt, wer ich sein kann, wenn ich das möchte. Ich habe lange gedacht, dass ich besser die Finger von Beziehungen lassen sollte, weil ich mir wieder nur selbst im Weg stehen würde. Und, so blöd es klingt, ich habe ja auch Fehler gemacht in dem Jahr mit dir, war unnötig schnell eingeschnappt, habe dich am Anfang versteckt, aber... ich habe gesehen, was ich wieder haben möchte. Und ich habe vor allem gesehen, dass ich es kann. Auch mit einem Mann. Dafür habe ich dich gebraucht. Danke dafür, Christian. Danke, dass Du diesen Weg mit mir gegangen bist."

„Aber..."

„Nichts aber", sagte Michael mit Nachdruck. „Ich habe jedes Wort genauso gemeint, wie ich es gesagt habe. Bist Du denn sauer, dass ich Schluss gemacht habe?"

„Puh", machte Christian, stand auf und trat ans Fenster. „Weißt Du, ich war wirklich gern mit dir zusammen. Ich werde unsere Ausflüge vermissen und wenn Du mal nicht so griesgrämig bist, bist Du nämlich wirklich gute Gesellschaft."

Michael lachte leise, betrachtete wehmütig die Silhouette seines Exfreundes. „Danke für die Blumen."

„Aber", sprach Christian schließlich weiter. Das Wörtchen ließ Michael das Herz in die Hose rutschen. Was jetzt wohl kam? „Ich habe auch gemerkt, dass Phillip für mich mehr als nur ein Exfreund ist. Ich verspreche dir, da ist nicht gelaufen zwischen uns in der Zeit. Aber... es hat sich nicht so angefühlt, als wäre das alles vorbei, weißt Du?"

Gequält verzog Michael das Gesicht. „Ja, ich weiß. Ich habe das auch gespürt. Ich bereue das vielleicht gleich, das gefragt zu haben, aber... hast Du mich jemals so geliebt wie ihn?"

Stille legte sich über sie, als Christian ihn mit unergründlicher Miene musterte. Es dauerte, bis er sich über den Mund rieb und langsam zu sprechen begann. „Nein. Nein, Michi, das habe ich nicht. Es hat sich mit dir immer anders angefühlt, leichter irgendwie, aber auch weniger endgültig."

„Aber hat es sich denn richtig angefühlt?"

„Ja!", kam es sofort von Christian. „Auf jeden Fall! Zu Beginn auf jeden Fall!"

„Manchmal ist das Richtige eben nur für den Moment richtig und nicht für ewig", murmelte Michael leise. Zumindest für ihn traf das so zu. Noch einmal atmete er tief durch; jetzt wo sie so offen wie nie miteinander sprachen, spürte er doch, wie sehr Christian ihm fehlen würde. Er hatte zwar akzeptiert, dass auf romantischer Ebene nicht mehr zueinander finden würden, aber doch schnürte es ihm die Kehle zu, wieder ohne ihn durchs Leben gehen zu müssen.

Langsam stand er auf und trat neben Christian, der wieder aus dem Fenster starrte, seinen eigenen Gedanken nachhing, die er nicht zu teilen gedachte.

„Darf ich?", fragte Michael und legte ihm eine Hand auf den Oberarm.

„Mhh", brummte Christian und nickte. Mit schmerzender Brust zog Michael ihn in eine enge Umarmung, vergrub die Nase an seinem Hals. Gott, wie er diesen Geruch vermissen würde; die Orangennote grub sich tief in seine Erinnerungen, in sein Herz. Sie roch wie die Sonne. Zunächst zaghaft, dann mit Nachdruck erwiderte Christian die Umarmung. Seine rauen Hände wanderten über Michaels Rücken, fühlten sich trügerisch gut an.

Eine Weile standen sie einfach dort; kosteten ihre Nähe ein letztes Mal aus, spürten den Herzschlag des anderen. Brennend stiegen nun doch die Tränen in seinen Augen nach oben; die Geborgenheit, die er trotz allem noch in dieser Berührung empfand, raubte ihm den Atem.

Dann, irgendwann, brach die Magie des Moments und sie lösten sich voneinander, sahen sich noch einmal voller Wertschätzung in die Augen. Mit jeder Sekunde wurde es schwerer für Michael, also zwang er sich, den Rücken durchzudrücken und sich abzuwenden.

„Ich gehe dann jetzt", sagte er plump.

Christian nickte, presste die Lippen aufeinander. Auch ihm stand deutlich ins Gesicht geschrieben, wie schwer ihm diese Trennung fiel. „Mach's gut."

„Chris?", fragte Michael aus einer spontanen Eingebung.

„Hm?", fragend zog der Schwarzhaarige die Brauen nach oben.

„Wenn... wenn Du mal Gesellschaft zum Rad fahren brauchst, dann melde dich, ja? Mir verstaubt der Drahtesel sonst nur." Bereist als die Worte seinen Mund verlassen hatten, wollte er sie zurücknehmen. Oh, Gott! Das war doch keine gute Idee!

„Mal sehen, Michi", sanft lächelte Christian ihn an. „Vielleicht mache ich das. Und... komm gut nach Hause, ja?"

„Ja. Ciao", dann wandte sich Michael zum Gehen, hob seinen Rucksack auf, den Christian an der Garderobe neben der Haustür platziert hatte und sah noch ein letztes Mal über die Schulter zurück. Im Wohnzimmer wischte sich Christian gerade mit dem Handrücken über die Augen, aber als sich ihre Blicke trafen, lächelten sie beide.

Es war richtig so.

Das wussten sie.

Auch, wenn es schmerzte.

Auch, wenn es noch eine Weile weh tun würde. 

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