Geliebte Menschen

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Es gab nicht viele Männer wie Gereon Aventurin. Männer wie er ,waren der Grund, warum die Stillen hier so geachtet und geschätzt wurden. Warum sie als Repräsentanten für Recht und Ordnung anerkannt wurden. In den Dörfern und Siedlungen kannte man ihn nur unter seinem Spitznamen Leichensammler. Stets mit seinem quietschendem Wagen und dem bleichen Pferd. Doch war er niemals allein. Die Pikdame begleitete ihn auf all seinen Reisen. Eine mächtige Lich, gerufen aus den Anfängen der Zeit. Sie war charmant, einfühlsam, warmherzig und ein blutrünstiges Miststück. Was für eine Frau.


Der Morgen dämmerte als der Wagen endlich nach Wehrheim kam. Er war die ganze Nacht unterwegs gewesen, doch zeigte das Pferd keinerlei Anzeichen der Erschöpfung. Es trottete gemächlich weiter und schien an Schlaf oder Nahrung keinen Gedanken zu verschwenden. Auf dem Karren saß der Leichensammler, die Zügel locker in seinen vernarbten, schwieligen Händen. An einem eisernen Harken baumelte eine fahle Laterne, deren gespenstisches Licht ihm den Weg gewiesen hatte. Auf der Ladefläche lag eine scheinbar junge Frau, deren schlafendes Gesicht friedlich gen Himmel gerichtet war. Ihr langes weißes Haar verdeckte ihre linke Gesichtshälfte und weigerte sich konsequent zur Seite zu fallen. Der Leichensammler führte seinen Karren über die Hauptstraße, auch nur deshalb weil es nur eine Straße gab und parkte diesen anschließend am Saloon. Er stieg vom Karren ab und richtete sich seinen alten Hut mit der löchrigen, weiten Krempe. Sein staubiger, abgewetzter Mantel streifte etwas über den Boden, als er zum Pfosten ging und sein Pferd dort anleinte. Auch wenn dies eine überflüssige Handlung war, würde das Pferd doch niemals seinen Herren verlassen, aber er mochte das Ritual.

Die Dame öffnete ihr diamantfarbenes Auge und erhob sich. Mit einer eleganten Bewegung glitt sie über das alte Holz der Ladefläche und kaum das sie stand, strich sie sich über ihr altes, zerfasertes Kleid, welches aber immer noch eine gewisse Anmut und Eleganz besaß. Das Kleid einer Dame aus einstmals hohem Hause. Zumindest hatte sie es einer abgenommen. Sie trat an seine Seite und gemeinsam betraten sie den Saloon. So früh am Morgen war mit noch keiner Kundschaft zu rechnen. Selbst der Wirt war gerade dabei, die Stühle von den Tischen zu nehmen und alles herzurichten, als er die Neuankömmlinge sah.

„Wir haben noch geschlossen.", sagte er, ohne ihnen wirklich Beachtung zu schenken.

„Deswegen sind wir ja hier.", erwiderte die Pikdame und kicherte leise.

Der Wirt blickte auf und schien sich erst klar zu werden, wer dort vor ihm stand. „Verzeiht. Ich hätte Euch eher erkennen müssen. Wie kann ich Euch helfen, werter Leichensammler?"

„Wir suchen jemanden, der sich Claire de Lune nennt.", antwortete die Lich und schenkte dem Wirt ein sanftes Lächeln.

„Claire de was jetzt? Keine Ahnung, hab ich noch nie gehört." Der Wirt warf einen Blick auf ihren linken Ärmel und runzelte etwas die Stirn. Während die rechte Seite keinen Ärmel hatte und besser ins Gesamtbild passte, war ihr linker Arm von einem weiten Ärmel geziert, welcher erst nachträglich angebracht worden war.

„Natürlich, wie dumm von mir. Sie hat stets einen anderen Namen. Gab es denn in letzter Zeit irgendwelche neuen Gesichter? Abgesehen von den unsrigen, meine ich." Da war etwas in ihrer Stimme, dass der Wirt nicht ganz einordnen konnte. Sie hatte einen Klang wie Silberglocken, welche den Winter ankündigten und doch lag dahinter eine Art boshafte Grausamkeit. Sie verpasste dem Wirt eine Gänsehaut.

„Vor einigen Tagen kam eine junge Frau hier an und bat um Unterschlupf für die Nacht. Am nächsten Tag ist sie weiter gezogen. In Richtung Ostende."

„Vielen Dank." Damit war das Gespräch beendet und die beiden verließen den Saloon wieder. Irgendwie schien es dem Wirt, als sei knapp mit dem Leben davongekommen. Von draußen hörte er das Quietschen alter Räder und das Knarren noch älteren Holzes, als der Karren sich wieder in Bewegung setzte.


Ostende lag eine halbe Tagesreise von Wehrheim entfernt. Gegen Mittag erreichten sie die Ausläufer des Dorfes. Kaum größer als sechs Hütten und ein kleiner Krämerladen, war es eines jener Siedlung, die irgendwann von der Landkarte wieder verschwinden würden. Schon als der Leichensammler auf dem kleinen Dorfplatz ankam, bemerkte er die Leere.

„Lucretia. Was siehst du?", wandte er sich mit rauer, knurrender Stimme an seine Pikdame. Lucretia erhob sich und betrachtete die Häuser um sich herum.

„Ich zähle 15 Leichen. Wieder nur Erwachsene. Keine Kinder.", konstatierte sie und stieg vom Karren. „Sie hat es sich gut gehen lassen."

„Jetzt sind wir schon bei fünfzig." Es war eine Feststellung und doch soviel mehr. Claire de Lune war eine Kornjungfer, die ihre angestammten Felder verlassen hatte, als ihr Dorf von randalierenden Banditen niedergebrannt wurde. Seit dem sucht sie nach Ersatz und war währenddessen immer gieriger geworden.

„Wenn das so weiter geht, wird sie bald zu einer Kornmuhme werden.", stellte der Leichensammler fest. „Kannst du spüren, wo sie hin ist?"

Lucretia hob ihre rechte Hand und als sie sich über die Handfläche blies, wirbelte silberner Staub auf. Sie drehte sich einmal im Kreis und schon war der ganze Platz im Staub eingehüllt. Dort wo er sich weigerte den Boden zu berühren, dort war eine Kreatur gewandelt. Ihre Schritte waren überall und führten alsbald vom Dorf aus, in ein kleines Wäldchen.

„Wenn wir uns beeilen, können wir wenigstens noch ein paar der Kinder retten." Lucretia konnte keinen echten Gefühle mehr erzeugen, wusste aber, wie man sie täuschend echt simulierte. So sehr, dass sie selbst manchmal daran glaubte. Ihr Gesicht war sorgenvoll und ihre Stimme bedeckt von leichter Trauer. Der Leichensammler schnaubte leise. Er machte ihr keinen Vorwurf, dennoch empfand er als Verrat an den Lebewesen, wenn die Pikdame derartige Gefühle zum Ausdruck brachte.

Er ging zu seinem Karren und holte seine Sense, welche neben dem Sitz in einer Halterung steckte. Sie war schartig und kantig und die Verzierung schon fast verschwunden, dennoch konnte er damit immer noch Stein, Holz und Seelen zerschneiden. Unterhalb der Klinge hingen etlichen Amulette und Talismane. Ideale Verstärkungen, für die ohnehin schon beeindruckende Waffe. Er berührte die Stange am unteren Ende und die Sense 'faltete' sich zusammen. Nun eine doppelläufige Schrotflinte, mit der Sensenklinge als Bajonett, welche er einfacher auf seinen Rücken schnallen konnte.

Die Pikdame und der Leichensammler betraten das kleine Wäldchen und folgten den verblassenden Spuren zu einer kleinen natürlichen Höhle. Der Geruch von Lehm, Erde und Blut stieg ihnen in die Nase. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, betraten sie die diffuse Finsternis. Der Leichensammler zog seine Schrotflinte aus dem Holster und schritt mit ihr voran, während seine Dame ihm leise folgte. Kerzenschein durchbrach die Dunkelheit hinter der nächsten Ecke und gab den Blick auf ein Schlachtfest frei. Kleine Kadaver, deren etliche Gliedmaßen fehlten, türmten sich auf dem kalten Erdboden. Vier hingen von der Decke, wie Schweinehälften. Leises Wimmern und Weinen drang immer wieder an ihre Ohren, zusammen mit einer gesummten Melodie. Sie kam einem fürchterlichen Wiegenlied gleich. Gesummt für Kinder, die schon lange ihr Leben ausgehaucht hatten.

Lucretia schlich an ihrem Begleiter vorbei und versteckte sich hinter einem Felsen. Der Leichensammler betrat nun vollends die Höhle und das Summen verstummte sogleich. Unter herabhängenden Wurzeln und lehmiger Erde erschien die Gestalt eines wohlgeformten Frauenkörpers.Bedeckt von Schlamm und Blut richtete sie ihren grausamen Blick auf den Eindringling. Sie war eine Offenbarung. Ein Omen von Schönheit und Agonie. Sie hob ihren blutverkrusteten Zeigefinger und sagte, „Hast du mich also endlich gefunden." Ihre Stimme einstmals melodisch und schön, war nun ein klangliches Abbild ihres Wahnsinns und ihrer Blutlust.

Der Leichensammler richtete seine Waffe auf sie und nickte leicht. „Du hast das Gleichgewicht zu lange gestört. Zu viele Tode. Zu wenig Kompensation."

„Zu viele Tode?", fragte sie und biss sich in den Zeigefinger. „Zu viele Tode, sagst du?" Sie griff sich an die Seiten ihres verklebten Haars. „Nein, nein, nein. Ich muss... es ist noch nicht genug. Es war nicht genug. Ich muss stark werden. Muss eine Muhme werden. Und dann, und dann...", sie richtete ihren irren Blick auf den Leichensammler, „Dann werden sie bezahlen. Dann werde ich sie jagen und abschlachten, wie sie es mit meinen geliebten Menschen gemacht haben."

Kornjungfern gehörten zu jenen Wesen, die sich am Fleisch von Kindern gütlich taten. Doch nur soviel, wie sie zum Leben brauchten. Im Gegenzug sorgten sie für reiche Ernten und Fruchtbarkeit bei Land und Menschen. Sie und die Menschen führten einen Existenz, noch aus den Anfängen des Ackerbaus. Es war eine Art uralter Vertrag zwischen beiden Völkern. Und der Verlust ihrer Menschen, ihres Landes, hatte Claire in den Abgrund gestürzt. Sie verzweifeln und schließlich wahnsinnig werden lassen. Mit dem übermäßigen Verzehr von Menschenfleisch wollte sie ihre Evolution auf die nächste Stufe bringen. Eine Kornmuhme werden und den Banditen den gleichen gnadenvollen Tod bringen, wie sie ihren Menschen.

Der Leichensammler kannte weder Mitgefühl, noch Mitleid. Er hatte Verständnis für ihre Verzweiflung, doch hatte sie das Gleichgewicht empfindlich gestört und das konnte nicht ohne Konsequenzen bleiben.

„Claire de Lune, Kornjungfer von Arinquell. Du wurdest für schuldig befunden, das Gleichgewicht wiederholt gestört zu haben. Dies kann nur mit deinem Tod bereinigt werden. Überantworte deine Seele mir und ich werde dich mit den Riten deines Volkes bestatten.", verkündete der Leichensammler. Claire hatte ihren Kopf schief gelegt und schenkte ihm ein grauenhaftes Grinsen. „Hier wird es nicht enden.", erwiderte sie nur und stürzte sich auf ihn. Der Leichensammler drückte ab und mit lautem Getöse schoss er eine Ladung Hahnenkrallen auf sie. Die Kornjungfer wurde von der Wucht des Aufpralls nach hinten, hinter die Wurzeln geschleudert.

„Die Krallen... eines Saathahns?", ächzte Claire und erhob sich mit wackeligen Beinen. Der Leichensammler sah, wie ihre Wunden sich wieder verschlossen und ihr Gang fester wurde. Sie wirbelte herum und griff sich eine blutverschmierte Sichel. „Dafür stirbst du!", kreischte sie und warf sich wieder auf den Leichensammler. Dieser konnte gerade noch seine Sense entfalten und blockte den Schlag mit der Stange. Die Spitze der Sichel schwebte gefährlich nahe über seinem rechten Auge. „Stirb! Stirb! Stirb!", rief sie immer wieder und hackte ununterbrochen auf die Stange. Der Leichensammler hatte sichtlich Schwierigkeiten, die Schläge gebührend zu parieren und erlitt alsbald einen hässlichen Schnitt an seiner linken Seite.

Die Kornjungfer lachte hämisch und leckte an der Klinge entlang. Sie spuckte das Blut gleich wieder aus und verzog angewidert das Gesicht.„So alt...", murmelte sie und fixierte wieder ihren Feind. „Ich werde dich zerhacken. Dich ausweiden. Abschlachten."

„Lucretia. Bring es zu Ende." Gerade als die Kornjungfer wieder auf ihn zustürmen wollte, stockte sie in ihrer Bewegung. Ein Schmerz strahlte von ihren Bauch aus. Sie blickte nach unten und sah, dass sie eine knöcherne Hand mit langen scharfen Klauen, durch ihren Leib gebohrt hatte. Die Pikdame umfing sie sanft und legte sie nieder, die Hand aus ihren Bauch ziehend, auf die kalte Erde. Sie kniete neben Claire und hob ihre Klauen.

„Meine geliebten Menschen...", keuchte sie, „ich... konnte sie...nicht... beschützen." Dann schlug die Lich ihr den Kopf ab. Ein sauberer dünner Schnitt, kaum größer als ein sanfter blutroter Strich auf ihrem Hals.

„Ich weiß, meine Liebe. Ruhe sanft und finde Frieden.", flüsterte Lucretia ihr ins Ohr und erhob sich schließlich.


Nach langem Ringen und langer Reise hatten sie das Gleichgewicht wiederhergestellt. Zumindest für den Moment. Nur zwei Kinder konnten sie retten. Zwei Kinder, deren Leben für immer zerborsten waren. Ihre Seelen... glichen zerschmettertem Kristall. Der Leichensammler und seine Dame brachten sie in die nächste Ortschaft, wo man ihnen versprach sich gut um die beiden zu kümmern.


Die Kornjungfer wurde auf brennendem Stroh verbrannt, so wie es bei den Korndämonen Brauch war. Ihre Asche vom Winde verweht, auf das man sie nie vergessen sollte.

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