38. Intelligente Maschinen, Durchsuchungsbefehl

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Es war erst acht und die Sonne brannte schon wieder gnadenlos vom Himmel. Frau Scheck kam mir über den Hof entgegen gelaufen. Die Tür der Werkstatt hinter ihr stand weit offen. Das Erste was ich an Frau Scheck bemerkte waren ihre feucht glänzenden Augen.

„Ich wusste ja gar nicht, dass mein Mann so was Schönes bauen konnte! Das ist ja das reinste Katzenschloss! Wunderbar! Herr Scholz, so was Schönes! Wollen sie das nicht für Amanda ...?"

Ich lehnte freundlich ab.

„Amanda weiß, dass dort ein Artgenosse gestorben ist. Kein Pfötchen würde sie hineinsetzen. Tut mir leid!"

„Schade, sehr schade!"

Frau Scheck schien enttäuscht, doch ich konnte ihr nicht helfen. Bevor ich mich auf's Fahrrad schwingen und davon radeln konnte, vergaß sie nicht,  mich noch einmal an den Friseurtermin zu erinnern.

„Morgen Vormittag, um elf, bei Fritsch. Nicht vergessen, Herr Scholz! Nicht vergessen!"

„Keine Sorge, Frau Scheck! keine Sorge!"

Natürlich war mir der Termin entfallen, schließlich hatte ich ganz andere Sorgen. Überhaupt mochte ich es nicht, wenn andere mir sagten was ich zu tun hatte. Daran änderte auch eine Frau Scheck nichts, die darauf bestand, mir einen Gratisschnitt beim angesagtesten Coiffeur der Stadt zu sponsern. Sobald jemand etwas Spezielles von mir erwartete, schaltete ich auf Durchzug, oder vergaß es gleich nach dem Hören wieder.

So viel sei jedoch verraten: Hätte ich den Termin sausen, mir nicht die Haare trimmen lassen, ich hätte wahrscheinlich niemals Thea Schlesinger, Fabrikchefin und Ehrenbürgerin der Stadt, kennengelernt, hätte niemals die unglaubliche Geschichte ihrer Schwester erfahren, niemals diesen gut bezahlten Auftrag erhalten.

Doch alles der Reihe nach.

Noch bevor ich auf den Parkplatz des Copyshops einbog, spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Lediglich die Neonröhre über dem Tresen war eingeschaltet und verbreitete ihr hektisches Licht . Kunden sah ich keine. Das Schild mit der Aufschrift „Geschlossen" hing schief in der Tür. Als ich das Gebäude umrundete sah ich die beiden Polizeiwagen. Ich ging zurück zur Eingangstür. Sie war zugesperrt und ich besaß keinen Schlüssel, doch ich hatte einen für den Seiteneingang. Mein Gefühl sagte mir, dass ich mucksmäuschenstill sein sollte.

Aus Hieronymus' Büro im hinteren Teil des Geschäfts drangen Stimmen an mein Ohr. Ganz klar, da war ein Verhör im Gange. Hieronymus hatte Besuch von der Polizei. Was wollten die von ihm?

Eine rauchige Stimme sagte: „Und sie wollen uns weismachen, dass sie das hier noch nie gesehen haben?"

„Nicht dass ich wüsste." Das war Hieronymus.

„Aber die Kopien, die wurden doch hier bei ihnen angefertigt?"

Er schnaufte erschöpft.

„Meine Maschinen können so was gar nicht. Die weigern sich zu drucken, wenn man Geldscheine drauflegt."

„Intelligente Kopiermaschinen, sehr interessant, wirklich sehr interessant. Erzählen sie das ihrer Pflegemutter, Mann!"

Was waren denn das für Typen? Es hieß „Großmutter". „Erzählen sie das ihrer Großmutter", und nicht „Pflegemutter".

Ich schlich mich um den Tresen, durch das enge Papierlager und versteckte mich hinter einem Stapel Kartons. Die Beamten saßen mit den Rücken zu mir, Hieronymus jedoch konnte mich sehen, wenn er denn einmal aufgeblickt hätte.

Die Stimme des Beamten klang jetzt tiefer, amtlicher.

„Geben sie mir bitte sämtliche Schlüssel zu den Schränken, dem Tresor, den Türen und den Außenschließanlagen!"

Der andere Beamte, schmalschultrig, hohe Stimme, spielte mit einem Stück Schreibmaschinenpapier. Ich erkannte einen Stempel, eine Unterschrift. Vermutlich war es der Durchsuchungsbefehl.

„Und zwar gleich, nicht erst nachher!", quietschte er.

Hieronymus tat mir leid. So unsicher und fahrig hatte ich ihn selten erlebt. Am ehesten noch an diesem Tag vor etwas über einem Jahr, als sein Vater von einem Tag auf den anderen erkrankt und kurz darauf gestorben war. Seine Stimme klang zitterig.

„Schlüssel, ja klar. Dauert nur einen Moment. Sind viele."

Er fummelte in seiner Hosentasche herum, zog am Hosenbund, fasste sich in die Gesäßtasche. Hoffentlich bekam er jetzt keinen Zusammenbruch! Was um Himmels Willen hast du ausgefressen, Hieronymus Vogel?

Jetzt raufte er sich die Haare, griff in seine Hemdtasche und zog eine Kaugummipackung daraus hervor. Die Beamten sahen sich an. Ich war ratlos.

Dann verstand ich. Ein Ablenkungsmanöver. Während er scheinbar unkontrolliert herumkasperte, suchte Hieronymus meinen Blick. Ich sah ihn fragend an. Mit leichten Kopfbewegungen und rollenden Augen bedeutete er mir, zurück in den Laden zu gehen. Dann rief er: „Kaffee, Kaffee, wollen die Herren vielleicht einen Kaffee? Ich habe eine ganz wunderbare Kaffeemaschine! Vier Tassen in der Minute zaubert sie!"

Das Wort „Kaffeemaschine" sprach er dabei lauter aus als die anderen.

Hieronymus und ich kannten uns. Ich kapierte gleich was er wollte.

Behutsam, Schritt für Schritt, tastete ich mich zurück, schlich an der Personaltoilette vorbei in die kleine Küche. Hieronymus' Kaffee war schon immer gewöhnungsbedürftig gewesen. Da blieb immer dieser metallische Nachgeschmack auf der Zunge, den ich auf verrostete Heizstäbe oder das Alter der Maschine zurückführte. Jetzt wusste ich es besser. Ich zog die Kaffeemaschine zu mir heran, öffnete den Wasserbehälter und sah hinein. Auf dem Boden zwischen den verkalkten Heizstäben lag ein kleiner Schlüssel. Ich fischte ihn heraus, wischte ihn an der Hose trocken und besah ihn mir genauer. So einen hatte ich schon mal gesehen. Wenn mich meine Nase nicht trog, dann hielt ich einen Schließfachschlüssel in der Hand. Quadratische Grifffläche, auffälliger Bart. Er konnte ohne weiteres zu einem Fach in der Hauptpost gehören. Ich hatte einen Auftrag!

Gebückt trat ich den Rückweg an, zurück durch den Seiteneingang, den ich von außen wieder verschloss. Mir fiel ein, dass ich Farbkopierer Nummer vier heute reparieren wollte. Ich bezweifelte jedoch, dass das heute wirklich wichtig war. Morgen würde sich die Lage wieder beruhigt, würden sich alle Verdächtigungen in Wohlgefallen aufgelöst haben, da war ich mir sicher. Was bitte schön sollte die Polizei gegen Hieronymus in der Hand haben? Was konnte sich ein Kopierladenbesitzer schon zu Schulden kommen lassen? Geldscheine auf dem Kopierer, was war denn das für eine abgefahrene Geschichte?

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