Kapitel 1 - Verschlungen

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Da war ein Knoten in Terras Brust. Ein großes Ding, verflochten mit feinen Fäden aus zornigen Rottönen und eifersüchtigen Grün, sowie jeder anderen Farbe im Lichtspektrum.

Mit professionellen Pfoten verknotet, so wie es kein Wolf jemals konnte. Wölfe waren immer zu engstirnig, zu altmodisch, zu traditionell und zu stur. Keine kreativen Tiere, wenn du Terra fragtest.

Füchse hingegen, wenn man den Wächtern glauben wollte, hatten Knoten gemeistert. Sie konnten flechten und basteln wie kein anderer Stamm, so sagte jedenfalls Mausolea, eine kleine, graue Wölfin.

Terra fragte sich dann, wie es seine Mutter schaffte, die außer Rennen und Kämpfen sicherlich nichts mit ihren Pfoten anstellen konnte, diesen komplizierten, unmöglichen Knoten in Terras Wesen zu flechten. Ein Knoten, der gegen seine Lunge drückte und ihn manchmal, wenn Terra besonders in Gedanken feststeckte, seinen Atem stahl.

Vielleicht hatte sie vor, eine Decke zu stricken. Aus glücklichen Gefühlen und lautem Lachen, mit sonnengelben und rosaroten Fäden, zusammengeknotet mit vorsichtigen, geduldigen Pfoten. Es wäre eine schöne Decke gewesen, in der sich Terra vor der Welt verstecken konnte. Ein warmes, zweites Fell.

Stattdessen hatte sie vergessen, dass sie ein Wolf war, kein Fuchs. Ihre Pfoten waren zu groß, zu ungeschickt. Der Faden zu klein für ihre massiven Krallen. Dazu verlor sie ihre Fäden viel zu schnell und statt aufzuhören oder vielleicht einen richtigen Ersatz zu finden, nahm sie die zweitbeste Farbe:

Aus geliebten Rosa wurde wütend Rot, aus hellen Gelbtönen Neidgrün. Zweifel und Angst fanden ihren Weg in die einstmalige Decke, die nun mehr Knoten war. Ein großer Block aus Fäden, den Lamina nicht aufgeben wollte.

Und nun trug Terra die Last mit sich. Jeden einzelnen Tag. Als wäre es seine Krone.

„Terra!", riss eine ihm bekannte Stimme aus seinen Gedanken. Er drehte sein Kopf in die Richtung, aus der er die Stimme vernommen hatte. Unüberraschenderweise stand dort ein schneeweißer Wolf mit gelb-grünen Augen. Sein Pelz war dicht und lang, auch wenn der Wolf winzig im Vergleich war. Glacies sah praktisch aus wie ein schneeweißer Fellball, an den vier winzigen Pfoten und eine kleine Welpenschnauze angeklebt worden waren.

Der Welpe stand vor der Schlafhöhle in einiger Entfernung – nicht viel Entfernung, aber genug, um Glacies kleiner aussehen zu lassen. Anstatt dem Wolf zu begrüßen oder seine Existenz weiter zu bemerken, ging Terra zurück zu dem, was er eigentlich für die Nacht geplant hatte.

Bevor ihm seine Gedanken übernommen hatten.

Der Himmel strahlte im Licht des Mondes. Violette Wirbel zogen ihre Kreise und nahmen kleine, leuchtende Punkte in ihren Strom auf. Subtile Farbunterschiede konnte Terra am Himmel mit Leichtigkeit erkennen. Gemeine Grautöne, leuchtende Lilas, brillantes Blau, stilles Schwarz.

„Terra!", rief Glacies wieder und auf einmal war Glacies neben ihm. Terra konnte seinen Schmollmund aus dem Augenwinkel erkennen. „Du kannst mich nicht einfach ignorieren!"

Eigentlich konnte Terra das. Es war einfach, immerhin war Solari Terras Bruder gewesen. Theoretisch war er das zwar immer noch, aber das war jetzt nicht der Punkt.

Nichtsdestotrotz gab Terra innerlich-seufzend auf. Was war der Punkt. Wenn Glacies unbedingt Aufmerksamkeit wollte, dann konnte er das auf drastischere Weisen machen. Es war besser, Glacies jetzt diese zu geben, bevor er auf die Idee kam, auf Terra zu springen. Oder wie Floris es so gerne machte: Ihn komplett zu beleidigen.

„Was hast du gesagt? Ich war gerade beschäftigt damit, dich zu ignorieren", murmelte Terra, halb fokussiert auf den weißen Welpen. Glacies sah empört aus, in dem Weg, wie Kleinkinder empört waren, wenn du behauptest, dass deren Hassfarbe deine Lieblingsfarbe ist. Terra versuchte nicht einmal, sein Grinsen zu unterdrücken.

„Das ist so fies! Kein Wunder, dass du immer alleine bist, wenn du so mit jedem redest."

Terra rollte seine Augen. Das war nicht unbedingt der Grund, aber was auch immer Glacies glücklich machte. Dieser hatte seine Schnauze hoch in die Luft gestreckt, als würde Terra furchtbar stinken oder als ob Glacies dachte, dass das das Bild von Coolheit wäre. In einem Versuch, Terra die kalte Schulter zu zeigen, schaffte es der Welpe sogar, einige Minuten zu schweigen, bevor er wieder sein Maul aufriss: „Was tust du da eigentlich? Ist dir nicht kalt? Wie lange liegst du schon da?"

Grummelnd zwang sich Terra auf die Pfoten und schüttelte sich den frostigen Schnee vom Fell. Wie immer blieben aber noch weiße Klumpen stecken, die ihn durch die dünne Schicht aus braunem Haar frieren ließ. Als er so gut wie schneefrei war, sah der braune Welpe zu Glacies.

Der weiße Wolf strahlte praktisch, als hätte Terra viel gemacht. Anscheinend war die Existenz eines gelangweilten Welpen zu beachten das Sahnehäufchen auf der Eistorte. Als wäre Terra etwas Neues und Interessantes, was die Wächter, Picae und Mausolea, aus Mitleid aus dem Wald brachten.

Terra erinnerte sich noch, wie glücklich er und Solari waren, als ihnen Mausolea einen einzigen Tannenzapfen brachte. In dem Moment hätte Terra heulen können, so langweilig war die Existenz eines Welpen. Naja, es gab Spiele zwischen den Welpen, aber die wurden alt, wenn man nur zu zweit war. Glacies und Pluvia, die Schwester des kleinen, weißen Wolfes, waren damals noch nicht alt genug, um mit ihnen zu spielen.

Kleine Samen flogen durch die Luft, als Solari ihn dann zerbiss.

„Bevor du mich gestört hattest, war ich dabei meinem Morgen zu genießen", antwortete Terra auf zwei von den drei Fragen. Ob ihn kalt war, war nämlich wohl eine der dämlichsten Fragen:

Ihm war immer kalt.

Der weiße Welpe rollte nur seine Augen mit einem Gesichtsausdruck, dem Terra verriet, dass seine Antwort ihm nicht passte. Um ehrlich zu sein, hätte Terras Antwort Terra auch nicht gepasst, wäre er in Glacies Rolle. Das würde er aber nie zugeben.

„Ja, aber was hast du gemacht?", fragte Glacies wieder, betonte aber das 'was' dieses Mal. Sein Schwanz wedelte aufgeregt über den Schneeboden, seine grünen Augen groß mit Neugier. Die ganze Situation erinnerte ihn an die verschiedenen Abende, in den Solari Terras früh-morgendliche oder spät-abendliche Rituale unterbrach.

Wahrscheinlich war Glacies einfach gelangweilt. Sehr gelangweilt. Sodass er sich an die Hoffnung krallte, dass Terra irgendetwas Lustiges zu erzählen hatte. Terra wünschte sich, er würde seine Schwester nerven und nicht ihm, auch wenn Terra kaum Probleme mit den weißen Welpen hatte.

Es war fast genauso wie die Morgende mit Solari.

Übereifriges Schwanzwedeln und enthusiastische Fragen von Solari, sowie eine gewaltige Portion Mobbing von Terras Seite. Es waren gute Tage.

Er vermisste sie.

Sofort wand er den Blick ab, drehte sich rapide um und lief Richtung Schlafhöhle. Er ignorierte das Klatschgeräusch, dass dabei entstand oder wie er Widerstand in seinem Schweif dabei gefühlt hatte.

Glacies quietschte erschrocken, folgte aber trotzdem. Na und? Vielleicht hatte Terra aus Versehen dem weißen Welpen eine geklatscht.

Passiert.

Er hatte es sowieso verdient.

Warum auch immer, entschied sich Terra in diesem Moment Glacies vielleicht doch eine Antwort zu geben. Vielleicht aus einer Art Schuldgefühl, vielleicht weil Terra wusste, dass Glacies ihn bis zum Ende nerven würde.

„Die Sterne", fing Terra an.

„Huh."

„Ich habe die Sterne angeguckt."

Glacies sah ihn nur verwirrt an, als ob kein normaler Wolf jemals den Sternenhimmel bewunderte. Seufzend ergab sich Terra seinem Schicksal.

„Sie sind hübsch", grummelte der braune Welpe und ließ sich auf der Stelle fallen. Der Eingang zur Höhle direkt im Rücken. „Brauch ich etwa einen Grund? Wer ist gestorben und hat dich zum Mondgeist erwählt?"

Grinsend ließ auch Glacies sich nieder. „Ich wurde als Über-Mondgeist geboren, also natürlich! Niemand sitzt Ewigkeiten im kalten Schnee, um nur ein paar Sternchen anzusehen. Ich kann das nämlich in Sekunden!"

„Und deswegen rede ich nicht mit dir."

„Hey!", quietschte der weiße Welpe empört. Das Grinsen verzog sich zu einem beleidigten Schmollen, während Terra schadensfroh anfing zu kichern. „Das ist fies.", murmelte Glacies dramatisch weiter. Terra meinte ihn schniefen zu hören, jedoch fälschte der Weiße es ziemlich wahrscheinlich. Für die Dramatik. „Du bist fies."

Damit viel er auf seinem Rücken und nahm eine verletzte, wenn auch dämlich aussehende Pose ein. Pfoten ausgestreckt, Rücken verdreht, das Gesicht halb im Schnee vergraben. Wie konnte Terra anders, als zu lachen?

Terra konnte Glacies kaum hören, so laut lachte er. Dabei redete er nur über alberne Dinge, die er absolut nicht meinte. Wie verletzt er war, dass er Terra vertraut hatte, über Verrat und Verlust und dass deren Freundschaft beendet sei. Als ob sie überhaupt Freunde zu Beginn hin waren.

Irgendwann aber verstarb das Lachen und die Worte. Glacies fand sich wieder zu seinen Pfoten und schüttelte den Schnee vom Fell, welcher wild um die Gegend geschleudert wurde und den Wolf neben Glacies traf.

Karma.

Die Welt war wie sie davor war. Glacies und Terra, ruhig nebeneinander. Die Sterne funkelten am Himmel, Wölfe schliefen in ihren Höhlen. Lamina weit weg, Terra hier im Moment. Nicht in den Tiefen seiner Gedanken.

Es schien friedlich, gut.

Natürlich war das der Moment, in dem alles bergab ging. Die Wölfin selbst trat aus ihrem Bau, dem Mondbau. Normale Wölfe schliefen in den Schlafhöhlen in ihrem Abteil, ob Wächter, Läufer oder Zahn. Alle Rollen und alles darunter schlief in der Schlafhöhle.

Zwar in ihren eigenen Höhlen, die tief in die Erde der Erdwände eindrangen, verwurzelt und komplexe Gänge mit mehreren Ausgängen an verschiedenen Punkten. Verwachsen mit kleinen Büscheln aus Gras und Blümchen, die einem die Pfoten kitzelten, wenn man vorbeilief, geschützt vor dem Frost.

Und nur der Mond hatte seinen eigenen Bau, unverbunden mit dem Rest. Immerhin war der Mond kein Teil der Sterne, die zusammen ganze Bilder darstellten. Allein, groß und anmutig.

Lamina trat aus dem Schatten der Nacht.

Sie war riesig mit breiten Schultern, langen braunen Fell vom selben Farbton wie Terra, mit orangenen Augen und kurzer Schnauze, wo eine tiefe, kleine Narbe ihr Zuhause fand. Eines ihrer Ohren war zerfetzt und endlos viele kleine Narben waren unter ihren langen Pelz versteckt, genauso wie ihre Muskeln.

Sie war kräftig und stark und mindestens genauso brillant, auch wenn sie es nicht verdiente. Das war definitiv Lamina, der Mond des Wolfstammes.

Terra sah ihr ähnlich in vielen dieser Aspekte. Er war praktisch eine Miniaturvariante von ihr.

Jedoch hatte er weder ihre Größe noch ihre Muskeln und erst recht nicht die Narben. Seine Augen waren ihren ähnlich in Form, wenn auch nicht Farbe – seine waren nämlich tief gelb. Sein Fell war kurz und alles andere als winddicht im Gegensatz zu ihrem.

Nichtsdestotrotz sah er aus wie sie und Terra wusste, dass es mit Zeit nur noch schlimmer werden konnte. Dass, wenn er groß wurde, nicht nur eine Miniaturvariante von seiner Mutter sein würde.

„Terra", rief sie als sie ihren Sohn erblickte. Zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen. Für Terra ähnelte es mehr einem Knurren, gebleckte Zähne und zusammengekniffene Augen. „Wir müssen reden."

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