16. Die Dusche, die meinen Erstickungstod will

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Als ich aufwache, verfluche ich Toby, dass er die Jalousien im Wohnzimmer nicht zugezogen hat. Die Sonne scheint den Plan zu verfolgen ein Loch in meinen Kopf zu brennen. Und wäre ich nur 'ne Stunde später aufgestanden, hätte das auch funktioniert. So ein Arsch. Erst hoffe ich noch, dass Toby irgendwas zum Frühstück für mich übrig gelassen hat, aber der Tisch ist leer und der Herd kalt. Das heißt wohl die Cornflakes gehen in die zweite Runde. Gähnend blicke ich auf die kleine Uhr am Ofen. Schon halb elf. Ich sollte vielleicht mal wieder duschen gehen. Und Haarewaschen, ich Witzbold. Ich schlurfe die Holztreppe herauf. Bilder von Toby und mir, auf denen wir noch klein sind. Meine Eltern an ihrem Hochzeitstag. Schon fast glücklich. Auf einem Foto hält Toby meine Hand und lacht. Ich heule. Warum auch immer. Kann mich nicht mehr daran erinnern. Ich fahre mit den Fingern die Wände rechts und links entlang und bleibe an meiner Zimmertür stehen. Wäre langsam mal Zeit da rein zu gehen. Oder sollte ich auf Toby warten? Ich brauche frische Klamotten, kann ja nicht ewig das Kleid anbehalten. Ach verdammt. Ausatmend lege ich meine Hand auf die Klinke und drücke sie runter. Das erste, was mir auffällt ist das Licht. Überall Licht. Das große Fenster wirft viel Sonne auf das dunkle Parkett. Das Bett ist neu bezogen mit weißen und irgendeiner undefinierbaren Farbe. Komisches Orange nenne ich es mal. Sonst ist das hier echt annehmbar. Ein Schreibtisch, ein Schrank und ein Bücherregal. Verblüfft trete ich näher. Zunächst denke ich, dass alles voller Kinderbücher ist, aber das stimmt nicht. Dad oder die Erzeugerin haben alles aufgereiht, was ich im Krankenhaus gelesen habe. Ist ja eklig, war ich wirklich so eine Langweilerin? Ganz oben müssen meine „Gute Besserung“-Karten gestanden habe. Ich sehe doch noch förmlich den Staubwedel, der alle Spuren beseitigt hat. Skeptisch überblicke ich nochmal meine Habseligkeiten. An der Wand hängt ein übergroßer „Ich-bin-geil-weil-ich-Geld-für-3D-habe“-Fernseher. Sieht alles viel zu sehr nach Geld und Oberflächlichkeit aus. Neben meinem Bett steht ein übergroßer Schminktisch mit einem ovalen Spiegel.

„Zum Haare kämmen“, murmele ich in mich hinein und lache leise auf. Super, jetzt feier ich schon meine eigenen Witze. Suchend sehe ich mich nach meiner Reisetasche um, die Dad in mein Zimmer gebracht hatte. Scheint schon ausgeräumt zu sein. Auf alles gefasst trete ich an den Kleiderschrank und öffne die hellen Türen. Allgemein ist hier alles ganz schön weiß. Erinnert mich ans Krankenhaus. Na Happy Birthday. Der Inhalt des Schrankes ist auch nicht gerade berauschend. Schlabbrige Klamotten zwischen ein paar Taschen und Schuhen, die ich mich noch nie getragen zu haben erinnere. Schulterzuckend greife ich nach einer zu großen Shorts und etwas, das ursprünglich mal sowas wie ein Shirt gewesen sein muss. Undefinierbare Farbe, Schnitt erinnert stark an irgendwas, das der Penner um die Ecke trägt – der hat da wirklich 'ne ganze Weile gelebt – und die Größe ist jetzt auch nicht so wirklich optimal. In den unteren Schubfächern finde ich schrecklich bequeme, aber ziemlich hässliche Unterwäsche und beschließe nachher unbedingt einkaufen zu gehen. Im Badezimmer putze ich mir die Zähne und sehe meinen Augenringen beim Wachsen zu. Das einzige, was tatsächlich positiv an meinem Gesicht ist, sind die nicht vorhandenen Pickel und Hautunreinheiten. Ist doch eine super Werbung: „Chemo gegen die kleinen Problemchen einer jeden Jugendlichen – Von Pickeln bis hin zu Akne des millionsten Grades; Wir helfen allen“. Die könnten ganz schön reich werden, die Leute in der Onkologie. Ich sollte denen mal einen Brief schreiben. Apropros, bei Anna habe ich mich auch eine ganze Weile nicht mehr gemeldet. Die kurzen hellen Haare auf meinem Kopf sehen gar nicht mal so schlecht aus. Wachsen wie unkraut. Bald muss ich einen Zopf tragen, ich sehe es schon kommen. Sogar meine Augenbrauen sind wieder nachgewachsen und die Wimpern sprießen wie Krokusse. Ich sollte vielleicht mal anfangen mich zu schminken. Oder erstmal das überhaupt zu lernen. Das einzige Mal, dass ich Bodypainting betrieben habe war, als Toby mich mit Edding verschönert hat. Da war ich gerade zwölf geworden und hatte die erste Chemo hinter mir. Hab den ganzen Tag geflennt, weil mir die Haare ausgefallen waren und er hat mir halt neue gemalt. Rote Haare. Ich sah aus wie Ron Weasley, der in den Regen gekommen ist. Mir hat es gefallen, meiner Ärztin nicht. Toby hat mich ausgelacht, der Penner. Und sonst bin ich leider ziemlich unerfahren, was diese Sache angeht. Vielleicht kann mir Toby' s Aktuelle das beibringen. Wer auch immer das gerade ist. Das kann ich ihn ja später fragen. Erstmal runter mit diesem in Mitleidenschaft gezogenen Kleid. Es riecht nicht besonders gut und überall sind undefinierbare Flecken. Hier muss doch irgendwo ein Wäschekorb sein. Weil ich keinen finde stofe ich es ins Waschbecken und lass heißes Wasser rüberlaufen. Mein Slip und der BH folgen und jetzt sind sie eine große glückliche Familie im Whirlpool. Als ich in der übertrieben großen Kabine stehe und den Hahn aufdrehe, stelle ich fest, dass ich diese Dusche nicht mag. Oben kommt aus irgendwelchen Düsen heißes Wasser raus. Man fühlt sich wie in einem Wasserfall. Man sieht nichts, man hört nichts und atmen kann man ja mal voll vergessen. „Entspannend“ hat Dad es bestimmt genannt. „Das brauchen wir“ hat er bestimmt gesagt. Ich will wieder einen Krankenhausduschkopf, aus dem ein Null-Komma-Fünf-Zentimer breiter Strahl rauskommt. Während das viel zu warme Wasser über meinen Körper läuft, suche ich nach Shampoo. Ich finde nur irgendwelche sündhaft teuren Tuben, die volleres Haar versprechen und „die Farbe wie am ersten Tag“ erhalten. Und natürlich Männerzeug. Von der Länge her wäre das zwar am passendsten, aber ich nehme eine Hand voll „Ist zwar zu spät, aber reiben wir die Anti-Haarausfall-Scheiße trotzdem ein“-Shampoo. Das Duschgel von meiner Mutter ist mir zu rosa, Toby' s riecht sowieso viel besser. Nach Toby halt. Wo sind denn hier Handtücher? Hängen die hier nicht normalerweise? Im Krankenhaus habe ich jeden Tag ein Neues bekommen. Tropfend nass trete ich aus der Dusche und öffne jeden Schrank, den ich finde kann. Aber nirgendwo auch nur ein verdammtes Tuch. Super. Soll ich etwa Lufttrocknen? Vielleicht hat Toby ja sowas in seinem Zimmer. Nackt verlasse ich das Badezimmer und suche in seinem immer noch stinkenden nach irgendwas Handtuchähnlichem. Ich finde nur Klamotten und zweckentfremde eins seiner Shirts als Ganzkörperföhn. Kann auf dem Fensterbrett wieder entwässern. Ich hole noch die Kleidungsnahen Stoffe aus dem Bad und ziehe mich an. Zeit etwas kaufen zu gehen, was man auch tragen kann.

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