Dem Tod gegenüber

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November Campbell aß zum Frühstück einen Toast mit Marmelade, dann telefonierte sie kurz mit ihrer Freundin um die neusten Neuigkeiten zu besprechen, und als sie schließlich ihre Haustier öffnete um bei dem Supermarkt um die Ecke Schokoladeneis mit Karamellsoße zu kaufen, stand sie sich plötzlich selbst gegenüber.

 Das junge Mädchen öffnete den Mund und schloss ihn wieder; sie war zu perplex um zu schreien oder irgendwelche Laute von sich zu geben. Sie hörte ein dumpfes Klirren, als die Schlüssel, die sie wohl soeben fallen gelassen hatte, auf dem gräulichen Teppichboden unter ihr aufkamen.

„Hi?", sagte November 2.0 nervös und versuchte sich an einem Lächeln.

„Du bist ... grau.", erwiderte November, was nur halb stimmte. Die Haut ihres Klons war tatsächlich dunkelgrau, doch die Klamotten und Haare waren tiefschwarz, während die kleinen Augen in einem gespenstischem weiß leuchteten. Es war fast so, als hätte jemand einen schwarz-weiß Filter über November 2.0 gelegt.

„Das ist lustig, mir erscheinst du nämlich auch grau. Und nicht nur du; alles hier ist grau! Die Wiese, die verwelkten Blumen dort hinten, der Briefkasten – wow, hatte der schon immer so viele Dellen? - der Himmel -", die graue November verstummte, als sie sah, wie die bunte November sich die linke Hand auf die Stirn legte, was die typische Geste des Mädchens war, wenn sie sich komplett überfordert fühlte: „Was ... was bist du?!"

„Also, erstens bin ich die tote Version von dir und das macht mich, zweitens, zu einem Geist."

„Ich bin tot?", fragte November heiser.

„Nein, ich bin tot. Du bist voll quicklebendig."

„Ja, aber ... wenn du genau aussiehst wie ich jetzt aussehe – nur halt in grau – heißt das, dass ich bald sterbe?"

Die farblose Version von November fasste sich nachdenklich ans Kinn: „Da bin ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher, weil ich keine Ahnung mehr habe, wie oder wann ich eigentlich gestorben bin. Da waren nur lächelnde Lichter und dann war ich plötzlich in dieser anderen Welt."

„Was für eine andere Welt? Die Hölle?"

Der Geist warf November einen verletzten Blick zu: „Die Hölle? Wirklich? Du würdest mich in die Hölle stecken?!" November zuckte hilflos mit den Schultern: „Sorry, ich wollte nur nicht so klischeehaft sein und jetzt „der Himmel" sagen! Aber was meinst du jetzt mit dieser anderen Welt?"

„Es ist eine Welt aus fluffig weißen Wolken. Überall sind Menschen – sie fliegen, sie essen, sie suchen sich Beschäftigungen ... genau wie hier. Nur dass uns allen dort jegliche Farbe genommen wurde."

November stütze sich am Türrahmen ab und atmete tief durch, konzentrierte sich mit geschlossenen Augen entschlossen auf den Lufstrom. Langsam wurde das hier ein bisschen zu seltsam. Wenn sie die Augen öffnen würde, wäre alles wie immer und sie könnte endlich das Eis kaufen – „Schläfst du jetzt?"

November schluckte gequält und öffnete wieder ihre Augen, nur um sich selbst ins Gesicht zu sehen: „Also ... du bist mein Geist?"

„Jepp. Kann man absolut so sagen."

„Und du weißt nicht mehr zufälligerweise, in welchem Alter ich gestorben bin?"

„Nein.", sagte die tote November, sah zu Boden und kratzte sich am Hinterkopf. „Du lügst.", stellte November sofort fest und zeigte überflüssigerweise auch noch entschlossen mit dem rechten Zeigefinger auf ihr Gegenüber. „Was?"

„Das Kratzen am Hinterkopf. Wenn ich lüge -"

„Kratzt du dich am Hinterkopf.", vollendete die andere seufzend den Satz. „Mein Gott, wieso hast du auch so auffällige Angewohnheiten?!"

„Sag schon: Wann sterbe ich und wieso kommt mein Geist mich besuchen? Ich glaube nämlich nicht, dass das so oft anderen Leuten passiert!"

„Hey, wieso sind das plötzlich zwei Fragen geworden?"

„Ich bin halt neugierig."

Der Geist verschränkte die Arme: „Es tut mir wirklich leid, aber ich kann es dir nicht sagen. Ich darf nicht." November schnaubte abfällig über die Worte ihres eigenen Abbildes: „Merkst du eigentlich, wie bescheuert das ist?! Du kommst mich besuchen aus dem Wolkenreich der Toten oder wie auch immer ihr das da oben nennt, und kannst mir dann nichts sagen, außer „Hey"?!"

„Ich bin hier, um dich zu beschützen."

„Vor was?! Meinem Tod?!"

„Das kann ich dir nicht-"

„Natürlich, das kannst du mir nicht sagen!", November hob ihre Schlüssel vom Boden auf, trat genervt aus dem Haus und brachte ihr Totes-Ich so zum zurückweichen. „Weißt du was?! Lass mich einfach in Ruhe, ich muss jetzt nämlich weiter. Danke für deinen Besuch!" Sie zog entschlossen die Tür zu und stapfte mit großen Schritten an dem Geist vorbei. Ihr Kopf tat weh, vor ihren Augen flimmerten wütende Punkte. Sie legte sich unbewusst die Hand auf ihre Stirn und beschleunigte ihre Schritte. Sie passierte den Briefkasten mit den Dellen und verließ den Vorgarten, knallte das quietschende Gartentor hinter sich zu.

„November, warte! Da vorne ist die Straße!"

Hier ist doch sowieso nie was los, dachte November grimmig. Der Supermarkt war dort hinten, sie musste nur die Straße entlang gehen und dann um die Ecke biegen -

„November, bitte! Du bist zu jung, um zu -"

Angst stieg plötzlich in Novembers Hals, sie würgte etwas Spucke herunter, als sie plötzlich unerklärlicherweise dunkle Vorahnungen wie schwere Wintermäntel umhüllten. Wolken?! Alles schwarz-weiß?! So ein Schwachsinn! Den Kram gab es nur in den Fantasy-Roman, die man für fünfzehn Euro in der Buchhandlung zwei Blocks entfernt kaufen konnte!

„Stopp!", schrie ihr Geist, so dicht neben ihrem Ohr, dass November erschrocken aufschrie, herumfuhr und über ihre eigenen Füße stolperte: „Lass mich in Ruhe verdammt!"

Angetrieben von düsterem Adrenalin lief sie auf die Straße, ohne vorher nach links oder rechts zu sehen.
Das nächste Geräusch, was zu der lebendigen November drang, war panisches Hupen, dann schoss ein brüllender Schmerz durch ihren gesamten Körper, setzte ihre Knochen in Feuer und brachte sie zum erstarren. Sie sah zwei helle Scheinwerfer, die sich zusammen mit der gebogenen Stoßstange darunter zu einer Art lächelndem Gesicht verbanden.

Dann sah November gar nichts mehr.

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Wörter: 964
Abgabe für den Schreibaward von allaboutflorence

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