großer Andrang °💖° Fr. 4.12.2020

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Die ersten drei Abende mit den Spieltischen sind rum, und - ja - irgendwie hatte der Schnösel recht. Der Umsatz ist deutlich hoch gegangen, und zwar, WEIL die Leute so viel Spaß haben. Gestern Abend waren wieder drei Tische besetzt. Und zum ersten Mal hat auch der Schnösel mitgespielt. Er war wieder unauffällig gekleidet, nicht so bürofein wie vorgestern. Er hat ruhig, freundlich und konzentriert gespielt, haushoch verloren und dann in der Endrunde den Sieger seines Tisches angefeuert. Das hat die Stimmung gehoben, weil dadurch alle Zuschauer viel mehr innerlich beteiligt waren als sonst. Und er selbst hat dabei so entspannt gewirkt, wie ich ihn bisher noch nicht gesehen habe.

Ich merke allerdings auch, dass ich mehr putzen, aufräumen, Müll wegtragen und Verbrauchsmaterial nachlegen muss als sonst. Heute trage ich drei weitere Tische und zwölf Stühle aus dem Keller hoch. Mehr kriege ich oben einfach nicht unter, ohne den Billardtisch zu bedrängen und die vorgeschriebenen Fluchtwege zu verstellen. Ich ächze grade mit dem zweiten Tisch hoch, als es an die Scheibe klopft und Jimin in die Kneipe lunzt. Das passt. Heute nehme ich seine Hilfe auch gerne an. Ich lasse ihn rein, und wir tragen zügig gemeinsam die Möbel hoch.
„Magst du mir noch ein bisschen mehr helfen, nachdem du was gegessen hast? Ich finde übrigens, dass du inzwischen deutlich gesünder aussiehst als vor zwei Wochen."
Jimin reagiert nicht auf diese Bemerkung, aber er strafft die Schultern ein bisschen. Wir essen gemeinsam, und dann schaut er mich an.

„Patrick, gibt es hier jetzt noch was schnelles zu tun für die letzten fünf Minuten? Und darf ich dir was erzählen?"
Ich platze fast vor Neugierde, denn es ist das erste Mal, dass wir beide ganz normal miteinander umgehen. Ich hole schnell die Körbe mit sauberem Besteck und die Papierservietten. Jimin versteht und geht hinter den Tresen, um sich gründlich die Hände zu waschen. Dann rollen wir gemeinsam Besteck in Servietten ein, weil ich gestern Abend nämlich restlos alles Besteck verbraucht hatte. Und das hat uns zum Teil ganz schön aufgehalten.
„Erzählst du's mir jetzt? Es ist nicht mehr viel Zeit."
Ein Strahlen geht über sein Gesicht, und ich verkneife mir ein „WOW", weil er so glücklich dabei aussieht.

„Ssss ..."
Wir müssen beide schmunzeln.
„... und ich haben uns gestern Abend auf ein altes Brett ein „Mensch, ärgere dich nicht" gemalt. Dann hat er draußen acht kleine Steine gesucht. Und irgendwann hatte ich mal einen Würfel gefunden. Wir haben uns in unsere Decken gemummelt, ich habe ihm die Regeln erklärt - und dann hat er mich nach Strich und Faden abgezogen."
Grinsend greift er nach der nächsten Serviette und wickelt Messer und Gabel ein.

„Aber weißt du, was das Schönste war?"
„Na?"
„Ssss ... hat die ganze Zeit glücklich gekichert. Jedes Mal, wenn er mich rausgeworfen hat, haben seine Augen geleuchtet wie Sterne. Und ich hätte die ganze Zeit heulen können vor Glück."
Ich wische mir schnell und möglichst unauffällig über die Augen. Denn alleine die Vorstellung, dass ein kleiner Junge alles andere um sich herum vergisst, einfach, weil er glücklich ist - das berührt mich ganz tief.
„Erst die dritte Partie hab ich dann gewonnen. Und da hat er sich dann auch total gefreut drüber."

Plötzlich klappt Jimin zu wie eine Auster. Sein letzter Satz hängt bedeutungsschwer in der Luft. Nach einer sehr stillen Minute atmet er endlich aus, dann wieder ein, dann zieht er sich all seine warmen Sachen an. Ich habe Angst, dass er nun wieder einfach davonläuft. Aber er schaut mich doch nochmal direkt an.
„Danke, Patrick. Du tust mir gut. Du tust uns gut. Ich bin froh, dich kennen gelernt zu haben."
Und weg ist er.

Als er nach seiner Schicht wieder vor dem Haus steht, möchte ich jubeln. Ich hatte mir eine ruhige Essenspause in meiner Wohnung gegönnt. Dann war ich noch eine Treppe weiter nach oben gegangen und hatte einfach mal geschaut, was man da alles tun müsste, damit die Wohnung wieder bewohnbar ist. Außer Putzen. Und Putzen. Und Putzen. Die Heizungen gluckern ganz heftig, eine Fensterscheibe ist gesprungen, eine Küche müsste rein. Und überhaupt Möbel. Eine Tür schließt nicht richtig, und die Eingangstür ist so verzogen, dass unten drunter durch ganz kalte Luft in die Wohnung zieht.

Kopfschüttelnd über mich selbst schaue ich aus einem der halb blinden Fenster und sehe, wie Jimin grade an die Bürgersteigkante zurücktritt und am Haus hochschaut. Ich kämpfe ein bisschen, bis ich das Fenster aufgekriegt habe. Dann winke ich ihm zu.
„Komme runter!"
Schnell flitze ich die ganzen Treppen runter und lasse ihn in die Kneipe.
„Entschuldige. Ich habe nirgendwo eine Klingel gesehen."
„Das liegt daran, dass es vom Hof aus noch einen Eingang ins Treppenhaus gibt, der zu den Wohnungen führt. Und da sind die Klingeln."

„Hier, die Dose zurück. Der Kleine hat sich so gefreut über den Apfel. Und er hat gut aufgepasst, dass ich auch was esse."
Wir lächeln uns an.
„Aber wir haben nur kaltes Wasser zum Spülen, die ist also nicht so richtig sauber ..."
„Das ist egal. Die schmeiße ich einfach hier unten mit in die Spülmaschine. Darf ich dir wieder was mitgeben?"
Fast hätte ich laut gelacht, denn Jimins Kopf kann sich offensichtlich nicht entscheiden, ob er nicken oder sich schütteln soll. Rauf, runter. Links, rechts.
„Das ist total lieb, ich ..."
„... nehme das Angebot gerne an. Was anderes akzeptiere ich nicht."
Denn natürlich habe ich schon wieder Essen für die beiden vorbereitet. Dankbar nimmt er die nächste Dose an, verabschiedet sich und läuft los.

Um 17.00 Uhr gehe ich runter und bereite gemeinsam mit dem Koch die Küche vor. Er setzt die Suppen frisch an, bereitet ganz viel für die Salate vor, legt sich alles griffbereit.
„Chef, ich weiß nicht, wie lange wir das in der Besetzung durchhalten. Heute Abend ist die Belastungsprobe. Ich war gestern eigentlich schon am Rand. Aber heute ist Freitag. Wenn heute Abend wie üblich noch mehr Leute kommen, dann schaffe ich das nicht. Und vorne muss dann auch noch jemand mehr mitwuseln."
„Du hast recht, Changbin. Ich habe mir heute Mittag einen Wolf gewickelt an unsrem Besteck. Heute Abend schaffen wir das irgendwie, und ich fange sofort an zu suchen."
Kurzerhand gehe ich ins Büro und schreibe auf eine Tafel, dass wir Aushilfen in der Küche und im Schankraum suchen.
Vielleicht hat ja jemand Lust, die Seite zu wechseln.
Die Tafel hänge ich direkt neben die Tageskarte.

Um Punkt 18.00 Uhr öffne ich die Tür, und um 18.05 Uhr bricht die Hölle über uns herein. Die Kneipe ist brechend voll, nur an den vier Spieltischen ist noch Platz, mehrere Gruppen stehen Schlange am Billardtisch, auch am Dartbrett ist halligalli. Changbin ist ein unglaublich strukturierter Mensch, der seine Kocherei hervorragend timen kann. Aber heute Abend kommt er echt an seine Grenzen. Ich kann mich kaum um die Spieler kümmern, weil ich ununterbrochen Gläser spüle, Besteck wickle und Bier zapfe.

Aber ein paar Leute habe ich doch bewusst wahrgenommen. Der Schnösel ...
Eigentlich sollte ich aufhören, ihn Schnösel zu nennen. Der hat doch einen richtigen Namen, und den sollte ich vielleicht mal rauskriegen.

Also - mein Schnösel und ein anderer Typ sind fast gleichzeitig angekommen. Sie sind sich an der Garderobe begegnet. Mein Schnösel war freundlich und hat ihm den letzten Bügel überlassen, der andere hat ihn nicht mal angesehen. Dann ist er zielstrebig an einen der Spieltische gegangen und hat sich gesetzt. Er ist noch ganz jung, vielleicht sogar noch Schüler.

Mein Schnösel hat den Kopf geschüttelt über so viel Unhöflichkeit, hat sich vorsichtshalber an einen anderen Tisch gesetzt und sich sein Guinness bestellt. Er kam schnell mit zwei anderen, die auch schon mehrfach zum Spielen da waren, ins Gespräch. Sie stellten sich vor, bald lachten sie miteinander. Der neue Fremde blieb allein, schwieg und nippte ab und zu an seinem Wasser.

Wir rennen weiter. Um 19.00 Uhr sind alle Spieltische voll besetzt. Alle geben an, die Regeln zu kennen, und so können sie gleich losspielen. An drei Tischen wird viel gelacht. Am Vierten sitzt der fremde Schweiger und zieht die anderen drei knallhart ab. Ich zapfe die nächsten fünf Biere.
Das Besteck ist schon fast alle ...

Der Fremde gewinnt haushoch an seinem Tisch, mein Schnösel wird heute immerhin Zweiter, und auch an den anderen beiden Tischen steht bald der Sieger fest. Die Leute setzen sich um, damit die vier Sieger an einen Tisch kommen. Dann geht es in die Endrunde. Einige der Mitspieler bleiben drumrum stehen und feuern ihre Leute an, ein paar andere trollen sich frustriert. Aus dem Augenwinkel registriere ich, dass dieser Neue ein echter Stimmungskiller ist. Ohne den Schnösel wäre da jetzt schon lange tote Hose.
Das muss ich im Auge behalten!

Das letzte Spiel dauert recht lange, weil sich die anderen drei am Tisch nach Kräften wehren, aber am Schluss hat doch der Neue gewonnen. Auffordernd schaut er Misi an, die schon in den Startlöchern steht. Aber zum Essen sitzt er dann ganz alleine da. Kaum ist sein Teller leer, ist er verschwunden.
Na, da hab ich ja so gar keinen Bock drauf ...
Aber jetzt ist er ja weg und kann den anderen die Laune nicht mehr verderben.

Ich muss allerdings schon wieder rödeln, weil durch das Ende der Spielerunden wieder ganz viele Bestellungen auf einmal reinkommen. Misi und Younha sind inzwischen dazu übergegangen, das Besteck zum Essen einfach zu greifen und so an den Tisch zu tragen. Es kommt ja kaum schnell genug aus der Küche zurück, weil Changbin mit dem Spülen nicht hinterher kommt.

Auf einmal steht mein Schnösel vor meinem Tresen.
„Sir, ich habe das Gefühl, hier werden noch ein paar Hände mehr gebraucht. Ich hab im Studium in einem Restaurant gejobbt. Wo werde ich am dringendsten gebraucht?"
Ich starre ihn an wie den Weihnachtsmann. Dann halte ich ihm meinen Ellbogen hin, weil meine Hände grade voller Spülschaum sind.

„Cool. Ich bin Patrick. Schlag ein, dich schickt der Himmel."
Er tippt mit einem Grinsen an meinen Ellbogen.
„Am meisten braucht dich der Koch."
„Ich bin Taehyung. Gibts Dienstkleidung, muss ich irgendwie auf Hygiene achten?"
„Mach, dass du in die Küche kommst, den Rest erklärt dir Changbin."
Und schon ist er verschwunden.

Ich atme einmal tief durch. Younha taucht vor dem Tresen auf, um die nächsten Biere einzusammeln und an die Tische zu bringen.
„Bringst du mal ganz schnell einen Haufen Servietten und die Besteckkörbe zur Küchendurchreiche?"
Sie nickt, flitzt mit ihrem Tablett los und schiebt kurz darauf die Körbe mit Servietten in die Durchreiche. Von drinnen kommt sofort eine lange schlanke Hand und greift danach.
O.K. - jetzt bin ich wirklich neugierig auf dich, mein „Schnösel".

Um 22.30 Uhr schließt die Küche, dann wird es merklich ruhiger. Einige Gäste gehen, die anderen gehen zu Geplauder mit Bierchen über, auch am Billardtisch herrscht kein Andrang mehr. In einer kleinen Verschnaufpause pfeife ich kurz alle Mitarbeiter zu mir zur Küchendurchreiche.
„Lebt ihr noch? Da muss ich ganz schnell aufstocken. Wenn ihr also jemand wisst, der noch mit einspringen kann, dann immer her damit, am liebsten schon morgen. An allen Wochenenden Freitag bis Sonntag und am liebsten auch an Heilig Abend.
Und jetzt möchte ich euch unseren rettenden Engel vorstellen. Das lange Dünne da in der Küche ist Taehyung."
Alle murmeln ein Hallo. Meine Leute sind genauso neugierig wie ich.

„Ging das für dich so spontan?"
„Jou. Changbin hat mir einfach die Spülmaschine erklärt, und ich hab Besteck gewickelt. Ab und zu hab ich was geschnibbelt. Das ging hier ganz gut so. Oder?"
Er schaut Changbin an, und der nickt müde.
„Das war allerhöchste Eisenbahn. Du bist echt schnell, danke. Wenn ich nur noch kochen muss, geht das alles schon viel flüssiger. Und ich werde morgen noch eine Stunde eher kommen und einiges mehr vorkochen, das dürfte es auch entzerren."
„Das heißt, heute ist nichts übriggeblieben?"
„Nicht ein Fitzel. Nur die Muffins da noch. Taehyung, kannst du morgen wieder dabei sein?"
DAS ist so ziemlich das größte Kompliment, das Changbin jemand machen kann. Man sagt den Asiaten ja nach, dass sie reserviert und verschlossen sind. Aber dieser Mann schlägt den kompletten Rest Asiens um Längen.

„Ich würde gerne abwarten, ob ihr für morgen schon andere Leute rekrutieren könnt, denn ich habe eigentlich einen richtigen Job und würde auch gerne mitspielen. Aber bevor ihr wieder ins Rotieren kommt, bin ich gerne dabei. Es hat Spaß gemacht, mal wieder so richtig zu powern und mit anderen Hand in Hand zu arbeiten."
„Das klingt richtig gut. Können wir Nummern tauschen, Taehyung? Dann kann ich dich benachrichtigen, sobald ich weiß, ob wir dich morgen wieder brauchen."

Die Tresenglocke bimmelt, und wir spritzen wieder auseinander. Changbin räumt in aller Seelenruhe das Schlachtfeld in seiner Küche auf. Die Mädels und Wooyang gehen zurück in den Schankraum und Taehyung folgt mir hinter den Tresen, bekommt mein Handy und tippt seine Nummer ein. Dann ruft er sich gleich auch noch selbst an, damit er mich bei sich abspeichern kann.

Er legt mein Handy hinter sich ins Regal und lehnt sich entspannt dagegen. Nachdem ich die Getränkebestellungen abgearbeitet habe, beginne ich, auch hier das Schlachtfeld zu beseitigen.
„Taehyung, darf ich dich was fragen?"
„Klar, mach."
„Du bist heute ein völlig anderer Mensch als bei unsrer ersten Begegnung. Welcher ist der wahre Taehyung?"
Die Schönheit der koreanischen Männer haut mich immer wieder aus den Socken. Ich glaube, ich werde mich nie daran gewöhnen. Hier jetzt auch wieder. Sein makelloses Gesicht verzieht sich zu einem zufriedenen Grinsen, das seltsam, aber sehr ansprechend kastenförmig ist.
Umwerfend.

„Der heute. Oder so. Mein Leben ist im letzten halben Jahr komplett auf den Kopf gestellt worden. Ich musste plötzlich einen Job neu lernen, den ich eigentlich nie machen wollte. Vor ein paar Tagen habe ich endlich die richtige Hilfe bekommen. Ich habe wieder Hoffnung, dass ich das doch schaffen kann. Der erste Tae war der verzweifelte. Dieser hier ..."
Er macht eine witzige Bewegung wie ein Star auf einem roten Teppich.
„Dieser Tae hier ist wieder der alte. Und ich genieße das unglaublich."

Bäm! Jetzt weiß ich, wen ich vor mir habe.
Den bekanntesten und umschwärmtesten Nachwuchsschauspieler Südkoreas. Kim Taehyung. Er singt, tanzt, moderiert, schauspielert, modelt und macht dabei immer eine gute Figur. Er sprüht vor Charme, quetscht Schönheit und Eleganz aus allen Poren, hat eine sagenhafte Ausstrahlung und - ja, und dieses Kastengrinsen. Und ich glaube, dass er auf einmal hierher kommt, weil er einfach seine Ruhe haben und ab und zu mal nur Tae sein will.
Das kann er hier haben!
Ich halte schön meinen Mund.

„Na, dann freue ich mich, dass ich diesen Taehyung auch noch kennen lernen darf. Willkommen im Team!"

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4.12.2020 - 13.1.2021

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