46.

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Am nächsten Morgen trabe ich müde zu dem Philosophiezimmer. Mrs. Philosophie - oder wie auch immer sie heißt - wird es nämlich bestimmt nicht so gut aufnehmen, wenn ich erneut zu spät komme und ihren wertvollen Unterricht einfach unterbreche, sodass sie viel zu früh aufhören muss, nur um mir irgendwelche Fragen zu stellen. Sie ist eben merkwürdig und dagegen kann ich auch nichts machen. Aber auf der anderen Seite liebt sie ihren Unterricht, und das sollte man schätzen. Denn das ist viel besser als bei all den anderen Lehrern, die das alles nur für Geld machen. Die kriegen nämlich auch rein gar nichts auf die Reihe.

»Guten Morgen«, reißt mich eine bekannte Stimme aus meinen übermüdeten, merkwürdigen Gedanken. Ich drehe meinen Kopf so, dass ich Shadow besser betrachten kann.

»Morgen«, erwidere ich und lächle ihn leicht an. Mein Tag ist schon ein wenig besser geworden, da ich ihn gesehen habe. Denn seine tintenschwarzen Locken und die Grübchen in seinen Wangen, kombiniert mit dem Funkeln in seinen Augen sind wirklich herzerwärmend. Er drückt mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund und verschränkt seine Finger mit meinen, was mein Herz aufgeregt flattern lässt.

»Hast du gestern Spass mit Ruby und Camila gehabt?«, will Shadow wissen, während wir die letzten paar Meter zum Klassenzimmer gemeinsam überbrücken, auch wenn wir dabei deutlich langsamer gehen als die anderen Schüler, die so früh schon hier unterwegs sind.

»Jap. Wir haben viel geredet und zwei Filme gesehen. Clueless und Girls Club. Es war witzig. Und total cool. Ich habe so etwas echt gebraucht, einfach um einmal ... einfach um einmal eine richtige Freundschafts-Feier zu haben. Weißt du? Ich meine, es gibt eine Menge Dinge, die wir bereits gemeinsam gemacht haben und sie waren alle total gut, aber ich habe so etwas gebraucht, um einfach einmal Zeit mit den beiden alleine geniessen zu können, ohne ein Ziel zu haben. Das hört sich merkwürdig an, aber es ist wahr.«

Denn dieser Abend ist wirklich wie eine Feier unserer Freundschaft gewesen. Er hat gezeigt, dass ich den beiden vertrauen kann. Dass ihnen etwas an mir liegt und dass wir unsere Zeit miteinander geniessen. Und nach all meinen gescheiterten Freundschaften ist das wirklich eine wichtige Sache für mich gewesen, auch wenn ich das zuvor gar nicht realisiert habe.

»Das hört sich toll an«, meint der Prinz und hält mir die Tür mit seiner freien Hand auf, sodass wir beide eintreten können. Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht ganz so bescheuert zu grinsen, weil nur schon diese Geste zeigt, wie aufmerksam Shadow ist und wie automatisiert wir miteinander umgehen, ohne es im Vornherein zu bemerken.

Dann erzählt er mir von seinem Abend, der seiner Meinung nach eher langweilig und eintönig gewesen ist, nachdem er mit Ed zu Abend gegessen hat und dann nach Hause gegangen ist, damit sich sein Vater keine Sorgen um ihn mehr machen muss. Diese Vorstellung will sich in meinem Kopf zwar nicht so richtig zusammen setzen, aber ich habe ja auch nur wenige Eindrücke von Shadows Dad und diese sind alle nicht so unglaublich gut. Ich weiß schlussendlich ja nicht, was da genau bei ihm Zuhause abgeht und ich weiß noch weniger, wie sich Shadows Vater benimmt, wenn sie alleine sind.

»Guten Morgen«, trällert Jane, die in diesem Fach zwischen uns sitzt, nervigerweise gut gelaunt. Ich meine, ich habe nichts dagegen, wenn es anderen Menschen gut geht, aber das heißt noch lange nicht, dass ich sie gerne schon um diese Zeit ertrage. Das tut wahrscheinlich sowieso keiner, aber ja. Sie hat es sich auch selbst verbockt.

Da Shadow allerdings weniger unhöflich ist als ich, nickt er ihr freundlich zu, während sich unsere Finger voneinander lösen, damit wir uns setzen können. Die Wärme, welche von ihm ausgegangen ist, mag damit vielleicht verschwunden sein, aber das angenehme Kribbeln auf meiner Haut ist es ganz bestimmt nicht. Ich lächle in mich herein und beginne, mein Stiftmäppchen und einen Block auszupacken. Es kann ja kaum schaden, sich einmal vorzubereiten.

Wenige Sekunden später ist auch schon Mrs. Philosophie eingetrudelt und hat alle Anwesenden, was ungefähr die Hälfte der Klasse ist, mit einem flüchtigen ›Hallo‹ begrüsst. Vereinzelt erhält sie sogar einen Gruß zurück, was sie allerdings ignoriert, während sie stattdessen das Thema der heutigen Lektion an die Tafel schreibt. Dass dabei das kleine Stück Kreide unangenehmer quitscht als sonst immer, während sie Stichworte notiert, wird mit einheitlichem Zusammenzucken quittiert. Es ist immerhin die erste Stunde und eigentlich sind ja alle müde oder gar noch nicht richtig wach, was unangenehme Dinge unangenehmer werden lässt.

Als sie sich umdreht und schliesslich ein wenig nach links bewegt, kann ich auch endlich das Thema lesen. ›Vegebung und Vergeltung‹ steht da in ihrer säuberlichen Schrift geschrieben.

»Heute befassen wir uns einmal wieder mit einem im Kasten vorgeschlagenen oder besser gesagt gewünschten Thema«, beginnt sie ihre gewöhnliche Anfangsrede. Die ersten zehn Minuten spricht sowieso immer nur sie, damit wir eine Einführung haben oder unsere Meinungen oder Gefühle mit den anderen teilen können.

Heute wird das wahrscheinlich nicht so sein, da es ein Wunsch aus dem Kasten ist. Der Kasten ist eine kleine Box im Sekretariat, welche unsere Lehrerin aufgestellt hat. Dort kann man Zettelchen einwerfen, wo man Probleme oder Sonstiges anonym aufschreiben kann, damit wir sie dann im Unterricht besprechen. Anfangs haben wir das nie gebraucht, doch irgendwann hat sich jemand gewagt und einen Zettel eingeworfen. Irgendwann haben sich dann schliesslich immer mehr getraut und mittlerweile machen wir immer einmal wieder so einen emotionalen Exkurs.

Mrs. Philosophie meint nämlich, dass das eine wichtige Sache sei und auch wenn ich das vermutlich nie offen gestehen würde, stimme ich ihr dabei zu. Es ist einfacher über Dinge zu sprechen, mit denen man selbst konfrontiert wird und nicht nur irgendwas, das man in irgendwelchen langweiligen, Jahrhunderte alten Büchern liest.

»Vergebung und Vergeltung sind beides Dinge, mit denen wir sehr oft konfrontiert werden. Beide Dinge können uns verändern oder unsere Charakterzüge zeigen. Vergebung mag vielleicht eher als Charakterstärke angesehen werden, aber das heisst noch lange nicht, dass es immer der Weg ist, den wir selbst wählen.«

Mrs. Philosophie verbindet ihren Laptop mit dem Beamer, sodass auf der Leinwand ihr Bildschirm abgebildet wird.

Vergebung ändert nie
deine Vergangenheit,
aber bereichert deine
Zukunft.

- Japanische Weisheit -

»Aber genau weil Vergebung der schwierigere Weg von beiden ist, werden wir uns heute ausführlicher damit befassen. Reaktionen auf Fehlverhalten können je nach Situation unterschiedlich ausfallen. Vor allem, wenn man keine Entschuldigung erhält.«

Mrs. Philosophie macht den Beamer wieder aus - natürlich hat sich die ganze Anstellaktion für dieses eine Zitat gelohnt - und sieht und erwartungsvoll entgegen.

»Wir werden heute in Zweiergruppen die beiden Dinge besprechen. Ihr könnt frei arbeiten, ich habe euch ein Arbeitsblatt mit Fragen vorbereitet, allerdings müsst ihr nichts aufschreiben. Solche persönlichen Dinge und Entscheidungen sollt ihr momentan nicht aufschreiben, denn es ist mir wirklich wichtig, dass ihr heute Zeit habt, euch zu unterhalten und einmal nicht von mir beeinflusst seid oder nur etwas notiert, von dem ihr denkt, dass es mir gefällt.«

Sie holt tief Luft und ich mache es ebenfalls. Ich weiß nicht so recht, was ich von dem heutigen Thema halten sollte. Vor allem nicht, wenn ich mit irgendjemandem über meine Gefühle sprechen soll und dabei eigentlich keine Ahnung habe, was ich von beidem halte. Es kommt eben immer ein wenig auf die Situation und das Umfeld darauf an.

»Und daher habe ich auch schon Gruppen gemacht. Uns Lehrern fallen mehr Unstimmigkeiten auf, als ihr Wissen mögt. Es ist vielleicht wichtig für einige von euch, sich einmal austauschen zu können, auch wenn es eher unfreiwillig verläuft.«

Mrs. Philosophie zieht irgendein Blatt aus ihrem undefinierbaren Stapel hervor und räuspert sich dabei, während ich ihre Worte noch verarbeite. Sie wählt? Ich meine, wieso? Was soll sie schon wissen von unserem Leben? Ich meine, sie ist Lehrerin, schon klar, aber die merken doch meistens sowieso nicht viel.

Doch natürlich muss ich mich in dem Punkt täuschen, als ich höre, wie sie meinen Namen aufruft. Und als ich höre, mit wem sie mich zugeteilt hat.

Uuuuuund vielleicht kommt ein wenig Drama...

Wen hat Mrs. Philosophie wohl mit Hope in eine Gruppe getan 🤔?
Lasst mich eure Meinungen gerne in den Kommentaren wissen ☺️!

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