𝐈𝐬𝐬𝐮𝐞𝐬

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Der Unterricht war trotz meiner Bemühungen an mir vorbei gezogen.
Wie jetzt auch, hielt ich all die Zeit den Flyer in meinen Händen.

Jede dritte Frau erlebt in ihrem Leben mindestens einmal sexuelle Belästigung. Das konnte doch nicht wahr sein. Allein dieser Satz hatte mich bereits aus der Fassung gebracht.

Ich schob die Biologiebücher entnervt zur Seite. Wieso wurde so etwas im Unterricht nicht besprochen, aber dafür die Struktur der DNA?

Und dann schmiss ich die Schulsachen endgültig zu Boden. Bei der Wucht mit der die Zimmertür aufgerissen wurde, dachte ich erst, dass die Erde kurz bebte. Ich riss mir die Kopfhörer heraus. "Geht's noch, Mom?", schnauzte ich sie außer Atem an. Sie hätte sicher fast einen Herzinfarkt ausgelöst. Zumindest deutete das Stechen in meiner Brust darauf hin.

"Was soll ich tun, du hörst ja dank diesen Dingern nichts." Sie breitete ihre Arme ganz unschuldig aus. "Ein de Gailly ist hier", erwähnte sie nebenbei, während sie das Zimmer wieder verließ. Dabei spuckte sie deren Familiennamen aus wie bitteres Gift.

In der Annahme dieser besagte 'de Gailly' würde noch vor der Haustür stehen, rannte ich los. "Mom, welcher de Gailly?" und krachte dabei prompt in einen jungen Mann der nur ein paar Zentimeter größer war als ich. Die Frage hatte sich erledigt und ich bereute auch schon, sie jemals gestellt zu haben. "Der, dem du hoffentlich noch nicht die Zunge in den Hals gesteckt hast", rief meine Mutter vermutlich aus dem Wohnzimmer.

Es gab mit Sicherheit Mütter mit Schwierigkeiten, aber meine hätte schlichtweg keine werden sollen. Ich traute mich gar nicht über seine Brust hinweg, seine Augen zu erreichen.
"Gott ist das peinlich", flüsterte ich nur in die graue Baumwolle seines Shirts.

"Da würde dann wohl nur noch mein Vater übrig bleiben." Sehr lustig, zumindest für Simon. Mir lag diese elende Dreiecks-Beziehung noch zu schwer im Magen als das ich mit lachen könnte.

Stattdessen suchte ich ruckartig nach Abstand. Beim herum wirbeln Richtung Zimmer spürte ich wie meine Haare seinen Oberkörper streiften. Zicke sein konnte ich...
"Vorsicht, der Honeybadger ist wieder unterwegs." Oder eben ein Honeybadger.

Simons Lachen begleitete mich noch bis in mein Zimmer, wo er die Tür schloss. "Ich finde das ganz und gar nicht witzig. Weißt du wie erbärmlich ich mich dabei fühle, mich ausgerechnet in den Bruder meines Ex-Freundes zu verlieben? Sowas wird nur bei Vampire Diaries toleriert, aber nicht in der Realität", schimpfte ich mir alles von der Seele, nur um im Nachhinein festzustellen, dass dieses 'Alles' zu viel war.

Simons Kinnlade fiel und seine Augen, ja diese Juwelen strahlten wie die Sonne durch die Baumkronen eines dichten Waldes.

Ich wollte den Zeitpunkt selbst wählen, um ihm meine Gefühle zu gestehen, aber mein voreiliges Plapperwerk hatte es verbockt.
So traurig es war, ich hoffte sogar, dass ich das Interesse an ihm verlieren würde. Damit wären mir einige Probleme erspart.

Mein Blick der seinem intensiven nicht länger standhalten konnte, suchte aus dem Fenster das Weite.
Leider sah ich nur die Hauswand des Nachbarn. Nicht jeder schaut aus dem Fenster in eine Ferne aus Bergen und Tälern wie es die de Gaillys tuen. Die 'de Gaillys'. Ich sprach den Namen genau so angewidert wie meine Mutter aus.

Ehe die Kälte mich einnahm, legten sich Arme von hinten um mich. "Kennst du das, wenn man sich über sich selbst lustig macht, nur weil man verbergen will, dass es einen eigentlich verletzt. Es gibt nichts, dass ich mir mehr wünsche, als die Zeit zurück zu drehen, um dir als erstes zu begegnen."

Lügen brachte nichts, wenn es doch so offensichtlich war. Ich schmiegte meinen Rücken an ihn und schloss meine Lider. Seine Wärme hüllte mich ein wie die kuscheligste Wolldecke. Mit seinen Armen um mich, erbaute er ein Haus, aber nicht aus Stein, sondern purer Sicherheit.

Ich drehte mich um und war sofort in diesem tiefen Grün gefangen. Auf seinen Wangen hatten sich Grübchen gebildet, wobei das Linke größer schien. Gott, ich liebte dieses schiefe Schmunzeln.

Simon duftete nach frischer Natur und irgendwie künstlich süß. Ich sog ihn ein, als bräuchte ich ihn wie die Luft zum Atmen. Dann landeten meine Lippen wieder auf seinen.

Die Schmetterlinge entflohen ihrem Käfig. Ja, sie sprängten ihn dabei fast.
Je enger seine Arme mich an seinen Körper zogen, desto freier fühlte ich mich.

"Wir analysieren jetzt englische Literatur." Das hatte er jetzt nicht in eine Reihe heißer Küsse gequetscht. Doch, nachdem er mich an meinen Schultern von sich schob, glaubte ich es. Wieso musste er die Sekunden unterbrechen, in denen mir so herrlich egal wurde was wir Taten und welche Konsequenzen es hätte.

Er musterte mein Gesicht, dass in diesem Moment wahrscheinlich dem eines trotzigen Kindes ähnelte. "Hopp hopp, Honeybadger." Er gab mir zwei Klappser auf den Hintern, bevor er an mir vorbei lief. Meine Wangen färbten sich nun wohl von rot in bordeaux.

"Muss das sein?", fragte ich als er sich vor sein Schulzeug auf meinen Kunstfell-Teppich setzte. Mit diesem bösen Grinsen nickte er nur, worauf ich noch einmal laut aufstöhnte.

"Auf Seite 256 findest du 'the road not taken' von Robert Frost. Les es bitte und schreib dann deine Interpretation dazu." Ich hoffte inständig für alle zukünftigen Schüler, dass dieser junge Mann niemals Lehrer werden würde. So trocken und humorlos wie er plötzlich wurde, wenn es um den Unterricht ging, würde die Jugend noch mehr in Depressionen verfallen.

Ich schüttelte zwar meinen Kopf, aber setzte mich zu ihm und griff nach dem Buch, dass circa zehn Kilogramm wog. "Hast du die ganzen Gedichte schon gelesen, Simon?" In diesem Buch sammelten sich bestimmt tausend Gedichte. "Ein paar bin ich nur überflogen." Er rückte seine Brille zurecht. Gut zu wissen.
Aber so zuckersüß konnte nur er als Schlaumeier sein.

Als ich begann zu lesen, ruhte sein Blick noch auf mir. Er blinzelte gar nicht, sondern lächelte einfach. Ganz so als würde er mich bewundern, was ich kaum nachvollziehen konnte.

"Du bist wunderschön, wenn du so konzentriert bist", gab er verträumt von sich. Zu schade, dass ich dem Gedicht so keine Aufmerksamkeit schenkte. Ich boxte ihm spielerisch gegen die Schulter, worauf er schon vestand. Simon legte sich vor mir auf den Rücken und starrte an die Decke.

Im Wald zwei Wege boten sich mir dar,
und ich nahm den, der weniger betreten war.
Und dies änderte mein Leben...

Nach ein paar Minuten erreichte ich das Ende. Simon lag immer noch da, nur inspizierte er derweil mein Zimmer. "Du zeichnest?" Er betrachtete die von einem Tuch verhängte Staffelei. "Ja, manchmal."

"Darf ich mal sehen?" Simon setzte sich bereits auf, doch ich quietschte schnell ein "Nein!"

"Kein Problem. Wenn du nicht angeben willst, ist das okay." Zwar scherzte er, aber in seinem Ausdruck fand ich Enttäuschung. So gut kannte ich ihn bereits, dass ich die kleinste Veränderung in seinem Gesicht wahrnahm. Und so sehr mochte ich ihn, dass ich ihn sogleich aufmuntern wollte.

"Es ist eins der schlechtesten Bilder, wirklich. Wenn du willst, zeig ich dir gleich ein paar meiner Meisterwerke." Ich log und es war mir bewusst, dass es sich hierbei nur um eine kleine Notlüge handelte, aber trotzdem breitete sich ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend aus.

Was hätte ich ihm denn sagen sollen? Dass ich ihn zeichnete, weil seine Iriden Frühlingsgefühle in mir weckten? Damit er dachte, ich wäre ein seltsamer Stalker.

Um der Situation zu entfliehen, holte ich meinen Block und einen Stift. Ganz fleißig, oder auch feige, begann ich meine Interpretation.

Daraus wurde genau ein Satz, dann lag Simons Kopf plötzlich vor meiner Nase auf meinem Heft.
"Komm mit mir zum Abschlussball."

Bitte was?! Ich betrachtete ihn als sei er das Monster unter dem Bett, vor dem ich mich als Kind so fürchtete. Die Einladung auf den Abschlussball stellte sowas wie einen halben Heiratsantrag dar. Dafür war ich absolut nicht bereit.

"Es ist doch erst April", lachte ich wie eine hysterische Kuh und schob ihn samt des Blocks von meinem Schoß.
Eine dumme Aussage, wenn ich daran dachte, dass es Mädchen gab, die schon seit zwei Jahren wussten mit wem sie zum Ball gehen. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal, ob ich überhaupt dahin will", fand ich einen besseren Ausweg.

Zum Glück lenkte Simon darauf ein. "Hast du ein Glück. Meine Eltern sind Mitveranstalter, deswegen muss ich dort hin." Na wenn die de Gaillys Hand anlegen, durfte es ja nur ein prunkvolles Ereignis werden, nörgelte ich in Gedanken, obwohl ich Ms de Gailly eigentlich gut leiden konnte. Sie mich aber nicht mehr, wenn sie erfahren würde, dass ihr Jüngster mich gerade besuchte.

"Vienna, ich muss leider gehen. Eine Freundin wartet." Ich war eigentlich noch nie ein sehr eifersüchtiger Mensch, aber nun besaß er meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Bevor ich es überdachte, schoss es auch schon raus. "Diese Alice, der du Briefe schreibst, oder?"

Natürlich gab es die Möglichkeit, dass er außerhalb der Schule andere Beziehungen pflegte, aber sie war die einzige von der ich was mitbekommen hatte. "Ja, richtig. Woher weißt du das?" Er zog eine einzelne Augenbraue geschickt in die Höhe. "Da lag ein Brief auf deinem Nachtschränkchen in Kanada. Sorry, ich habe nur das 'Liebe Alice' gelesen, sonst nichts."

"Okay." Nicht mehr und nicht weniger, bekam ich zurück. Dabei hätte mich brennend interessiert, woher er diese Alice kannte.

Wortlos packte er sein Zeug zusammen und wirkte dabei schlagartig distanziert. Hatte ich was Falsches gesagt, oder störte es ihn, dass ich den Brief gesehen hatte?

Während ich in meinen Gedanken versank, erreichte Simon bereits die Tür. "Wir sehen uns." Und weg war er.

Kein Abschiedskuss. Keine Umarmung. Nicht mal sein süßes Lächeln. Irgendwas war gewaltig schief gelaufen und mir wurde leider klar, dass nicht nur Preston Geheimnisse pflegte...

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