Kapitel 17

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(Jahr 2058)

- Sams Sicht -

Sam", röchelte Finn. Sofort war ich wieder an seiner Seite. In meinem Kopf waren unendlich viele Gedanken. Keinen davon bekam ich mit. Keiner davon war wichtig. 

Vor zwölf Minuten hatte ich den Notruf abgesetzt.
Vor elfeinhalb Minuten hatte ich mit der Herzrhythmusmassage begonnen.
Vor sieben Minuten war unsere Nachbarin Eva hereingestürmt, hatte meine verzweifelten Hilfeschreie gehört.
Vor vier Minuten war der Rettungsdienst eingetroffen.
Vor drei Minuten war ich unnütz geworden.
Vor zwei Minuten war ich mit in den Rettungswagen eingestiegen. „Angehörige?", hatten sie gefragt. „Ja", hatte ich geantwortet, „ich bin seine Frau.", hatte ich gesagt.
Vor einer Minute war der Notarzt sich sicher, dass es ein Herzinfarkt war.
Vor einer halben Minute hatte ich realisiert, dass er sterben könnte.
Vor 15 Sekunden hatten die Rettungskräfte mich überredet bekommen, mich zu setzten.
Vor 13 Sekunden hatte ich den Kopf in die Hände gestützt.
Vor vier Sekunden hatte Finn meinen Namen gesagt.
Vor zwei Sekunden war ich aufgesprungen.
Jetzt stand ich neben ihm. 

„Verlieb dich bitte wieder, ja? Denk hin und wieder an mich, aber werd glücklich, trauere mir nicht hinterhe..." „Nein!", schrie ich fast schon. „Nein, nein, nein, nein, NEIN, du wirst nicht sterben!" „Schhh..., hör mich an, bitte, Kjæreste." So hatte er mich schon immer genannt. Damals, als wir uns kennenlernten, hatte er mich mit seiner besten Freundin verwechselt. Damals nannte er mich ‚Kjæreste'. Heute nannte er mich ‚Kjæreste'. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sterben werde.", er schmunzelte. „Und du kannst auch gar nichts dagegen sagen, ein alter Mann, wie ich, weiß das." Weinte ich? Lachte ich? Wer wusste das schon. Gerade war es egal. 

„Don't cry, little angel." Ich weinte nur noch stärker. Auch Finns Augen füllten sich mit Tränen, das dunkle Haar bereits mit ein paar wenigen grauen Strähnen durchzogen. Mit 52. Ich schnaubte. 

„Jeg elsker deg kjæreste." Mein Norwegisch war nicht gut genug, als dass ich seine Liebkosungen je verstanden hatte, sicher, wenn wir seine Familie besucht hatten, konnte ich mich mit ihnen unterhalten, aber auch nur, wenn sie langsam und deutlich sprachen. Es fühlte sich viel schöner an, nicht genau zu verstehen, was er sagte, sondern die Liebe in seiner Stimme zu hören, wenn er mit mir sprach.

- Bastis Sicht -

Entnervt stöhnte ich auf. Diesen Stau hatte ich gerade so gebraucht, kam ich doch eh bereits zu spät zu meiner Mutter. Einen kurzen Blick auf mein Navi später, entschied ich mich, einen anderen Weg zu fahren, vorbei an Kindergarten, Spielplatz, Wohnhäusern und einem Krankenhaus. 

Geschockt trat ich auf die Bremse, als mir ein sehr bekannter Mensch fast vor die Motorhaube lief. Das war doch Sam! Ihrem verheulten Gesicht nach zu urteilen, war etwas absolut schreckliches passiert. Schnell parkte ich am Straßenrand und lief ihr dann hinterher. 

„Hey, Sam! Bleib stehen, bitte." Sie schien auf mich zu hören, lief immer langsamer, bis ich sie schließlich eingeholt hatte. Besorgt drehte ich sie zu mir um, woraufhin sie ihr Gesicht an meiner Brust vergrub. „Er ist tot", heulte Sam. Wer war tot? „Er ist TOT, Basti!", weinte sie erneut, als hätte ich es noch nicht kapiert. „W-wer ist tot?" Sofort löste sie sich von mir, ihre Nähe fehlte mir bereits kurz darauf. Sam hob den Kopf, sah mir tief in die Augen. „Er ist tot, Basti, Finn, mein Mann." Geschockt zog ich die Luft ein. „Ähm..", gab ich wenig geistreich von mir. „Willst du nach Hause?" Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Also, wenn du willst, kannst du mit mir nach Hause kommen, das ist nicht so weit von hier und ja, also...?" „Gerne."

Kurz rief ich noch meine Mutter an, sagte Bescheid, dass es einen Notfall mit einer alten Freundin gab und ich wann anders vorbeikommen würde, dann saßen wir auch schon wieder in meinem Wagen, ich drehte, und fuhr in die entgegengesetzte Richtung wieder davon.

- Sams Sicht -

Mir war schlecht. So unendlich schlecht. Die Tränen waren versiegt, doch der Schmerz dafür noch eintausendmal schlimmer geworden. Basti hatte mir einen Tee in die Hände gedrückt und war gerade auf der Suche nach einer gemütlichen Hose für mich. Die meisten Herzinfarkte passierten zwischen 6 und 12 Uhr morgens. Ein plötzlicher Herztod. Ich hätte alles getan, was ich hätte tun können, das sagten sie mir immer wieder. 

Seine Überlebenschancen standen bei 40%. Da hatten wir wohl die unwahrscheinlichere Hälfte erwischt. Seltene Sachen Suchen in Real Life. 

Er war ein Mann. 

Männer erleiden häufiger einen Herzinfarkt als Frauen. Kein Defibrillator im Krankenwagen. Unser Gesundheitssystem brach zusammen. Unser Gesundheitssystem hatte mir meinen Mann nicht retten können. Du hättest mehr tun können. Mehr tun müssen. Mehr tun sollen.

Entschieden schüttelte ich den Kopf. Ich hatte alles gemacht. Aber hatte es gereicht? Nein. Also war es nicht genug gewesen. Zunächst treten schwere Herzrhymthmusstörungen auf, denen binnen weniger Minuten der Herzstillstand folgt. Die betroffenen Personen verlieren das Bewusstsein und ihre normale Atmung setzt aus. Jede Minute, in der das Herz stillsteht, sinken die Überlebenschancen um zehn Prozent. Ich sah mich in seiner Wohnung um, um mich abzulenken. Er lebte nicht mehr in derselben wie in seiner Roomtour vor 40 Jahren, was irgendwie logisch war. Sie war ganz hübsch, sehr ordentlich und aufgeräumt, immerhin war es Basti.

- Bastis Sicht -

Besorgt beobachtete ich Sam, wie sie hier auf meinem Sofa saß, stillschweigend ins Leere stierte, die Tränen wieder am laufen. Hin und wieder murmelte sie Zahlen, Fakten und Daten vor sich hin, schien sich an ihnen festklammern zu wollen, um nicht zu sehr abzurutschen. „In 80 Prozent der Fälle werden die Herzrhythmusstörungen durch einen unvorhersehbaren Herzinfarkt ausgelöst, auf den der fast sofortige Herzstillstand, oder auch Herztod genannt, eintritt, wusstest du das, Basti?" Ich verneinte. „In nur ungefähr 13 Prozent sind echte Risikopatienten betroffen. Finn war kein Risikopatient." Ich stimmte zu. „Er war gar nicht alt. Er hatte keine unerkannte angeborene Herzkrankheit und hat auch keinen Leistungssport betrieben." Ich sagte nichts. Es machte keinen Unterschied.

Am Abend weinte sie wieder. Ich hörte es, als ich unter einer dünnen Decke zusammengekauert auf dem Sofa lag. Es war in Ordnung. Sie schien ihn sehr geliebt zu haben. Er hatte sie glücklich gemacht. Dafür dankte ich ihm im Stillen.

- Sams Sicht -

Wir tauschten unsere Nummern aus. Damit wir uns „im Leben unterstützen" konnten. Uns war beiden klar, dass das nicht stimmte. Es stand so viel ungeklärtes zwischen uns. Basti fragte mich, ob es mir gut ginge. Ich bejahte. Dabei fegte tief in mir drin immer noch derselbe Wirbelsturm auf Trauer, Frust, Wut und Verlustängsten. Doch ich vergrub in tief in mir, konnte jetzt nicht mit dem Schmerz umgehen, nicht jetzt, wo die Tränen nicht mehr flossen.

(1092 Wörter)

Mein Herz ist Stückchen für Stückchen immer weiter gebrochen, als ich Finn umgebracht habe. 💔 

Und vielleicht, ganz ganz vielleicht habe ich auch ein kleines Tränchen verdrückt.

Nächstes Kapitel kommt um 21:30 Uhr <3

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