Chapter 1 - Zerina

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Hi, ich bin Zerina. Ich bin sechzehn Jahre alt und wohne mitten in Biel. Keine besonders schöne Stadt, jedenfalls mal abgesehen von der Einkaufsmeile. Die gibt schon ganz schön was her.  Ich wohne hier seit ich sieben bin, davor haben wir in Deutschland gewohnt, in Berlin. Also sozusagen sind wir einfach von einer Stadt zur nächsten gezogen.

Meine Eltern arbeiten beide den ganzen Tag, sind jedoch trotzdem die besten Eltern, die ich mir vorstellen kann. Beziehungsweise konnte. Seit einem Jahr bin ich quasi selbstständig und kaum noch auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen. Ich gehe noch drei Jahre zur Schule, dann bin ich endlich fertig.

Ich bin halb bei meinem besten Freund Linus eingezogen, den ich schon seit meiner Geburt kenne. Unsere Eltern verstehen sich schon seit Jahren gut, deshalb haben wir uns schon so früh kennengelernt. Er ist ein Jahr älter als ich, also siebzehn. Wir gehen zusammen in eine Klasse, jedoch ist das erst seit kurzem so. Vorher besuchte Linus die Realschule und musste die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium ablegen. Bei dieser hat er übrigens sehr gut abgeschnitten.

Bis vor zwei Jahren wohnten wir noch in der näheren Umgebung, und ich musste mich mit dem Zug auf den Weg zu Linus machen. Jedoch brauche ich heute nur noch etwa eine Viertelstunde zu Fuß. Das neue Schuljahr beginnt in drei Wochen, und ich verspüre jetzt schon nicht die geringste Lust, wieder die Schulbank zu drücken. Zwar ist es mittlerweile besser, da ich noch einen Leidensgenossen habe. Trotzdem hasse ich es, Stundenlang nervös auf dem Stuhl hin und her zu rutschen, ohne auch nur den kleinsten Schimmer davon zu verstehen, was die Lehrperson da vorne eigentlich von sich gibt.

Der einzige Grund, weshalb ich das Gymnasium mache, ist, dass man hier eigentlich nur noch mit einem Uni-Abschluss richtig weit kommt. Und das ist mein Ziel – ich will später einen Beruf ausüben können, für den ich angemessen bezahlt werde, der nicht so leicht durch irgendwelche Roboter ersetzt werden kann, und der mir vor allem Spaß macht. Mein jetziger Traumberuf ist Psychologin, aber das hat sich schon so oft geändert – ich habe sogar aufgehört, zu zählen.

Meine Mutter übrigens auch.

Als ganz kleines Kind wollte ich mal Hexe werden und habe mich an Halloween immer mit meiner damaligen besten Freundin als Hexe verkleidet. Dann haben wir die Nachbarschaft unsicher gemacht. Als uns danach alle in der Schule als doofe Hexe betitelt haben, beschloss mein kleines Ich, seinen Traumberuf doch nochmal zu überdenken.

Gerade befinde ich mich auf dem Weg zu Linus, falls das irgendwen überraschen sollte. Meiner Mutter habe ich eine Notiz hinterlassen, auf der steht, dass ich noch nicht genau weiß, wann ich zurückkomme. Und dass ich sie und Papa liebe. Mit Herz.

Meine Handtasche ist gefüllt mit ein paar Kleidern, vor allem aber mit Essen. Ich bringe mir immer mein eigenes Essen mit, da Linus sonst alles wegisst. Nicht, dass ihn die Zettel mit meinem Namen drauf davon abhalten würden, etwas zu essen. Aber irgendwelche Beweise muss ich ja vorweisen können, wenn ich ihn zur Rede stelle. Wenigstens gibt er's immer zu.

Trotzdem könnte ich mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Er ist fester Bestandteil meines Tagesablaufs, ohne ihn geht einfach nix. Ich kann vor seiner Haustüre auftauchen und er ist sofort für mich da. Oder er steht plötzlich in meinem Zimmer. Wir haben nämlich unsere Hausschlüssel. Mit Linus kann man so viel erleben, egal was es ist – er ist sofort dabei. Auch seine Freunde der Realschule kann ich sehr gut leiden. Sie sind angenehm und immer witzig drauf. Wir machen oft als Gruppe etwas.

Trotzdem habe ich seit kurzem das Gefühl, dass Linus mir was verheimlicht. Einer seiner Freunde, Nico, hat mal eine Andeutung gemacht, und seither bin ich irgendwie skeptisch. Da es Linus jedoch gut zu gehen scheint, mache ich mir deswegen nicht weiter Sorgen. Er würde es mir sagen, wenn was nicht stimmt. Ich kenne ihn zu gut.

Plötzlich werde ich angerempelt, und ein Junge, etwa einen Kopf grösser als ich, entschuldigt sich sofort bei mir. Dann erkenne ich ihn. „Max?" frage ich, und er nickt verdutzt. Dann geht bei ihm ein Licht auf, und er erkennt mich ebenfalls. „Hey, Zerina! Lange nicht gesehen. Wie geht's dir?"

Max ist ein alter Kumpel von mir aus meiner alten Primarschulklasse. Er geht auf die gleiche Realschule, an der Linus war, also wundert es mich nicht, dass Linus ihn erkannt hat, als ich mal von ihm erzählt habe. Max und ich haben damals viel Mist gebaut und die meisten Lehrer zur Weißglut gebracht. Da wir beide gute Schüler waren, konnten sie uns nicht der Schule verweisen, denn auch unsere „Taten", wenn man das so nennen kann, waren nicht nachweisbar.

Gut möglich, dass wir der ganzen Klasse Eis versprochen hatten, damit sie die Klappe hielten.

„Mir geht's gut, danke der Nachfrage. Und dir? Lange nicht gesehen!" Max nickt und lacht. „Mir geht's auch gut. Ja, halbes Jahr sicherlich. Meine Güte, ohne dich ist es einfach anders, zur Schule zu gehen. Wie viele Jahre musst du noch?" Ich lache ebenfalls. „Noch drei Jahre. Und du?" Er grinst mich an, dann meint er: „Ich hab' nur noch dieses Jahr. Und schon eine Lehrstelle!"

Ich nicke anerkennend. „Sieh mal einer an, aus dem skrupellosen Schuljungen wird also doch noch was. Wo denn?" Neckend stößt Max mich in die Seite, bis ich einen Sprung zur Seite mache.  „Sagt die Richtige. Bei der Bank, im Büro", antwortet Max. Jetzt nicke ich noch anerkennender. Gerade will ich ihn auf ein Getränk einladen, doch die in Richtung Linus' Viertel vorbeifahrende Bahn erinnert mich daran, dass ich's eigentlich eilig habe.

„Du Max, ich muss leider. Linus, du weißt schon, mein zweites Zuhause. Vielleicht sieht man sich ja bald wieder." Max nickt, dann umarmen wir uns kurz, und ich laufe weiter. Mich schauen viele Leute komisch an wegen meiner Kleidung. Ich kleide mich eigentlich immer in dunklen Farben, weswegen viele meinen, ich wäre die Rebellin in Person oder einfach das totale Problemkind. Stimmt aber nur teilweise.

Der echte Rebell unter uns ist Linus, doch man sieht es ihm nicht wirklich an. Sein Gesicht ist mit den dunklen Haaren und den hervorstechenden, blauen Augen einfach nicht gemacht für ein Bad-Boy-Gesicht. Er ist eher das Model.

Ich laufe an einem Mädchen vorbei, das etwa gleich groß ist wie ich, scheint auch gleich alt zu sein. Kleidet sich jedoch wie wenn sie gerade dem Puff entsprungen wäre. Ich kleide mich auch nicht verschlossen, aber direkt im Top rumzulaufen, das gut mit einem BH verwechselt werden könnte, ist mir dann doch zu viel des Guten.

Ich trage heute ein bauchfreies, auberginefarbenes Top mit einer dünnen, schwarzen Jacke drüber und eine schwarze, normale Jeans. Dazu meine schwarze Handtasche die ich immer dabei habe. Meine langen, braunen Haare habe ich mir zu einem hohen Pferdeschanz gebunden, und geschminkt bin ich nur leicht. Mascara, Make-Up, Augenbrauenstift und ein matter, altrosafarbener Lippenstift. Das war's dann auch. So laufe ich meistens rum.

Das Mädchen mustert mich kurz von oben bis unten und schaut mich dann so bitchig an, als wäre ich diejenige die im BH rumrennt. Da ich mir das nicht bieten lasse, mustere ich sie ebenfalls übertrieben auffällig und schaue mindestens so bitchig wie sie zurück. Arrogant blitzt sie mich noch einmal mit ihren blauen Augen an, dann wende ich den Blick von ihr ab und krame meine goldenen Beats-Kopfhörer hervor.

Komische Menschen gibt's.

Ich wühle mich durch all das Essen und die Kleider in meiner Tasche, bis ich endlich meine Kopfhörer ertaste. Ich ziehe sie mit aller Kraft halbwegs aus meiner Tasche heraus und leere so beinahe deren Inhalt aus. Etwas vorsichtiger ziehe ich meine Kopfhörer dann das letzte Stückchen heraus. Ich setze sie auf, greife zu meinem Handy und suche nach meiner Lieblingsplaylist, die ich auch immer mit Linus höre.

Wir haben etwa den gleichen Musikgeschmack und schicken uns gegenseitig immer Lieder zu, die wir gerade entdeckt haben. Klar gibt es auch welche, die entweder Linus oder ich nicht mag, aber das ist nicht weiter schlimm, es gibt genügende andere Lieder die wir feiern. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhrzeit und schlussfolgere daraus, dass ich noch etwa zwei Minuten Zeit habe, für eine Strecke, die mindestens fünf Minuten beansprucht.

Jetzt beginnt mein innerer Kampf: Rennen und pünktlich sein, oder gemütlich weiterlaufen und hoffen, dass Linus auch später ist. Eigentlich würde ich mich für letzteres entscheiden, aber ich war schon viel zu oft zu spät, also fange ich an zu laufen. Ich bin ein sehr fauler Mensch, doch wenn's drauf ankommt, kann ich ziemlich sportlich sein. Ich ging drei Jahre ins Leichtathletik, Fokus vor allem aufs Laufen. Ins Hip-Hop gehe ich immer noch. Ich bin demnach also recht zügig unterwegs.

Auf dem Weg treffe ich zwei Jungs an, Nico und Lars, zwei Freunde von Linus, die beide die Realschule besuchen. Ich kenne sie auch ziemlich gut. „Ey, Zeri! Linus wartet schon, mach mal schnell!" ruft mir Nico grinsend zu sobald er mich sieht. Ich strecke ihm die Zunge raus und klatsche ihn beim Vorbeilaufen ab. Gleich darauf weiche ich gerade noch einer älteren Frau aus, die aus dem Nichts hinter den beiden Jungs aufgetaucht ist.

Eine knappe Minute später stehe ich keuchend vor Linus' Haustüre und warte, bis er endlich öffnet. Ein Blick aufs Handy verrät mir, dass ich pünktlich bin. Als sich die Haustüre öffnet, erkenne ich sofort, dass Linus gerade aufgestanden ist. Mit müden Augen betrachtet er mich, doch bevor er etwas Spöttisches sagen kann, drücke ich mich an ihm vorbei ins Haus und quetsche ein „Guten Morgen" hervor.

Ich ziehe meine Schuhe aus, dann drehe ich mich zum Spiegel und sehe, weshalb Linus sich wohl noch immer im Schockzustand befindet. Meine Haare sehen verstrubbelter aus als heute Morgen, und das will was heißen. „Meine Güte. Wie sehe ich aus." ist alles, was ich dazu sagen kann. In der Zwischenzeit hat Linus die weiße Haustüre geschlossen und sich hinter mir aufgebaut. Kritisch begutachtet er meine Haare, dann packt er mich an der Schulter, dreht mich zu sich und umarmt mich.

Zwar wollte ich ihn sowieso gerade zur Begrüßung umarmen, jedoch weiß ich, dass Linus nicht wirklich der Typ für Umarmungen ist, weswegen ich doch etwas überrumpelt reagiere. Direkt darauf sehe ich seinen Blick und weiß, dass etwas nicht stimmt. Dieser leere Ausdruck in seinen Augen gefällt mir gar nicht. So schaut er eigentlich nie. Meistens ist da ein spitzbübisches Funkeln, das manchen Mädchen den Kopf verdreht.

Jetzt gerade würde er es nicht mal bei einem Faultier schaffen.

„Mitkommen. Essen kann warten", befehle ich und ziehe Linus hinter mir her in sein Zimmer. Wir wollten eigentlich zusammen essen gehen, jedoch müsste Mr. Ich-Schlafe-trotz-Wecker sich dazu umziehen. Und ich hab gerade echt keine Lust einen deprimierten Freund mitzunehmen.

Linus leistet keinerlei Widerstand, ein weiteres Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Die Treppenstufen hinauf zur zweiten Etage, wo sein Zimmer liegt, muss ich ihn jedoch loslassen, da ich beinahe stolpere. Nicht, dass Linus abgehauen wäre oder so. Langsam mache ich mir wirklich Sorgen. „Was ist eigentlich?" fragt er schlussendlich schläfrig hinter mir. „Das wirst du mir gleich erzählen" antworte ich.

Er setzt tatsächlich zum Protest an, was mich irgendwie ein wenig beruhigt. So kenne ich ihn schon eher. Zuerst stöhnt er nur gespielt genervt auf, dann meint er: „Muss das sein? Erzähl du mir lieber mal, wie du letzte Nacht ohne mich schlafen konntest." Dass ich rot werde, sieht er zum Glück nicht.

Tatsächlich ist es für mich seit einigen Wochen nicht mehr so leicht, ohne meinen Mensch gewordenen Teddy einzuschlafen. Deshalb haben unsere Eltern es uns erlaubt, öfters beieinander zu schlafen, da wir beide in die gleiche Klasse gehen und somit nicht einer von beiden einen anderen, weiteren Schulweg hat. Außerdem könnten sie uns sowas eh nicht ausschlagen, da wir direkt in den Protest getreten wären.

Gestern Abend jedoch hatte ich Tanztraining, und ich wollte Linus nicht schon für den vierten Abend diese Woche bitten, auf mich zu warten, beziehungsweise sein kleines Bett mit mir zu teilen. Es reicht nämlich nur für eine Person, was heißt, dass sich Linus entweder mitten in der Nacht auf die sicherheitshalber bereitgelegte Matratze am Boden verzieht, oder dass er eine Nacht an der Wand gequetscht verbringt.

In Linus' Zimmer angekommen, setzt Linus sich aufs Bett, und ich schnappe mir den Bürostuhl, drehe ihn so, dass die Rücklehne vorne ist und setze mich rittlings drauf. Dann schaue ich Linus genauer an. „Wann bist du schlafen gegangen?" ist die erste Frage. Die erste von vielen Fragen, die ich Linus in den nächsten Wochen stellen werde, doch davon wissen wir beide noch nichts.

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