"Unterschätzt mich nicht."

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Abrupt richtete der kleine Junge sich auf. "Chöchö", ein trockener Husten fuhr ihm über die Lippen, müde rieb er sich die Augen. Der Husten hatte ihn geweckt, geradezu mitten aus dem Schlaf gerissen, doch langsam gewöhnten sich seine kleinen Augen an das wenige Licht, das von dem Türspalt kam. Viel war es nicht, doch es reichte, die Silhouetten der Möbel zu erkennen, die in seinem Zimmer standen. Da hörte er es. Ein Knarren. Ein Knarren, was ihm mehr als bekannt war. Es musste die Treppe sein, denn genauso hörte es sich an, wenn er sie hinunter schlich, um sich Süßigkeiten zu stibitzen. Wer konnte das sein? Sein Bruder? Seine Eltern? Jemand Fremdes?

Leise robbte er zum Bettrand und hob erst einen, dann den anderen nackten Fuß auf den Boden. Es war kaum zu hören, der Spielzeugteppich dämpfte die kleinen Schritte ab, mit denen der Junge sich langsam durch das Zimmer stahl. Einen Schritt vor den anderen. Er kannte sein Zimmer gut, wusste, wo etwas lag, doch als das langsame Knarren der Treppe abrupt aufhörte, kam er aus dem Gleichgewicht. Das war nicht die unterste Stufe gewesen, die zuletzt geknarrt hatte, schoss es ihm in den Kopf, der Jemand war kurz vor dem Ende stehen geblieben. Mit einem Knall stieß sein linker Fuß gegen sein Playmobilflugzeug. Voller Schock hielt er den Atem an und lauschte. Dann hörte er, wie die Person auf der Treppe weiter lief, langsam, drohend und diesmal: wieder nach oben. Den kleinen Jungen erfasste plötzlich eine unglaubliche Angst. Noch nie war er so schnell in sein Bett gerannt wie jetzt, er sprang förmlich unter die Bettdecke und zog sie bis zum Hals. Sein Atem ging schnell, der Schweiß rannte ihm die Stirn hinunter. Doch die Schritte kamen näher. Stufe um Stufe bis er nur noch das Bewegen auf dem Parkett vor seinem Zimmer hörte. Näher und näher. Dann sah er eine Silhouette vor seiner Zimmertür stehen. Groß sah sie aus, wie ein Monster es war, dachte er noch, dann schloss er die Augen und hielt den Atem an.

Ohne Luft kommen einem Sekunden wie Stunden vor, doch der kleine Junge atmete erst wieder, als er das vertraute Knarren der Teppe hört. Leise versuchte er wieder Luft zu bekommen, während er die Augen öffnete. Das war keiner aus seiner Familie, dessen war er sich nun sicher, was seine Angst nicht gerade milderte. Trotzdem oder gerade deshalb konnte er nicht still liegen bleiben, an Schlaf war erstrecht nicht zu denken. Zögerlich startete er einen zweiten Versuch. Diesmal passte er besser auf, er schlug die Decke ganz langsam zurück, strengte sich an, jede Lücke genau zu erkennen, bevor er drauftrat und machte die Tür gerade so weit auf, dass er sich seitlich hindurch schieben konnte. Leise tapsten seine Füße über das Parkett. Dunkle Schatten zogen sich über den Boden, der Wind heulte an den Hausecken und eine Gardine wehte bedrohlich hin- und her. Ihm lief ein Schauer über den Rücken und seine blonden kurzen Haare klebten ihm schweißnass im Nacken. Trotzdem schlich er weiter.

Das Knarren hatte längst aufgehört, stattdessen waren unten Schritte zu hören. Als würden sie etwas suchen. Dann hörten die Schritt auf, eine Tür quietschte leise, dann war es still. Beängstigend still. Der kleine Junge tat seine letzten Schritte zum Treppenabsatz und setzte sich beinahe lautlos auf die oberste Stufe. Und wartete. Er wusste nicht, worauf genau, doch er wartete, ohne sich auch nur ein kleines Bisschen zu bewegen. Die Person war noch da, auch wenn er es nicht mehr hörte. Er spürte es. Wenn er doch nur wüsste, in welchen Raum er gegangen war..

Ein markerschütternder Schrei unterbrach die Stille. Schrill wie etwas, was er noch nie in seinem Leben gehört hatte. Seine Hände wollten seine Ohren bedecken, doch der ganze Junge war in eine Schockstarre verfallen. Der Schrei fuhr ihm in alle Knochen. Er klang, als hätte jemand so unfassbare Angst. Todesangst. Der kleine Junge konnte nicht denken. Er konnte nicht wegrennen. Kaum atmen. Nicht schreien. Nur zuhören. Zuhören, wie der Schrei immer leiser wurde, aber immer qualvoller. Wie es zu einem Husten wurde, zu einem Röcheln. Wie es erst wirkte, als würde es nie enden und wie es dann abrupt aufhörte.

Stille.

Totenstille.

Langsam wurde sie von erneuten Schritten durchbrochen, die zielstrebig das Untergeschoss durchquerten und erst verklangen, als die Haustür mit einem dumpfen Knall zuschlug. Erst da konnte der Junge sich wieder bewegen, erst langsam, dann immer schneller, ohne überhaupt noch auf seinen Lärm zu achten, polterte er die Treppe hinunter. Er hatte nur einen Gedanken im Kopf: Oma. Oma schlief unten. Seine nackten Füße schlugen unten auf die Fliesen, ein Fuß vor dem anderen, bis er ihr Zimmer erreicht hatte. Zitternd schloss er die kleinen Finger um den Türgriff und drehte. Die Tür sprang auf, quietschend, doch das interessierte ihn dieses Mal überhaupt nicht. Er stürmte in das Zimmer, bereit, sich auf die Oma zu stürzen, doch er wurde gestoppt. Feste Arme hielten ihn von hinten fest, hielten ihn auf. Sein Vater. Daneben stand seine Mutter. Dahinter sein Bruder. Fassungslos. Bleich. Zitternd. Beinahe wie der Junge selbst.

Die ganze Familie stand beisammen und starrte auf die Buchstaben an der Wand über der Oma. Schwarz wie der Tod.

"Unterschätzt mich nicht.
gez. Covid-19"


menelya_

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