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Also warte ich und warte und warte, bis meine Füße taub und meine Hände rot werden.
Aber ich begrüße den Schmerz und das taube Kribbeln in meinen Gliedern.
Es lenkt mich ab und vertreibt Bradyn aus meinem Kopf, weswegen ich mich nicht in mein Auto mit Sitzheizung flüchte.

Und so findet Jo einen halberfrorenen Mica auf seiner Vortreppe.

"Junge, bist du verrückt, hier draußen rumzusitzen?"
Jo kommt neben mir zum Stehen. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich hier schon sitze. Ich weiß nur, dass ich schon eine ganze Weile nicht mehr an New York denken musste.
Der Alte stellt eine Leinentasche neben mir ab und schließt die Tür auf.

Bevor er mich hereinwinkt, dreht er sich um und schaut die Straße herunter.
"Bist du denn nicht mit deinem Auto gekommen?"
Sein fragender Blick bleibt an meinem SUV hängen und gleitet dann zu mir. Er schüttelt seinen Kopf und schiebt mich in den warmen Flur.

"Ich weiß, in deinem Alter ist man gerne verzweifelt und hegt Hass gegen sich selbst, aber wenn du erfrieren willst, dann bitte nicht auf meiner Veranda!"
Und mit einem sanfteren Ton fragt er: "Tee?"
Mit klappernden Zähnen nicke ich und ziehe widerwillig meine Jacke aus.

Die Wärme aus dem Wohnzimmer lockt mich, dennoch bleibe ich im Flur stehen und betrachte die gerahmten Bilder an der vertäfelten Wand.
Jo lacht mir entgegen, mit struppigen Haaren und einer Medaille in der Hand. Seine Brust ist stolz vorgestreckt, ein keckes Funkeln in den jungen Augen.

Eine Reihe darunter entdecke ich Dolly, das rote Auto von Bill und Jo. Sie steht auf einer Klippe, hinter ihr der Atlantische Ozean und ein paar Felsen.
Ein Lächeln huscht über meine Lippen.
Es ist komisch hier im Flur zu stehen und Jo aus einem vergangenen Leben anzusehen.

Ich suche vergeblich nach Bill. Er ist auf keinem der Bilder abgelichtet worden.
Ich wende mich ab und eile in die gemütliche Wärme des Wohnzimmers. Dort grinst mich auch eine Schwarzweißversion von Bill an, der einen Arm um Jo gelegt hat.
Es ist mein Lieblingsbild von den beiden.

"Ich frage mich gerade, wer dieses Bild aufgenommen hat", sage ich zu Jo, der den Raum betreten hat und seufzend meine Teetasse auf den kleinen Couchtisch stellt.
"Margaret."
Ich wende meinen Blick von der Fotografie ab und setzt mich.

"Ich weiß ... Du musst nichts sagen, Mica. Aber ich habe diese Bilder hier hängen, um mich daran zu erinnern, etwas Besseres in meinem Leben zu machen. Und wenn ich es nur schaffe, dir auf den richtigen Weg zu verhelfen."
Ich presse meine Lippen zusammen, versuche die Tränen hinter meinen Wimpern zu halten. Seine Frau soll dieses Bild aufgenommen haben?

Es ist eine knappe Woche her, dass ich Jo gesehen habe und er mir dieses unmögliche Geständnis gemacht hat.
Ich habe nicht daran gedacht, dass ich damit konfrontiert werden würde, wenn ich wieder herkomme.
Aber jetzt ist es zu spät und ich sitze auf dem grünen Sofa, bereit Jo von meinen Fehlern zu erzählen und mit seinen zu leben.

"Was Sie getan haben, ist abscheulich."
Ich lege eine kleine Pause ein, die sich ewig hinzieht, weil ich nicht den Mut finde weiter zusprechen. Aber Jo gibt mir die Zeit, die ich brauche. Er sieht mir an, dass ich noch nicht fertig bin.

"Aber ich habe kein Recht darüber zu urteilen. Ich kenne Sie, wie Sie jetzt sind. Ein alter Mann, der bereut. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie es war in einer vergangenen Zeit zu leben, in der die Gesellschaft noch engstirniger und traditioneller war."
Ich greife nach meiner Tasse, ohne daraus zu trinken.
Sie schwebt zwischen mir und Jo, wie tausend unausgesprochene Worte, die keiner von uns beiden je in den Mund nehmen würde.

"Das heißt nicht, dass das was Sie getan haben, keine Abscheulichkeit war. Aber es ist nicht an mir Ihnen zu verzeihen. Das müssen andere Menschen tun."
Jo nickt. Seine dunklen Augen ruhen auf meinem Gesicht. Etwas an seinem Blick erweicht mein Inneres und meine Augen werden feucht.
"Was ..." Ich räuspere mich. "Was ist eigentlich aus Bill geworden? Hat er Ihnen verzeihen können?"

Jo kratzt sich am Bart und seine Augen huschen von meinem Gesicht auf den kleinen Tisch vor mir.
Er holt tief Luft, seine Lungen rasseln und als er wieder aufsieht, stehen auch vor seiner schwarzen Iris kleine Tränen des Schmerzes.

"Ich habe versucht ihn zu kontaktieren. Das ist schon wieder einige Jahre her, aber ... er hat nicht geantwortet. Wahrscheinlich habe ich auch schon lange nicht mehr die richtige Adresse. Ich wollte ihn um Entschuldigung beten - nicht, um mein Gewissen zu reinigen, sondern um ihn wissen zu lassen, dass es mir wirklich leid tut und ich mein Leben lang in Schuld leben werde. Weil ich Leben zerstört habe mit meinen Lügen. Und ich wollte, dass er das weiß. Und jetzt wird er es nie erfahren."

Ich habe noch nie einen alten Mann weinen sehen. Jedenfalls nicht, dass ich mich daran erinnern kann.
Unbeholfen wie ich bin, bleibe ich auf meinem Platz sitzen, starr und stumm und beobachte den Alten beim Weinen.
"Tut mir leid."
Ich schüttle den Kopf.
"Bei mir müssen Sie sich wirklich nicht entschuldigen, Jo."

Ich lehne mich vor und strecke meine Hand aus, wie ich es auch bei Ben getan habe. Und der Alte ergreift sie.
Seine Finger sind kalt und trocken, sie zittern unter meinem Griff.
"Er ist verlobt."
Jos Körper wird noch steifer, als er ohnehin schon ist. Plötzlich sitzt er kerzengerade vor mir und seine Augen weiten sich.

"Er macht wahrscheinlich den gleichen Fehler wie Sie. Oder ich glaube seinen Worten und 'er wollte sich nur mal mit mir ausprobieren'."
Ich entziehe meine Hand und lehne mich in den gemütlichen Polstern zurück.
"Weißt du, das mit -"
"Ich habe sie gestern kennengelernt. Sie ist ganz bezaubernd", unterbreche ich ihn.

Jo lässt sich ebenfalls zurückfallen und legt entkräftet die Hände auf seine Oberschenkel.
"Und ich habe meinen Freund aus Kalifornien zu Weihnachten eingeladen."
Ich presse meine Lippen zusammen und nicke in Bestätigung, als Jo mich ungläubig ansieht. Wir brauchen keine Worte auszutauschen, wir wissen so, was der andere fühlt.

Es ist schon witzig, denn mit dieser Aussage hat mich der alte Jo damals in seinem Haus gehalten. Er sagte, wir seien uns ähnlicher, als ich glauben mag. Und er hatte recht.
Wir sind uns unheimlich ähnlich, wir verstehen uns, obwohl so viel zwischen uns steht. Eigentlich liegen ganze Welten zwischen uns. Und trotzdem treffen wir uns auf einer Seite.

"Ich glaube, diese Informationen verkraftet mein altes Herz nicht mehr."
Ich kratze mich an der Augenbraue und ziehe eine Grimasse.
"Wir reden über den Freund, mit dem du eigentlich keine richtige Beziehung führst, oder?"

"Es war eine undurchdachte Handlung. Bradyn war da, mit seiner Zukünftigen! Und ich ... ich war so verletzt - bin ich ja immer noch. Ich weiß einfach nicht, wie ich Emil beibringen soll, dass meine Familie nichts von mir und ihm weiß. Er glaubt, ich habe mich vor langer Zeit geoutet."

Jo lacht auf. Aber es ist ein angespanntes Lachen, das mir zu verstehen gibt, dass er meine Lage nachvollziehen kann.
"Da musst du jetzt durch, Junge. Stell dich deiner Familie. Weglaufen geht nicht mehr."
"Ich glaube, das bringt es auf den Punkt. Irgendwelche Tipps?"
Ich hebe schnell die Tasse an meine Lippen, um nicht über meine gemeine Frage zu lachen.

"Tatsächlich ja. Habe einfach keine Angst ihnen in die Augen zu blicken. Und wenn sie es nicht akzeptieren sollten, denke immer daran, dass du ein Zuhause und Menschen hast, zu denen du zurückkehren kannst."

Ich knete meine Hände, die langsam wieder eine normale Farbe annehmen und kaue auf meiner Lippe herum.
"Mica?"
Ich blicke auf.

"Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es akzeptieren werden. Es bracht vielleicht etwas Zeit, aber ich kenne deinen Vater. Er ist zum Glück nicht wie mein Vater. Er wird dich trotzdem weiter lieben. Und deine Mutter ist ein herzensguter Mensch. Sie wird sich vielleicht Sorgen um Enkelkinder machen ... aber sie wird deine Mutter bleiben."

Ein trauriges Lächeln ziert seine Lippen.
Ich sehe plötzlich den jungen Jo vor mir, der in seinem Hausflur steht und sich nicht herein traut, weil er die großen Worte nicht in den Mund nehmen kann, weil er nicht ehrlich sein kann. Weil er weiß, dass er sein Leben lang davon laufen muss.

Ich blicke in die schwarzen Augen des Alten. Ich will nicht so werden wie er.
Und das soll mir Mut machen.
Ich werde die Worte finden, die ich sagen muss!

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Song: We don't eat - James Vincent McMorrow

Mit diesen weisen Worten entlasse ich euch ins Neue Jahr!

Ich bin so dankbar, dass es Geschichten gibt, die uns verbinden, uns zusammenbringen. Dieses Jahr war wirklich einfach beschissen. Aber es hatte auch kleine Glücksmomente. Und ich hoffe, dass sich jeder einzelne von euch sich an seinen erinnert.

Ihr gehört für mich zu einem dieser Momente. Ich weiß, cheesy. Aber wahr. Sorry not Sorry.

Ich hoffe - für uns alle -, dass 2021 besser wird. Dass wir wieder einen Sommer haben, in dem alles fast wieder normal ist.

Mein Gott, wer hätte gedacht, dass wir dieses Jahr in einem halben Sci-Fi Film aufwachen?!

Freunde ... wir sehen uns auf der anderen Seite :)
Ich werde ein paar Knallbonbons aus dem Fenster werfen ;P

2021 - wir kommen (und wehe, dass hier wird wieder so ein Backflash und Leute kommentieren hier in 2021: "haha ja, das war wohl nix")

All my Love, always
Lisa xoxo

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