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Es ist Mittagszeit und alle stürmen in die Mensa zum Essen fassen. Paule hat vorhin im Unterricht schon seine angegorene Hirschkeule schnabuliert, die er in der Hosentasche mit sich herumträgt. Er hat keinen wirklichen Hunger mehr.
Am Ende des Saals befindet sich sein Tisch, den er sich mit Hilfe miesen Benehmens, Blut, Schweiß und viel Geknurre erkämpft hat. Von hier aus hat er einen super Überblick über das Geschehen. Er sieht, wer kommt, wer geht und wer gleich wieder umdreht, wenn er Paule entdeckt.
Der Preis: Paule sitzt ziemlich allein, nur ein paar der noch viel abgewrackteren Wölfe, allesamt arme Kriecher, trauen sich zu ihm. Da ist Rotze, der fetteste Werwolf der Stadt, der kaum allein gehen kann und sich ständig mit dem grintigen Handrücken die Nase abwischt. Alte Schnodderbacke. Und da ist Romeo, ein ehemaliger Schönling, der nicht verwinden kann, dass Paule ihn vor zwei Jahren zurechtgestoßen, ihm gezeigt hat, wer der geilste, der heißeste Wolf Dunkelfurts ist. Romeo humpelt noch heute beim Gehen. Er hört nur noch auf einem Ohr und sieht nur noch auf einem Auge. Paule hat ihn in der Hand, und das weiß Romeo.
Gerade kommt Knackfloh anschlawenzelt, der Zweimeter-Stinker mit dem fettigen Fell, dessen Gestank einem hundert Meter gegen den Wind die Tränen in die Augen treibt. Er spricht mit hoher Fistelstimme, hat riesige Zahnlücken und ist blöd wie trocken Brot.
Paule umgibt sich gern mit Rotze, Romeo und Knackfloh. Sie sind so herzzerreißend armselig, dass Paule sich in ihrer Gegenwart wie King Lui fühlt. Wenigstens einmal am Tag ne dicke Hose haben, denn zuhause, da hat Paule nichts zu lachen.

Heute gibts Milchreis mit Sauerkirschen. Eigentlich wäre das für Paule ein handfester Grund, wieder mal den Aufstand zu proben, doch er denkt an das, was er seiner Großmutter versprochen hat: Arsch zusammenkneifen, still verhalten und auf seinen großen Moment warten, der irgendwann um die Ecke kommt, kommen muss, wenn das Weltenschicksal irgendeinen verdammten Wert haben soll.

Niemand hier mag ihn. Er wird geduldet. Man macht einen großen Bogen um ihn, wie um einen Hundehaufen auf dem Gehweg. Echte Freunde? Fehlanzeige! Rotze, Romeo und Knackfloh, die schleichen um ihn herum, okay, haben ja auch Dauerangst, von Paule zugerichtet zu werden, wenn er wieder einen seiner launischen Tage hat. Kennen sie schon. Ist nie schön.

Die drei lümmeln sich auf den Tisch. Sich auf Stühle zu setzen ist was für Weicheier. Paule erschnüffelt ihre käsigen Sneakers und ihm wird schlecht. Alle drei halten Teller mit Milchreis in den Pfoten und löffeln und schmatzen, was das Zeug hält.
»Wird euch nicht kotzübel von dem Fraß?«
Rotze, Romeo und Knackfloh scheinen nicht zu verstehen. Sie müppeln ihren Reisbrei als wäre es frisch gerissenes Rehkitzfileé.
»Lieber fresse ich diese schmantigen Plastestühle voller Arschschweiß!«
Paule kickt einen der unbesetzten Stühle weg, der quer durch den Gang fliegt und den Klassenstreber Hans-Bert voll am Hinterkopf trifft, dass Reis und rote Fruchtpampe durch die Gegend fliegen. Niemand regt sich, keiner muckt auf, alle müppeln mit gesenkten Köpfen weiter, als wäre nichts geschehen.
Nur am Ende des Saals erhebt sich jemand und schickt Paule vorwurfsvolle Blicke herüber. Es ist Sascha, der Sozialarbeiter. Sascha zückt ein kleines Notizbuch und einen Kugelschreiber. Dann schreibt er etwas auf und steckt das Büchlein anschließend wieder weg. Paule weiß Bescheid, er ist angezählt und muss sich vorsehen.

Er wendet sich wieder an seine Kumpels.
»Und, die Aktion heute Abend steht? Zehn Uhr am alten Weghaus? Seid ihr dabei?«
Romeo macht ein spitzes Mäulchen und starrt zu Boden. Rotze hat irgendwas interessantes an der Decke gesichtet. Nur Knackfloh sieht Paule entschlossen an.
»Klar Mann, zehn Uhr am alten Weghaus!«
Paule leckt sich die gesprungenen Lippen und starrt Romeo und Rotze finster an.
»Was denn, ihr kneift? Jetzt schon ins Fell geschissen? Dachte, ihr seid auch scharf auf die knusprigen Förstertöchter, mannomann, eine schmackiger und draller als die andere! Nur 'n bisschen erschrecken, nur 'n bisschen antatschen und anknabbern! Und dann ab ins Unterholz!«
Romeo und Rotze drucksen rum.
Paule grinst dreckig.
»Na gut, dann werde ich Lilienthal wohl verraten müssen, wer neulich das Schulklo mit seiner Kacka verziert hat!«
Peinliches Schweigen.
»Romeo, alte Sau! Was sollte das? Dominanzgebahren? Mann, was ist falsch mit dir?«
Romeo fängt fast an zu heulen, kriegt sich aber notgedrungen wieder ein, als Paule ihm eine Kopfnuss verpasst.
»Na gut, bin dabei.«
Rotze schnieft und öffnet den Mund. Paule versteht ihn kaum.
»Ich auch.«
»Na bestens!«
Paule klatscht in die Pfoten.
»Dann bis später, ihr Kriecher! Und zieht euch was feines an!«
Paule bezweifelt, dass das bei den drei wandelnden Müllhaufen irgendwas bringt, aber egal.

Paule kämpft sich noch durch die Anti-Gewalt-AG und den Nachmittagsunterricht, dann rennt er in großen Sprüngen nach Hause. Er freut sich wie wahnsinnig auf heute Abend, auch wenn er weiß, es sind genau solche bescheuerten Aktionen, die die Menschen gegen die Werwölfe aufbringen und ihnen Probleme mit der Polente bescheren. Doch es juckt ihn, er kann nichts dafür, ist seine Natur. Macht keinen Sinn sich unnötig das Hirn darüber zu zermatern.

Am trüben Stadtteich vorbei, einen glitschigen Stock nach den Schwänen geschmissen, die wie blöde fauchen und ein Stück hinter Paule herflattern, dann durch das verwachsene Wäldchen, am Knutschpavillon vorbei, unter der tropfdreckigen Autobahnbrücke hindurch, über die ungemähte Wiese. Dann ist er da. Paule sieht schwefligen Rauch aufsteigen, sieht die schiefen Wellblechhütten, das eingezäunte Stück Gras, die dreckigen Hühner, die krummbuckeligen Ziegen. Jede Wette verbrennt seine Oma wieder Hausmüll im Küchenofen. Paule hört seine Mutter schon keifen.

»Versaust mir mit dem Gestank das ganze Essen! Paule kommt gleich, der ist im Wachstum und braucht was zwischen die Hauer! Geh innen Garten oder innen Wald, da kannste 'n Loch ausheben und deinen Schmand verbrennen! Was sollen die Nachbarn denken?«

Nachbarn, welche Nachbarn, denkt Paule. Stört die doch nicht, sind doch alles selbst solche miefigen Schleimscheißer.

Paules Mutter ist noch nicht fertig mit Meckern.
»Deinen Plastikqualm sieht man noch auf hundert Kilometer. Keine zehn Minuten und die Polente steht wieder vor der Tür! Mensch Omma, geht doch nicht!«

Die Stimme von Oma klingt gedrückt, als stecke ihr was im Hals. Kein Wunder, sieht steht ja auch den ganzen tag kopfüber.

»Sollnse doch kommen, sollnse doch kommen! Ich beiße ihnen die Eier weg und würge sie mit meinen Hornhautfüßen!«

Paule schüttelt sich. Winzige Tierchen springen von seinem Hemd. Omas Hornhautfüße sind legendär. Damit kann man Holz abschleifen! Er erinnert sich an den Besuch dieses blondgescheitelten Streifenpolizisten letzten Monat. Oma hatte die Autoreifen einer Erzfeindin zerbissen, das Gummi geschreddert und im Garten verbrannt. Ein Riesengestank war das. Hatte angeblich sogar in der Zeitung gestanden. DIE ASIS KOKELN WIEDER. PESTWOLKE ÜBER DUNKELFURT.
Der Blondgescheitelte liegt jetzt oben am Wald unter einer zwei Meter hohen Humusschicht, schön abseits, da wo sich nicht mal die Hunde zum Pinkeln hin verirren. Den Schreibheini von der Zeitung hätte Paule am liebsten auch noch dazu getan, doch der traut sich nicht hier raus, der sitzt schön bequem in seinem geheizten Büro, trinkt Cappuchino und drückt seine bescheuerten Computertasten.

Paule nimmt sich ein Herz, zieht die verklemmte Eingangstür auf und geht ins Haus. Es stinkt bestialisch. Ob das Omas Verbrennungsgestank ist oder Mutters Kochkünste, vermag er nicht zu sagen. Er denkt an die drei drallen Försterstöchter, die er heute Abend mit seinen Kumpels aufsuchen will. Ihm wird ganz warm überall, und diese Wärme macht ihm Mut, steigert seine Laune bis zum Gehtnichtmehr. Heute Mittag wird er von Mamas Essen kosten.

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