10. Kapitel

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Vor Schreck rutscht mir die Kaffeetasse aus der Hand.

Laut klirrend zerspringt sie auf dem harten Boden in ihre Einzelteile. Die Scherben spritzen herum und verteilen sich im gesamten Raum. Der Kaffee liegt in einer dunklen Lache direkt um meine Füße herum und sucht sich in den Fugen der Fliesen seinen Weg.

Eine gespenstische Stille liegt zwischen Caleb und mir, keiner von uns wagt es, zu atmen.

Es dauert, bis ich meinen Blick hebe und ihn ansehe. Er steht verkrampft und angespannt vor mir, ich kann ihm ansehen, wie schwer es ihm fällt, mich mit dieser Information zu konfrontieren. Aber er muss es tun.

„W-was?" Meine Stimme versagt, ich kralle mich mit den Händen hinter mir an der Tischplatte fest. Das muss ein Missverständnis sein. Alles andere macht keinen Sinn. Hier will mich irgendwer reinreißen und für seine Taten büßen lassen. Ich bin unschuldig, ich bin kein Mörder.

„Du hast mich schon verstanden." Calebs Stimme ist ruhig, seine Tonlage ist mir so vertraut, dass es mir selbst Angst macht. Genau so spricht er immer, wenn er sich bei einem Fall sicher ist, dem Täter gegenüberzustehen. Ruhig, aber dennoch bestimmt. Er weiß genau was er tut. Nur stehen wir beide nun auf getrennten Seiten.

Irgendwas läuft hier verdammt schief.

„Das kann nicht sein, ich habe sie nicht ermordet." Verzweifelt blicke ich meinen Kollegen an, in der Hoffnung, dass er mir glaubt. Dass er mir die Chance gibt, mich zu erklären. Aber was soll ich erklären, um mich zu verteidigen?

Ich hatte Blut an den Händen. Ich kann mich nicht an den Zeitraum erinnern, in dem Carol getötet wurde. Laut Thomas war ich schon öfter im Sunshine.

Ich bin die Verbindung zwischen den beiden Opfern. Ich muss es getan haben.

Kraftlos setze ich mich auf den knarzenden Küchenstuhl. Meine Hände zittern, als ich mir damit über das Gesicht fahre.

„Ich kann mich an nichts erinnern Caleb. An rein gar nichts. Die Beweise sprechen gegen mich, ich habe kein Alibi. Aber wieso sollte ich sowas getan haben?" Flüsternd verlassen diese Worte meine Lippen. Ich bin den Tränen nahe, meine gesamte Welt, mein ganzes Leben, liegt nun in Scherben vor mir.

Ich habe alles verloren, alles was ich mir jemals aufgebaut habe, scheint umsonst gewesen zu sein.

Für etwas, an das ich mich nicht erinnere. Wenn es wenigstens ein Fehler wäre, den ich wüsste. Wenn ich bei einem Einsatz falsch gehandelt hätte, einen Kollegen gefährdet oder ausversehen jemand erschossen hätte. Dann wäre der Fehler durch meine Hand geschehen, ich wäre dafür verantwortlich und könnte es bereuen.

Aber wie soll man etwas bereuen, an das man sich nicht erinnert? Wie soll man für etwas büßen, was man laut dem eigenen Verstand nicht getan hat? Es ist unmöglich.

„Der Alkohol, Darren. Du hast vor beiden Morden getrunken, viel getrunken."

„Vor Serenas Ermordung waren wir zusammen in einer Bar. Ich habe dort nicht viel getrunken, ihr wart dabei gewesen. Ich war nicht im Sunshine." Ich klammere mich an diesen Fakt, der mir in den Kopf schießt. Es ist meine einzige Verteidigung, die ich aufbringen kann. Der einzige Strohhalm, an den ich mich klammere.

Caleb setzt sich schräg neben mich an den Tisch und sieht mich an. „Du bist früh gegangen. Entweder warst du noch an diesem Abend im Sunshine, oder die Abende davor und hast Serena da kennengelernt. Darren, es sieht wirklich schlecht aus für dich."

Mein Kollege sieht mich traurig, fast schon etwas mitleidig an. Jahrelang konnten wir uns gegenseitig lesen wie ein offenes Buch. Wir haben uns unsere Leben anvertraut, wären für den anderen immer durchs Feuer gegangen. Und jetzt werden wir mit Gewalt auseinandergerissen.

Alles, was wir jemals dachten von dem anderen zu kennen, wird nun infrage gestellt.

„Wieso kann ich mich an nichts erinnern?" Hilflos und verzweifelt sehe ich ihn an und er seufzt.

„Das habe ich Jenna, unsere Psychiaterin auch gefragt. Ich glaube dir, dass du nichts von den Taten weißt. Sonst hättest du nicht in deinem eigenen Mordfall ermittelt."

Caleb zieht einen Zettel heraus. „Sie hat in den letzten Stunden ein psychiatrisches Gutachten von dir erstellt. Es ist nur grob, es ist nichts bestätigt, dazu muss sie erst noch ein paar Gespräche mit dir führen. Aber alles deutet auf eine Dissoziative Persönlichkeitsstörung hin."

Verständnislos sehe ich ihn an, da ich mit diesem Krankheitsbild absolut nichts anfangen kann. Caleb interpretiert meinen Blick richtig und fängt an, es zu erklären.

„Wir haben beide genug Scheiße zusammen erlebt. Wir haben Vergewaltiger festgenommen, verstümmelte Leichen gesehen. Eltern den Tod ihrer Kinder mitgeteilt und oft genug selbst jemanden in einem Einsatz töten müssen. Jeder Mensch geht anders mit solch traumatischen Erlebnissen um.

Einige kapseln sie ab, distanzieren sich davon. Haben in ihrer Realität nichts davon getan. Sie haben eine gespaltene Persönlichkeit. Die eine, die sich mit den schrecklichen Ereignissen auseinandersetzt. Diese kommt durch bestimmte Auslöser ans Tageslicht, wie beispielsweise ein erneutes Trauma, Alkohol- oder Drogeneinflüsse." Konzentriert liest Caleb diese Informationen von seinem Zettel ab, den Jenna ihm mutmaßlich mitgegeben hat.

Meine Gedanken überschlagen sich und ich versuche, das Gesagte zu verarbeiten.
„Also willst du damit sagen, dass ich eine gespaltene Persönlichkeit habe? Einmal der Darren, der ich jetzt bin? Der Ermittler bei der Polizei und einmal ein skrupelloser Mörder, der durch diese Taten seine Traumata verarbeitet?" Tonlos spreche ich meine Gedankengänge laut aus, Caleb hat mich aber trotzdem verstanden.

„Es tut mir leid", antwortet er genauso leise und ich weiß, dass er es ernst meint.

Mir schießen Tränen in die Augen und ich beiße mir verkrampft auf der Unterlippe herum. Ich bin verrückt. Ich gehöre in eine Psychiatrie und nicht auf ein Polizeirevier.

„Es tut mir wirklich sehr leid Darren, aber alle hier denken, dass du es warst. Es spricht auch alles dafür. Die Aussage von Thomas, der Alkohol, den du jeweils getrunken hattest. Du hast kein Alibi für die Zeitpunkte der Tat..." zählt er auf und ich nicke stockend. So unglaubwürdig wie es auch klingt, aber er scheint recht zu haben.

Wäre ich an seiner Position, würde ich genauso handeln wie er es tut. Alles spricht dafür, dass ich es war. Und diese verdammte Persönlichkeitsstörung sorgt dafür, dass ich mich an absolut nichts erinnere. Meine aktuelle Persönlichkeit hat auch nichts getan, sie ist unschuldig. Mein skrupelloses, anderes Ich, was scheinbar in mir schlummert, ist für diesen ganzen Mist verantwortlich.

Das ist doch unglaublich.

Zitternd strecke ich Caleb meine Hände entgegen. Ich kann ihn nicht ansehen, sondern blicke starr herunter auf den Boden, auf dem die zerbrochene Tasse liegt.

„Dann tu, was du tun musst. Verhafte mich, bevor ich noch jemanden umbringe."

Anstatt dem kalten Metall der Handschellen, spüre ich seine warme Hand auf meiner Haut. Irritiert hebe ich nun doch den Blick und sehe ihn fragend an.

„Ich muss diese Frage stellen...Aufgrund der Persönlichkeitsstörung wirst du mir keine Antwort geben können, aber ich versuche es trotzdem...scheiß Vorschriften..." Caleb ringt offensichtlich mit sich, es ist ihm verdammt unangenehm, die nächste Frage laut auszusprechen.

„Weißt du, wo du die Augen der Opfer hingetan hast?"

Ich zucke zusammen, da mich diese Frage völlig unvorbereitet trifft. An die Augen habe ich gar nicht mehr gedacht. Mir wird bei dem Gedanken schlecht, dass ich die abgetrennten Augen in meinen Händen gehalten haben soll.

Ich muss an Jeremys Theorie denken. An die zwei verschiedenen Profile des Mörders. Der Sadist und derjenige, der die Augen aus Selbstschutz entfernt hat. Scheinbar bin ich eine Mischung aus beidem.

Meine richtige Seite, also die des Polizisten, konnte diese brutale Tat nicht zulassen und hat die Opfer seelenlos werden lassen. Ein innerer Kampf gegen meine böse Seite, von der ich nicht einmal wusste, dass sie existiert.

Was logisch ist, da immer nur eine Persönlichkeit allein meinen Verstand umhüllt. In dieser Zeit ist die andere verschwunden. Und um ehrlich zu sein, habe ich Angst davor, dass meine andere Seite jemals wieder hervorkommt. Zu was bin ich wohl noch fähig?

„Nein ich weiß es nicht", antworte ich wahrheitsgemäß. „Wo hattet ihr das Messer gefunden?"

Calebs Lippen umspielt ein sanftes Lächeln. Es ist typisch für mich, dass ich selbst jetzt in dieser Situation alle Details zu diesem Fall wissen möchte.
„Am anderen Ende deiner Straße stand Sperrmüll. Du hast es dazwischen gelegt."

„Gar nicht so dumm", grinse ich leicht und er nickt.

„Natürlich nicht. So kenne ich dich." Kraftvoll zieht er mich in seinen Arm und ich sacke nun vollständig in mich zusammen.

In jedem anderen Moment wäre mir diese Nähe unangenehm gewesen, aber jetzt ist es genau das, was ich brauche.

Ein letztes Mal zeigt Caleb mir, dass er für mich da ist. Dass er immer an mich geglaubt hat und dass diese schreckliche Auflösung dieses Falls ihn ebenso mitnimmt wie mich selbst.

Ich klopfe ihm leicht auf die Schulter. „Herzlichen Glückwunsch Kollege, du hast einen der brutalsten Mörder der Stadt gefasst." Meine Stimme trifft vor Sarkasmus und Caleb löst die Umarmung und sieht mich aufgelöst an.

„Das ist nichts wert. Dafür habe ich meinen besten Freund verloren."

In seinen Augen stehen ebenfalls Tränen, während er seine Handschellen herausnimmt. Ich rücke leicht von ihm ab und halte ihm mit verschleierter Sicht meine Hände entgegen.

Ich schaffe es nicht mehr, meine Tränen zurückzuhalten. Lautlos laufen sie mir über die Wangen, wie auch das Blut bei den Opfern über ihre Gesichter lief. Das Blut, für welches ich verantwortlich war. Es ist einfach nur grausam.

Das Klacken der Handschellen besiegelt mein Urteil.

Ich bin ein verdammter Mörder. 

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