Ein schlechter Tag zum Leben

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„Hast du gerade ...?" Sein Blick wanderte zu den zerbrochenen Teilen seines Schwerts, dann zurück zu mir. Er hatte die Augen aufgerissen. „Du hast den Schatten erledigt!" Für einen Moment sagte er nichts, starrte mich nur an. „Das kann nicht sein", murmelte er dann.
„Hey!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie wär's mit einem Danke?"
Doch er reagierte nicht, stattdessen setzte er sich auf. „Aber wenn du ihn sehen und sogar töten konntest..." Wieder verstummte er und fuhr sich durchs Haar. „Wer bist du?", richtete er sich wieder an mich. Statt Verwirrung las ich nun Misstrauen in seinen Augen.
„Ich bin Bo. Keine Ahnung, was du hier machst und was das für ein Ding war. Aber du wärst jetzt tot ohne mich", erinnerte ich ihn an seine Niederlage.
Mein Gegenüber kniff die Augen zusammen. „Ja. Ja, genau. Ich konnte ihn nicht besiegen, aber du. Und das war ... der erste Schatten, den du je gesehen hast?" Seine Stimme war rau.
Ich kratzte mich am Hinterkopf. „Nun ja. Kommt drauf an, was du unter Schatten verstehst", gab ich zu. Mein Blick fiel auf seine Beinverletzung. „Wir sollten dich in ein Krankenhaus bringen. Ich ruf einen Notarzt", sagte ich, doch bevor ich mein Handy rausholen konnte, griff er nach meinem Handgelenk. Ein eigenartiges Gefühl durchfuhr mich, als er mich berührte. Fast war es, als glitten seine Finger für einen Moment durch meinen Körper. Wie bei einem Geist!, schoss es durch meinen Kopf. Doch dann umschlossen seine Finger meinen Arm.
Unsere Blicke trafen sich. In seinen Augen schimmerte das Licht der Laternen, als sie sich weiteten. „Du bist ein Mensch", flüsterte er. Ich zog meine Hand weg.
„Überraschung, du Weirdo. Für was hast du mich gehalten, einen Elefanten? Drei Gremlins unter einem Trenchcoat?"
„Ruf nicht den Arzt. Er kann mir nicht helfen. Ich hab meine eigene Medizin", wies er mich an, ließ mich los und zog ein Röhrchen aus seiner Hosentasche, in dem sich kleine rote Kapseln befanden.
„Bist du ein Junkie?", stieß ich aus und wollte ihm die Pillen aus der Hand reißen. Doch er war schneller als ich und schon verschwand eine zwischen seinen Lippen.
„Fast", erwiderte er und schnappte erneut nach meinem Arm, doch dieses Mal war ich schneller und rückte von ihm ab.
„Du hast mein Schwert berührt. Und es benutzt", stellte er das Offensichtliche fest, während er mich nicht aus den Augen ließ. Sein Blick war intensiv, fast schon brennend.
„Ja, um dir den Arsch zu retten!", fauchte ich. „Aber das bringt auch nichts, wenn du jetzt verblutest!"
Er lächelte leicht. „Keine Sorge, das bringt mich nicht um. Sieh mal." Er winkte mich zu sich. Von meiner Neugier getrieben rückte ich wieder etwas näher und staunte nicht schlecht, als ich der Wunde beim Heilen zuschauen konnte. „Wie kann das sein?", flüsterte ich und ein Klicken erklang. Etwas Kaltes schloss sich um mein Handgelenk.
„Sorry. Aber ich kann dich nicht gehen lassen", meinte er. Ich starrte auf die Handschellen, die mich an an ihn ketteten.

***

Wer von euch hat sich schon mal in den Kopf geschossen? Ich nehme an, die wenigsten. Empfehlen kann ich es euch nicht, man stirbt häufig dabei. Zumindest habe ich davon gehört, aus eigener Erfahrung kann ich das nicht bestätigen. Die Alternative ist aber mindestens genauso unangenehm: Wenn man nicht stirbt, dann hat man das Feuer auf den eigenen Körper eröffnet. Und mein Körper feuerte zurück.

Als ich nach meinem Selbstmordversuch wieder aufwachte, hatte ich die schlimmsten Kopfschmerzen meines bisherigen Lebens. Dabei war ich bereits mehrfach vom Pferd gefallen, hatte mich mal beim Skaten an der Schläfe verletzt und einen Motorradunfall hinter mir, der mir eine Gehirnerschütterung eingehandelt hatte. Aber nichts davon war mit meinem derzeitigen Zustand zu vergleichen. Es fühlte sich an, als ob Bomben hinter meiner Stirn explodierten.
Für die ersten Minuten (vielleicht waren es auch Stunden), war ich unfähig, mich zu rühren. Ich ertrug den Schmerz einfach und dämmerte immer wieder weg, ohne die Augen zu öffnen. Nur, dass es hinter meinen Lidern hell war und die Sonne aufgegangen sein musste, seit ich mich erschossen hatte, nahm ich wahr. War ich wirklich wieder wach oder gestorben und das war die Hölle? Zumindest war es ein Höllenkater.

Erst nach einigen regungslosen Minuten bemerkte ich den Verkehrslärm, der von der Cornwall Street in mein Appartment drang und die Umgebung in eine vertraute Atmosphäre hüllte - abgesehen von dem leisen Klingeln in meinen Ohren. Trotz Schalldämpfer musste der Schuss etwas mit meinem Gehör gemacht haben. Die schrullige Katzenuhr, die meine Māma mir geschenkt hatte, tickte gleichmäßig. Wahrscheinlich sollte ich nicht zu lange hier herumliegen, sonst würden sie mich erwischen.

Als ich die Augen aufschlug, trat schließlich die Gewissheit ein: Es hatte wieder nicht geklappt. Ich war in meinem Zimmer mit der kleinen Kochnische und den Bildern des Chihuahuas meiner Tante Yema aufgewacht. Gegenüber von meinem Bett, in dem ich mich nun aufsetzte, stand mein Schreibtisch mit meinem Setup. Ein paar Lämpchen blinkten. Die Nachmittagssonne tauchte alles in ein warmes Licht. In einigen dunklen Ecken kräuselten sich kleine Schatten. Nichts, was ich nicht kannte. Seit diesem Vorkommnis nach der Party im August waren es weniger geworden und ich hörte ihre Stimmen meist nur noch als entferntes Wispern. Nur manchmal, da gab es eine Stimme in meinem Kopf, die mich nach wie vor in die Schatten ziehen wollte. Aber es war nicht das Gleiche wie früher. Statt mich dazu zu verführen, mich der Dunkelheit hinzugeben, wollte die Stimme, dass ich die Schatten tötete. Was auch immer das heißen mochte. Wahrscheinlich, dass ich einen Dachschaden hatte. Ich fasste mir an die Stirn.
Nichts.
Kein Einschussloch. Keine Wunde. Nur die Kopfschmerzen. Ich brauchte eine Tablette. Ich rollte mich ächzend aus den Laken, wobei jede Bewegung ein Hämmern in meine Stirn trieb. Nachdem ich meine Füße über den schwarz lackierten Bettrahmen geschoben hatte, stand ich auf und fluchte, als mir kurz durch das Pochen in meinem Kopf schwindelte. Mit einer Hand vor den Augen torkelte ich zu meiner Pantryküche und stolperte dabei beinahe über mein Skateboard und ein Paar achtlos hingeschleuderter Sandalen. An meinem Ziel angekommen, suchte ich Halt am Spülbecken und griff in einen Stapel ungespülten Geschirrs. Ein Kribbeln des Ekels überlief meinen Körper, als ich irgendwas Glitschiges zwischen den Fingern spürte, das ich im Becken abwischte. Ich griff in mein Küchenregal über der Anrichte und zog meine Hausapotheke raus, die ich in einem Federmäppchen der Uni aufbewahrte. Hatte ich im ersten Semester bekommen. Meine Kommilitonen, allen voran Kenny und Isabel hatten mich zu einer Einführungsveranstaltung geschleppt. Seit der Party hatte ich ihnen nur einmal auf ihre Nachrichten geantwortet. Dass es meiner Familie nicht gut ginge und ich mir ein Urlaubssemester genommen hatte, um zu meiner Mama zu fahren. All das waren Lügen. Die Anrufe meiner Mutter drückte ich seit drei Wochen weg. Und das war auch besser so. Keiner sollte in Gefahr geraten. Nicht noch einmal.
Ich angelte mir die Schmerztabletten und spülte zwei mit einem Schluck Wasser aus dem Hahn runter. Dann drehte ich mich von der Küche weg, lehnte mich gegen die Anrichte und wartete, dass die Wirkung einsetzte. Ich ließ meinen Blick durch mein Zimmer schweifen, wobei ich auf die Baretta aufmerksam wurde, die neben dem Bett auf den billigen Laminatboden lag. Sie musste hinuntergefallen sein, nachdem ich mich erschossen hatte. Ich schloss erneut die Augen, als ein Gedanke durch meinen Kopf blitzte. Wo ist die Kugel?
In zwei Sätzen war ich beim Bett - fluchend, vor Schmerz, versteht sich. Ich wühlte durch meine Decken und warf das Kopfkissen auf den Boden, wobei ein Klirren erklang.
Ich erstarrte, dann drehte ich mich um.
Da lag sie, die Patrone, die eigentlich in meinem Hirn stecken sollte.
Aber sie rollte über meinen Fußboden. Es war alles exakt so wie vor meinem Selbstmordversuch.
Im Hausflur erklangen Stimmen und Schritte. Ich lauschte, konnte aber nicht verstehen, worüber gesprochen wurde. Dann endete das Gespräch abrupt und mit ihm auch jedes weitere Geräusch auf dem Gang.
Ich war nicht allein.
Scheiße. Jetzt hatten meine Verfolger mich doch erwischt.
Mein Herz machte einen Satz, als wollte es betonen, dass ich am Leben war. Ich schnappte mir die Pistole, meinen Geldbeutel vom Schreibtisch und mein Handy. Ein Blick darauf verriet mir, dass es kurz vor sechzehn Uhr war. Schon stand ich auf meinem Bett, da griff ich noch nach meinem Schlüsselbund auf dem Nachttisch und erinnerte mich an die Schublade mit meinen Unterlagen und Dokumenten. Ich weiß, das muss in einer solchen Situation komisch klingen. Aber diese Leute durften nicht noch mehr Informationen über mich in die Finger bekommen. Ich hechtete zum Schreibtisch und stopfte alles in meinen Uni-Rucksack, während auf dem Flur jemand fluchte. Dann riss ich das Fenster über meinem Bett auf.
Unter mir gähnten 16 Stockwerke bis zur Cornwall Street. Natürlich konnte ich nicht sterben. Aber wenn ich da unten wieder zwölf Stunden zermatscht herumlag, erwischten die mich.
Wie gern würde ich dich in den Suizid treiben, erklang ein Zischen in meinem Kopf.
Nicht das auch noch. Ich verdrehte die Augen. Natürlich mussten sich all meine Befürchtungen gleichzeitig erfüllen. Jetzt waren mir nicht nur meine Entführer auf den Fersen, auch er war aufgewacht. „Verpiss dich, Dreckstück", gab ich zur Antwort. Das Kichern des Schatten hallte in meinen Gedanken wider.
„Willst du etwa, dass die mich erwischen?", murmelte ich, während ich versuchte, abzuschätzen, wie weit ich klettern musste, bis ich zur Feuertreppe gelangte. Klar, ich hatte auch den Boulder-Kurs belegt. Aber da kletterte man selten frei und schon gar nicht aus dem 17. Stock.
Auf keinen Fall, ich brauche dich noch, schnurrte der Schatten. Wobei deine Angst mir gerade wirklich gut schmeckt.
„Seit mir andere Menschen egal sind, spür ich kaum noch negative Emotionen", gab ich zu bedenken und schwang mich auf die Fensterbank. Wie lang das Vieh wohl schon an mir fraß? War es mein kurzer Moment der Schwäche gewesen, als mein Herz einen panischen Satz gemacht hatte, der es geweckt hatte? Negative Gefühle wie Angst, Wut, Scham - sie lockten die Schatten an. Und dieser hier saß in meinem Kopf, seit ich diesen verdammten Typen gerettet hatte. Der Typ, der gerade in mein Appartement einbrach.
Erneut klickte mein Türschloss. Meine Kehle schnürte sich zu.
Brauchst du Hilfe? Du hast echt ziemlichen Schiss, was?, erinnerte mich der Schatten.
Unangenehmer Nebeneffekt, wenn man sich umbringt. Und wenn einem ein paar Kidnapper am Arsch kleben.
Es waren höchstens drei Meter bis zur Feuertreppe. Ich presste mich an die Hauswand und schob den ersten Fuß auf den Sims. Drinnen krachte es, als die Tür aufgebrochen wurde.
Mein Magen zog sich zusammen. Ich krallte meine Finger in ein Loch in einer Fuge zwischen zwei Betonplatten. Ein falscher Schritt und ich würde fallen. Ein Windstoß und ich...
„Das Fenster!", erklang seine Stimme. Die Stimme eines undankbaren Mistkerls.
Ich rutschte mit meinen Fuß über den winzigen Vorsprung an der Hauswand, zog den anderen nach. Dabei presste ich meine Wange auf den Beton der grauen Fassade. Die Finger in die Fugen gepresst, brachte ich mehr als eine Armlänge Abstand zwischen mich und das Fenster, bevor hinter mir abermals die Stimme erklang: „Sie ist hier!"
Ich konnte ihn nicht sehen, weil ich das Gesicht nicht drehen konnte. Nein, ich presste es stur an die Wand, den Blick zur Feuertreppe gerichtet. Aber auch, wenn die Erinnerung verschwommen war, ich wusste, wie er aussah. Dunkles Haar, das ihm tief in die Stirn fiel. Hochgewachsen. Und Augen in Farbe von Abendgold.
„Ich hole sie!", rief er den anderen zu. Ich spürte, wie seine Finger meine streiften. Ein elektrisierendes Gefühl tanzte über meine Haut.
Wenn du dich mir mehr hingeben würdest, könnte ich all deine Angst trinken, schlug mein Schatten vor.
Ich ignorierte ihn.
Hinter mir stieg jemand auf das Fensterbrett. Scheiße.
Ich beschleunigte meine Bewegungen, vertrat mich. Kurz schwindelte es mir, als mein Fuß für einen Sekundenbruchteil den Halt verlor. Mein Herz hämmerte so laut, dass ich keine Luft mehr bekam. Ich presste mich an die Hauswand. Ein Steinchen flog in den Abgrund.
Der Schatten kicherte. Oder anderer Vorschlag. Du akzeptierst mich endlich als Teil deiner Seele und ich helfe dir im Gegenzug.
Eine Hand griff nach meinem Arm.
„Ich springe!", drohte ich. Kurz hielt mein Verfolger inne. Dann schnaubte er. „Du kannst nicht sterben, du Idiotin." Sein Griff schloss sich eisern um mein Handgelenk. Ich presste die Lippen zusammen. Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße.
Zitternd atmete ich aus. Ihr erinnert euch, was ich euch zu Beginn gesagt habe? Bitte einen Schatten niemals um Hilfe. Nun ja.
„Hilf mir", flüsterte ich und der Schatten legte sich um meinen Geist wie ein Umhang aus Finsternis. 
Wie du befiehlst, meine Teuerste, säuselte er.

„Nein!", schrie mein Verfolger, der unser Bündnis aus mir nicht ersichtlichen Gründen bemerkt hatte. „Tu das nicht!"
Aber im nächsten Moment schon floss mir die Dunkelheit kichernd und blubbernd aus Mund, Nase, Ohren, Augen, und von dort aus wieder zurück unter meine Fingernägel, in jede meiner Poren. Sein Jubeln hallte in meinen Gedanken wider, als er sich in meinem Kopf ausbreitete, anders als zuvor, wo er dort nur in einer kleinen Ecke mitgereist war. Ich keuchte, weil er sich durch meine Kehle zwängte und in meine Brust plumpste. Von dort aus wirbelte er in Sekunden in jede Zelle meines Körpers.
Meine Finger kribbelten. Der Fremde hatte meine Hand losgelassen.
„Wenn das so ist, muss ich dich exorzieren", informierte er mich. Ich hörte ein Zischen, konnte aber nicht einordnen, wie das Geräusch entstand.
Ich halte meine Versprechen, blubberte der Schatten in meinem Kopf. Vor meinen Augen begannen meine Finger sich in Rauch aufzulösen. Oder besser gesagt in Schatten, die zwischen die Ritzen in der Fassade krochen.
Oh Shit. Das durfte unangenehm werden.
Ein Klirren erklang hinter mir, weitere Stimmen begannen sich zu streiten. Doch bevor der Fremde meinen Schatten austreiben konnte, war ich in der Hauswand verschwunden.
Durch die Schatten zu wandeln, ist ein eigenartiges Gefühl, das sich nur schwer beschreiben lässt. In ihrer Welt existiert weder Licht noch Farben, alles war in weichgezeichnetes, verwaschenes Grau und Schwarz getüncht. Was physikalisch gesehen unmöglich war, wenn es kein Licht gab, konnte man auch nichts erkennen. Aber mir schien es fast, als hätte die Welt der Schatten mit unseren physikalischen Gesetzen nichts gemein. Vielleicht nahm ich die Umgebung auch gar nicht mit den Augen wahr, immerhin bestand ich gerade nur aus Rauch und Finsternis. An mir zog die Bausubstanz des Studentenwohnheims vorbei, wir passierten Menschen mit helleren und dunkleren Seelen und Schatten, die um sie herumwirbelten, um von ihrer Wut oder ihrer Trauer zu zehren. Vielleicht gab es doch Licht in dieser Welt, aber anders als das, was gewöhnliche Menschen darunter verstehen. Eher wie eigene kleine Seelen, wie das Gegenteil der Schatten, die in leuchtenden Punkten zwischen glücklichen Menschen schwirrten. Während ich in der Dunkelheit der Schatten wandelte, kam die Erinnerung an meine Verfolger wieder hoch. Nachdem der Typ mich an sich gekettet hatte, wie war es da noch mal weiter gegangen? Ach ja.

***

„Lass mich los, du Wichser!", zeterte ich, während mich der Fremde hinter sich herschleifte. Er versuchte seit einigen Minuten, jemanden per Handy zu erreichen und ich ließ meine Fäuste auf ihn niederfahren. Mal ignorierte er es, mal richtete er seine Barriere auf, um meine Schläge abzufangen und einmal griff er nach meinem Arm und drehte ihn hinter meinen Rücken. Die Taekwondo-AG erwies sich in solchen Situationen als absoluter Glücksgriff. Ich wand mich aus seinem Griff und trat ihm mit voller Wucht gegen das Schienbein. Sein Smartphone flog ihm aus der Hand und landete im Dreck.
„Kannst du dich mal beruhigen, du ... Mann?", fauchte er.
Ich blinzelte. „Versuchst du dich gerade selbst zu beleidigen?"
Er gab ein frustriertes Murren von sich. „Du bist in Gefahr." Statt nach seinem Handy zu greifen, zog er den Stumpf seines Schwerts. Er hatte beide Teile bei unserem Aufbruch in ein Holster an seinem Gürtel geschoben. Mit dem abgebrochenen Katana in der Hand fuchtelte er vor meiner Nase herum. „In diesem Schwert war etwas gefangen. Und ich befürchte, jetzt ist es in dir."
„Ich glaube eher, dass die Gefahr hier von dir ausgeht", bemerkte ich mit einem Blick auf die Klinge und dann auf die Handschellen.
Er seufzte geschlagen, als eine Stimme aus seinem Handy erklang: „Haru? Wo bist du? Wie lange kann es dauern, einen Umbra Stufe 2 zu erschlagen?"
Mein Entführer zuckte zusammen und sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich. „Fuck. Ich habe es nicht selbst erlegt. Das bedeutet ..." Er brach ab und hechtete zum Handy. Ich schrie auf, als mir dabei fast das Rückgrat brach und ich strauchelnd hinter ihm herstolperte.
„Hallo? Ja, hier ist Haru. Hör mal, wir müssen uns schnellstmöglich treffen. Ich habe eine ... ich weiß es nicht genau. Hier ist ein Mensch, der Schatten ..." Er rang nach Worten und warf mir einen skeptischen Blick zu. „Sie hat den Umbra getötet. Dämmerbrecher ist zerbrochen. Ich glaube, jetzt ist es in ihr." Den letzten Satz flüsterte er. Die Wut in meinem Bauch verdichtete sich zu einem kleinen dickem Knäuel. Am anderen Ende der Leitung war es erst still, dann schimpfte jemand auf einer Sprache, die ich nicht verstand. Aber dem Tonfall und Harus zerknirschter Miene nach zu urteilen, waren ganz sicher Morddrohungen darunter. Schließlich erwiderte die Frau am anderen Hörer: „Rührt euch nicht vom Fleck. Wir kommen vorbei." Dann legte sie auf.
Ich beobachtete Haru, der das Handy sinken ließ und ins Leere starrte. Dann schlug ich erneut zu, was er mit dem Unterarm abwehrte.
Verdammt, ich hatte dieses Monster besiegt, was ihn beinahe getötet hätte, aber er konnte mich so leicht abwehren? Das ergab doch keinen Sinn!
„Was habt ihr vor mit mir?", keuchte ich schließlich.
Er antwortete nicht sofort. „Ich weiß es nicht", gab er dann zu. „Das wird sie entscheiden."

***

Er spuckte mich hinter dem Haus bei den Mülltonnen wieder raus. Ich spürte, wie sich erst mein Torso und von dort aus mein Kopf und meine restlichen Gliedmaßen materialisierten. Vor meinen Augen formten sich aus dichtem schwarzen Rauch erst meine Arme und schließlich jeder meiner Finger, die ich probehalber in alle Richtungen bewegte. Selbst meine Kleidung und mein Rucksack tauchten wieder auf.
Erleichtert atmete ich aus.
Bist du zufrieden mit dem Ergebnis?, erklang eine Stimme in meinen Gedanken.
Ach ja. Ihr wisst es nun genauso gut wie ich. Auch wenn ich vermutlich verrückt wurde, war die Stimme in meinem Kopf eher der Grund dafür statt ein Symptom dessen. Diese Stimme gehörte dem Ding aus dem Schwert. Haru hatte mich nicht angelogen. Seit unserer Begegnung hatte ich das Vieh an der Backe.
Ich stopfte mein schwarzes Top in meine Shorts und zurrte die Träger meines Rucksacks fest.
Wo willst du jetzt hin?, fragte der Schatten.
Ich kann nicht mehr hier wohnen, sie werden mir auflauern, entgegnete ich in Gedanken. Und nach Hause wollte ich auf keinen Fall. Ich durfte meine Familie nicht in Gefahr bringen. Es gab einen Grund, warum ich andere Menschen mied und jetzt, wo ich auf Schritt und Tritt von irgendwelchen Verrückten verfolgt wurde, gab es zwei. Dem einzigen, dem ich es gegönnt hätte, die negativen Nebeneffekte einer Freundschaft mit mir zu erleben, war Professor Whang, der mich zweimal in Sportphysiologie hatte durchfallen lassen. Und das nur, weil ich einmal versehentlich sein Auto mit meiner Honda ... touchiert hatte. Aber bei dem wollte ich am allerwenigsten wohnen. Also gab es nur einen Ort, an dem ich mich verstecken konnte.
„Wie heißt du eigentlich?", fragte ich, während ich zur Tiefgarage lief.
Ich bin nur ein Teil von etwas Größerem. Ich habe keinen eigenen Namen.
Wie wär's, wenn ich dich dann einfach Dreckstück nenne?, erwiderte ich einigermaßen gut gelaunt.
Wenn du das möchtest, zeigte sich der Schatten gleichgültig. Ich umrundete das Gebäude und gelangte zu einer der Türen, die in die Garage führten. Dort hielt ich meine Karte vor den Sensor. Ein Piepen erklang und das Schloss öffnete sich mit einem Knacken. Ich drückte die Klinke runter und nahm die dahinter liegenden Stufen. Im Treppenhaus wichen die Schatten vor mir aus, verkrochen sich in die Ecken und hefteten sich erst wieder an meine Fersen, sobald ich ihnen den Rücken zudrehte. Seit Dreckstück in mir war, waren es weniger und ihre Stimmen leiser geworden. Doch dass sie mir auswichen, war neu. Haben sie Angst vor dir?, fragte ich deshalb den Schatten in meinem Kopf und Dreckstück erwiderte: Sie spüren meine Herrin. Ich begegnete einem anderen Studenten, der mich grüßte, dann jedoch verschreckt den Blick abwandte. Entweder sah ich aus, als hätten mich alle guten Geister verlassen oder, als ob mich ein böser Geist besetzt hatte. Vermutlich beides.
Willst du nicht wissen, wie ich heiße?, fragte ich, während ich auf meinen Parkplatz zusteuerte.
In meinem Inneren spürte ich, dass meine Frage den Schatten erheiterte. Ich kenne deine Erinnerungen, Bo. Das ist also nicht notwendig.
Mein Motorrad tauchte zwischen den parkenden Autos auf. In dem Moment fiel mir auf, dass ich meinen Helm vergessen hatte.
Und wenn schon. Sterben kann ich eh nicht mehr.
Ich schwang mein Bein über den Sitz der Honda.
Es gibt Gefährlicheres als Sterben, informierte Dreckstück mich.
Mit gerümpfter Nase zündete ich den Motor. Ist das Größere, zu dem du gehörst, auch ein Schatten?
Dreckstück zögerte und ich umschloss die Lenker mit beiden Händen. Ja. Aber sie ist viel mächtiger als ich. Sie ist meine Herrin.
Schnaubend drehte ich das Gas auf. Dann bestell deiner Herrin schöne Grüße von Bo. Sobald ich diese Arschlöcher losgeworden bin, werde ich dich aus meiner Seele schneiden.

Yay das erste richtige Kapitel! Was meint ihr, wer Bos' Verfolger sind? Und was sind diese Schatten? Und warum kann sie plötzlich durch Wände gehen? Und wer ist Drecksacks Herrin? Wie hat es euch gefallen? :D

Ich hab ein wenig überarbeitet und Rückblenden eingebaut. Ich hoffe, es ist nicht zu verwirrend.

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