Unter jeder Maske eine neue

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"Das tut überhaupt nix zur Sache, wo ich war!" Ich bemerke, dass Hannes die Fäuste ballt, während er spricht. Doch ehe ich diesem Detail weitere Aufmerksamkeit schenken kann, regelt er die Lautstärke wieder auf ein normales Niveau runter. "Tua hat dich nicht vor uns angepriesen, wie du dir das anscheinend wünschst. Dabei ist er ein Romantiker. Er reißt den Mund bei Kitsch auf, er prahlt mit seinen Freundinnen; aber als er das erste Mal von dir sprach, hat er dich als die Praktikantin bezeichnet, die er weggeballert hat. Du warst ein Mittel zum Zweck, Iara. Du warst einfach irgendeine Schlampe für ihn, die er gebumst hat und an deiner Stelle würde ich mich fragen, warum er den Eindruck, den wir von dir hatten, bis vor ein paar Wochen nicht korrigiert hat. Ich wusste bis dato nicht einmal, dass du noch eine aktuelle Fickgeschichte für ihn warst." "Richtig, ich war all das für ihn, dann wurde ich seine Freundin! Dass du das nicht wusstest tut mir leid, trotzdem kann ich dafür nix!" Mittlerweile sehe ich es nicht mehr ein, meinen Ärger über ihn zu verbergen. Was erlaubt der sich eigentlich?! Langsam aber sicher realisiere ich, wie respektlos sich dieses Schwein mir gegenüber verhält. Er benimmt sich echt unmöglich, aber fertig mit seinen Erniedrigungen ist er wohl noch lange nicht.
"Nein, du wurdest ein Mädchen, dass es ihm so gut besorgen konnte, dass er dich behalten wollte." Jetzt tippt er mit seinem gekrümmten Zeigefinger auf meinen nackten Hals, direkt an meine Aorta. Die Berührung fühlt sich absolut falsch an. Wütend rücke ich ab von ihm. Wir sollten eine sichere Distanz zueinander wahren, sonst verlässt einer von uns nachher mit ausgekratzten Augen die Wohnung. "Er hat das schon mal gemacht." Pause. Hannes ist die personifizierte Form eines Sturmes, der sich über dem Eismeer zusammenbraut. "Bei Mascha", beendet er seine Tirade und nimmt mir allein durch die bloße Erwähnung von Tuas Ex-Freundin den Wind aus den Segeln. Mein Mund ist jetzt wirklich die Wüste Gobi. Das kann nicht sein Ernst sein.
Mascha hatte, nach einem verhängnisvollen Onenightstand mit meinem Freund, einen Schwangerschaftsabbruch; Tua und sie haben sich gegen das Baby entschieden. Das ist Jahre her. Als er mir davon berichtete, flossen mir heiße Tränen die Wangen herab. Tua hat es irgendwie geschafft, das aufzuarbeiten, und doch erinnere ich mich exakt daran, wie er mit sich kämpfen musste, als er mir schonend etwas über dieses einschneidende Erlebnis, das geschah lang bevor er mich kannte, beizubringen versuchte.
Wie paralysiert trete ich einen Schritt zurück. "Die Situation hat ihn bei Mascha dazu gezwungen", sage ich leise, schließlich will ich nicht Tua auf den Plan rufen, indem wir seine Vergangenheit für die Nachbarn haarklein schildern als handle es sich dabei um ein spannendes Hörspiel, doch Hannes fährt unbeirrt fort.
"Hat er dir das erzählt? Dass die Abtreibung, die sie seinetwegen hatte, ihn an sie gekettet hätte?" Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem fiesen Grinsen. "Vergiss mal, er hatte nix anderes als triebgesteuerte Beweggründe. Mascha kannte Tua eine Ewigkeit und sie stand gleich auf ihn. Sie wusste in sämtlichen Einzelheiten über seine sexuellen Vorlieben Bescheid, er hat ihr quasi alles erzählt, ich war dabei. Ihr war klar, was sie tun musste, als es endlich zu dem kam, was sie sich von Anfang an gewünscht hat. Er hat sie immer gnadenlos in die Friendzone verbannt bis zu dieser Nacht. Sie waren nicht betrunken, falls er das behauptet hat. Beide waren nüchtern, beide wollten es. Ohne Kondom, für die Intensität, und tja, ihre Pille hat versagt: Sie hatten einfach Pech. Aber nachdem Mascha nicht länger schwanger war, war sie auch endlich mit keinerlei Verantwortung mehr für Tua verbunden und er konnte sich entspannt auf sie einlassen."
"Er hat sich auf sie eingelassen, eben weil er sich nach dem, was passiert war, verantwortlich und schuldig gefühlt hat", bete ich runter, was Tua mir diesbezüglich erklärt hat.
"Und das glaubst du ihm?" Hannes schüttelt lachend den Kopf. "Wie gesagt, er ist ein Romantiker, wenn er verliebt ist. Was meinst du, wie er sich später mit Mascha gebrüstet hat? Er hat sie dauernd auf seinen Schoß gezogen, er durfte sie als Einziger anfassen und die Frau ist bombastisch schön." Leider kann ich das nur bestätigen. Mascha ist eine Schönheit die ihresgleichen unter den hiesiegen Frauen dieser Welt sucht. Unter anderem war es die komplizierte Sache mit ihr, die mich erst vor einem Monat dazu veranlasst hatte, Tua abzuservieren. Zuvor erzählte er mir stets, sie hätte ihm aus dem Nichts das Herz gebrochen, und zwar an Weihnachten. Er stellte sie verdammt schlecht vor mir dar. Was er mir allerdings verschwieg war, warum sie damals mit ihm Schluss machte. Er hatte sie betrogen. Sie hatte einen Privatdetektiv beauftragt, der Beweisfotos von ihm und seinem Flittchen schoss. Mascha konnte nicht vor Tua aussprechen, weshalb sie sich von ihm getrennt hatte. Wahrscheinlich schämte sie sich. Sie hüllte sich stattdessen in Schweigen - Bis sie ihn vor einiger Zeit mit den Bildern konfrontierte und ich eines davon zufällig fand. Auf meine berechtigte Frage hin, ob er eine seiner ehemaligen Freundinnen betrogen hätte, leistete er sich eine dreiste Lüge, sodass ich mich noch am selben Abend von ihm trennte.
"Du denkst, er ist der ruhige Typ, hm?", dringt Hannes' Stimme mir nun bis ins Mark. "Du denkst, er ist besonnen; du denkst, er zeigt seine Gefühle in der Öffentlichkeit nicht, weil er dir sagt, dass das unnötig ist. Aber du kennst ihn nicht, Iara, du kennst den Menschen hinter dieser bescheidenen Fassade nicht." Seine Sturmaugen funkeln verräterisch. "Tua ist kein halb so guter Mensch, wie du glaubst."
Während seines Vortrags weicht meine Rage einer Art Taubheit. Das ist zu viel Information auf einmal und ich weiß nicht, was davon wahr ist
"Wieso lügst du?", frage ich ihn dumpf.
"Du verwechselst mich mit Tua, er ist derjenige, der dich belügt. Weißt du überhaupt, wie viele Ex-Freundinnen es gibt?"
Warum soll ich mir die Blöße geben und verneinen? Darüber haben Tua und ich nie geredet. Ich schweige.
"Drei. Gar nicht mal so viele, was? Weißt du auch, woran das liegt? - Er ist wählerisch in Liebesdingen", beantwortet er sich seine Frage zum zweiten Mal selbst. "Ich kann dir nicht sagen, mit wie vielen Frauen er im Verhältnis dazu einfach Sex hatte, wahrscheinlich liegt die Zahl im oberen zweistelligen Bereich. Tua war immer eher auf der Suche nach Befriedigung als nach Liebe. Die Befriedigung hast du ihm jedenfalls verschafft. Aber sei nicht naiv, Kleines. Glaub bitte nicht, dass nicht eines Tages eine Andere auftauchen wird, die das Gleiche hinbekommt - nur besser."
"Hannes, stopp", halte ich ihn auf, als er erneut dazu ansetzt, etwas zu sagen. "Erstmal ist mir das scheißegal. Tua hat einen weit höheren Stellenwert für mich als Sex -"
"Du auch für ihn?" Er öffnet den Kühlschrank und nimmt den angebrochenen O-Saft heraus. Seelenruhig schraubt er ihn auf. "Außer zwischen Decken und Laken wird er dir nie etwas zurückgeben. Ich fand, du solltest das wissen", gibt er sich großmütig.
Die Erkenntnis durchzuckt mich nach diesem letzten Satz blitzartig. So wie er würde sich sonst nur ein zäher, verwundeter Soldat verhalten. "Es tut mir leid, dass er dir wehgetan hat", folge ich meiner puren Intuition. Hannes verzieht nur einen Sekundenbruchteil das Gesicht. Schon das verleiht mir den Mut, die emotionale Bohrmaschine auszupacken. "Ich weiß, wie sich das anfühlt."
"Gar nichts weißt du, du kennst ihn nicht mal richtig", wehrt er ab, dann stellt er den Tetra-Pak-Orangensaft beiseite. "Du hast keine Ahnung", betont er nahezu dramatisch, ehe er türmt und mich allein in der Küche zurücklässt.

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