Prolog

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DAS SILBERNE LICHT des Vollmondes glänzte auf der stillen Oberfläche eines breiten Sees. Dicht an dicht gereiht umringten ihn dunkle, mächtige Bäume, deren Wipfel sanft im Wind tanzten und immer wieder von hellen Strahlen durchdrungen wurden. Glänzende Tupfen trafen dabei auf eine Kreatur, die sich mit ihren gefleckten Federn im Geäst verborgen hielt.

,,Die Nacht ist ruhig", flüsterte die Stimme, der dieses Gefieder gehörte. Sie lehnte sich aus den Schatten in das Licht hinein und entblößte einen kräftigen, gebogenen Schnabel, dem ein Kopf mit weißen Federn folgte. Ihre hellen Augen musterten sorgfältig den dunklen Wald vor sich. Nicht auch nur die kleinste Bewegung hätte ihrer Wachsamkeit entkommen können.
Noch ein weiterer Schritt zur Seite und der große Vogel stand vollends mit dem Rest seines Körpers im Licht. Dem weißen Kopf folgte ein rotbraunes Gefieder und kräftige Zehen, die den breiten Ast unter sich umklammerten.

,,Es ist zu ruhig", flüsterte ein zweiter Vogel, der unwohl seine Federn aufgeplustert hatte. ,,Etwas stimmt nicht. Wo sind die Wachen?"
Die beiden wechselten besorgte Blicke und sahen sich ein weiteres Mal um. Für gewöhnlich wimmelte es hier von ihren Artgenossen, aber in dieser Nacht war alles anders. Keiner war dort. Die sonst so belebten Baumwipfel waren wie leergeweht. Auch die leichte Windbrise, die die beiden umgeben hatte, hatte nachgelassen. Es wirkte beinahe, als wollte der Wald ihnen sagen, dass sie an diesem Ort nicht willkommen waren.

,,Vielleicht verstecken sie sich vor etwas", murmelte der kleinere der beiden Vögel, was der andere mit einem leisen Brummen beantwortete.
,,Wir sollten sie bei ihrem Hauptbaum suchen, womöglich finden wir dort Hinweise."

Ohne auf seinen Weggefährten zu warten, breitete der größere Vogel seine mächtigen, schmalen Schwingen aus und stieß sich vom Ast ab. Mit einem graziösen Flügelschlag stürzte er sich in die Lüfte und segelte durch die dichten Baumkronen hindurch. Die Blätter zitterten, als er an ihnen vorbeiflog und hinterließen ein sanftes Rauschen im Wind. Obwohl der Frühling bereits eingesetzt hatte, war dieser Teil des Waldes eiskalt. So kalt, dass der Milan dachte, seine Flügel würden auf dem Weg zum Ruheplatz seiner Nachbarn gefrieren.

Der Wald verdichtete sich an einigen Stellen und ließ das Mondlicht nur fahl zwischen den Ästen hindurchscheinen. Karg und leblos ragten die Zweige der Bäume aus den geisterhaften Nebelschwaden unter ihnen und verliehen dem Ort eine furchterregende Atmosphäre.
Es musste hier etwas passiert sein. Etwas Schreckliches!

Ein kurzer Blick nach hinten verriet dem Milan, dass sein Artgenosse ihm folgte. Die Anmut, mit der sie über die Landschaft segelten, verriet nichts von ihrer Sorge. Wachsam hingegen zuckten ihre Köpfe dabei von der einen Richtung in die andere, in der Hoffnung, ein bekanntes Gesicht unversehrt zwischen den Bäumen erblicken zu können. Doch im Wald regte sich nichts. Es war schon unheimlich, fast als hätte es dort nie Leben gegeben.

Eine Weile verging, ohne dass sich auch nur die geringste Spur eines weiteren Vogels offenbarte. Die Nebelschwaden am Boden verdichteten sich zunehmend und machten eine klare Sicht bald vollkommen unmöglich. Doch endlich wurden die Bäume weniger.

Der Wald lichtete sich.
Die Herzen der beiden Milane begannen in einem schnellen Rhythmus zu klopfen und ließen ihr Blut voll angespannter Erwartung durch ihre Adern rauschen. Ein Kribbeln kroch von ihren Zehenspitzen bis hin zum gebogenen Ende ihrer Schnäbel und wich einem unwohlen Gefühl, das mit jedem Flügelschlag stärker wurde.

Unter den Fluggefährten tat sich nun eine große Wiese auf, die vom silbernen Mondlicht geflutet war. Von dort strömten die verschiedensten Gerüche herauf, doch etwas stach dabei besonders hervor. Es war ein übler Geruch, der in den Nüstern der beiden Milane brannte. Sie konnten nicht ausmachen, woher der Gestank kam oder was ihn verursachte. Erst als einige Flügelschläge später der große Nistbaum aus den dichten Nebelschwaden auftauchte, konnten sie es erahnen.
Der größere Milan tauschte einen entrüsteten Seitenblick mit seinem Weggefährten, der ihm mit einem Paar trauriger Augen entgegenblickte.

Völlig zerrissen und verstreut hingen die Reste der Nester, die sonst so ordentlich zwischen den Zweigen verflochten waren, in der Baumkrone. Äste waren teilweise oder gänzlich abgebrochen, Blätter eingerissen und Kratzspuren befanden sich fast überall am Baum.
Die beiden Milane landeten auf einem noch stabil wirkenden Ast und sahen sich entsetzt um.

,,Was ist hier passiert?" Die Stimme des kleineren Milans klang traurig. Sorgfältig musterten seine hellen Augen die verwüstete Umgebung um sich herum. Er plusterte sein Gefieder auf und schüttelte beim Anblick des Baumes sachte den Kopf. Verständnis für das, was er sah, hatte er nicht. Zu großes Entsetzen hatte sich dafür in ihm ausgebreitet.
,,Sie wurden gejagt", antwortete ihm der größere Vogel mit beinahe tonloser Stimme. Bei all den Spuren war es für ihn offensichtlich, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte und nur Jäger dies verursacht haben konnten.
,,Aber wer würde so etwas tun? Und warum ausgerechnet sie? Wie konnten wir davon nichts mitbekommen?!"
,,Ich weiß es nicht." Traurig ließ der große Milan den Kopf hängen. ,,Ich sehe nur, dass sie weg sind."

Betretenes Schweigen trat zwischen den beiden ein. Es gab nichts, das man noch hätte sagen können. Ihre Artgenossen waren weg. Gejagt, vertrieben und getötet.
Eine vorbeiwehende Windbrise trug den Gestank von getrocknetem Blut und den bitteren Geruch des Todes mit sich und malte den beiden Vögeln das entsetzliche Geschehen so sehr aus, als wären sie selbst dabei gewesen. Verlassen allerdings saßen sie dort, inmitten der Äste einer alten, verwüsteten Buche; die Federn vor Entrüstung aufgeplustert. Ein kalter Schauer zog mit dem Wind an ihnen vorbei. Die Bäume um die Lichtung herum begannen in dieser Brise zu flüstern. Knarrend stimmte die Buche in das Geflüster mit ein. Es wirkte, als wollte der Wald seine Trauer den beiden Greifvögeln mitteilen.

Und plötzlich war da etwas. Ein Geruch, der unter dem üblen Gestank von Blut und Tod nur schwer zu vernehmen war. Der größere Milan drehte den Kopf, um die Quelle des Geruchs ausfindig machen zu können. Erst erkannte er nichts. Die Spur verebbte im Gestank und machte es ihm schwer, etwas zu finden. Doch dann erspähten seine scharfen Augen etwas zwischen den zerbrochenen Ästen.
Es war ein fast intaktes Nest!

,,Sieh nur!", flüsterte er seinem Gefährten zu. Dieser hob den Kopf und sah sich ebenfalls um, bevor er das Nest entdeckte und mit einigen geschickten Sprüngen zu diesem kletterte. Dort angekommen blickte er mit großen, runden Augen auf die verflochtenen Zweige hinunter und verharrte dort wie versteinert.
,,Was siehst du?"
Sofort machte sich Neugier im größeren Milan breit und verdrängte den Kummer über die Verwüstung. Mit kräftigen Flügelschlägen schnellte er zum Nest, in der Hoffnung, eine Spur seiner verschwundenen Artgenossen zu entdecken. Doch als er dort ankam und hineinsah, war dort etwas, das ihm die Sprache verschlug. Mit gestocktem Atem ließ der Milan seinen Kopf sinken und spürte, wie ihm mit einem Mal ganz warm ums Herz wurde.

Vor ihm lag ein völlig unberührtes Ei inmitten von zerbrochenen Schalen und ausgerupften Federn. Nicht einmal einen Kratzer hatte es.
Liebevoll blickten die beiden Milane auf das Ei hinab und vergaßen dabei das Chaos um sich herum. Alle Sorgen und jeglicher Kummer waren wie weggefegt. Für einige Momente verharrten die beiden Vögel einfach nur reglos vor dem Nest und starrten das Ei verträumt an. Nach einem langen Schweigen jedoch unterbrach der kleinere Milan die Stille und hob hektisch den Kopf.
,,Wir sollten es mitnehmen und zu den Kronen bringen", murmelte er. ,,Hier draußen, so ganz allein, wird es nicht überleben und ich denke nicht, das irgendjemand noch zurückkommen wird, um nach dem Ei zu suchen."

Sein Weggefährte nickte zur Antwort, ohne den Blick von dem Ei zu lösen. Wortlos begann der große Vogel zu grübeln, wie er das Ei wohl am besten transportierte. Aber er fasste einen kurzen Entschluss und verlagerte sein Gewicht auf die Seite, um seinen Fuß ausstrecken zu können. Mit seinen Zehen griff er behutsam in das Nest hinein und umschloss das Ei mit den langen Krallen. Die weiche Schale fühlte sich unglaublich warm an und für einen Moment glaubte der Milan sogar, einen schnellen Herzschlag spüren zu können. Fast wie in Zeitlupe nahm er das Ei aus dem Gestrüpp, bevor er seine Flügel ausbreitete und sich nach einem kurzen Balanceakt vom Ast in die Luft fallen ließ. Der andere Milan sah ihm hinterher, sprang ebenfalls vom Ast ab und folgte ihm augenblicklich. Mit kräftigen Flügelschlägen holte er zu seinem Weggefährten auf und blieb dicht hinter ihm, um das Ei nicht aus den Augen zu verlieren.

Im ruhigen Segelflug machten sich die beiden schließlich auf den Heimweg, ohne auch nur ein einziges Mal auf den verwüsteten Baum hinter sich zurückzublicken. Auf den kalten, leblosen Ort mit den unheimlichen Nebelschwaden. Das war nun nicht mehr wichtig. Es zählte einzig und allein das Ei... und dessen Sicherheit.

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