249-Vier Minuten vor Sieben

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Es trifft dich wie ein harter Schlag, wie gegen einen Sandsack, wenn die Zeit mit einem Mal wieder langsam läuft, sozusagen steht und du plötzlich keinen Sinn mehr in deinem Leben siehst. Es trifft dich unsanft, unerwartet und hart, mitten ins Gesicht!

Das gesamte Wochenende weinte ich bitterlich durch, umklammerte zitternd, schwach Ethan oder Nathans Arm, da sie meinen einzigen Halt darstellten. Zwei Tage lang verbrauchte ich fast den gesamten Taschentuch bestand, sowie alle vorhandenen Teebeutel. Zwei Tage lang zerbrach ich mir den Kopf über eine endlose Liste an Fragen.

Wieso verließ Harry mich? Wieso verspüre ich solch einen großen Schmerz? Wieso musste er so gehen? Warum erzählt er mir all diese Dinge in einem Brief? Wieso muss alles sinken, auf der Skale nach unten verlaufen, direkt in den Sand? Wie soll ich weitermachen, wenn es dafür keinen Grund mehr gibt?

Keine Frage erhielt eine Antwort, weswegen ich nach einer Stunde Denke erneut, gestern Abend im Bett, zu weinen begann, wahrscheinlich einen großen Fleck auf Ethans Shirt hinterließ. Er nimmt es mir nicht übel.

Samstag sah trostlos aus. Draußen hingen die Wolken tief, alles war dunkel und verregnet. Laut prasselte der Regen den gesamten Tag über gegen die Fenster, rauschte durch den Straßen und dieses Geräusch durch meinen Kopf. Der Wind pfiff durch die schwankenden Äste der wenigen draußen gepflanzten Bäume, brachte die alten Straßenlaternen zum Wackeln.

Sonnenschein gab es nicht. Keine Wärme, kein Licht.

Tagsüber lagen wir entweder im Bett, wo ich weinte oder müde gähnte, oder wir befanden uns im zugezogenen Wohnzimmer auf der kleinen Couch. Mit einem Mal erscheint sie mir so winzig, als hätten Harry und ich niemals rauf passen können. Doch wir taten es. Morgens weigerte ich mich etwas von Nathans Frühstück zu nehmen, aß ebenfalls keinen Bissen zum Mittag, geschweige denn zum Abendbrot.

Mir fehlt seit Tagen der Appetit. Auf Alles!

Immer besorgt, unwohl musterte Nathan mich, wenn ich auf sein Bitten und Betteln den Kopf schüttelte, oder den Teller wegstellte. Ethan hielt mich die gesamte Zeit fest in seinen Arm, versuchte mich durch Worte aufzubauen, in denen er mich immer an unsere alte Schulzeit erinnerte.

Er konnte lachen, ich nicht.

Er schnaubte wütend bei den Erinnerungen an die Footballmannschaft, ich nicht.

Er schwelgte verträumt in Gedanken an den Beginn seiner Beziehung mit Nathan, ich nicht.

Ich saß immer nur daneben, kontrollierte mühselig meine Atmung, starrte schwach, müde gerade aus. Schlafen hatte ich in der Nacht von Freitag nicht, wiederholte im Dunklen immer wieder die Worte aus dem Brief.

Meinen beiden Freunden raubte ich wahrscheinlich, mit meinem Schluchzen und Wimmern, den Schlaf, hielt sie wach, was sie mir jedoch nicht zeigen wollten und sich deshalb am Morgen mit Kaffee vollpumpten.

Dadurch stieg in mir die Erinnerung an den Mann auf, der mehrmals die Maschine meiner Mom reparierte. Der Beginn von Etwas, das er scheinbar nie wirklich wollte und sich trotzdem -wie er es schrieb- verliebte, dies dann aber doch als falsch ansieht.

Genau wegen solchen Dingen verstehe ich ihn nicht, begreife die Worte nicht, fühle mich nur verletzt.

Samstagabend konnte ich erneut nicht schlafen, weinte so grässlich gedämpft in den dicken Stoff des Kissens, der einen Hauch von Lavendel besaß und dann doch wiederum nicht. Ich wurde fast verrückt, spürte nach einer Weile das Brennen in meinen gereizten Augen.

Nathan blieb die meiste Zeit mit mir wach, strich über meinen Rücken, bis ich vielleicht zehn Minuten schlief, worauf er einschlief. Er hatte Hoffnung geschürt, was ich ihm niemals verwehren würde, denn ich bin anstrengend.

Doch ich wachte nach diesen zehn Minuten wieder auf, krabbelte aus dem Bett, barfüßig ins Wohnzimmer, wo ich ein Fotoalbum aus dem kleinen Schrank zog, mit diesem, einer Tasse kalten Tee vom Vortag und Taschentüchern auf der Couch Platz nahm, eine Decke über meine nackten Beine.

Bilder von mir als Baby sah ich mir an, wie ich damals noch ruhig, lachend und unbeschwert lebte, nicht erwartete, dass mich niemand im Kindergarten mögen würde -geschweige denn in der Schule. Ich verlor nie Gedanken daran, dass ich für andere Kinder etwas Schlechtes sein würde. Dad spielte häufig mit mir im Garten, wo ich auf zum ersten Mal lief, bevor ich hinfiel, meine Babyhose mit grünen Grasflecken verschmutzte. Im Garten sprach ich auch mein erstes Wort, brabbelte ein 'Rose' vor mich hin, worüber meine Mom sich freute, da sie mit Absicht immer eine dieser Blumen vor meine Nase hielt und mich aufforderte: "Honor, sag mal Rose."

Genau diese rote Rose presste sie mit Zeitungspapier und Büchern, ehe sie in mein Fotoalbum geklebt wurde.

Eine Nacht lang saß ich auf der Couch, las die Texte meiner Mutter, die sie voller Stolz und Freude schrieb. Auch Mutterglück hörte man immer wieder mit aus den Worten heraus, was in mir die Frage aufkommen ließ, ob ich jemals Kinder haben werde.

Am Sonntagmorgen bot Nathan mir erneut Frühstück an, welches ich dieses Mal wiederwillig annahm. Ich wollte den beiden keine großen Umstände machen, mich irgendwie -wenn auch schlecht- dafür bedanken, dass sie solange für mich da sind. Nicht viele Menschen tun dies. Das warme Brötchen rupfte ich auseinander, schob mir immer kleine Stückchen in den Mund, die ich wie Kaugummi kaute.

Schlucken schmerzte in meinem gereizten, rauen Hals, während ich schon mit dem wenigen Sonnenstrahlen von draußen kämpfte. Ein wenig schien die Sonne am Sonntag dann doch, weswegen Ethan leicht motivierend meinte: "Siehst du, auch die Sonne kommt irgendwann wieder", wozu er einen Arm liebevoll um mich legte.

Dieser Tag zog sich hin, da wir ihn erneut mit quasi Nichts verbrachten.

Ich weinte viel, nahm ein Bad in meiner Kleidung, wobei Ethan mich beobachtete, mir irgendwie half. Er wollte mich einfach nicht alleine lassen, jedoch auch nicht in einen Bikini quälen, weswegen wir es so machten. Lange hockte ich in dem Wasser, weinte, schruppte mir über die Arme, wollte den Schmerz von meinem Körper waschen. Gelingen tat es mir nicht.

Solange saß ich in dem Nass, bis die Kälte mich wieder einnahm. Der Braunschopf half mir achtsam aus der Wanne, führte mich ins Schlafzimmer, wo ich in bequeme, lockere Kleidung schlüpfte, ehe wir drei bis zum Abendbrot nur im Bett lagen, darüber leicht sprachen, ob ich heute wieder zur Uni sollte.

"Du darfst dich nicht runterkriegen lassen", meinte Ethan energisch und mir gleichzeitig versichernd, dass er mich nicht alleine lassen wird. "Bitte, Rub."

"Ich-ich weiß nicht", konnte ich nur sehr unsicher antworten. Mir gefiel diese Idee nicht.

"Doch. Ethan ging auch damals zur Schule, als unsere Affen ihn so sehr beleidigten! Erinnerst du dich?" Nathan mischt sich nun ebenfalls ein, stupst mich liebevoll von der Seite an, worauf ich leider ehrlich nicken muss. "Also gehst du auch und wir werden an deiner Seite bleiben."

Auf Grund dieses Entschlusses konnte ich eine weitere Nacht nicht schlafen, stehe nun vor meinen Schrank, den traurigen, einsamen Blick auf die Digitaluhr gerichtet. Vier Minuten vor Sieben.

Es hilft alles nichts, weil Nathan und Ethan streng, strikt und stur sein können, wenn es um Themen wie Stärke zeigen geht. Nathan diskutierte einmal fünf Stunden lang mit seinem jüngeren Freund, ehe dieser nachgab. Und bei Ethan sieht es leider nicht anders aus, weswegen ich schon verloren habe.

Ein Blick in den Spiegel reicht und ich sehe die Auswirkungen Harry, die er ohne Anwesenheit innerhalb von weniger als drei Tagen anrichten konnte.

Rote, gereizte Augen, trockene, spröde Lippen und einen zusammengezogenen Körper. Zerzaustes Haar, trockene Haut, Rötungen im gesamten Gesicht. Die Jogginghose hängt wie ein nasser Lappen an mir und ich empfinde mich selber als unausstehlich, da ich scheußlich aussehe.

Am liebsten würde ich sofort wieder weinen, mich unter der Decke verstecken, wenn nun nicht Ethan neben mir erscheinen und mich an die Hand nehmen würde. "Keine Angst", säuselt er, mich zum Bett führend, wo er mich auf die Matte drückt, auf der ich sitzen soll. "Lass mich einfach arbeiten, während Nathan kocht."

Mir auf die Unterlippe beißend, meine Hände gefaltet, nicke ich unwohl, nachdenklich, während er aus einem kleinen Täschchen Schminke zieht. Mit Pinseln, Puder, Lippenstift und Mascara schmiert er in meinem Gesicht rum, wischt manchmal etwas mit einem Tuch weg oder mit etwas das aussieht, wie ein Stäbchen für die Ohren. Doch er geht damit unter mein Auge.

Bestimmt eine halbe Stunde lang sitze ich auf meinem Bett, lasse meinen besten Freund machen, bis er nur mit meinem Gesicht fertig ist, sich nun an meine Haare macht, die er kämmt. Immer wieder ziept es oder schmerzt stark, da meine Haare in den letzten Tagen eine Katastrophe darstellten.

"Fertig", meint er dann aber befreiend nach bestimmt fünfzehn Minuten und zieht mich mit sich vor den Kleiderschrank, wo ich mich im Spiegel mustere, skeptisch betrachte, während er schon nach Kleidung sucht. "Eine Jeans und den Pulli. Mehr nicht."

Mir die Kleidung reichend, kurz aufmunternd lächelnd, teilt er mir mit: "Ich bin in der Küche", bevor er den Raum verlässt, zu Nathan geht.

Dieser ganze Plan erscheint mir nicht richtig.

Die Idee in die Uni zu gehen, dort womöglich auf Harry zu treffen oder nur einen Kommentar von Charlotte zu hören, da jeder schon weiß, dass es kein Harry und Honor mehr gibt. Ich habe Angst, ziehe mir zitternd meine Kleidung an, schlüpfe quälend in die Jeans.

Mit einem sehr mulmigen, unguten Gefühl gehe ich in die Küche, nehme schweigend am Tisch Platz, meine beiden Freunde beobachten, die sich an der Theke küssen. Seit vier Jahren sind sie nun schon zusammen und ich bewundere sie so sehr dafür.

Wie Nathan Ethan umarmt, mit seinen Händen über den Rücken des Jüngeren gleitet, er ihn vor allem Bösen beschützt. Wie Ethan sich Nathan hingibt, ihn manchmal nervt und doch immer wieder liebt. Wie die beiden sich gegenseitig vertrauen, akzeptieren und unterstützen. All diese Dinge liebe ich an ihrer Beziehung.

Und all diese Dinge -und weitere- vermisse ich nun in meinem Leben.

Harry ist weg.

Er wird nicht mehr morgens mit mir gemeinsam frühstücken, die Brötchen aufbacken, mich durch seine raue Stimme und die kleinen Bartstoppeln wecken. Er wird einfach nicht mehr anwesend sein. Ich muss alleine und pünktlich wach werden, die erdrückende Stille in der Küche ertragen und kann nicht zur Uni gefahren werden.

So vieles ändert sich mit einem Mal und...

"Hey, nicht weinen. Du machst doch sonst meine Arbeit kaputt." Sofort kommt Ethan auf mich zugelaufen, als er mich schluchzen hört, zieht mich in seine Arme, hält mich davon ab zu weinen und so bescheuert seine harte Arbeit zu zerstören. "Alles wird gut, Rub! Glaube mir."

"Ich kann das nicht", weine ich, eine Strähne aus meinem Gesicht wischend. "Was, wenn ich ihn sehe? Wenn er mir über den Weg läuft? Das geht nicht!"

"Honor", seufzt Nathan, meinen Teller mit dem Frühstück vor mir abstellend. "Du siehst mega aus, mit dem bisschen Make-Up. Okay, dir steht dieser natürliche, trotzdem neue Look und wir sind bei dir. Wenn Harry dir wirklich über den Weg läuft, dann nimmst du den Kopf hoch und ignorierst ihn arrogant. Damit er sieht, wie weniger er dir noch bedeutet."

"Er bedeutet aber mein Leben", entgegne ich sofort, total bestürzt von seiner Aussage.

"Wir zeigen ihm aber ein Gegenteil!"

Mir fällt dies so schwer. Doch ich beginne zu essen, schaue immer wieder hilfesuchend zu Ethan oder Nathan, die mich aufmunternd und beruhigend anlächeln. Wir essen eine Weile, bis die beiden sich schnell fertig machen, dann im Flur auf mich warten.

"Zieh die Jacke an", meint Ethan, mir eine olivfarbene Jacke reichend, die etwas dicker ist. "Und deine Vans."

Wie er es mir sagt, ziehe ich die Jacke und Schuhe an, mache mir darüber keine großen Gedanken, da er mehr Ahnung als ich von so etwas besitzt. Mir gefällt es nur gar nicht, dass ich zur Uni muss, die beiden nicht mit sich reden lassen und die Gefahr besteht, dass ich Harry nach drei Tagen wiedersehe.

Was wenn alle anderen wissen, dass er Schluss gemacht hat? Was wenn sie lachen und sagen werden, dass sie dies von Anfang an ahnten?

Ich will das nicht!

Mit zitternden Fingern schließe ich die Wohnung ab, meinen von Ethan gepackten Rucksack auf dem Rücken und einem sehr unwohlen Gefühl im Magen. Meine Wangen glühen und mein Hals fühlt sich ganz trocken an, als wir runter gehen, uns auf den Weg zur Uni machen, der nicht lange dauert.

Die letzten zwei Tage schleppten sich elendig lang hin, ließen mich leiden und nun erreichen wir die Uni in einer Rekordgeschwindigkeit.

Genauso erschrocken und unerwartet trifft mich erneut der Schlag ins Gesicht, wie bei dem Thema Zeit, als ich durch den Park der Uni blicke, bei einem Punkt stoppe, der mir den Atem raubt.



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