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Jo geleitet mich zur Tür und verabschiedet mich mit einem Schulterklopfen.
Wir sagen kein Wort. Ich blicke ihn nur stumm an und frage, ob es ihm gut geht. Doch er antwortet nicht oder er versteht mich einfach nicht.
Langsam steige ich die Treppe hinunter und schließe meinen Mantel.

Dafür das ich erst vor ein paar Stunden verkatert war und mein Magen verrückt gespielt hat, bin ich jetzt erstaunlich klar im Kopf.
Ich habe kaum noch ein Pochen in meinem Schädel.
Auf dem gesamten Weg nach Hause bin ich in Gedanken versunken.
Ich habe nie darum gebeten, Jos Geschichte zu erfahren. Dennoch hat er begonnen sie mir zu erzählen.

Die Hände tief in den Taschen und meiner Nase im Schal vergraben, stapfe ich langsam durch den Schnee.
Jo hat mich traurig gestimmt.
Seine Kindheit war so anders als meine. Ich muss auflachen, bei dem Gedanken jeden Tag Milch zu holen oder kein Auto zu haben.
Sein Vater war im Krieg. Und er kam als anderer Mensch wieder.

Jo durfte so viele Dinge nicht tun - nicht sein.
Ich habe so viele Möglichkeiten, aber ich nutze sie nicht.
Als mir dieser Gedanke kommt, halte ich mitten auf dem Bürgersteig an.
So ein Bullshit! Auch ich kann nicht immer der sein, der ich sein will. Wenn der Alte mich zu irgendetwas bewegen will, weil er in mir eine verlorene Seele glaubt, dann hat er sich geschnitten.

Ich werde ganz bestimmt nicht noch einmal dort auftauchen!
Der alte Mann ist alleine und hat zu viel Zeit sich über sich und die Welt den Kopf zu zerbrechen.
Ich ziehe die Nase hoch und gehe entschlossenen Schrittes weiter.
So weit kommt es noch und ich lasse mich von einem Bewohner Schenectadys einlullen!

Wut macht sich in mir breit. Bin ich wirklich so ein Weichei, dass ich an den Lippen eines alten Mannes hänge?
Das da eben war nur eine Geschichte, wahrscheinlich auch noch eine erfundene.
Ich bin nur ein Idiot gewesen, der an seiner Tür geklopft hat. Wir haben nichts gemeinsam - rein gar nichts!

Vor meinem Elternhaus komme ich zum Stehen.
Ich darf mich nicht der Illusion hingeben, von jemandem verstanden zu werden. Und schon gar nicht in dieser Stadt.
Ich darf mein Vertrauen nicht zum Fenster herauswerfen.
Er und ich, da gibt es keine Gemeinsamkeiten, wie er behauptet!

Meine Mutter klopft ans Fenster und winkt mir zu. Ihre Locken wippen auf und ab und selbst auf die Entfernung erkenne ich ihr Strahlen.
Wenn sie nur wüsste, wer hier gerade vor ihrem Fenster steht.
Ein Fremder. Ein Lügner. Ein Feigling.

Ich hebe die Hand und lächle. In Gedanken entschuldige ich mich bei ihr.

Ich verleugne mich selbst, aus Angst verleugnet zu werden. Ich verstecke mich, obwohl mir keine Schläge drohen, so wie Jo. Da hinter mir steht mein wundervolles Auto, in das ich steigen und wegfahren kann.
Ich bleibe noch eine Weile auf der Bank neben der Haustür sitzen und starre gedankenverloren in den Schnee.

Was, wenn ich jetzt einfach in die Küche stürmen und es Mom sagen würde?
Was, wenn ich es heute Abend täte oder Morgen?
Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen.
Während ich so da sitze und über mein Leben nachdenke, kann ich Jos Geschichte nicht verdrängen.

Wir sind gerade erst an dem Punkt angekommen, wo er seinen besten Freund Bill getroffen hat. Auf dem Pausenhof, weil beide nicht in den Unterricht gehen wollten.
Jo hat gesagt, dass er und Bill sich sofort verstanden haben und zusammen nachsitzen mussten.

Ich habe so eine Ahnung, wo die Geschichte hinführen würde. Aber ich habe das Hochzeitsbild an seiner Wand gesehen, also will ich das Ende der Geschichte gar nicht wissen.
Es ist nicht nötig Geister der Vergangenheit aufzuscheuchen.

"Hey."
Ich blicke auf. Mein Gesicht wird weicher, als ich in das von Bradyn blicke. Er lehnt am Pfeiler vom Verandadach und blickt mich mit schief gelegtem Kopf an.
"Hallo."
Verlegen rümpfe ich die Nase.

"Ich soll euch beim restlichen Dekorieren helfen. Hast du etwa auf mich gewartet?", fragt er lachend.
"Nein!"
Ich stehe auf, als hätte mich etwas in den Hintern gestochen.
"Ich habe nur ... nachgedacht."
"Draußen? Bei null Grad?"

Ungläubig sieht sich Bradyn auf der Veranda um.
"Ja ... Ich ..."
Bradyn kommt auf mich zu und ich versinke im Grün seiner Augen.
Heute stehen wir uns zum ersten Mal aufrecht gegenüber und ich bemerke, dass er seinen Größenunterschied von früher nicht ausgleichen konnte.
Ich überrage ihn um ein bis zwei Zentimeter.

Trotzdem lassen seine Augen mich klein wirken. Und wenn er mich jetzt so ansieht, vergesse ich, dass ich wie der letzte Idiot bewegungslos vor ihm stehe.
"Sollen wir vielleicht reingehen?"
Bradyns tiefe Stimme erweckt mich zum Leben.

"Ja! Ja, natürlich!"
Ich krame nach meinem Schlüssel, aber Bradyn öffnet bereits die Tür.
"Du hast einen Schlüssel?"
"Ja. Nach der Sache mit meinem Dad war das hier mein Zufluchtsort. Liz - ich meine, deine Mom - hat mir sehr durch die Zeit geholfen. Den Schlüssel habe ich aus reiner Bequemlichkeit, weil die beiden nicht immer aufstehen wollten, wenn ich um zehn Uhr nachts an der Tür klingelte."

Er lacht verlegen und reibt sich den Nacken, dabei blickt er zu mir auf. Einen peinlich berührten Ausdruck in den Augen.
"Oh."
Ich habe völlig vergessen, dass sein Vater gestorben war.
"Mein Beileid übrigens. Ich glaube, das habe ich noch nicht gesagt."

"Nein. Hast du nicht."
Wir stehen in der Tür ohne hineinzugehen.
"W - Wie ist es passiert?"
"Hirnschlag. Kurz und schmerzlos, er ist eines Tages im Sommer einfach zusammengebrochen."

Meine Augen weiten sich und ich greife nach Bradyns Arm, drücke ihn ganz leicht durch die dicke Jacke.
"Es tut mir leid."
"Jetzt lass uns reingehen! Es ist schon alles gut. Deine Mom und dein Dad waren für mich da. Ich habe in dieser Zeit mehr Nächte in deinem Bett verbracht, als in meinem. Im Nachhinein habe ich meine Mutter alleine gelassen, dafür fühle ich mich heute noch -"

"Du hast was?", unterbreche ich ihn.
Perplex sieht mich der kleine Heuchler an und schürzt die Lippen.
"Habe ich was?"
"Du hast gerade gesagt, du hast in meinem Bett geschlafen."

Bradyn wird rot. Ein kirschroter Nebel zieht über seine Wangen und lässt sich darauf nieder, während er mir weiterhin tapfer ins Gesicht schaut und versucht, seine Verlegenheit zu überspielen.
"Mir war nicht klar, dass ... Du warst nicht da. Wir dachten, das wäre in Ordnung."
"Ihr dachtet", spuke ich aus, "Schon klar."

"Mica, hör zu, ich wusste nicht, dass das nicht okay für dich war. Es ist jetzt auch schon einige Zeit her, also mach jetzt bitte kein Drama daraus."
Ich lache verbittert auf und ziehe endlich meine Schuhe aus.
"Weißt du, was witzig ist? Ich erinnere mich nur gerade daran, wie angewidert du plötzlich im Junior Year von mir warst! Es wundert mich nur, dass du dich überhaupt dazu herabgelassen hast, in meinem Bett zu schlafen! Aber die Sache mit deinem Vater scheint dich ja wirklich sehr mitgenommen zu haben."

Bradyn sieht mich für einen Moment mit offenem Mund an.
Ich kann meine Worte nicht zurücknehmen und ehrlich gesagt, will ich das auch nicht.
"Wir waren Kinder, verdammt!"

Ich mache einen großen Schritt auf ihn zu und zwinge ihn mit meinem Blick beinahe in die Knie. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich balle meine Fäuste.
"Ach ja? Und was sind wir jetzt?"

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Song: The Wisp Sings - Winter Aid

Also ihr müsst schon sagen, dass die Metapher mit dem kirschroten Nebel gar nicht schlecht war, oder? Kein Plan, aber das kam einfach so raus xD

Der Song btw ist einer meiner personal favorites, wenn es zu sad songs kommt!

An dieser Stelle würde ich euch gerne mal nach Film- bzw. Serien-Empfehlungen fragen!

All ma luv, Lisa xoxo

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