Gio 🧸

Tut mir Leid, ich hab
aber schon ein Date geplant.
Vielleicht wann anders? [19:04]

"Pisser", schniefte ich.
Ich ließ meine Tasche dumpf auf den Boden fallen. Mit einem Arm wischte ich mir über die Nase und verzog angeekelt das Gesicht über die Rotze, die ich verschmierte. Ich kickte mir blindlings die Schuhe von den Füßen und schlurfte ins Bad.
Als ich in den Spiegel blickte, schaute ein müdes Mädchen mit rot verquollenen Augen, verschmierter Wimperntusche und gebrochenem Herzen zurück.
Ich drehte den Hahn auf die kälteste Stufe und klatschte mir frierendes Wasser ins Gesicht. Ich wusch mir provisorisch den größten Teil der Schminke ab und zog mir meinen für die Wohnung zu warmen Pulli aus.
In der Küche bückte ich mich wortlos zur Gefriertruhe und zog den Eisbehälter aus der untersten Schublade.
Mit einem Löffel bewaffnet schlurfte ich in mein Zimmer. Ich zündete eine einzelne Kerze auf meinem Schreibtisch an und bald erfüllte der Duft von Vanille den Raum.
Ich seufzte und zog mich auf mein breites Fensterbett.
Aus meinem Zimmer hatte ich einen wunderschönen Blick auf die Stadt.
Tausende Lichter lagen wie ein Lichtermeer vor mir.

Hier und da mischte sich eine bunte Werbeanzeige darunter, ein flackerndes "Open"-Schild von Pizza-Restaurants oder die fahrenden Autos der Hauptstraße. Und inmitten von allem die hellen Flutlichter des Signal-Iduna-Parks. Das Stadion, in dem Gio in diesem Moment gegen Christiano Ronaldo spielte.
Und anstatt ihn von den Zuschauerrängen aus anzufeuern und nach dem Spiel, egal wie es ausging, gut oder schlecht, mit ihm Essen zu gehen, saß ich jetzt hier.
Ich lehnte meine Stirn an das kühle Glas. Warum dachte ich auch, du würdest mit mir ausgehen, wenn du "Heather" haben kannst. Ich bin bestimmt nichtmal halb so schön...
Erneut seufzte ich.
Das Fenster beschlug. Ich malte mit meinem Finger ein trauriges Gesicht hinein und spürte, wie mir eine Träne die Wange runterrollte.
Wütend über mich selbst zerstörte ich das Gesicht mit meinem Ärmel wieder. Ich stellte mir vor, das Schokoeis in meinem Schoß wäre Gio, dann stach ich mit meinem Löffel zu. Ich stellte mir Heather vor, bestimmt groß und schlank, lange blonde Haare und blaue Augen, wie sie Gios Pulli trug. Wieder. Und nochmal, als ich daran dachte, dass sie nicht einmal was dafür konnte, dass Gio sie mehr mochte als mich. Trotzdem wünschte ich mir heimlich, sie wäre tot.

Resigniert begann ich das ein wenig verunstaltete Eis zu essen. Es schmeckte aber immer noch gut und linderte den Schmerz in meinem Herzen ein wenig. Doch bis es geheilt war, würde einige Zeit vergehen.
Ein Brocken Wimperntusche hing noch vor meinem Auge und ich zog ihn heraus. Er war ebenso unschuldig an der Sache wie Heather. Gio hatte mein Herz völlig unerwartet gestohlen und dann auch noch unabsichtlich darauf herum getrampelt.

Der einzige, der hier wirklich den Mist gebaut hatte war ich. In Zukunft würde ich mich wohl ein wenig mehr vor Fußballern hüten...