Das Hexenhaus

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Mein Haus, es steht nun mitten

Im Silberdistelwald.

Pan ist vorbeigeschritten.

Was stritt, hat ausgestritten.

In seiner Nachtgestalt.

Oskar Loerke, Im Silberdistelwald

Als ich über die Schwelle des Hauses trat, schlug mir der Geruch von unzähligen Kräutern entgegen, so intensiv, dass ich niesen musste. Der ganze Eingangsbereich - ein vielleicht zwei Meter breiter Flur - war mit unzähligen getrockneten Pflanzen ausgefüllt, die von der Decke hingen. Ich drehte mich zu den anderen um - Pan zögerte vor dem Eingang sichtlich.

„Was ist los?", fragte ich.

„Das Haus ist mit Zaubern belegt." Pan verdrehte die Augen. „Immer noch. Ich hab keine Lust, dass wir später in diesem Teufelshaus festsitzen, ohne wieder raus kommen zu können."

Ich nickte. Den Gedanken, dass er in seiner momentanen Verfassung vielleicht gar nicht alle Zauber erspüren konnte, behielt ich lieber für mich. Kaum dass sie ins Innere des Hauses getreten waren, ließ Gin Pan los, als hätte er sich verbrannt. Pan verzog das Gesicht, als sein linker Arm wieder ruckartig bewegt wurde.

„Zur Hölle, Gin!"

„Was denn?", erwiderte er ungerührt. „Ich kann ihn nicht leiden - warum sollte ich dann vorsichtig sein?"

Ich rang die Hände, sagte aber nichts. Es würde eh nichts bringen.

„Das beruht auf Gegenseitigkeit", erwiderte Pan mit ei­nem schwachen Grinsen, das alles andere als freundlich war. „Also, wenn's euch recht ist..."

Er lehnte sich an die Wand und ließ sich daran entlang auf den Boden sinken. An dem Holz - das hier drinnen um einiges lebendiger aussah als von außen - blieb etwas Blut zurück. Pan legte den Kopf zurück und lehnte ihn gegen die Wand, bevor er die Augen schloss.

„Tiberius? Ist das so gut, wenn er da einfach... so sitzen bleibt?"

Tiberius zuckte mit den Schultern.

„Unter normalen Umständen nicht, aber dieses Holz scheint noch ziemlich lebendig zu sein."

Verständnislos sah ich ihn an.

„Er ist ein Naturgeist, Keira", erklärte der Magier mit ei­nem Seufzen. „Wenn Wald oder Holz oder irgendetwas anderes Natürliches um ihn herum ist, heilt er bedeutend schneller."

Kopfschüttelnd sah ich zu Pan, der sich nicht regte. Es sah ganz so aus, als wäre er eingeschlafen. Trotz unseres Geredes und des sicher ziemlich unangenehmen Schlaf­platzes.

„Das heißt also, er braucht einfach nur ein paar Blätter und dann heilt er gleich doppelt so schnell?"

Das konnte ich mir irgendwie nicht richtig vorstellen. Tiberius hielt sich die Nasenwurzel, als würde ich ihn ungemein aufregen.

„Auch wenn das ziemlich herablassend ausgedrückt ist, in gewisser Weise... ja."

Ich nickte langsam. Interessant.

„Mir ist eigentlich ziemlich egal, was mit dem Idioten ist", stellte Gin desinteressiert fest.

Tiberius fixierte ihn mit einem Blick, dem man einfach nicht ausweichen konnte und der wirkte, als würde der Magier einem direkt in die Seele gucken.

„Halte deine Zunge in Zaum, Junge. Die Hausherrin hasste Feindseligkeiten. Und das hat sich mit ihrem Tod sicherlich nicht verändert."

Bei seinen Worten durchlief mich ein kalter Schauder.

„Wie meinst du das?"

Tiberius lehnte sich gegen die Wand.

„Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie hier irgendwo Flüche oder Fallen versteckt hat, bevor sie gestorben ist. Keijo hat recht; sie war verrückt. Und verdammt bösartig."

Das beruhigte mich nicht gerade, wenn ich bedachte, die Nacht hier zu verbringen. Tiberius sah wieder auf Pan herab, ihm schien der Umstand, dem Zauber von irgend­einer toten Hexe zu begegnen, nichts auszumachen.

„Lassen wir ihn einfach da wo er ist, und morgen früh sehen wir weiter", erklärte er und deutete in den hinteren Teil des Raumes, wo sich eine winzige, schief in den An­geln hängende Tür befand. „Irgendwo dort hinten sind Betten. Ruht euch aus, diese Reise wird mit Sicherheit nicht leichter."

„Und was ist mit dir?"

Er sah mich nur an, erwiderte aber nichts. Das hieß entweder, dass er nicht schlafen würde oder dass es mich schlichtweg nichts anging. Vielleicht auch beides. Grey, Gin und ich schaff­ten es mit einiger Mühe, die Tür, die sich durch die etwas feuchte Luft und das morsche Holz verzogen hatte, auf­zubekommen. Dahinter führte ein Gang in beide Rich­tungen, in dem einen waren nur zwei Zimmer, auf der anderen, längeren Seite vier oder fünf, in den Schatten war es nicht genau zu erkennen. Ohne zu Zögern ging Gin in die Richtung mit den vier Türen. Grey zögerte kurz, bevor sie ihm folgte, und sah mich fragend an. Aus irgendeinem Grund, den ich mir selbst nicht erklären konnte, ging ich in die andere Richtung und ergriff den ersten Türgriff. Die Tür öffnete sich mit einem Unheil verkündenden Quietschen und mir schlug ein abartig süßlicher Geruch entgegen, der mich fast umhaute. Im Inneren hingen wieder die allgegenwärtigen getrockneten Kräuter von der Decke, die eine Seite, auf die das Licht der Tür fiel, wurde von einem großen Schreibtisch mit unzähligen Karten und abgegriffenen, riesigen Büchern darauf eingenommen. Auf der rechten Seite, die im Dunkeln lag, stand ein riesiges Bett, aber irgendetwas schien mir seltsam. Ich schob die Tür so weit auf, wie es möglich war, und ein breiter Lichtstrahl erfüllte das Zimmer. Erneut sah ich zu dem Bett - und hatte Schwie­rigkeiten, den Würgereiz zu unterdrücken. Benommen taumelte ich zurück. Auf dem Bett lag eine halb verweste Leiche, die mich aus leeren Augenhöhlen anstarrte, das Fleisch fiel ihr aus dem Gesicht und lag auf dem Bett direkt neben ihr, ihre Kleidung war noch intakt, was das ganze nur noch surrealer machte. Ich schrie nicht. Dazu war ich gar nicht fähig, so paralysiert war ich. Nun erkannte ich auch den widerlichen Gestank - der Geruch von Verwesung. Ich presste mir die Hand auf den Mund und stolperte noch weiter zurück, packte den Türgriff, um die Tür zuschlagen zu können. Dabei stieß ich gegen irgendetwas, das auf dem Boden lag, die Bettdecke bewegte sich ein Stück, und der Kopf der Leiche ruckte herum, sodass mich die leeren Augen direkt anzustarren schienen, der Mund, der nur noch halb von Fleischfetzen verdeckt wurde, schien ein breites Grinsen wie das eines Clowns zur Schau zu tragen. Mit einem erschrockenen Laut fuhr ich zurück und knallte die Tür hinter mir zu. Aus dem Inneren des Zimmers war ein Scheppern zu hö­ren. Meine Hände zitterten unkontrolliert, und ich betete, dass dieses Geräusch nicht von der auf den Boden fallen­den Leiche stammte. Allein bei dem Gedanken hätte ich mich übergeben können. Mit einiger Mühe schaffte ich es, den Anblick wenigstens kurzzeitig von meinem inneren Auge zu vertreiben. Doch meine Hände zitterten immer noch, als ich zu der nächsten Tür ging und meine Hand auf den Türgriff legte. Ich schluckte schwer, bevor ich mich dazu durchringen konnte, die Tür zu öffnen. Ich schob die Tür auf, die mit einem weiteren Quietschen aufschwang, und sah mich um. Erleichtert atmete ich aus. in diesem Zimmer war wenigstens keine Leiche...

Zwei dicht aufeinander folgende Schreie, zuerst ein kur­zer, abgehackter Aufschrei, dann ein längerer, deutlich höherer. Dann fiel eine Tür mit einem Krachen zu. Gin und Grey. Ich wirbelte herum, ließ das Zimmer hinter mir und lief zurück auf den Gang. Grey stand vor einer der Türen, ihr Gesicht war kalkweiß und sie zitterte am gan­zen Körper, während sie mit weit aufgerissenen Augen auf die Tür starrte. Von Gin war nicht die geringste Spur zu sehen.

„Grey!" Ich packte sie am Arm und hielt sie fest. Sie sah aus, als würde sie jede Sekunde umkippen. „Grey, was ist passiert?"

Mit zitternder Hand deutete sie auf die Tür.

„E-Es ha-hat Gin einfach ge-gepackt und... und mit sich da reinge­zerrt."

Ich hielt sie fest, sodass sie mich ansehen musste, ihre Schultern beb­ten, und obwohl sie eigentlich ein Stückchen größer war als ich, kam sie mir in diesem Moment unglaublich klein vor.

„Was, Grey? Was hat ihn geholt?"

Sie musste mehrmals Schlucken, ehe sie mir ant­worten konnte.

„Ei-Eine Skeletthand."

Ein eiskalter Schauder überlief meinen Rücken und ich bekam eine Gänsehaut. Zögerlich trat ich an die Tür.

„Nein, Keira...", flüsterte Grey, in ihrem Gesicht stand die blanke Angst.

„Gin?" Von drinnen war nur ein dumpfes Geräusch zu hören. „Gin, alles in Ordnung?" Wieder keine Antwort. Vorsichtig zog ich Grey mit mir, ließ die Tür aber nicht aus den Augen. „Wir müssen Tiberius Bescheid sagen. Er wird wissen, was zu tun ist."

Grey nickte schwach und ich führte sie wieder in den Eingangsflur. Tiberius lehnte im Türrahmen und sah mit wachsamem Blick auf den Fluss hinaus.

„Tiberius?"

Er brauchte uns nur anzusehen.

„Es gibt Probleme", stellte er fest und sah von mir zu Grey. „Was ist passiert?"

„Wir haben...", berichtete Grey, ihre Stimme zitterte. „Wir haben die Tür kaum berührt, als sie plötzlich aufgegangen ist. Da war eine Knochenhand, und... sie hat Gin gepackt und zu sich in den Raum gezerrt. Die Tür... sie ist einfach wieder zugegangen, ich bekomme sie nicht auf. Und Gin antwortet nicht."

„Ich hab's immer gesagt, diese Hexe war absolut bös­artig!" Schlagartig waren alle Blicke auf Pan gerichtet, der langsam aufstand und sich dabei an der Wand ab­stützte. „Na dann werde ich diesen Idioten mal retten. Welches Zimmer?"

„Was?"

Fassungslos starrte ich ihn an. Pan grinste.

„Ja, ja, ich weiß, dass er es nicht mal im Entferntesten verdient hat..."

„Das meine ich nicht. Du bist verletzt, so kannst du doch unmöglich gegen wer weiß was kämpfen!", protestierte ich. „Himmel, vor zwanzig Minuten konntest du kaum sprechen!"

„Tja, die zwanzig Minuten sind um", meinte Pan mit einem Grinsen. Ich sah ihn misstrauisch an. Egal, was für Superheilkräfte er hatte, so schnell konnte das nicht einmal bei ihm gehen. Außerdem sahen weder seine Schulter - und seine komplette restliche linke Seite - noch die unzähligen Schnitte in seinem Gesicht wirklich besser aus als vorhin. Pan sah mich mit einem amüsierten Blick an.

„Um einen Fluch aufzuheben, muss ich schließlich nicht kämpfen - außer vielleicht gegen Geister, was ich kaum glaube."

„Das ist wirklich keine sonderlich gute Idee, Keijo", stellte Tiberius fest. „Wenn der Zauber stärker ist, als wir annehmen, kann es noch Tage dauern, ehe du dich wieder vollständig regeneriert hast."

Pan bedachte Tiberius mit einem demonstrativen Blick, und ohne auf unsere weiteren Proteste zu achten, ging er den Flur entlang. Leise fluchend folgte ich ihm. Nicht einmal sein Gang sah so aus, als würde es ihm gut gehen, verdammt! Vor der Tür, vor der Grey vorhin gestanden hatte, blieb er stehen und betrachtete sie, als wolle er gleich mit der Kettensäge darauf losgehen. Stattdessen hob er die Hand und klopfte.

„Hallo?"

„Zur Hölle, Pan! Was machst du denn da?", zischte ich und starrte auf die Tür. Von Innen war ein Knarren zu hören. Pan bedeutete mir mit einem Grinsen, still zu sein.

„Was wollt ihr?", fragte eine schleppende Stimme, die nach brüchigem Papier klang.

„Wir hätten ganz gern unseren Freund zurück."

Ein Röcheln, das wohl ein Lachen sein sollte, war hinter der Tür zu hören.

„Seid Ihr Euch da so sicher, Keijo Pandorys?"

Pan reagierte nicht im Mindesten überrascht, dass die Stimme - und damit ihr Besitzer - seinen Namen kannte. Und ihn Siezte - was ich echt ziemlich seltsam fand.

„So ziemlich."

Wieder dieses röchelnde Lachen und plötzlich schwang die Tür auf.

„Dann tretet ein."

Pan zuckte mit den Schultern und betrat den dunklen Raum. Ich folgte ihm schnell - auf keinen Fall würde ich ihn allein da reingehen lassen. Hinter mir fiel die Tür mit einem Krachen zu und ich zuckte unweigerlich zusam­men. Die Stimme lachte, dieses Mal hörte es sich an wie Sandpapier.

„Eine Tochter des Waldes. Interessante Gesellschaft. Wirklich, höchst Interessant."

Eine Kerze entzündete sich auf einem Tisch, der in der Mitte des Raumes stand, und erhellte das runzelige Gesicht einer alten Frau, die uns aus starren, dunklen Augen beobachtete.

„Und ich dachte, du wärst tot", stellte Pan unbekümmert fest und schnappte sich einen Stuhl. „Tja, wie man sich täuschen kann."

Etwas zögernd nahm ich neben ihm Platz. Die ganze Situation war verrückt, einfach verrückt. Diese alte Frau war die Hexe, die angeblich tot war? Sie sah wirklich aus wie eine Hexe, aber nicht wirklich... na ja, tot. Die Alte lachte wieder und ganz kurz hätte ich schwören können, anstelle ihres Gesichtes einen Schädel aufblitzen zu sehen.

„So ist es auch", erwiderte sie, als wäre das Gesprächs­thema das Wetter und nicht ihr eigener Tod. Pan schien auch nicht sonderlich beeindruckt zu sein.

„Es ist zwar immer nett, mit dir zu plaudern, aber wir hätten trotzdem gern unseren Freund zurück", lenkte Pan das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema.

„Ist er denn überhaupt Ihr Freund?" Die Hexe grinste, die Haut spannte über ihren Wangen. „Nein, oder? Selbst, dieses Wort für ihn zu verwenden, kostet Sie Überwindung, nicht wahr?"

„Ich sagte unseren Freund, nicht meinen", erklärte Pan ungerührt. „Also, raus mit der Sprache. Wo ist er?"

Die Alte deutete hinter sich. Ich folgte ihrem Blick - und erstarrte. Gin stand, oder besser, er hing halb an der Wald, in seinem Blick stand pure Furcht. Aus dem Augenwin­kel sah ich, wie es um Pans Mundwinkel herum zuckte. Wahrscheinlich konnte ich froh sein, dass er Gin nicht schallend auslachte. Vielleicht würde das aber auch einfach später noch kommen.

„Gut. Jetzt wo wir ihn gesehen haben, kannst du ihn ja auch raus zu den anderen schicken und wir reden noch ein bisschen über die guten alten Zeiten", meinte Pan mit einem entwaffnenden Grinsen. Die Alte schnaubte.

„Ich dulde keine Feindschaft unter meinem Dach, Keijo Pandorys, das wissen Sie", meinte sie und sah sich zu Gin um. Bei ihrem Blick weiteten sich seine Augen und kurz sah ich Knochen über die Haut der Hexe wandern. Bei mir stellte sich ein heftiger Würgereiz ein. Nach­denklich tippte sie sich mit einem ihrer knochigen Finger ans Kinn. „Nein, ich glaube, ich werde ihn behalten. Mit Sicherheit wird er noch für irgendetwas zu gebrauchen sein. Und wenn nicht...", ein böses Lächeln, mit dem man jemanden - zum Beispiel mich - in Angst und Schre­cken versetzen konnte, wanderte über ihre Züge, „können sich immer noch meine Spinnen mit ihm vergnügen. Habe ich nicht recht, Cassiopayj?"

Wie auf Signal senkte sich eine riesige Vogelspinne an einem seidenen Faden von der Decke herab, im Kerzen­licht schimmerte ihr Pelz orange, während sie der Hexe auf die Knochenfinger kletterte. Beinahe liebevoll streichelte die Alte die Spinne. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen, alles in mir schrie nach Flucht. Mit einem fassungslosen Schaudern starrte ich sie an, bevor mein Blick zu Gin wanderte, der noch viel erschrockener aussah als ich. Sein Mund bewegte sich, als würde er etwas sagen, ja, beinahe schreien, doch er brachte keinen Laut hervor. Pan murmelte irgendetwas, das wie Effekthascherei klang.

„Tut mir sehr leid, aber das kann ich nicht zulassen."

Das Grinsen lag unverändert auf seinen Zügen. Wachsam sah die Alte ihn an und lachte wieder ihr schauderhaftes Lachen.

„Das werden wir ja sehen."

Ich fuhr zusammen, als sie mich plötzlich direkt ansah, ihr Blick stach so sehr, dass ich das Gefühl hatte, sie würde mir direkt bis in die Seele schauen.

„Ihre Freundin ist wirklich äußerst interessant", meinte sie und mir stellten sich die Nackenhaare auf. Am liebs­ten wäre ich aufgesprungen und aus dem Raum gestürmt, doch erstens konnte ich weder Pan noch Gin mit dieser Hexe allein lassen und zweitens war die Tür verschlossen - das wusste ich mit absoluter Sicherheit, auch wenn nie­mand etwas dazu gesagt hatte. Die Alte beäugte mich weiterhin mit ihrem stechenden Blick. „Wirklich interes­sant. Die alten Mächte in ihr sind sehr stark, eine direkte Nachfahrin der Königin." Sie beugte sich noch weiter vor, sodass ich ihren Geruch nach Staub und Tod einatmete. „Eindeutig, das Blut der Nebelwan­derer dominiert, auch wenn die Magierfähig­keiten sehr stark sind."

Aus dem Augenwinkel sah ich auf Pans Miene ganz kurz Unglauben, dann echte Freude aufblitzen, aber die Hexe war zu sehr auf mich konzentriert, um es zu bemerken. Endlich wandte sie den Blick von mir ab, und sogleich hatte ich das Gefühl, wieder freier atmen zu können. Unverwandt sah sie Pan an.

„Unser Gespräch ist hiermit beendet. Nehmen Sie Ihre Freundin und verlassen Sie mein Haus."

Langsam, beinahe bedächtig stand Pan auf.

„Wir werden nicht ohne ihn gehen."

„Das werden Sie wohl müssen, Keijo Pandorys", sagte sie und faltete die Hände. „Denn ich habe nicht vor, ihn gehen zu lassen."

Pan lächelte noch immer dieses etwas unheimliche Lächeln.

„Das hatte ich befürchtet."

Mit einem Seufzen trat er einen Schritt zurück. Ich beeilte mich, ebenfalls aufzustehen und hinter Pan zu treten. Das würde mit Sicherheit nicht ohne Kampf ausgehen. Trotzdem sah Pan die Hexe fast freundlich an.

„Es gibt auch andere Wege."

Die Alte schien sofort zu begreifen, was er meinte, denn auch sie stand von ihrem Stuhl auf.

„Das wirst du nicht wagen!"

Pans Lächeln verwandelte sich in ein böses Grinsen.

„Oh doch, das werde ich."

Und dann begann er leise, Worte vor sich hinzumurmeln, scheinbar vollkommen entspannt, als würde er einfach nur ein Gespräch führen, doch ich stand so dicht neben ihm, dass ich die Anspannung in ihm spürte. Ganz kurz achtete ich genauer auf die Worte, doch als ich erschro­cken feststellte, dass ich sie verstehen konnte, konzen­trierte ich mich wieder ganz auf die Hexe.

„Nein!", fauchte die Alte und streckte die Hand aus, als würde sie nach etwas greifen. Gin keuchte auf. „Beenden Sie diesen Zauber, oder er wird sterben!"

Pan grinste gefährlich, unterbrach sich aber keine Sekun­de. Wahrscheinlich hätte das den Zauber zerstört. Die Hexe kniff zornig die Augen zusammen und ihre Hand verengte sich beinahe zu einer Faust. Gin hinter ihr sah aus, als würde er keine Luft mehr bekommen, ich konnte sehen, dass er versuchte, die Hände frei zu bekommen, doch die unsichtbare Kraft drückte seine Kehle immer weiter zusammen, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Auch als die Hexe merkte, dass Pan nicht darauf reagier­te, ließ sie Gin nicht los und würgte ihn immer weiter. Pan sagte ein Wort mit besonderem Nachdruck und wie vom Blitz getroffen taumelte die Alte einen Schritt zurück. Endlich schaffte Gin es, seine Hände zu befreien, und griff sich an den Hals, ein Äch­zen drang aus seiner Kehle. Pan sprach unbeirrt weiter, und blanke Wut, ge­paart mit Entsetzen, trat in die Augen der Hexe, als Gin auch die Beine wieder bewegen konnte. Jetzt wurde er allerdings nur noch von der unsichtbaren Hand an der Wand gehalten und hing damit gute zwanzig Zentimeter über dem Boden. Die Alte drückte noch fester zu und Gin trat mit den Beinen gegen die Wand, versuch­te, ihrem Zauber irgendwie zu entkommen, während sein Kopf hochrot anlief. Erneut schwoll Pans Stimme an und die Hexe sackte auf die Knie.

„Warte!", schrie die alte Frau Pan entgegen und vergaß glatt, ihn zu Siezen, wie sie es bisher getan hatte. „Ich weiß die Antwort auf ein Geheimnis, das dich interes­sieren wird!"

Pan reagierte nicht auf sie, er machte einige Schritte auf sie zu, um den Tisch herum, und streckte die rechte Hand aus, die damit genau auf ihr Gesicht gerichtet war.

„D-Dein richtiger Name", sagte die Hexe hastig. Ich sah das Zögern in Pans Augen, nur für einen winzigen Mo­ment, doch auch die Alte schien es zu bemerken. Gins Abwehr gegen den Würgegriff der Hexe wurde immer schwächer. „Der Name, den dir deine Eltern gaben, nicht der, den du jetzt trägst! Er lautet ...-"

Ein greller Blitz schoss an mir vorbei und traf die Hexe mitten in die Brust.

„Das tut hier nichts zur Sache."

Ich fuhr herum und sah, dass Tiberius und Grey in der offenen Tür standen, die halb aus den Angeln gerissen war. Die Hexe starrte ihn an. Und dann brach sie in einem Haufen alter Knochen zusammen, die mit einem eigentümlichen, Gänsehaut verursachenden Geräusch aufeinander fielen. Aus dem Knochenhaufen krabbelte die riesige Vogelspinne hervor.

„So geht's natürlich um einiges schneller", meinte Pan grinsend und stützte sich am Tisch ab. Er atmete etwas schwer.

„Alles okay?"

„Das kommt nur von dem Zauber", erklärte er beruhi­gend. „In zwei Minuten ist wieder alles..." Er grinste. „Wie sagst du? Okay?"

Ich nickte etwas verwirrt.

„Interessantes Wort", meinte er mit einem breiten Grin­sen. „Werd ich mir merken."

„Okay", erwiderte ich grinsend, als hinter uns ein dum­pfes Geräusch zu hören war. Ich wirbelte herum. Gin war auf dem Boden gelandet und drehte sich gerade auf den Rücken, keuchend blieb er liegen und schloss die Augen.

„Alles okay?", fragte ich und ging zu ihm. Gin setzte sich auf und rieb sich den Kopf, auf dem er offensichtlich gelandet war.

„Ich glaube", er unterbrach sich und rang erneut nach Luft, „ich glaube, ja." Sein Blick wanderte zu dem Knochen­haufen, der einmal eine Frau gewesen war. „Diese Alte war das wohl unheimlichste, was ich je gesehen habe - und ich hab schon eine Menge gesehen", sagte er und schüttelte den Kopf, als wolle er einen Ge­danken loswerden. „Hast du die Knochen auch gesehen?"

Ich wusste, was er meinte. Die Knochen, die über die Haut der Hexe zu wandern schienen.

„Ja."

Gin kam auf die Füße, schwankte aber leicht und hielt sich kurz an meiner Schulter fest. Bei der Berührung durchfuhr mich ein Kribbeln wie ein Stromschlag.

„Wir bleiben jetzt aber nicht auch noch die restliche Nacht hier, oder?"

„Wieso?", fragte Pan spöttisch und setzte sich auf den Tisch. „Ist doch ganz gemütlich."

Irgendwie musste ich grinsen. Er mochte dieses Haus - und seine alte Besitzerin - mindestens genauso wenig wie Gin. Und obwohl ich eigentlich ziemlich sicher war, dass Gin das auch mitbekommen hatte, verzog er das Gesicht. Pan lachte.

„Wir werden weitergehen", sagte Tiberius bestimmt, aber um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch. „Die Sonne wird bald aufgehen. Keijo, fühlst du dich in der Lage, den Weg fortzusetzen?"

Pan schnaubte.

„Was glaubst du denn?"

Ich hatte nichts anderes erwartet. Die Wunden an seiner Schulter und... na ja, überall anders sahen zwar immer noch alles andere als gut aus, aber abgesehen davon schien es ihm weitestgehend gut zu gehen. Tiberius nickte, offensichtlich hatte er auch genau diese Antwort erwartet. Was auch sonst?

„Wir haben übrigens etwas ziemlich Interessantes heraus­gefunden", berichtete Pan und sein Blick wan­derte zu mir. „Die Nebelwanderin in ihr ist stärker als das menschliche Blut."

Verblüfft sah Tiberius mich an.

„Und was genau heißt das?"

Das hatte ich schon nicht verstanden, als die Hexe es gesagt hatte. Pan lächelte und sah mich mit einem Blick an, in dem etwas unglaublich... Zärtliches lag.

„Das bedeutet, dass du mindestens genauso unsterblich bist wie ich."

Ungläubig starrte ich ihn an. Das konnte... Das war... Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Verdammt, ich wusste ja nicht einmal, was ich denken sollte!

„Wie zur Hölle meinst du das?"

„Du weißt doch noch, wie ich dir von den Nebelwande­rern erzählt habe? Dass sie nahezu unsterblich sind?", erklärte Pan. „Wenn ihr Blut in dir tatsächlich stärker sein kann als das der Magier... dann wirst du viel länger leben als jeder normale Mensch." Er grinste. „Vielleicht sogar länger als Tib."

„Das wage ich doch stark zu bezweifeln." Tibe­rius warf Pan - wahrschein­lich wegen dem Spitz­namen - einen warnenden Blick zu. „Wenn ihr dann so weit seid und bevor irgendjemand", er bedachte Gin, der zusammenzuckte (er hatte gerade versucht, sich unbe­merkt aus dem Zimmer zu schleichen), mit einem Blick, „noch eine weitere Falle auslösen kann, sollten wir aufbrechen."

Ich zögerte. Sollte ich Tiberius noch von der Leiche in dem anderen Zimmer erzählen? Allerdings würde er garantiert nicht sonderlich glücklich darüber sein und ich wollte nicht, dass sich in dieser Nacht noch jemand in Gefahr brachte - das waren eindeutig genug Verletzte für eine einzige Nacht. Also nickte ich.

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