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Paule weiß was er vergessen hat. Die Rasur. Sein Anzug passt optisch prima, auch die Schuhe, das Hemd, die Krawatte. Aber der Bart ist ein Rumstreuner-Bart. Die zwei Wachleute am Stadttor glotzen schon so skeptisch zu ihm herüber. Paule sieht die Knarren an den Gürteln baumeln. So eine hätte er auch gern, dann müsste er sich nicht ständig auf seinen Verstand verlassen, sondern könnte auch mal die Meuchelpuffer sprechen lassen. Pengpeng. Er denkt an seine Oma. Die sagt immer »Knarre bringt Unglück. Wir Schwarzröcke haben unsere Krallen, den anderen wird's nicht gefallen.« Beim Wort Kralle schießt ihm ein Gedanke von ganz weit hinten durch den Kopf, doch bevor er ihn einfangen kann, ist er schon wieder abgetaucht.
Werwölfe haben ohne No-Wer keinen Zutritt zur Stadt. Alte Regel. Die Leute haben einfach zu schlechte Erfahrungen mit Leuten wie Paule gehabt. Blauwölfe gegen Schwarzröcke. Ein tagelanges Gemetzel. Danach lag halb Dunkelfurt in Trümmern. Wenn Paule in die Stadt will, muss er über die Stadtmauer klettern, sich durch die Trümmer des zerfallenen Ostturms quetschen und den dort lebenden Dotter-Dämon bestechen oder durch die Dunkel tauchen. Schlammbeißer, der in einer schäbigen Hütte oben am Fluss lebt, hat so ein Kraut, mit dem man nach dem Verspeisen für über eine Stunde unter Wasser atmen kann. Würde in der Dunkel nicht so dermaßen viel fieses Gewürm herumkruscheln, könnte Paule ungesehen einmal durch Dunkelfurt schwimmen. Dumm nur, dass Schlammbeißer selten zu Hause ist, und wenn er zu Hause ist, meistens zugedröhnt neben seiner Hütte liegt und Flusssteine zu rätselhaften Objekten aufeinanderstapelt.
Das No-Wer hat er heute nur für Luna genommen, das soll sie ruhig wissen, also sagt er es ihr. Drückt dabei die Brust raus und macht sich einen halben Meter größer, als er eigentlich ist.

»Mach hier keinen Dicken, Paule! Ohne wärste ja auch nicht reingekommen!«

Was soll man dazu sagen? Paule fühlt, wie irgendwas in seiner Brust zusammenschnappt. Plötzlich steigt ihm der Geruch von beleidigter Leberwurst in die Nase und er schluckt seinen Groll schnell runter bevor Luna was bemerkt. Von allen Seiten schlendern jetzt Leute heran. Händchenhaltende Pärchen, Omas und Opas mit Krückstock, Familien mit Kleinkindern an der Hand und Babys im Kinderwagen. Ob die auch alle zu Assbjörnsens Ausstellung wollen? Kann Paule sich nicht vorstellen. So berühmt ist der Knilch nicht. Paule denkt an die Begegnung im Schwarzeichenwald, den leeren Bilderrahmen, das Kinderheim auf der Traudelhöhe, Frau Assbjörnsen ohne Gesicht.

»Was meinst du Luna, die Frau im Kinderheim, war das Telemarks Schwester? Oder seine Frau? Oder überhaupt irgendeine Verwandte?«

Luna kneift ihm in die Wange. »Wir werden sehen, mein Wölfchen.«
Sie zeigt auf ihren Rucksack. »Wir haben ihren Kopf für alle Fälle dabei!«

Eine Familie mit Kinderwagen stratzt aufs Stadttor zu, dahinter ein älteres Ehepaar mit Gehwagen. Paule zieht Luna am Ärmel und zeigt zu den Wachmännern hinüber.
»Der lange Gorilla da hinten starrt mich schon die ganze Zeit an. Kann sein, dass der mal wegen irgendeiner Sache bei uns Zuhause war. Oma Canusa hat ihm damals derbe in den Arsch gebissen. Ob er sich an mich erinnert?

Luna schüttelt den Kopf. »Kann nicht sein. Dafür siehst du heute zu schnieke aus!« 

Wieder kneift sie ihm in die Wange. Dieses Mal jedoch zärtlicher. Die Familie durfte passieren, die Alten mit ihren Rollatoren werden etwas länger gefilzt. Paule hört den Langen bellen: »Grund des Besuchs? Ziel des Besuchs? Was hast du da in deinem Körbchen, Opa? Und du, was verbirgst du in deiner popelgrünen Handtasche, Wackelweib?«

Sein Kollege, ein breiter Kerl mit Oberlippenschnauzer grinst breit und zeigt dabei seine ungepflegten Zähne. Ja, denkt Paule, ihr Leute vom Wachpersonal seid schon fesche Kerle. Doof wie Bohnenstroh und blöd wie Weißbrot. Alte Menschen malträtieren, das könnt ihr! Und was ihr für 'nen Ton am Leibe habt! Paule spürt seine Galle hochkochen. Als sich Lunas Hand auf seinen Arm legt, zuckt er zusammen, so sehr war er in seinen Rachephantasien gefangen.
»Immer mit der Ruhe!« Sie zieht Paule auf eine Parkbank hinter einem hohen Haselnussstrauch. Von hier aus können die Wachmänner sie nicht sehen. Luna nimmt den Rucksack herunter und holt den Bilderrahmen heraus, in dem noch immer das schreckgeweitete Antlitz von Frau Assbjörnsen vor sich hinflimmert. Paule wird schon wieder ganz schwummerig vor Augen.

»Wenn man sich Assbjörnsens Foto im Ausstellungsprospekt anguckt, eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden.«

Luna stimmt ihm zu.

»Ich tippe auf Schwester.«

Paule nickt. Wenn Luna das sagt, dann wird es so sein. Sie steckt sich den Rahmen in den Ausschnitt, schultert den Rucksack, greift nach Paules Hand und stiefelt mit ihm zurück zum Tor. Sie läuft ganz gerade, wackelt ein bisschen mit dem Po und streckt die Brüste heraus. Die beiden Schmierlappen blicken ihr breit grinsend entgegen. Der Oberlippenschnautzer zieht sich die Hose hoch, die Bohnestange streicht sich übers fettige Haar. Plötzlich sind sie scheißfreundlich und lassen von den beiden Alten ab, die ihre Rollatoren völlig verwirrt in Richtung Stadt schieben.
»Meine Dame, mein Herr! Wohin des Weges?«
Luna zeigt ihr hübschestes Lächeln. Die beiden Wachmänner verwandeln sich in Butter. Ne Tüte Mehl, Eier, Zucker und 'n Schuss Milch dazu, das gäbe einen fluffigen Rührkuchen, denkt Paule. Das lässt ihn wieder an die Ausstellung denken. Gibt es zu solchen Anlässen nicht immer lecker Essen und Trinken? Er will es hoffen, sonst wäre der weite Weg umsonst gewesen! Luna ist phänomenal. Selbst beim Sprechen kann sie noch zuckersüß lächeln. Paule ist schon wieder hin und weg und er findet, dass der erste richtige Kuss nun langsam mal kommen muss. Nicht immer bloß Wangenkneifen und Bussi Bussi auf die Backe. Die Wachen sind völlig überzuckert und kriegen gar nicht mit, dass neben der attraktiven jungen Dame ein verschwitztes Waldwesen im Anzug kauert und Einlass in die Stadt begehrt.

Luna zieht den Bilderrahmen mit Frau Assbjörnsens Rübe aus ihrem Ausschnitt. Man sieht viel nackte Haut. Den Blödis in Uniform fallen die Augen aus dem Kopf.

»Wir suchen diese Frau. Wenn Sie einmal schauen wollen ...!«

Luna hebt den Rahmen hoch, die beiden treten näher, lecken sich die Lippen und ahnen nicht, dass dies heute ihr letzter Tag mit gewohnter Rübe auf dem Hals war. Ein hellblauer Blitz, ein rosa Pulsieren und Oberlippenschnautzers Kopf sitzt im Rahmen. Dafür thront Frau Assbjörnsens Rübe nun auf seinem Körper. Luna reißt den Rahmen herum, zielt auf auf den Kopf der Bohnenstange. Wieder ein Blitz und die Rübe ist im Rahmen, Schnautzers Kopf hingegen auf Bohnenstanges Körper. Schnell steckt Luna den Bilderrahmen zurück ins Kleid. Die Wachmänner starren sich an und wisse nicht wie ihnen geschieht. Sie schreien und zetern, ziehen sich gegenseitig an den Nasen und Ohren. Plötzlich haben sie ihre Pistolen in der Hand und schießen wild in den nächtlichen Himmel. Paule fällt rein gar nichts mehr ein.

»Viel Spaß ihr zwei!« 

Luna klopft ihnen auf die Schultern und marschiert mit Paule durch das Stadttor. Ein Polizeiwagen rauscht ihnen entgegen und hält an der Stadtmauer. Paule und Luna sehen, wie zwei kräftige Beamte herausspringen, den Wachmännern die Waffen entreißen und ihnen Handschellen anlegen. Dann werden sie mit Schubsern zum Wagen eskortiert und auf die Rückbank gedrückt. Sekunden später braust der Streifenwagen mit Blaulicht zurück in die Stadt.
Magische Artefakte in Menschenhand, denkt Paule. Total verboten. Magische Artefakte innerhalb von Dunkelfurts Stadtmauern. Hochgradig verboten. Aber egal. Jetzt ist's sowieso zu spät. So schnell kann's gehen, die Herren. Eben noch die großen Macker markiert und jetzt auf dem Weg in den Bau. Paule spürt, dass ihm das Leben mal wieder was mitteilen will und er hört genau zu. Das Leben flüstert: du kannst breitschultrig und behaart sein, kannst auch eine Waffe tragen und grimmig gucken, aber du musst gerecht sein zu Alt und Jung, zu Hübsch und Hässlich, Breit und Schmal, Schlau und Doof. Ein guter Herrscher vereint beides, Härte und Gerechtigkeit. Ohne geht's nicht. Paule erschrickt. Woher plötzlich diese Klugheit? Das Abhängen mit Luna färbt ab!

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