Kapitel 21 - ✔️

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Rosalie

Miss Marlin hat uns ein riesiges Frühstück zubereitet.
Toast, gebratener Speck mit Ei, belegte Brötchen und sogar Obst zum Eindippen in eine Schokoladencreme.

Unglaublich satt lehne ich mich in dem Stuhl zurück und bemerke erst jetzt, dass auch die Prinzessin fertig mit essen ist und mich schon die ganze Zeit beobachtet.

Ich kann nur ahnen, was sein nachdenklich fragender Blick zu bedeuten hat und ich hoffe inständig, dass er mich nicht auf gestern anspricht.
Ich will und kann nicht über die Gründe sprechen.

»Habe ich etwas im Gesicht?«, frage ich ausweichend, als er seinen Blick nicht von mir nimmt und seine Augen die ganze Zeit über meinen Körper wandern lässt.
Zur Antwort schüttelt er nur den Kopf und guckt mich weiter an.Also doch?

Vorsichtshalber wische ich mir doch über den Mund und über die Nase und das so lange bis seine Hand plötzlich meine auf den Tisch drückt. Warm.
»Nein, du hast nichts im Gesicht«, sagt er und seine Stimme verrutscht ein wenig im Ton.
Die tiefe, raue Stimme haucht einen Schauer über meinen Rücken, der eine Gänsehaut zurücklässt.
Er räuspert sich vernehmlich und als Miss Malins Schuhe zu hören sind, zieht er seine Hand langsam zurück.

»Hat es Ihnen geschmeckt?«, fragt sie wenige Augenblicke später und sieht freundlich zwischen der Prinzessin und mir her. Meine Angst vor ihr ist erloschen und ich vertraue den Worten vom Sofa, dass das alles nur ein Missverständnis war.
»Ja, es war sehr lecker«, bestätige ich und wende meinen Blick an die Dame, die mir freundlich zulächelt.
»Das freut mich.«
»Ich kann die Aussage nur bestätigen«, kommt es von der Prinzessin, die ihre Augen immer noch nicht von mir wendet.
Irgendwie macht mich das nun doch nervös. Wieso starrt er denn so?
»Gut, darf ich abräumen?«, fragt Miss Malin und greift bereits nach dem ersten Teller bevor jemand antworten kann.
»Gerne.«
»Warten Sie, ich helfe Ihnen!«, werfe ich ein, um mich abzulenken und stehe ruckartig von meinem Platz auf, nur, um dabei fast den Stuhl und den Tisch umzukippen.
Ein wenig ungeschickt trage ich unsere Tassen in die Küche und kann nicht glauben, dass ich seinen Blick selbst im Rücken überdeutlich spüren kann.
An der Arbeitsfläche stelle ich die Teller in die Spüle und sehe lieber nicht zum Esstisch  zurück an dem die Prinzessin
sitzt und mir nachstarrt.

Kann er nicht die Sonne beobachten, wie sie ihrer Wege geht?

»Warten Sie! Sie müssen mir doch nicht helfen, Madam. Das kann ich schon alleine machen. Kein Problem.«
Mit dem letzten Geschirr kommt Miss Marlin in die Küche und stellt die Schüsseln in die Spüle, um dann heißes Wasser und Seife einzulassen und die Arbeit allein zu beginnen.

»Ach, was. Dafür, dass ich heute morgen so plötzlich da war und Sie erschreckt habe, muss ich mich revanchieren. Außerdem geht es zu zweit viel schneller«, protestiere ich und hole das restliche Geschirr vom Tisch in die Küche.
Ich will nicht, dass sie meinen Dreck wegräumen muss. Diesen Komfort bin ich einfach nicht gewöhnt und er hat mich immer gestraft, wenn ich den Haushalt nicht gemacht habe.

»Nein, nein, das geht doch nicht! Madam, Sie müssen sich die Hände doch nicht schmutzig machen«, schlägt Miss Marlin wieder ein und guckt mich erstaunt an, als ich einen schokoladenüberhäuften Teller in das heiße Wasser tauche und ihn mit meinen bloßen Händen zu säubern beginne.
»Das möchte ich aber«, stelle ich klar sie und verschweige, dass ein kleiner Teil von mir auch einfach nur einem Gespräch mit der Prinzessin ausweichen will.

Er starrt noch immer zu mir hinüber, als gäbe es nichts, was er sonst ansehen könnte.
Nur mich.

Mein Blick senkt sich auf das schmutzige Porzellan und ich traue mich nicht, meine geröteten Wangen zu heben und seinen intensiven Blick zu erwidern.
Erst nach einigen Minuten scheint ihm sein Spiel genug zu sein und ich kann seine weglaufenden Bewegungen aus den Augenwinkeln sehen.
Mit jedem Schritt, den er die Treppe nach oben nimmt, entspannen sich meine verspannten Glieder und als ich nichts mehr von ihm
sehen und hören kann, fällt alle Nervösität von mir ab.

Erfolgreich einem Gespräch voller Fragen ausgewichen. Puh.

Ich wasche ohne noch ein Wort die nächsten Teller und Tassen. Miss Marlin scheint sich erst nach wenigen Minuten von ihrem Unglauben erholt zu haben und als ich schon glaube, sie für immer in eine Salzsäule verwandelt zu haben, holt sie sich ein Handtuch und beginnt das nasse Geschirr zu trocknen.

Das Radio dudelt leise im Hintergrund und wir erledigen still unsere Arbeit. Ich genieße die Ruhe und bin froh, dass mein Körper allmählich Vertrauen zu der kleinen Dame fasst, die mir immer wieder Blicke zuwirft, als müsse sie sich vergewissern, dass ich auch wirklich neben ihr stehe und arbeite.

Als ob ich unfähig wäre einen Teller zu waschen ...

Der nächste Song im Radio scheint uns beiden bekannt.
Leise summen wir den Text des Liedes mit und mit jedem Wort werden wir einander vertrauter.
Der Refrain setzt ein und ich beginne lachend in die Spülbürste zu singen, während Miss Marlin wild mit dem Handtuch zu tanzen beginnt und mich friedlich anlacht. Kichernd tanzen wir uns die Unannehmlichkeiten von der Haut und mit jeder Silbe verfliegt meine Angst bis nur noch gute Laune und Sympathie füreinander übrig bleibt.

Mit einem ulkigen Hüftschwung putzt Miss Marlin den Esstisch, während ich einen wilden Tanz mit dem Besen hinlege und komplett vergesse, dass ich in einem völlig Fremden Zuhause die Hausarbeit erledige.
All meine Sorgen sind für einen Moment vergessen.

Wie konnte ich je Angst vor ihr haben?

Mit dem langsamen Gesang von Billie Eilish in lovely verfalle ich meinen Gedanken, die mich einen Moment aus dem Jenseits reißen.
Ich denke an meinen Vater, meine Ängste und all die Tage, die ich mich früher wie eingesperrt und versteinert gefühlt habe.
Nach ein paar Jahren härtet der Hass einen Menschen ab.
Man gewöhnt sich beinahe an Schmerzen und Kratzer, die jedes Wort und jeder Schlag auf die Haut zeichnet. Irgendwann findet man sich mit der nicht erwiderten Liebe ab, erwartet die Wunden sogar, die sich jeden Abend tiefer ziehen und irgendwann nur noch eine Lache aus Blut hinterlassen, weil es nicht mehr schlimmer werden kann.
Es dauert, bis ein Mensch sich endgültig hinter seinen Mauern verkriecht und dort auch am helllichten Tage versteckt bleibt – allein, emotionslos, leer – aber ist es einmal passiert, dann wird sich dieser Zustand nie wieder ganz ändern.
Was einmal kaputt ist, dass wird immer kaputt bleiben.
Daran kann auch der beste Superkleber nichts ändern.
Er kann nur den Schein trügen.

Die Gedanken an Zuhause ziehen mich in unendliche Tiefen, aber anders als sonst, nimmt mich die Dunkelheit heute nicht ein. Sie zerrt nicht an mir, sie ist nur da.
Das, was mich jeden Tag, jede Nacht und beinahe immer begleitet und verfolgt und zerstört, lässt mich heute kalt und ich merke, dass meine Zeit in Gesellschaft der Prinzessin mich immer neutraler an die Vergangenheit denken lassen.
Die letzte Nacht konnte ich so gut schlafen ...

Keine roten Augen.

Das Klackern von Miss Marlins Schuhen lässt mich hochfahren und zurück in die Gegenwart springen.
Mit einem ruhigen und nachdenklichen Blick betrachtet mich die Brünette und zieht nach einigen Sekunden meines Unbehagens die Mundwinkel nach oben.

»Sie haben eine außergewöhnlich sanfte Stimme. Ein sehr schöner Gesang«, gesteht sie mir und lächelt freundlich. Ich erröte und habe gar nicht mitbekommen, dass ich trotz meiner Gedanken weitergesungen habe.

Wie kann sie etwas, das ich getan habe, schön finden?

»Danke schön«, murmle ich verlegen und leise und kann ihr kaum glauben.
»Ich habe zu danken. Für Ihre Hilfe und Unterstützung«, entgegnet Miss Marlin und lässt mich abwinken.
»Ich bitte Sie, das war selbstverständlich und ich habe es gern gemacht.«
Wir lächeln uns entgegen und ich traue mich erst jetzt sie einmal richtig anzusehen.
Die braunen Haare werden gelöst von ersten grauen Strähnen, die ihr Gesicht irgendwie noch sympathischer machen. Kleine Grübchen und erste Falten zieren ihr Gesicht rund um die schmalen rosaroten Lippen und die blassen grünen Augen.
Ich schätze Miss Marlin auf ein Alter von vierzig bis fünfzig Jahren, dass sie trotzdem jung und fit wirken lässt.

Und temperamentvoll.

»Wow. Sie sind mir ja jemand. Sie sind die erste Freundin des jungen Herren, die diese Hilfe und Arbeit als selbstverständlich sieht.«
Sie lacht und zuckt dabei mit den Schultern, als könne sie nicht glauben, dass ich das wirklich gesagt habe.

»Oh, Miss Marlin, das dürfen Sie nicht falsch verstehen. Wir sind kein Paar. Nur ... Bekannte«, stottere ich und beiße mir auf die Unterlippe, weil ich keine Ahnung habe, wie man unsere Beziehung sonst benennen kann. Freunde?

Auf mein Gestotter folgt ein quirliges Schmunzeln, das mich ahnen lässt, dass Miss Marlin meiner Worte keinen Glauben schenkt.
Trotzdem erwidert sie nur ein »Wenn Sie meinen« und lässt mich mit einem Zwinkern zurück in der Küche.

Ich sehe der Hausfrau mit offenem Mund nach und werde erst von einem Räuspern hinter mir von ihr abgelenkt.
Ich zucke zusammen, als ich ihn nahe hinter mir erblicke und mich nur fragen kann, wie lange er schon wieder hier ist. Sein Blick wärmt meine Haut am ganzen Körper.

»So schnell erfährt man also etwas Neues über dich«, beginnt er ein Gespräch und sieht mir tief in die Augen, als versuche er etwas Bestimmtes in ihnen zu ergründen.
Der Anblick meines Gesichts schenkt seinen Lippen ein zufriedenes Lächeln und er kommt mir noch näher, als ich glaube, er könnte es je.

»Was ... was hast du denn erfahren?«, frage ich stotternd und kann kaum atmen, als sein Atem in mein Gesicht schlägt und er mit einer Haarsträhne zu spielen beginnt. Er macht mich nervös – sehr, sehr nervös – aber ich kann einen Moment nur an all die schlimmen Dinge denken, die er über mich herausgefunden haben könnte.

Aber wie sollte er das herausgefunden haben?
Kann er Gedanken lesen?

»Dass du klein bist, unglaublich gern Kakao trinkst und schön singen kannst. Sollte ich noch etwas wissen?«, fragt er scherzhaft und scheint gar nicht zu bemerken, wie die Last von mir fällt.
Wenn er nur das herausgefunden hat ...

»Ich denke nicht«, murmle mit zurückkommendem Mut und Entspannung.
Seine Berührungen bleiben.

»Vielleicht ... deinen Namen?«, fragt er mit rauer Stimme, die mir durch Mark und Bein geht.
Ich senke meinen Blick von seinem nahem Gesicht, weil ich merke, wie schwach und hilflos mich seine Nähe macht.
Er spielt mit ungeahnten Mitteln.

»Und was ist mit deinem Namen?«, gebe ich mit kratzender Stimme wieder und hasse, dass seine Anwesenheit all meine Sinne verrückt spielen lässt.

»Den verrate ich dir, nachdem du mir deinen gesagt hast«, versucht er es weiter und lächelt sanft, dass ich kurz davor bin, meinen Namen in alle Welt hinauszuschreien, damit er aufhört mich in die Enge zu treiben.

»Nein, andersherum«, kämpfe ich holprig weiter und verschränke demonstrativ meine Arme vor der Brust.
»Nein«, sagt er und nimmt dieselbe trotzige Haltung an wie ich.

»Dann kannst du noch lange darauf warten«, sage ich gleichgültig und grinse, als ich sein genervtes Seufzen wahrnehme und er sich frustriert durch die schönen Haare fährt.

Ich kann ihn verstehen.
Für einen Mann wie ihn, kann das Widersetzen eines anderen Menschen ziemlich frustrierend sein.
Ich kann es mir nur vorstellen, aber die Art wie er redet, seine Körperhaltung, die manchmal so kühlen Augen, sein Haus, alle Faktoren widerspiegeln eine Art Macht, die er über andere hat. Er gehört zu den Menschen, die viel haben und viel ohne große Mühe bekommen, weil sie viel geleistet haben und viel besitzen.

Er ist Widerstand und Konter nicht gewohnt und eigentlich haben wir damit etwas gemeinsam, denn auch für mich sind beide Begriffe ziemlich fremd. Sie stehen bei uns beiden nur in völlig fremden Kontexten.

Für ihn bedeutet ein Nein einen Rückschlag in all seiner Macht.
Für ihn bedeutet Widerstand viel mehr Aufwand als er ihn gewohnt ist und dass er nicht sofort bekommt, was er verlangt, kratzt an seinem so hohen Ego, dass es mir beinahe leidtun könnte.

Aber wer wäre ich, wenn ich immer wieder zulasse, dass Menschen mich niederdrücken? Wenn ich immer und immer wieder einknicke?

Was für die Prinzessin Widerstand und Konter eines anderen ist, ist für mich meine eigene Widerstandsfähigkeit.

Ich muss lernen mich anderen zu widersetzen, ihnen nicht nachzukommen, ihnen nicht zu geben, was sie mir nehmen wollen.

Ich zu kontern lernen, denn sonst wird die große, weite Welt mich kaputt machen.
Und zwar nicht so kaputt wie es mein Vater längst geschafft hat, sondern so kaputt, dass ich bereit bin all meine Wehr abzulegen.

Und wo würde es mich dann hinführen?
Wer wäre ich dann noch?
Wie lange könnte ich die kleinen Überbleibsel meiner selbst dann noch aufrecht erhalten?
Wann wäre ich vom ewigen Herumschubsen der anderen so fertig, dass mein Leben einfach keinen Sinn mehr ergibt?

Wann wäre der Tod zuletzt die einzige Option?

Ja, richtig, es geht ums Überleben.
Und dafür nehme ich ein gekränktes Ego in Kauf.
Ich muss.

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