7. Küche, Kerzen, graue Schwaden

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Mir war unklar was genau ich erwartet hatte. Porzellansplitter, zerbrochene Tassen, Tellerscherben auf dem Boden, so in der Art.

Als wir die Tür erreichten, blieb ich abrupt stehen. Ich wagte nicht hinzusehen.

Dort in der Küche war etwas. Eine Bewegung, die nicht hierher gehörte. Ein Flirren und Flackern, ein Wallen und Wogen, das ich andernorts erwartet hätte. An einem feuchten Osterfeuer, das nicht brennen wollte, an der Glut eines Lagerfeuer, das am frühen Morgen gelöscht werden musste, nicht jedoch in Schecks Küche!

Ich sah zu Amanda hinunter. Sie hatte sich hingesetzt. Ihr Kopf war nun vollständig schwarz. Hinter mir hörte ich Frau Scheck wimmern. Ich spürte wie sich ihre knochige Hand in meinem Shirt verkrallte.

Langsam, ganz langsam drehte ich den Kopf.

Der Schreck durchfuhr mir beißend, als hätte sich mein Blut in Ahoi-Brause verwandelt. Dem Schock hatte ich zu verdanken, dass ich nicht schreiend davon rannte, sondern wie angewurzelt stehen blieb. Meine Füße fühlten sich an wie einbetoniert.

Die Küchenschränke standen weit offen. Nur wenig Geschirr befand sich noch darin. Das meiste lag, in unzählige Scherben zerschmettert, über den Linoleumboden verteilt. Es sah aus wie frisch gefallener Hagel.

An Frau Schecks Küchentisch mit der geblümten Plastikdecke saß etwas. Etwas rauchiges, nebelartiges mit unklaren Konturen. Es waberte, als sei es von einer unsichtbaren Hülle umgeben, die sich verzweifelt mühte, eine Form zu finden. Was zum Teufel war das?

Ich erinnerte mich an Frau Schecks Worte.

Er hat mich geschlagen.

War er das also wirklich? Hausmeister Scheck, ihr Mann? Ich sah genauer hin. Da formte sich jetzt etwas wie ein Kopf, zwei Arme, Hände, ein Unterleib, Beine. Nach wie vor in Bewegung. Uneindeutig, rätselhaft.

Es schien mir, als säße er vornüber gebeugt und falte die Hände zum Gebet.

Immer wenn du denkst es geht nicht mehr ...

Der Nebel-Scheck schien uns nicht zu bemerken. Ich sah zu Amanda hinunter. Ihr entspannter Zustand war verschwunden. Sie krümmte den Buckel, fauchte und zeigte dabei ihre messerscharfen Reißzähne.

Ich fühlte mich noch immer wie erstarrt, konnte nicht vor und nicht zurück. Frau Scheck atmete schwer, und meine Gedanken drehten sich im Kreis, der sich fühlbar in einen alles verschlingenden Strudel zu verwandeln begann. Ich fürchtete, mich übergeben zu müssen.

Befand ich mich tatsächlich in dieser Küche? Saß ich in Wirklichkeit nicht immer noch an meinem Küchentisch, eingeschlafen über meinem Klebelayout für Silva Mystica?

Die Nebelgestalt am Tisch bewegte sich. Langsam, ganz langsam richtete sie sich auf. Der Stuhl schabte über das Linoleum. Herr Scheck war ein eher kleiner Mann gewesen, der mir etwa bis zur Schulter reichte. Jetzt stand sein wabernder Wiedergänger auf, und ich erschrak erneut. Frau Scheck zerriss mir am Rücken beinahe das Hemd.

Bis unter die Decke stieg der Nebel, während sich seine Gestalt weiter klärte. Ich konnte nun deutlicher die Arme und die riesigen Hände erkennen, welche sich aus den Schwaden formten. Unwillkürlich dachte ich an den Abdruck in Frau Schecks Gesicht.

Meine Beine kribbelten.

Das Reißen an meinem Hemd hatte aufgehört. Ich drehte mich um. Frau Scheck war nicht mehr da! Ich hörte wie die Wohnungstür krachend ins Schloss fiel. Im Hausflur knarrten die Treppenstufen. Ließ sie mich etwa mit ihrem spukenden Mann allein und gönnte sich auf dem Hof eine Zigarettenpause?

Amanda war jetzt krumm wie ein Häkchen, die Augen zu zwei Schlitzen verengt, glühend. Sie fauchte.

Und genau in dieser Sekunde, in der der Nebel-Scheck mit einem Rauschen um den Tisch herum wuchs, der Stuhl mit voller Wucht an die Backofentür flog, sprang Amanda.

In diesem Augenblick musste ich an unsere Hündin Gämse denken, die gestorben war als ich gerade zwölf wurde. Wenn Gämse Wasser roch, war sie nicht zu halten. Dann musste ich sie von der Leine lassen und zusehen wie sie im Sprint zum Fluss hinunter rannte und mit einem meisterlichen Satz hinein hechtete. Anschließend krabbelte sie ans Ufer, um gleich darauf wieder hinein zu springen. Und immer so weiter.

Wie Amanda.

Mitten hinein in den nebligen Scheck sprang sie. Und dort wo sie eintauchte, teilten sich die Schwaden. Für einen kurzen Moment blickte ich auf die dahinterliegenden Küchenschränke, dann schloss sich das Loch.

Erst jetzt nahm ich den eigenartigen Geruch wahr, der schon die ganze Zeit über in der Küche gehangen haben musste. Ein Geruch nach Feuerqualm, verbranntem Essen und Kerzenrauch.

Ich machte ein paar unbeholfene Schritte rückwärts, fürchtete zu stolpern und hörte bereits mein letztes Stündchen schlagen. Mit dem Rücken zur Flurwand, den Rahmen samt Sprüchlein auf der Wirbelsäule, schloss ich die Augen. Wie ein Kleinkind, das sich unsichtbar wähnt, solange es die anderen und sich selbst nicht sieht.

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