1 - Go live!

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Die Sonnenstrahlen spiegelten sich in den Wellen des Mains, als sich ein Zug seinen Weg entlang des Flusses bahnte, der herrliche Blick auf das Gewässer zu seiner Linken und schroffe Felswände zu seiner Rechten. Im Zug saßen nicht viele Passagiere. Nur ein paar Pendler und eine Gruppe junger Frauen teilten sich ein Abteil. Die Jugendlichen waren auf dem Weg nach Frankfurt, wo sie einen ausführlichen Einkaufsbummel geplant hatten, denn bald stünde der Abschlussball bevor – ein wichtiges Ereignis, für das ein jede noch ihre passende Abendgarderobe benötigte. Der Zug war in Würzburg gestartet und würde als nächstes Halt in Karlstadt machen. Umgeben von einer wunderschönen Landschaft, die gut und gerne für so manche Postkarte hätte Motiv sein können, merkte die Gruppe reisender Mädchen nichts von dem Naturschauspiel, welches sich ihnen, nur einen Blick aus den Fenstern entfernt, bot. Sie waren vollkommen fixiert auf ihre bunten Smartphones, die sie vor ihre Gesichter hielten und wie gebannt hinein starrten.

„Hey, checkt mal Jess Mess, die geht gerade live", sprach eine der Heranwachsenden und informierte ihre Freundinnen darüber, dass eine ihr wohlbekannte Influencerin gerade einen Livestream startete.

Jess Mess war gerade erfolgreich in den sozialen Medien und sehr angesagt bei den zumeist jungen Zuschauern, genannt Follower. Sie informierte täglich mehrfach über Mode und Kosmetik, womit sich vornehmlich junge Damen auseinandersetzten, und hatte inzwischen einen großen Einfluss auf das Meinungsbild ihrer Zielgruppe. Dies hatten auch schon etliche Firmen bemerkt, weshalb der Internetstar regelmäßig kostenlose Produkte zugesandt bekam und für ein paar werbewirksame Worte fürstlich entlohnt wurde. Dieses Geschäft war zwar erst in den letzten Jahren entstanden, aber es funktionierte und boomte. So produzierte sie zahlreiche Videobotschaften, in denen sie stets top gestylt und professionell beleuchtet ihre Weisheiten zum Besten gab. Häufig tat sie dies auch in einem Livestream, in denen die Follower die Gelegenheit hatten, ihr in Echtzeit Chatnachrichten zu schicken und mit der Berühmtheit zu interagieren. So wie in diesem Augenblick. Doch dieser Livestream war ganz anders, das merkten die Mädchen sofort. Denn anstatt der gewohnten überbelichteten Szenerien, befand sich Jess diesmal in einer sehr dunklen Umgebung. Bei den schlechten Lichtverhältnissen konnte man kaum ausmachen, wo das sein sollte. Auch war sie nicht geschminkt, ihre dunklen Haare waren durcheinander und hingen ihr teilweise ins schmale Gesicht, welches eine klaffende Platzwunde aufwies. Es schien als habe sie erst kürzlich geweint, denn ihre Augen waren rot unterlaufen. Die erfolgreiche Influencerin, sonst immer so anmutig in ihrem Auftreten, wirkte verwahrlost, verletzt und erbärmlich. Sie ähnelte mehr einem Häufchen Elend als einem aufstrebenden Internetstar!

Die Jugendlichen waren irritiert und blickten sich gegenseitig fragend an. Irgendetwas stimmte nicht, doch keine konnte diese ungewohnte Situation einordnen. Den Chatnachrichten, welche neben dem Bild von Jess aufploppten, war zu entnehmen, dass es einigen weiterer Followern ebenso erging. Was war hier eigentlich los?

„Ich glaube Jess Mess, will auf häusliche Gewalt aufmerksam machen. Das ist so krass!", vermutete eines der Mädchen. Es war ein verzweifelter Erklärungsversuch.

Als die Zuschauerzahl des Livestreams auf mehrere tausend angestiegen war, konnte man eine männliche Stimme aus dem Off vernehmen: „Los!", forderte die Stimme Jess bestimmend auf.

Jess schluchzte und begann mit leiser und zittriger Stimme einige Worte zu sagen:

„Hallo liebe Community, heute möchte ich eine Wahrheit mit euch teilen."

Sie stoppte und zitterte jetzt am ganzen Körper. Eine Träne lief ihre wunde Wange herab. Sie holte tief Luft und fuhr fort:

„Ich bin eine dumme Schlampe, die euch anlügt, damit ihr überteuerte Scheißprodukte kauft. Ich bin dabei nur auf meinen Vorteil bedacht und möchte Geld mit euch naiven Kindern verdienen. Ruchlose Firmen bieten mir viel Geld, damit ich sage, was auch immer die wollen. Ich bin käuflich wie eine Nutte."

Diese Worte waren ungewohnt für Jess. Niemals würde sie so eine derbe Sprache verwenden! Und auch die Art, wie sie es sagte, wirkte absolut nicht authentisch und man gewann schnell den Eindruck, sie würde es von irgendwo ablesen. Wurde sie gezwungen diese Sachen zu sagen?

„Ich bereue meine Taten und ergebe mich in meine Strafe."

Die Kamera zoomte von Jess weg und man konnte nun erkennen, dass sie in einem dunklen Raum auf einem gläsernen Bottich saß. Die ganze Szene wirkte industriell, so als befände sie sich in einem Lagerraum und war nur spärlich ausgeleuchtet.

Jess schluchzte und zitterte am ganzen Körper. Sie musste Todesangst haben!

„Was redet die da? Mein Gott die hat ja voll Angst!", kommentierte eines der Mädchen aus dem Zug schockiert. Keine ihrer Freundinnen reagierte. Wie gebannt, starrten alle auf ihre Handydisplays.

Dann öffnete sich plötzlich eine Klappe und mit einem schrillen Schrei, fiel Jess in den Bottich, der etwa zwei Meter hoch und einen Meter breit war, hinein. Die Klappe schloss sich wieder und erst jetzt bemerkten die Mädchen, dass das große Gefäß bis obenhin mit Wasser gefüllt sein musste. Es schwappte ein wenig hinaus, als die Fluten den zarten Körper der jungen Frau in sich aufnahmen.

Panisch bewegte sich Jess im Wasser umher und versuchte die Klappe wieder zu öffnen, doch diese bewegte sich keinen Millimeter. Dann suchte sie nach einem anderen Ausweg, doch sie fand keinen. Mit Faustschlägen versuchte sie die Glaswand zu zerschmettern, suchte eine schwache Stelle. Doch all ihre Bemühungen waren vergebens!

Nach einem Augenblick, der unerträglich lange anzudauern schien, sah es so aus als wenn Jess schreien würde. Eine große Luftblase entstieg ihrem Mund. Dann füllte sich ihre Lunge mit Wasser. Einen Moment zappelte die junge Frau noch, dann glitt ihr Körper an den Boden des gläsernen Behälters, wo er reglos verweilte.

Dann wurde der Livestream beendet.

„Was war denn das?!", fragte eine der Jugendlichen und blickte schockiert in die Runde. All ihre Freundinnen wirkten genauso verängstigt und ratlos. War das eben wirklich passiert?

Unterdessen fuhr der Zug in den Bahnhof von Karlstadt ein.

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