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Ich wusste nicht, wie lange ich im Wald herumirrte und nach dem Sinn des Wortes suchte. Es war, als hätte man mir alles Wissen über diese Welt entzogen.

Schwester.

Ein Begriff, den ich bisher nie gebraucht hatte. Ich war auch nie davon ausgegangen, dass ich ihn jemals gebrauchen würde. Wahrscheinlicher war eher gewesen, dass ich ihn irgendwo aufschnappte. Doch niemals mit einem Bezug zu mir.

Schwester.

Es hörte sich irgendwie nicht richtig an. Es klang so falsch. Vor allem aus dem Mund einer solchen Kreatur.

Was würde wohl Nathan sagen, wenn er das herausfinden würde?

Beim Gedanken an ihn hörte mein Herz ruckartig auf, zu schlagen. Ja, was würde er wohl sagen?

Ich erinnerte mich an seine Worte. Er jagte solche Gestalten. Er jagte diese Kreaturen. Aber er hatte doch selbst gesagt, dass ich nicht eine ihres Gleichens war. Konnte es sein, dass ich doch eines ihres Gleichens war? Aber wieso hatte er das nicht bemerkt? Wieso hatte ich das nicht bemerkt?

Wieso sah ich so aus? Wie ein Mensch?

Wie war das ganze überhaupt möglich? Ich meinte, ich war aus einem Korn entstanden. Aus einem Staubkorn. Wie war es möglich, dass ich in Wirklichkeit eine Kreatur war? Ich war ja nicht einmal ein Mensch.

In mir bahnte sich eine Welle der Gefühle hoch. Was war ich?

Es war ein schreckliches Gefühl nicht zu wissen, was man war. Dabei müsste ich es doch am besten wissen. Ich müsste doch genau diese Person sein, die sagen konnte, wer sie war. Doch irgendwie konnte ich das nicht.

Ich konnte nicht mit gutem Gewissen sagen, dass ich ein Mensch war, aber ein Staubkorn war ich schon lange nicht mehr. Dafür steckte ich schon viel zu lange in diesem Körper. Dafür hatte ich viel zu viel Bewusstsein für diese Welt entwickelt. Eine Kreatur war ich auch nicht. Denn Nathan nahm mich nicht als eine wahr.

Mittlerweile war ich den Tränen nahe.

Irgendjemand musste doch wissen, wer zum Teufel ich war. Irgendjemand musste es geben, der mir diese Frage beantworten konnte. Irgendjemand.

Ich dachte an Nathan.

Und als hätte er das geahnt, hörte ich hinter mir das Holz knacksen. Ich zuckte zusammen und drehte mich um.

Aus dem Dickicht trat Nathan mit verschlafenem Gesicht und funkelte mich an. Bevor ich überhaupt den Mund aufmachen konnte, fuhr er mich schon an.

„Was genau hast du dir dabei gedacht?", fauchte er und strich sich ein Blatt vom Hemd. „Weißt du, was ich für einen Schock hatte, als du nicht mehr neben mir gesessen hast?"

Ich brachte kein Wort über die Lippen. Zu sehr war ich immer noch in den Gedanken vertieft, die sich mehrheitlich um Camilla drehten. Und um meine Existenz. Natürlich hatte ich nicht gerade einen Freudeausruf von ihm erwartet, wenn er mich fand, doch irgendwie hatte ich auch nicht damit gerechnet.

Auf einmal wirkte er nicht mehr ganz so müde. Mit genervtem Blick kam er näher und blickte von oben auf mich herab.

„Mach das nie wieder", knurrte er und starrte mich mit seinen zu Schlitzen verzogenen Augen an. „Haben wir uns verstanden?"

Stumm nickte ich und machte mich unter seinem Blick klein. Seufzend trat er einen Schritt zurück und sah sich um, als wäre ihm gar nicht aufgefallen, wo wir uns befanden. Immer noch etwas eingeschüchtert von seiner lauten Stimme verschränkte ich die Arme vor der Brust.

„Was genau suchst du hier?", fragte Nathan schliesslich mit weniger bedrohlichem Ton. Seine Augen sahen mich verwirrt an. „Und warum genau hast du es für eine gute Idee gehalten, hierhin zu laufen? Ich meine, dieser Wald war nicht gerade einladend."

Das Erste, was mir durch den Kopf schoss, war, dass er wohl nicht bemerkt hatte, dass sich eine Kreatur in meiner Nähe befunden hatte. Und wahrscheinlich war es besser, wenn ich es erst gar nicht ansprach.

Jedenfalls nicht jetzt. Besser war, wenn ich schwieg. Vor allem nachdem, was Camilla mir offenbart hatte. Wobei ich nicht einmal wusste, ob es stimmte, was sie gesagt hatte.

„Hast du deine Zunge verschluckt?", murrte Nathan, als von mir eine ganze Weile keine Antwort kam.

Hastig schluckte ich und rang mit meinen Händen. Was sollte ich ihm bitteschön sagen? Dass ich einer Kreatur hinterher gerannt war? Er würde mir auf der Stelle den Kopf abschlagen.

„Mir war langweilig", brachte ich schliesslich heraus.

Nathan starrte mich einen Moment lang ungläubig an.

„Dir war langweilig?", wiederholte er langsam. „Und dann dachtest du dir, du läufst einfach herum, während du weißt, dass es hier Kreaturen gibt, die dich nur allzu gerne verspeisen?"

„Ich habe nicht daran gedacht."

Wie leicht mir die Lügen von den Lippen kamen. Beinahe so, als würde es mir nichts ausmachen. Doch ich spürte, wie sich alles in mir wandte, während ich Nathan in die Augen sah und ihm eine Lüge nach der anderen auftischte. Ich wollte ihm am liebsten alles beichten, doch ich wusste tief in mir, dass ich das nicht konnte. Nicht jetzt und wahrscheinlich niemals.

„Du hast also nicht daran gedacht." Er klang nicht besonders überzeugt. „Super und was hättest du getan, wenn du jetzt vor einer Kreatur stehen würdest?"

Gute Frage. Höchstwahrscheinlich war ich tot, bevor ich überhaupt nach ihm hätte rufen können.

„Tut mir leid", sagte ich kleinlaut.

Nathan atmete schwer aus. „Oh nein, bei mir musst du dich nicht entschuldigen. Du solltest dir selbst die Frage stellen, wie dumm deine Akion war."

„Dumm?"

Es klang mehr nach einer Frage, als nach einer Feststellung. Nathan verdrehte die Augen.

„Es war sehr dumm, Maureen", beantwortete er schlicht. „Ich hatte für einen kurzen Moment wirklich geglaubt, ich hätte dich verloren."

Den letzten Satz sprach er so schnell aus, als würde er sich daran die Zunge verbrennen. Ich brauchte einen Augenblick, bis ich begriff, was er gerade gesagt hatte.

Mein Herz machte einen kurzen Satz.

„Tut mir echt leid", murmelte ich errötet.

Er zuckte mit den Schultern. „Du bist nicht gefressen worden und das ist die Hauptsache."

„Hast du gut geschlafen?", fragte ich und bemerkte so gleich an seinem Gesichtsausdruck, dass das wohl nicht der richtige Zeitpunkt war, um diese Frage zu stellen.

„Ja", antwortete er langsam mit einer tiefen Falte an seiner Stirn. „Danke der Nachfrage. Aber wecke mich niemals wieder so."

„Hatte ich nicht vor."

„Ist auch besser so." Er streckte die Hand nach mir aus und seufzte. „Komm, wir gehen zurück."

Nichts lieber als das. An diesem Ort wollte ich nicht länger sein. Nicht wenn ich die ganze Zeit daran denken musste, was man mir offenbart hatte. Und in welcher Gefahr ich nun schwebte.

Ich war mir sicher. Nathan würde mich ohne mit der Wimper zu zucken töten, wenn er davon erfahren würde.

Mit zitternden Knien trat ich ihm entgegen und ergriff mechanisch seine Hand. Obwohl ich mich in diesem Augenblick geborgen und sicher fühlte, hatte ich im Hinterkopf, dass ich bei Nathan nicht länger sicher war.

Er zog mich zu sich und tat etwas, was mich überraschte. Bevor ich mich versah, lag ich an seiner Brust und er drückte mich sanft gegen sich. Ich konnte die Unsicherheit spüren, die von ihm ausging.

Mein Herz schlug wie wild, als sein Atem über meine Haare strich und die Wärme seines Körpers mich wie eine Decke umgab. Ich konnte das Pochen seines Herzens hören. Es schlug ebenso schnell wie das meine.

Ich konnte nicht einmal mehr sagen, wie lange wir da standen und uns umarmten. Doch es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Nathan schien mich gar nicht mehr loslassen zu wollen und wenn ich ehrlich mit mir selbst war, wollte ich es auch nicht. Ich wollte, dass er mich solang festhielt, bis diese Welt sich in Staub auflöste und wir alleine waren ohne diese ganzen Probleme.

Das Bedürfnis, zu Weinen, war gross. Es drückte gegen meine Lunge und ich musste mich zusammenreissen, um nicht in Tränen auszubrechen. Mittlerweile schmerzte mich jede Lüge immer mehr und ich hielt es kaum mehr aus, Nathan in die Augen zu sehen, während ich wusste, dass ich ihn anlog. Auch wenn ich mich dadurch schützte.

Ich wollte mich nicht vor Nathan schützen müssen.

Schliesslich liess er mich los und trat verlegen einen Schritt zurück. Ich senkte den Blick und musterte ziemlich interessiert den Boden zu meinen Füssen. Wie viel Wurzeln herausragten.

Nathan räusperte sich.

„Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist", sagte er langsam und ich hörte heraus, dass es ihm schwer fiel, die Worte auszusprechen.

Dass er ungerne über seine Gefühle sprach, war mir schon einmal aufgefallen.

„Es tut mir leid", murmelte ich ein weiteres Mal.

Irgendwie fiel mir nichts weiteres ein, als mich ständig zu entschuldigen. Wahrscheinlich entschuldigte ich mich nicht einmal für die ganze Situation, sondern einfach für alle die Lügen, die ich ihm bisher aufgetischt hatte.

„Hast du dich irgendwie verletzt?", fragte Nathan.

Ich hob endlich den Kopf und wünschte mir, ich hätte es nicht getan. Ich blickte geradewegs in Nathans Augen, die mich unsicher von oben bis unten musterten.

„Nein", sagte ich schnell. „Mir geht es gut."

„Du hast eine Schramme im Gesicht", entgegnete er und kam wieder einen Schritt auf mich zu.

Hastig stolperte ich zurück und tastete mein Gesicht ab. Ich wollte nicht, dass er mir noch einmal nahe kam. Das schlechte Gewissen nagte an mir und ich war mir sicher, dass ich seine Nähe nicht nochmals vertragen würde.

Augenblicklich blieb er stehen. Ein verletzter und zu gleich verwirrter Ausdruck huschte über sein Gesicht. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und wirkte gefasster.

„Sie ist auf der rechten Wange", sagte er mit leicht unterkühltem Ton.

Meine Hände ertasteten die Schramme und sobald ich mit meinen Finger darauf fasste, fingen sie an, zu brennen. Ich zog meine Hand wieder zurück.

Ich biss mir auf die Unterlippe.

„Danke", murmelte ich.

Nathan nickte bloss und wandte den Blick ab. „Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?"

Er sah mich nicht mehr an, sondern musterte die Umgebung, als würde er nach etwas suchen.

„Ja." Ich wusste sehr wohl, dass ich nicht allzu überzeugend klang.

„Du weißt, dass du mich nicht anlügen kannst", sagte er und ging auf einen Strauch zu. Er streckte die Hand aus und pflückte etwas von einem Blatt.

Ich wusste, dass ich ihn nicht anlügen konnte. Jedenfalls kaufte er mir die grossen Lügen nicht ab, doch die Kleinen, diejenigen, die nicht sofort offensichtlich waren, die übersah er manchmal. Doch leider hatte ich heute nicht besonders viel Glück, wie mir schien.

„Ich weiss", meinte ich und beobachtete ihn, wie er das Blatt unter seinem Blick drehte und schliesslich senkte.

Er drehte sich nicht zu mir um, doch ich sah, wie sich seine Schultern verspannten.

„Bist du einer Kreatur begegnet?", fragte er leise.

Ich schluckte und fragte mich, was ich jetzt antworten sollte. Er wusste, dass ich lügen würde, wenn ich verneinte. Doch ich konnte ihm die Wahrheit nicht sagen. Wie hätte ich ihm erklären sollen, dass ich noch lebte? Diese Lüge würde er gleich durchschauen.

In was hatte ich mich hineingeritten? Wäre ich Camilla doch einfach nicht gefolgt. Aber ich konnte es nun nicht mehr rückgängig machen.

„Nein", murmelte ich und konnte an Nathans auf und ab springenden Adamsapfel erkennen, dass er meine Lüge durchschaut hatte.

Doch anstatt wütend zu werden, schluckte er und nickte langsam.

„Okay", sagte er und drehte sich um. „Dann lass uns aus diesem verdammten Wald verschwinden."

Sprachlos sah ich ihm hinterher. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er mir unterstellen würde, zu lügen, und solang auf mich herumhacken würde, bis ich mit der Wahrheit herausrückte. Doch scheinbar war ihm das nicht mehr so wichtig oder er wollte mich auf eine Probe stellen.

„In Ordnung", meinte ich kleinlaut und folgte ihm unsicher.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er sich jeden Moment umdrehen würde und mich anfahren, dass ich ihn hinterging. Aber er lief einfach weiter.

„Wir sollten aufbrechen. Sonst sind wir nie dort", sagte Nathan und fuhr sich durch das Haar, während er mit einer Hand einen Ast beiseite schob, um mich hindurchzulassen. „Geht es dir gut? Du siehst so blass aus."

Hastig fuhr ich mir über das Gesicht und nickte. „Mir geht es prächtig."

Er blickte mich stirnrunzelnd an, nahm es jedoch einfach so hin. Und in diesem Moment war ich mir ganz sicher, dass irgendjemand meinen Nathaniel ausgetauscht hatte. Ich war mir nicht ganz sicher, ob mir das gefiel.

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