17. Kapitel

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"Was war zuerst da? Das Huhn oder das Ei? Der Glaube an einen Gott oder die Angst vor einem Teufel? Die Hoffnung auf das Himmelreich oder die Angst vor der Hölle?". Ohne jegliche Begrüßung feuerte unser Lehrer die Fragen auf uns ab, bevor er sich auf seinen Stuhl sinken ließ und eine Kunstpause machte, in der er seinen Blick einmal durch den ganzen Raum wandern ließ.
"Wie alles was in der Bibel steht, ist auch die Hölle als eine Metapher zu verstehen. Die Bibel ist kein akkurater Bericht, wie manch einer versuchen mag uns weiszumachen. Sie hat auch gar nicht den Anspruch, uns wie bei einem Zeitungsbericht die Abfolge von Geschehnissen zu schildern. Nein, die Bibel transportiert nur die Botschaft, die zwischen den Zeilen steht und es ist an uns sie zu deuten. Gott ist ein Geheimnis, das nicht in Worte gefasst werden kann, weshalb Jesus immer in Gleichnissen von ihm spricht. Auch die Hölle wird in Metaphern beschrieben. Wenn Jesus im Matthäus Evangelium in der Bergpredigt also von dem Höllenfeuer spricht, dem derjenige verfallen soll, der seinen Bruder einen Narr nennt, dann spricht er nicht von einem Ort. Wenn er von dem Himmelreich spricht, dann spricht er nicht von einem Ort, an den wir nach unserem Tod gelangen. Der Himmel ist kein Ort, den wir als Belohnung erreichen, wenn wir uns nur unser Leben lang an alle Regeln halten. So funktioniert unsere Beziehung zu Gott nicht. Gott ist wie der Vater in dem Gleichnis von dem verlorenen Sohn, der sein ganzes Erbe verprasst und nach Hause zurückkehrt, nur um von seinem Vater mit offenen Armen empfangen und gefeiert zu werden. Gott begegnet uns nicht, wenn wir an der Spitze stehen und alles richtig machen. Nein, Gott findet uns in unseren schwächsten Momenten, in denen wir am Boden liegen, in denen wir verwundbar sind. Wenn wir ins Himmelreich eingehen, wird er nicht fragen, was wir in unserem Leben alles erreicht haben. Er wird nicht wie ein Lehrer, all die Fehler in unserem Leben rot anstreichen und bewerten, wie genau wir uns an die Regeln gehalten haben. Nein, er wird uns mit offenen Armen empfangen und uns die Stärke zeigen, die wir in unseren schwächsten Momenten bewiesen haben. Genauso wie das Himmelreich keine Belohnung ist, für diejenigen, die ihr Leben vollkommen dem Glauben und den Regeln widmen, ist die Hölle auch keine Bestrafung für diejenigen, die im Leben fehlgeleitet werden. Wenn Jesus also sagt: ,Wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein', dann spricht er nicht von einer Strafe, die ein Anderer über einen verhängt. Wir selbst sind diejenigen, die uns verurteilen. Es ist unser Gewissen, auf dem die Dinge lasten, von denen wir wissen, dass sie falsch sind und so schaffen wir selbst die Hölle, in die wir eingehen. Wer kann den Begriff der Spiritualität von oben und unten nach Anselm Grün auf die Geschichte vom verlorenen Sohn anwenden?".

Er schien während seines Monologes nicht einmal Luft geholt zu haben und ein Blick in die Gesichter der anderen Schüler zeigte mir, dass sie Mühe hatten, seinen Gedankengang zu verfolgen und die abrupte Frage am Ende, die völlig aus dem Kontext gerissen schien, sie unvorbereitet traf. Ich biss mir auf die Unterlippe, um mein Grinsen angesichts der planlosen Gesichter zu verbergen und hob die Hand. Auch wenn ich nicht an Gott glaubte, machte es mir Spaß seine scheinbar willkürlichen Fragen zu beantworten.
"Jemand anderes, als Roxanne? Kommt schon, die Fachbegriffe müssen sitzen". Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und blieb an Luca hängen. "Wie sieht es mit dir aus?". Ich sah zur Seite und jetzt konnte ich mein Grinsen bei bestem Willen nicht mehr unterdrücken. Den Gesichtsausdruck den Luca zur Schau stellte, war einfach genial. Eine Mischung aus Genervtheit, Perplexheit, Unverständnis und Unglauben spiegelte sich auf seinem Gesicht wider. So ging es den meisten Leuten, die das erste Mal in einer Religionsstunde mit diesem speziellen Lehrer saßen – doch bei Luca fand ich es besonders witzig. Als keine Antwort von Luca kam, seufzte unser Lehrer und wandte sich mir zu. "Roxanne, wärst du so freundlich den Begriff der Spiritualität von oben und unten noch einmal zu definieren und auf das Beispiel anzuwenden? Falls der Fachbegriff noch nicht in eurer Fachbegriffsliste steht, schreibt ihn euch bitte auf und erscheint zur nächsten Stunde vorbereitet".

"Die Spiritualität von oben nach Anselm Grün besagt, dass man nur durch Selbstoptimierung und dem Leben nach den Idealen, Gott und das Himmelreich finden kann. Die Spiritualität von unten jedoch setzt genau beim Gegenteil an. Laut ihr, finden wir Gott bei unseren Schwächen, bei unseren Fehlern und Unperfektheiten. Wenn man diese Definition also auf das Beispiel von dem verlorenen Sohn anwendet, ist hier die Spiritualität von unten gegeben. Denn der Vater lässt ein Fest für seinen heimgekehrten Sohn geben, obwohl er sein ganzes Erbe verprasst hat und augenscheinlich nichts gemacht hat, um es zu verdienen, dass ein Fest für ihn gegeben wird".
Er klatschte so laut in die Hände, dass einige Schüler zusammen.
"Fabelhaft! Schreibt euch das genauso auf! Wenn ich euch nächste Stunde sage, dass ihr ein leeres Blatt herausholen sollt, müsst ihr in der Lage sein, das aufzuschreiben!".

Sofort versank er in seinem nächsten Monolog, doch ich konnte mich nicht darauf konzentrieren, weil ich Lucas intensiven Blick auf mir liegen spürte. Ich versuchte ihn zu ignorieren, aber das war natürlich nicht möglich.
"Was ist das bloß für ein gequirlter Mist, den dieser verrückte Hutmacher da erzählt?", brummte Luca und ich kam nicht umhin über seinen passenden Vergleich zu lachen. Es war umso passender, da er heute wirklich einen Hut trug. Generell wirkte sein gesamtes Outfit so, als hätte er einfach wahllos in irgendwelche Schubladen gegriffen. Auf seinem Kopf saß ein schwarzer Hut, auf dem weiße Buchstaben und Zahlen verteilt waren. Auf seiner Nase saß eine Brille, die mit ihren runden Gläsern, stark an die Brille von Harry Potter erinnerte. Um seinen Hals, hatte er einen hellblauen Schal geschlungen und er trug ein bunt gemustertes Hemd und eine hellbraune Hose. Und ich wettete, dass wenn ich jetzt seine Socken sehen könnte, dass er zwei unterschiedliche tragen würde. Das war sowas wie sein Markenzeichen. Ich weiß nicht, wann es mir aufgefallen war, aber nachdem ich es einmal bemerkt hatte, konnte ich es nicht mehr nicht bemerken. Ich hatte ihn noch nie mit zwei gleichen Socken gesehen. Ich fand das sehr sympathisch. Ja, der Lehrer war schräg, aber ihm schien das bewusst zu sein und kein bisschen zu kümmern.

"Vielleicht kommst du auch einfach nicht mit. Ich kann dir gerne meine Fachbegriffsliste leihen, damit du dich auf den aktuellen Stand bringen kannst. Ohne Fachbegriffe zu kennen, kommst du hier nämlich nicht weit", gab ich betont freundlich zurück. Ich wusste, dass ihn das wahrscheinlich nerven würde und irgendwie machte es auch Spaß, diesen unausstehlichen Typen auf die Palme zu bringen.
"Fachbegriffe? Im Religionsunterricht? Wie kann es für so einen Quatsch auch noch Fachbegriffe geben?", fragte er und seine Miene verfinsterte sich noch weiter.
"Nur, weil du die Botschaft hinter den Worten nicht verstehst, heißt das nicht, dass alles Unsinn ist", schaltete Raphael sich ein und fügte dann an mich gewandt hinzu: "Gilt das Angebot auch für mich? Ich würde gerne in der Lage sein dem Unterricht zu folgen".
"Äh, ja klar. Du kannst nach der Unterrichtsstunde gerne meinen Hefter mitnehmen", antwortete ich etwas perplex und lächelte ihn an. Neben mir murmelte Luca etwas, das verdächtig nach "Schleimer" klang, doch ich entschied mich dazu, ihn dieses Mal komplett zu ignorieren und das auch für die komplette Unterrichtsstunde durchzuziehen.

Nachdem es endlich geklingelt hatte, lagen meine Nerven nahezu blank. Eigentlich gehörte Religionsunterricht zu meinen entspanntesten Stunden, weil mein Religionslehrer oft dazu neigte zu monologisieren, aber nachdem ich die Stunde eingekeilt zwischen Raphael und Luca verbracht hatte, war Entspannung undenkbar gewesen. Auch wenn Luca überraschenderweise für den Großteil der Stunde seinen Mund gehalten hatte, war die Anspannung zwischen Luca und Raphael geradezu spürbar gewesen. Die kaum verkennbare Spannung hatte zudem jeden meiner Sinne auf Äußerste geschärft, sodass ich jede Bewegung der beiden gespürt hatte und zudem die ganze Zeit die unterschiedlichen Düfte der beiden wahrgenommen hatte. Deshalb war ich mehr als nur erleichtert endlich der Situation entfliehen zu können.

Luca verließ den Raum geradezu fluchtartig, nachdem die Klingel ertönt war, doch Raphael wartete, bis ich meine Sachen eingepackt hatte und begleitete mich aus dem Klassenraum. Religion war meine letzte Stunde für heute und ich wünschte, dass heute Mittwoch wäre, weil ich gerade wirklich dringend, einen ruhigen Ort zum Zeichnen brauchen könnte. Aber leider war heute erst Dienstag, was hieß, dass ich den Kunstraum heute nicht benutzen konnte. Raphael hielt mir die Tür auf und wir traten auf den Flur hinaus und reihten uns in den in den Strom an Schülern ein, die Richtung Ausgang strebten.

Als wir um die Ecke bogen, fiel mein Blick auf ein knutschendes Pärchen, dass an der Wand lehnte und die Umgebung um sich herum vollkommen ausgeblendet zu haben schien. Ich wollte meinen Blick schnell wieder abwenden, als ich bemerkte um wen es sich handelte. Ich kniff die Augen zusammen und sah nochmal genauer hin. Jep, es waren eindeutig Tracy und Stan. Hatten die Beiden sich nicht gestern noch lautstark gestritten? Eigentlich interessierte mich Highschoolgossip nicht, aber irgendwas an der Szene kam mir seltsam vor.

Wie bereits gestern, verschwamm die Welt für einen Moment vor meinen Augen und eine unsichtbare Hand schien Tracy auf Stan zuzuschubsen, während etwas Helles durch ihre Auren flackerte. Anstatt das Bild jedoch wegzublinzeln, sowie ich es gestern getan hatte, zwang ich mich dazu genauer hinzusehen und holte das Aurengeflecht hervor, um einen genaueren Blick darauf werfen zu können. Es kostete mich einen Moment, in dem Gewirr den Strang zu finden, der Tracys und Stans Auren verband.

Tracys Strang war in einem hellen Lilaton gefärbt, der ihre Introvertiertheit ausdrückte und mit Sprengseln von hellgelber Vorsicht versehen. Schließlich zogen sich noch dunkelpinke Fäden durch den Strang hindurch, die von ihrer tiefen Leidenschaft zeugte, für Dinge die ihr am Herzen lagen. Stans Strang sah dem von Najuma ziemlich ähnlich: Grasgrüne Spontaneität und Lebensfreude und orange Fröhlichkeit und Offenheit. Außerdem zeugten Einsprengsel in einem blautürkisenen Ton von seiner Unbekümmertheit und Leichtigkeit. Wo sich die beiden Stränge trafen und miteinander verflochten, war das tiefe Purpurrot zu sehen, dass ihre romantische Liebesbeziehung bezeugte.

Doch an der Verbindung der beiden Stränge waren die Überreste eines tiefen Cuts zu sehen. Als hätte jemand einfach mit der Schere die Verbindung der Beiden durchtrennt. Um den Schnitt jedoch legt sich ein heller Strang, wie eine Bandage, die die beiden Stränge zusammenhalten sollte. Und dann entdeckte ich die Hand, die über den Strängen schwebte und versuchte zurückzuverfolgen von wo sie kam. Zu meinem grenzenlosen Erstaunen, erkannte ich, dass die Hand sich zu meinem eigenen Strang zurückverfolgen ließ.

Einer der vorbeilaufenden Schüler rempelte mich an und riss mich so aus meiner Konzentration. "Steh doch nicht mitten im Gang rum, wie die letzte Idiotin", sagte er und sah mich böse an, bevor er kopfschüttelnd in der Menge verschwand.
"Alles in Ordnung?", erkundigte sich Raphael bei mir und ich nickte, während ich versuchte die letzten Überreste dessen zu vertreiben, was ich gerade gesehen hatte.
"Klar, ich war nur ein wenig in Gedanken versunken", erwiderte ich ein wenig verlegen. In Raphaels Augen glomm ein Funke auf und im nächsten Moment griff er nach meiner Hand und verflocht sie mit seiner.
"Damit du nicht wieder von jemanden umgelaufen wirst", erklärte er mit einem Augenzwinkern, während ich ihn aus der Fassung gebracht anstarrte. Mein Blick wanderte wie in Zeitlupe von seinem Gesicht, hinunter zu unseren verschränkten Händen und wieder zurück. Raphael schien meine Sprachlosigkeit nicht zu stören, denn er bugsierte mich mit einem zufriedenen Lächeln vorsichtig durch die nach draußen strömenden Schüler hindurch. Ich konnte nicht verhindern, dass sich auf meinen Lippen ebenfalls ein dümmliches Grinsen ausbreitete, während Schmetterlinge in meinen Bauch Einzug hielten. Mein Leben war ein Chaos, mir waren über Nacht Flügel gewachsen und meine seltsame Gabe wurde von Tag zu Tag abgedrehter – aber das alles schien irgendwie zu verblassen, neben der Tatsache, dass ein echt süßer Typ meine Hand hielt.

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Ich bin wieder sehr spät dran heute,  ich weiß. Bei mir hat gerade die Klausurenphase angefangen, weshalb ich in der letzten Woche drei Klausuren geschrieben habe, zudem eine Theateraufführung hatte ud am Wochenende hatte ich einen Baustein aus meiner Zirkusjugendtrainerausbildung. Dementsprechend hatte ich sehr wenig Zeit zum Schreiben 😅

Das Schreiben von diesem Kapitel hat übrigens sehr, sehr viel Spaß gemacht.  Ich hoffe euch hat das Lesen genauso viel Spaß gemacht 😂

Ich bin zu müde, um noch Fragen zu stellen, aber falls ihr noch irgendwelche Theorien oder sonst etwas loswerden wollt, habt ihr hier Platz dafür 😅🥰:

Gute Nacht <3

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