Siebzehntes Kapitel

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3rd of August, Paris (France)

Sie war schlank. May sah in diesem langen eleganten Kleid unglaublich dünn aus und erweckte in mir augenblicklich den Drang, sie beschützen zu wollen. Sie hatte hohe Schuhe mit dunkelroten Sohlen gewählt und ihre Absätze erzeugten ein lautes Klacken auf dem Kopfsteinpflaster. Sie war wie jeden Morgen auf dem Weg zu ihrer Arbeitsraum in einem der Bürokomplexe. Es war ein älteres, keins der neuen Plattenbauten, die man in den Vororten Paris' antraf. Es wirkte, als sei es für May gemacht und man konnte es ihr nicht übel nehmen, dass sie es dafür liebte. May sah unglaublich glücklich aus. In der einen Hand hielt sie ihren täglichen Morgenkaffee, den sie sich heute hatte schnell in einem anderen Café hatte holen müssen und in der anderen balancierte sie ihren neuen Laptop, auf dem die ersten Sticker und Eddingnotizen prangten, und ein Stoß loser Blätter, die jeden Moment drohten, ihr aus dem Arm zu entfliehen. Man konnte May einfach nur lieb haben und May konnte einen einfach nur lieb haben. Ich wusste, dass ich sie enttäuscht hatte. Ich wusste es tief in meinem Inneren, dass ich ihr einen Dolch ins Herz gerammt hatte, nachdem ich ihr erst nach Paris gefolgt war, mein College für sie hingeschmissen hatte, um dann wieder nach Amerika zu verschwinden. Sie musste mich im ersten Moment gehasst haben. Wegen mir ihre Wut herausgeschrien haben und doch wusste ich, dass sie in den weiten Tiefen ihres Herzens mich doch liebte. Liebte. Ich war für sie nach Paris geeilt, als es ihr so schlecht ging, als es so schlecht um sie stand. Als sie sich das Leben nehmen wollte. Wegen dunkler Geheimnisse. Ich kannte sie bis heute nicht, doch dass war okay, es war okay für mich, ich konnte damit leben, denn eines wurde mir nun klar, was mir damals nicht in den Sinn gekommen war. Damals war das College alles für mich. Ich hielt Paris für ein Abenteuer, ein zugegebenermaßen schönes Abenteuer, doch nicht für mehr oder weniger, jedoch wurde mir jetzt bewusst, dass es eine Lüge war. Eine irrsinnige Lüge, denn eigentlich hatte ich es mir damals nur nicht eingestehen wollen. Ich liebte May. May, von der ich nicht einmal ihren Nachnamen wusste. Wir waren zusammen um die halbe Welt geflogen, ich hatte sie inmitten des Herzens von Paris wiedergefunden, doch ich wusste nicht einmal ihren Nachnamen. Es war nicht relevant, ihr Vornamen genügte mir. Der Klang ihres Vornamens genügte mir. May.

Sie drehte sich noch ein letztes Mal um, dann verschwand sie hinter der Drehtür, die sie in eine vollkommen andere Welt verschwinden lassen würde. Sie hatte ihre Haare zusammen gebunden und das Letzte, was ich von ihr sah, waren ihre wippenden dunklen Locken. Ich seufzte und vergrub meine Hände tief in meinen Jackentaschen. Es war ein regnerischer Tag, die Wolken hingen tief und grau über den Spitzen und Türmen der Stadt, und für August ausgesprochen kühl. Meine Hände ertasteten kühles Metall und Kunststoff und ohne nachzusehen wusste ich, was es war. Ohne mich vergewissern zu müssen. Ich kannte sie. Diese kleinen Stücke Elektrizität, an denen Dad Jahre herumgebastelt hatte. Sie sollten meinem Bruder zu seinem achtzehnten geschenkt werden. Den achtzehnten, den er nie miterlebte. Sie sollten ihm helfen, auf dem College und im sozialen Leben klar zu kommen. Nun hatte ich sie. Als Erinnerung an ihn und bald würde ich sie jemandem geben, wem sie viel eher von Nutzen waren. Bald. Irgendwann. Hoffentlich.

Mit einem Schulterzucken setzte ich mich wieder in Bewegung. Stöpselte mir meine Kopfhörer in die Ohren und ließ mich von der Musik treiben, die augenblicklich durch meinen Körper rauschte. Ich wusste nicht, wie lange ich dieses Leben führen konnte, doch ich setzte alles daran, dass ich dieses Mal keine Fehler beging. Keine Fehler. Regeln. Keine Geheimnisse.

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