Kapitel 27

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Der Himmel war in ein sanftes, rötliches Licht getaucht, während die Sonne langsam aber sicher hinter dem Horizont verschwand. Das Meer warf ruhige Wellen gegen die Felsen und den Strand. Ich spürte das kalte Wasser an meinen Füßen, das durch die Schuhe in meine Socken drang und langsam meine Zehen benetzte. Dieser Augenblick hätte so schön sein können, wenn da nicht das immer schwerer werdende Tagebuch meiner Mutter in der Hand liegen würde.

Zu dem beruhigenden Rauschen des Meeres mischte sich ein anderer Laut dazu, der mein Herz entgegen meines Verstandes zum Rasen brachte. Es war das Knirschen von Schuhen auf Sand, das sich langsam zu mir hervorkämpfte. Ich musste meine ganze Kraft zusammennehmen, dass ich mich nicht umdrehte und direkt in einen hysterischen Ausbruch verfiel. Wie so oft in den letzten Stunden schloss ich meine Augen und atmete tief ein und aus. Der salzige Meeresduft half etwas, meine Gedanken zu beruhigen, doch ich wusste, dass dies nur vorübergehend war. 

Das Nächste, was ich spürte, war eine warme, raue Hand, die sich auf meine bloße Schulter legte. In Sekundenschnelle durchzuckten Bilder mein inneres Auge, worauf ich dieses Mal erstaunlicherweise gut vorbereitet war. Im Gegensatz zu den letzten Bilder hatte sich jedoch etwas verändert. Es war keine fremde Frau, die mich hoffnungsvoll anblickte und es handelte sich auch ganz sicher nicht um meine Mutter. Dieses Mal erblickte ich mein eigenes Gesicht, das, bis auf die Haarfarbe, ihrem so ähnlich war. Ich hatte die Augen geschlossen. Meine Lippen waren leicht geöffnet. Wieder befand ich mich auf dem Balkon.

Es sind die Bilder von unserem gestrigen, zweiten Fast-Kuss.

Ich riss meine Augen auf und konnte den Schock kaum unterdrücken, der sich langsam von meinem Kopf im gesamten restlichen Körper ausbreitete. So wie gestern Gabe einen Rückschritt gemacht hatte, sprang ich einige Schritte von ihm weg und spie ihm entgegen:

"Wage es nicht, mich noch einmal anzufassen!"

Obwohl ich erwartet hatte, dass meine Stimme fast schon flehend klingen würde, wurde ich positiv überrascht, indem dieser Satz fast schon emotionslos herüberkam, wenn man die unterdrückte Wut herausnahm, die sich in Form eines Bebens ankündigte. Meine Augen straften meine Gelassenheit zwar Lügen, doch es reichte, um von Gabe einen fassungslosen Blick zu erhalten.

Seine Augen waren weit aufgerissen. Sein Atem war, genau wie meiner, beschleunigt und seine Hände hielt er immer noch in der Luft. Er kam einen Schritt näher, während ich wieder einen Schritt zurückging. Ein leises Wort entwich seinen Lippen. Auch wenn es unter dem Meeresrauschen kaum vernehmbar war, wusste ich ganz genau, was er gesagt hatte.

"Micina..."

Bevor er auch nur ansatzweise imstande war, seinen Satz weiter fortzuführen, kam ich ihm einen bedrohlichen Schritt näher. Die Wut konnte ich nicht länger zähmen. Obwohl dies das Einzige war, was ich ihm entgegenbringen wollte, war es doch Schmerz, der überwog.

"Hör sofort auf mich so zu nennen! Und hör bitte auf so zu tun, als ob ich dir etwas bedeuten würde!"

Die Tränen begannen bereits, sich in meinen Augen zu bilden, während ich diese schnell wegzublinzeln versuchte. In diesem Moment hasste ich mich und meinen verräterischen Körper für meine Angewohnheit, bei unzähmbarer Wut und Enttäuschung in Tränen auszubrechen. 

Er darf mich nie wieder in einem schwachen Moment erwischen!

"Cassandra, das gestern, das tut mir wirklich Leid. Ich war einfach überrascht von dem plötzlichen intimen Moment mit dir und wusste nicht, wie ich..."

"Spar dir das!"

Auch wenn seine grünen Tiefen kein Anzeichen darauf enthielten, dass er mich auf den Arm nehmen wollte, konnte ich mir seine Lügen nicht länger anhören. Vielleicht glaubte er mittlerweile selbst, was er dort von sich gab, doch ich wusste es nunmehr besser.

"Das ist jetzt aber unfair von dir...", murmelte er, während für einen kurzen Moment eine Emotion über sein Gesicht schlich, die ich als Schmerz interpretiert. Um nichts in der Welt wollte ich mich jemals wieder davon blenden lassen!

"Unfair? Du findest, dass ich unfair zu dir bin?"

Ich brachte ein lautes, humorloses Lachen gen Himmel hervor und strich mir die wirren Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ein Blick zu Gabe reichte bereits aus um zu sehen, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, worauf ich hinauswollte. Worte waren eindeutig zu gut für ihn, weshalb ich ihm stumm das Buch entgegenwarf. Er fing es ohne mit der Wimper zu zucken.

Langsam wanderte sein Blick von mir zu dem Lederbuch in seiner Hand.

"Was ist das?"

Ein abfälliges Grinsen legte sich auf meine Lippen.

"Weißt du? Wir Menschen bezeichnen das als Buch. Solltest du vielleicht auch mal probieren!"

Gabes Adamsapfel bewegte sich langsam, als er schluckte. Irgendetwas an dem Satz hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Ich hatte bereits eine leichte Ahnung, welche Stelle es gewesen war. Mein abfälliges Grinsen wurde breiter, obwohl sich mein Herz nach nichts mehr sehnte, als nach einem Eimer Schokoladeneis und einer kuscheligen Decke. Jegliche Emotion war aus seinem Gesicht gewichen. Wie Feinde starrten wir uns gegenseitig an, während wir beide erfolglos versuchten, unsere unbändigen Emotionen zu unterdrücken. Das Grün seiner Augen war wie ein Vorbote auf einen wilden Sturm, der bald auf uns beide niederregnen würde. Ich hielt diesen verräterischen, grünen Tiefen nicht länger stand und ließ meinen Blick stattdessen zum Horizont wandern, wo die Sonne bereits gänzlich dahinter verschwunden war. Als müsste ich mich für einen Krieg vorbereiten, nahm ich das Landschaftszenario noch ein letzte Mal in mich auf, bis ich mich schließlich wieder Gabe zuwandte. Da er immer noch keine Anstalten gemacht hatte, das Buch zu öffnen, gab ich resigniert von mir:

"Lies den dritten Eintrag!"

Als hätte er nur auf diesen Befehl gewartet, schlug er das Buch in seinen Händen auf. In der Sekunde, in der sich seine Augen weiteten, wusste ich, dass er nun verstanden hatte. Er blätterte zu dem Eintrag, wo ich bereits zuvor, nett wie ich war, ein Eselsohr hineingeknickt hatte, und begann zu lesen. Mit jedem Wort, dass er las, wurde sein Gesicht bleicher. Er biss sich auf die Unterlippe, um sie vor dem Zittern zu bewahren. Es war Balsam für meine Seele zu sehen, wie viel es ihm zusetzte. 

Als seine Augen schließlich die meinen trafen, war er kaum wiederzuerkennen. Seine Augen waren feucht. Jegliche Spannung war aus seinem Körper entwichen. Vor mir stand kein selbstbewusster Sizilianer mehr. Vor mir erblickte ich einen gebrochenen Mann. Obwohl ich diesen Moment hatte auskosten wollen und ihm jegliche Anschuldigungen an den Kopf werfen wollte, die mir jemals in meinem Leben eingefallen waren, konnte ich es nicht. Stattdessen wartete ich stumm auf eine Antwort.

"Du weißt es."

Ein leichtes Zittern lag in seiner Stimme, während seine Lippen sich zu einem verächtlichen Grinsen formten. In seinem Blick lag so viel Selbsthass, dass ich jeden Moment mit einem Ausbruch rechnete.

"Ich habe nicht sonderlich viel weiter gelesen, da ich mich sonst wahrscheinlich wirklich übergeben hätte. Also erspar mir weitere Details."

Sein Mund öffnete sich, doch ich hielt ihn zurück. Seine Rechtfertigungen konnte er sich sparen!

"Ich will auch nicht, dass weitere Lügen deine Lippen verlassen. Hast du mich verstanden?"

Das leichte Nicken, das ich daraufhin erhielt, war für mich Antwort genug, um fortzufahren.

"Der Grund, warum ich dich noch einmal sehen will, bevor ich fahre, ist eine einzige Frage, auf die ich für meinen eigenen Seelenfrieden eine Antwort wissen muss."

"Alles was du willst."

Obwohl ich mich mental darauf vorbereitet hatte, ihm diese Frage zu stellen, wollte ich vorher noch etwas klar stellen.

"Bevor ich dich frage, will ich noch eine Sache loswerden. Mir ist es so etwas von egal, was du für Entschuldigungen und Erklärungen vorzutragen hast. Es interessiert mich nicht, hast du das verstanden? Es ist schon schwer genug, ohne dass ich mir dein Gejammer anhören muss."

Zu meinem Erstaunen nickte er und ich wusste, dass der Moment gekommen war. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, während ich die alles entscheidende Frage stellte:

"Hast du jemals aufgehört, sie zu lieben?"

Ich konnte erkennen, dass er erstaunt über die Frage war. Verübeln konnte ich es ihm nicht. Er hatte vermutlich mit anderen Fragen gerechnet. Wieso alterst du nicht? reihte sich sicherlich weit oben ein. Für mich jedoch gab es keine wichtigere Frage. Eine Antwort auf diese Frage würde mir nicht nur Gabes Gefühle gegenüber meiner Mutter offenbaren, sondern auch wie er zu mir stand. Als Bonus würde ich im Nachhinein wissen, dass etwas mit den Nachbarn gänzlich nicht stimmte und ich mir das nicht alles nicht eingebildet hatte.

Sein Blick, der die gesamte Zeit meinem Stand gehalten hatte, wanderte in Richtung Meer, dessen Rauschen hinter meinem Herzschlag nur dumpf vernehmbar war. Er antwortete nicht sofort, doch er hielt sein Versprechen und gab mir das, was ich so sehr verlangte.

"Darauf kann ich dir leider keine genaue Antwort geben."

Entsetzt blickte ich ihn an. Immer noch würdigte er mich keines Blickes. Ich wollte ihm gerade unmissverständlich zu verstehen geben, dass dies keine akzeptable Antwort war, als er sich mir zuwandte und mich zum Verstummen brachte.

"Eines kann ich dir aber mit absoluter Sicherheit sagen."

Sein Blick bohrte sich in meinen. Ein Entfliehen war jetzt nicht mehr möglich.

"Ich habe nie wieder so für eine Frau empfunden wie für deine Mutter."

Wenn ich mich vor einigen Stunden noch darüber gewundert hatte, wo der unausweichliche Nervenzusammenbruch blieb, so wusste ich jetzt eine Antwort. Mein Magen rebellierte, obwohl ich heute noch nichts zu mir genommen hatte. Mein Herz raste wie verrückte und machte mir schrecklich bewusst, dass es gänzlich umsonst war. Vereinzelte Tränen lösten sich, während ich Gabes Blick nicht entfliehen konnte. Ein letztes Mal wollte ich mir sein kantiges Gesicht und seine einzigartigen grünen Augen einprägen, um dem Schmerz später ein Gesicht verleihen zu können. Auch sein Gesicht war schmerzverzerrt. Erst, als seine Hand meiner Wange immer näher kam, erwachte ich aus der Paralyse, die mich gefangen gehalten hatte, und machte einen Schritt zurück. Unbeholfen wischte ich die Tränen weg, bevor ich mich ihm wieder stellen konnte.

"Ich danke dir für deine Aufrichtigkeit, Gabe. Dann wird es mir sicherlich leichter fallen, dich für immer aus meinem Leben zu verbannen."

Bevor er auch nur ansatzweise die Zeit hatte zu reagieren, drehte ich mich von ihm weg. Ich konnte und wollte mir nicht länger den Schmerz in seinen Augen ansehen. Das, was ich wollte, hatte ich bekommen. Die Zeit war gekommen, ihm, seiner heuchlerischen Familie und ganz Sizilien den Rücken zu kehren.

"Cassandra... warte bitte!"

Er hatte sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegt, als ich ihm einen letzten, widerwilligen Blick zuwarf.

"Du hast das Tagebuch vergessen."

Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen. 

Wie sehr er sich doch irrt.

"Das Buch ist nicht länger vonnöten. Das, was ich weiß, reicht für das ganze Leben, um meine Albträume weiter anzufachen. Außerdem reicht mir das kleine Stückchen Wissen, das ich hier erlangt habe, um zu wissen, dass ich nicht in deine Welt gehöre und auch nichts damit zu tun haben möchte. Behalte es! Dann hast du eine letzte Erinnerung an deine große Liebe. Wie ich unmissverständlich gesehen habe, brauchst du sie dringender als ich. Lebe wohl, Gabe!"

Eine letzte Träne löste sich aus meinem Augenwinkel, als ich meine Schultern straffte und Gabe für immer den Rücken kehrte.

Ciao ihr Lieben,

ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich bei der Planung lange mit mir gerungen habe, wie diese Szene verlaufen soll. Nach langem Hin und Her habe ich mich dann für eine Variante entschieden, die ich selbst vermutlich auch gewählt hätte. Einfach umdrehen, weggehen und zur Normalität zurückkehren. Was sagt ihr dazu? Hättet ihr genauso entschieden?

Habt eine schöne Woche 😊

Eure federwunsch ❤️

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