17 - Schlechte Neuigkeiten

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Die goldene Stunde war angebrochen. Janine und Rose hatten sich auf der Terrasse ihres Hotels niedergelassen und nahmen das Abendessen ein. Es gab hausgemachte Pasta, die von einem erlesenen Wein begleitet wurde. Die goldene Stunde hatte den Himmel in ein weiches, warmes Licht getaucht. Rose genoss nicht nur die Speisen, sondern auch den malerischen Ausblick auf den Gardasee. Sein Blick schweifte über die ruhigen Wellen des tiefen Blaus.

„Der Gardasee ist wunderschön, nicht wahr?", sagte Janine, während sie sich genüsslich eine Gabel voll Nudeln zum Mund führte.

„Ja, das ist er. Ich war schon öfters hier, aber ich bin immer wieder aufs Neue beeindruckt."

„Für mich ist es das erste Mal. Ich bin begeistert! Ich frage mich wieso ich nicht früher hierhergekommen bin. Es ist wunderschön hier und wir mussten gar nicht mal so lange fahren, wie man meinen sollte."

„Das stimmt. Was gefällt dir denn am besten?"

„Die Landschaft, die Berge, das Wasser... wie auf einem Gemälde. Meine Follower würden es lieben! Das wäre eine sprudelnde Quelle für Travel-Content."

„Nicht das schon wieder...", seufzte Rose mit einem schiefen Lächeln.

Janine versuchte dem genervten Blick von Rose zu entgehen und blickte auf ihren Teller, wo sie in ihren Nudeln herumstocherte.

„Aber schön, dass es dir hier gefällt!", sagte Rose versöhnlich. Er hätte noch gerne erwähnt, dass sie hier zur Ruhe kommen könnte, aber er verkniff es sich, da er ihr ebendiese Leichtigkeit nicht nehmen wollte. Sie schien für einen Moment vergessen zu haben, wieso sie eigentlich hier waren.

„Ja und die italienische Küche liebe ich natürlich auch!", sagte sie mit leuchtenden Augen und verschlang eine weitere Gabel.

„Ja, die ist auch nicht schlecht."

„Nicht schlecht?! Das schmeckt einfach köstlich!"

„Sei doch froh, dass ich nicht bassd scho gesagt habe und das wäre immerhin schon der größte fränkische Superlativ gewesen. Aber ihr Social-Media-Leute verfügt selbstredend über einen weitaus gefüllteren Wortschatz was Adjektive angeht."

Beide lachten herzhaft.

Janine griff das Thema italienische Kulinarik erneut auf: „Ich gehe schon zuhause immer gerne zum Italiener. Aber hier... hier schmeckt alles einfach nochmal besser."

„Hast du schon mal Spaghetti alla Norma probiert?"

„Sind die etwa vom Discounter?"

Rose konnte nicht anders, als laut zu lachen. „Nein, natürlich nicht. Das ist ein Klassiker der sizilianischen Küche."

„Achso. Nein, dann noch nicht." Janine lief rot an.

„Das solltest du unbedingt mal machen."

Ihr Gespräch wurde jäh unterbrochen, als Roses Handy vibrierte. Er sah flüchtig auf das Handydisplay um zu sehen, ob es ein wichtiger Anrufer wie zum Beispiel Jan Böhm war, denn eigentlich wollte er Janine gerade nicht alleine lassen. Aber es war ein unerwarteter Anrufer - es war seine Mutter.

„Bitte verzeihe, aber da muss ich kurz rangehen", sagte Rose und erhob sich vom Tisch. Er ging einige Schritte zur Seite und ließ sich auf der niedrigen Natursteinmauer nieder, die den Rand der Terrasse markierte. Mit einem sanften Druck auf den Bildschirm nahm er den Anruf entgegen.

„Hallo Mama?"

„Max, mein Junge, wir haben ja eine Ewigkeit nicht mehr miteinander gesprochen!"

„Ja, ich fürchte, da hast du recht! Ich wollte dich die Tage mal anrufen", sagte Rose, wobei seine Stimme ein wenig zögerte.

„Wie geht es dir denn? Wo treibst du dich herum? Willst du nicht mal zu Besuch kommen?"

„Mir geht es gut, Mama. Ich bin derzeit beruflich im Ausland. Ich komme dich besuchen, wenn ich wieder zuhause bin. Versprochen! Was gibt's denn? Wieso rufst du an?"

„Max, ich... ich habe schlechte Nachrichten. Etwas Furchtbares ist geschehen!"

Rose spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken hinunterlief. „Oh Gott, Mama, was ist denn passiert?"

„Du erinnerst dich sicher noch an Christian Weiß..."

„Natürlich! Wie könnte ich diesen Namen denn jemals vergessen? Was ist mit ihm?"

Die zarte Stimme von Roses Mutter brach ein wenig. „Ich muss dir leider sagen, dass er vorgestern einen tödlichen Autounfall hatte."

Das Handy schien plötzlich schwer wie Blei zu sein. Rose ließ es beinahe aus der Hand fallen. Die Nachricht hatte ihn in eine Schockstarre versetzt. Ihm wurde eiskalt und sein Körper verkrampfte sich fürchterlich.

„Max, bist du noch dran?"

Rose riss sich gewaltsam aus seiner Lethargie. „Ja, Mama. Danke, dass du es mir gesagt hast." Seine Stimme klang ganz leise und er wirkte wie ferngesteuert. Seine Gedanken waren gerade ganz woanders. Schon oft hatte er Leuten die traurige Botschaft über einen Todesfall überbringen müssen, nun waren die Rollen umgekehrt. Er spürte die Leere und den Schock, er wollte das eben Gehörte einfach nicht wahr haben! Es durfte nicht wahr sein!

„Seine Beerdigung ist schon nächste Woche in Fulda. Ich dachte mir, dass du das vielleicht wissen willst. So schade, dass du gerade im Ausland bist. Ich werde eine Mitleidsbekundung an seine Witwe senden."

„Ja, es ist wirklich schade."

„Pass auf dich auf, mein Kind!"

„Mach ich, Mama. Ciao."

Rose legte auf und blickte verträumt hinaus auf den See. Er erstreckte sich noch kilometerweit und sein Ende war nicht zu sehen. Die Wellen glitzerten im Abendlicht, doch die Schönheit der Szenerie erreichte ihn nicht mehr. In seinem Inneren herrschte ein stürmisches Meer aus Trauer und Unglauben. Er konnte noch gar nicht fassen, was er da eben gehört hatte.

„Was ist los mit dir?", fragte Janine, deren Stimme von echter Sorge getragen wurde. Sie kam zu ihm herüber, ihre Hand suchte sanft seine Schulter.

„Ich habe etwas erfahren... schlechte Neuigkeiten."

„Sag sie mir!", drängte Janine, ihre Augen fest auf die seinen gerichtet, „Teilen wir diese Last."

„Jemand ist gestorben. Ein Freund aus Kindertagen."

„Das ist ja fürchterlich! Wie ist das passiert?"

„Autounfall, ich kenne keine Details."

„Standet ihr euch nahe? Hattet ihr noch viel Kontakt?"

„Nein, nicht wirklich. Ich habe ihn seit unserer Kindheit nicht mehr gesprochen. Trotzdem gab es noch unausgesprochene Sachen zwischen uns. Dinge, die nun auch für immer unausgesprochen bleiben werden."

Rose spürte, wie eine Welle der Trauer ihn zu überrollen drohte. Er kämpfte mit den Tränen. So kannte er sich gar nicht. Er war ein verdammter Kommissar und schon unzählige Male mit dem Tod konfrontiert worden! Wieso nahm ihn das so mit?

„Du darfst weinen, wenn du magst. Es hilft, glaub mir! Du musst nicht immer dieser starke, gefühlskalte Mann sein!" Janine umarmte Rose zärtlich und versuchte ihn zu trösten.

Mit Janine im Arm fühlte er sich plötzlich frei. Frei von all dem Schmerz. Es war ein Zufluchtsort vor dem Sturm der Gefühle. Keiner der beiden wusste wie es genau geschah, doch auf einmal trafen sich ihre Lippen. Ihr Kuss war sanft. Janines Lippen fühlten sich zart und weich an. Rose fühlte sich leicht und wünschte sich, dieser Augenblick würde für immer bleiben. Zeit bedeutete jetzt nichts mehr, würde sie nie wieder. Es zählten nur Janine und er.

Ein Kuss folgte dem anderen, immer fließender, und Rose begann, die Welt um sich herum komplett auszublenden: den Tod von Christian Weiß, die laufenden Ermittlungen, den eigentlichen Grund für seine Anwesenheit hier mit Janine. Mit jedem Kuss, der an Intensität und Leidenschaft gewann, verschwanden die Schatten der Realität weiter in die Ferne.

Janine schien etwas zu sehr in Fahrt geraten zu sein. Von Leidenschaft getrieben, strich eine ihrer Hände erst zärtlich in Richtung von Roses Schritt, ehe sie dann dort beherzt zupackte.

Rose wollte sich dem Moment hingeben und es genießen, doch er konnte nicht. Tief in seinem Inneren regten sich Schatten der Vergangenheit. Es waren Dämonen von einst, die aus den Tiefen seiner Seele entstiegen. Verdrängte Erinnerungen, die er in den dunkelsten Winkeln seines Geistes versteckt hatte, brachen hervor. Schreckliche Bilder, die er längst begraben glaubte, flackerten vor seinem inneren Auge auf. Er kämpfte dagegen an, wollte nicht zulassen, dass sie diesen Augenblick überschatteten und zerstörten, doch sie waren zu mächtig.

Überwältigt von seinen aufsteigenden Gefühlen, griff Rose nach Janines Hüften, nicht um sie wegzustoßen, sondern um einen Moment der Stille zu erbitten, eine Pause, in der er sich sammeln konnte.

Janine trat zurück, ein paar Schritte entfernt stand sie da und blickte Rose fragend an. Ihre Verwirrung war deutlich zu sehen, als sie die stumme Bitte in seinen Augen erkannt haben musste. Zurückgewiesen und mit einem Herzen voller Fragen zog sie sich ins Haus zurück.

*📱*

Die Sonne hatte sich bereits verabschiedet, und die Dunkelheit der Nacht breitete sich aus. Der erste Mondschein tanzte auf der Oberfläche des Sees und malte silberne Wellen.

Rose stand noch immer auf der Terrasse, sein Blick verloren im endlosen Spiel der Schatten. Die kühle Brise, die nun über das Wasser strich, berührte ihn kaum. Die Kälte war unwichtig, und der Gedanke, Janine im Hotelzimmer zu begegnen, hielt ihn davon ab, nach einer Jacke zu suchen. Wie sollte er ihr erklären, was in ihm vorging?

Doch dann öffnete sich die Tür, und Janine trat hinaus auf die Terrasse.

„Max, es tut mir sehr leid!", begann sie, „was ich vorhin getan habe war nicht in Ordnung. Ich hätte dich niemals in so eine unangenehme Situation bringen dürfen! Du bist hier aus beruflichen Gründen und nimmst das mit dem Personenschutz sehr ernst. Dafür danke ich dir! Ich werde fortan tun, was du für das Richtige hältst und damit ich sicher bin. Ich möchte dir keine Probleme mehr bereiten."

Rose sagte kein Wort und starrte weiter auf den Gardasee.

„Komm, lass uns das bitte aus der Welt schaffen! Möchtest du denn nichts dazu sagen?"

Rose drehte sich zu Janine um und sah sie mit traurigen Augen an.

„Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich kenne mich so gar nicht! Ich darf mich doch überhaupt nicht so angezogen fühlen von einer Schutzbefohlenen. Es passieren gerade so viele Dinge in mir drinnen. Ich kann das nicht erklären."

„Versuche es", drängte sie.

Rose zögerte einen Moment und suchte nach den passenden Worten.

„Ich... mag dich", gestand Rose zögerlich, „Du bist eine tolle Frau! Diese Lebensfreude - ja selbst in schwierigen Zeiten - ist ansteckend! Deine Berührungen waren... angenehm. Aber dann wurde es mir einfach zu viel! Fürchterliche Erinnerungen kamen plötzlich in mir hoch und ich habe dich gar nicht mehr wahrgenommen. Ich wollte nur noch, dass es aufhört!"

„Das tut mir leid, ich wollte das nicht!", sagte Janine und streichelte Rose zärtlich über den Rücken, „Möchtest du mir von diesen schlimmen Erinnerungen erzählen?"

Rose schluckte schwer. „Als ich sieben war, wurde ich entführt. Das hat alles verändert. Ein Fremder näherte sich mir auf dem Heimweg von der Schule und bot mir an, mich nach Hause zu fahren. In meiner kindlichen Naivität erkannte ich nicht die Gefahr und stieg in seinen Wagen. Unterwegs hielt er an einer Telefonzelle an, täuschte einen Anruf vor und kehrte mit der Lüge zurück, meine Eltern wollten mich nicht mehr – ich sei jetzt sein Sohn. Verzweifelt und verängstigt glaubte ich ihm und suchte Trost bei dem Mann, der mich entführt hatte. Er gab mir einen neuen Namen, Dennis, und zog mit mir in eine andere Stadt, wo eine bizarre und verzerrte Vater-Sohn-Beziehung begann. Über Jahre hinweg wurde ich von ihm misshandelt und missbraucht, ein dunkles Kapitel, das mich bis heute verfolgt."

„Das ist ja fürchterlich!", kommentierte Janine schockiert und umarmte Rose fest, „ich hatte ja keine Ahnung!"

Rose schluchzte leise in Janines Armen. Seine Tränen waren ein seltenes Geständnis seiner geschundenen Seele. Er hatte sich bisher kaum jemanden anvertraut und so viel von seiner Vergangenheit preisgegeben. Er hatte immer versucht, diese Erinnerungen zu verdrängen, aber jetzt, da er Janine gegenübergestanden hatte, konnte er nicht mehr anders. Er hasste sich dafür gerade so emotional zu sein. Das kannte er nicht von sich.

„Ich weiß", sagte Janine, während sie Rose sanft streichelte, „ich kann mir kaum vorstellen, was du durchgemacht hast."

Rose erzählte Janine noch mehr über seine Vergangenheit. Er erzählte ihr, wie sein Entführer ihn missbraucht hatte, wie er ihn gequält hatte, wie er ihn gezwungen hatte, Dinge zu tun, die er nicht tun wollte. Über die dunkelsten Jahre seines Lebens - seiner Kindheit. Janine hörte aufmerksam zu, doch auch sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten.

„Und irgendwann war ich ihm wohl zu alt geworden für seine kranken Fantasien. Er musste sich einen kleineren Jungen besorgen. Und er zog los um Christian Weiß zu entführen, so wie er es davor mit mir getan hatte. Mir war klar, dass er auch sein Leben zerstören würde. Eine weitere unschuldige Seele! Nun fand ich endlich den Mut, der mir so lange gefehlt hatte und bei der passenden Gelegenheit konnte ich mit ihm entkommen. Wir liefen die Straße so lange entlang, bis eine besorgte Autofahrerin anhielt und uns auf die nächste Polizeidienststelle fuhr. Dort endete alles."

Nachdem Rose seine Geschichte zu Ende erzählt hatte, flüsterten die Tränen noch immer über seine Wangen. Janine hielt ihn fest umschlungen, bot ihm einen stillen Zufluchtsort, während er seinen Schmerz herausließ.

Als die Tränen langsam nachließen, hob Rose seinen Blick, seine Augen noch feucht vom Weinen.

„Danke, dass du mir zugehört hast", sagte er mit brüchiger Stimme.

Janine erwiderte seinen Blick, ihre Augen voller Mitgefühl. „Ich verstehe jetzt, wie wichtig Christian für dich war, auch wenn ihr nie die Chance hattet, euch wirklich kennenzulernen. Sein Verlust hat tiefe Spuren hinterlassen, und es ist nur natürlich, dass du davon berührt bist. Deswegen ist selbstverständlich, dass du zu der Beerdigung musst."

„Das kann ich nicht. Wir müssen dich verstecken. Weit weg von zuhause, wo du sicher bist. Schon morgen sollten wir wieder weiterziehen."

„Ich werde mit dir kommen!" Janine blickte entschlossen.

„Aber..."

Janine stoppte Roses Widerrede mit einem zärtlichen Kuss.

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