291-Kaktus

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

"Geht es dir denn gut, mein Schatz?", erkundigt meine Mutter sich bei mir durch den Hörer. Sie klingt besorgt, was ich verstehen kann, nachdem ich ihr mitteilte, eine Menge mehr nun über Harrys Vater zu wissen. Wenn auch nicht alles.

Sie rief vor einer halben Stunde bei mir an, um nochmals über die Geheimnisse und Missverständnisse zu reden. Mom mag es nicht, wenn in unserer Familie dicke Luft herrscht, weswegen sie erneut mit mir diese Dinge besprechen möchte. Und ich mag Streit und ein Gefühl von Misstrauen zu meinen Eltern oder Großeltern ebenfalls nicht.

"Mir geht es gut, ja. Mom, bitte", antworte ich ihr ehrlich auf diese Frage. "Harry hat einen Plan."

Bei diesen Worten ertönt ein scharfes Einziehen der Luft, bevor ich die Frauenstimme meiner Mutter nuscheln höre: "Er hat einen Plan."

"Ist Dad etwa auch da?" Die Augen verdrehend und lauschend, verfolge ich, wie die zischenden Stimmen an der anderen Seite erklingen, meine Eltern miteinander diskutieren. "Mom, ich kann euch hören!"

In den letzten drei Jahren passierte es häufig, dass einer der beiden bei mir anrief und der andere heimlich im Hintergrund lauschte. Mir fiel dies eine Zeit lang nicht auf, bis sie sich durch Rascheln und besorgte Anweisungen meiner Mom verrieten.

"Hallo Schatz", meldet sich mein Vater zu Wort.

"Hi, Dad", seufze ich als Antwort.

Mom scheint so unruhig zu sein, so dass sie sofort wieder spricht, kaum dass wir einen Satz wechseln konnten. "Also, erzähl mal. Worum geht es in Harrys Plan!" Man hört die Neugier und die Gier, weil sie wissen möchte, wie Harry nicht nur sich selbst, sondern auch mir helfen möchte.

Es geht hierbei um eine Menge.

"Das weiß ich nicht genau, Mom", muss ich aber leider zugeben, da der Mann mir noch rein gar nichts, nicht einen Punkt seines Plans verriet. Anne kennt ihn, aber ich besitze keinen blassen Schimmer darüber.

Findet es bald statt? Wo und wann genau? Was wird Harry tun? Was werde ich als Aufgabe zugewiesen bekommen? Sind meine Eltern oder jemand anderes durch den Plan gefährdet? Wird es gut enden? Was, wenn Harry sich in Gefahr begibt?

Tausende Fragen schwirren nun wieder durch meinen Kopf, auf die ich gerne eine Antwort bekommen würde. Jedoch befindet der Lockenkopf sich gerade bei seinem Nachbarn, von dem ich ihn erst in einer halben Stunde abholen soll.

Es gefiel im ganz und gar nicht, dass er dem alten Herren helfen soll, doch irgendwann verließ er, nachdem ich erneut mit ihm diskutieren musste, die Wohnung. Vorher klärten wir noch, dass ich ihn gegen halb zwölf abholen und danach zusammen essen gehen werde. "Irgendwo", meinte er zu mir. "Irgendwo, wo es schön ist und ruhig."

Die Idee mochte ich, worauf ich sofort zusagte. "Eine Art Date, nach diesen grauenvollen Jahren", scherzte Harry dann noch, ehe meine Wohnungstür ins Schloss fiel.

"Mom?", wecke ich nun wieder die Aufmerksamkeit meiner Mutter, muss dieses Gespräch langsam beenden. Ein wenig tue ich dies auch, da ich ihre Fragen nicht beantworten kann und sie damit nur verunsichern würde. "Wir können ein anderes Mal weiter telefonieren."

"Musst du schon Schluss machen?"

"Harry und ich treffen uns gleich zum Essen und davor will ich mich etwas frisch machen", erkläre ich ihr, einen Blick zu dem Thermometer an dem Küchenfenster werfend. "Draußen herrscht eine riesen Hitze."

"Ja, bei uns sind es schon sechsundreißig Grad", teilt sie mir mit, verabschiedet sich dann von mir. "Pass bitte auf dich auf, mein Schatz", ertönt es noch, ehe ich auf den roten Hörer drücke und auflege.

Das Geschirr von dem Frühstück steht immer noch auf dem Tisch, die schmutzige Pfanne auf dem Herd und der Kaffee in Harrys Tasse sieht aus, als würde er anfangen sich abzusetzen. Meine Blumen in der alten Glasvase lassen die Köpfe hängen und auf dem Fußboden liegen überall Brötchenkrümmel verteilt.

Man muss hier unbedingt mal aufräumen, jedoch verspüre ich keine große Lust dazu. Harry werde ich ebenso nicht überredet bekommen. Dann muss ich es ein anderes Mal machen, denke ich mir seufzend, mich vom Stuhl aufrichtend, um ins Schlafzimmer zu gehen, wo ich mir eine kurze Hose und ein Shirt raussuche, danach im Bad schnell mein Gesicht wasche, Beine rasiere, Zähne putze und Haare kämme.

Ohne einen Unfall, ohne hinzufallen und ohne meine Haut beim Rasieren aufzuschneiden schaffe ich es innerhalb von zehn Minuten fertig zu werden, weswegen ich nun im Flur meinen Schlüssel und Handy greife, mit beiden die Wohnung verlasse. Die Wohnung, die nun auch irgendwie wieder Harry gehört. Oder nicht?

Er befand sich die letzten zwei Nächte hier und ich will nicht, dass es anders abläuft. Aber, die Wohnung werde ich in ungefähr einem Monat abgeben, weil wir nach Corby gehen und dann... Ich weiß nicht, fürchte mich etwas vor der Zukunft, wenn keine Gewissheit mit Harrys Vater besteht.

Vielleicht sollte ich mit ihm reden, wie wir in unserer alten Heimat weitermachen wollen und auch wie sein Plan aussieht, da er mich darüber informieren sollte.

Den Weg zu Harrys Wohnung kenne ich noch sehr gut, obwohl ich ihn nur einmal vollkommen betrunken und ein anderes Mal abgelenkt von meinem Kater durchlief. Trotzdem weiß ich wo er wohnt und stehe nach zwanzig Minuten, in denen ich fast gegen einen Mann lief und ein Hund mir ans Bein pinkeln wollte, endlich vor der Wohnungstür.

Die offen steht.

Mein Herzschlag erhöht sich um einige Stufen, meine Atmung verläuft mit einem Mal stockend, während vor meinem Inneren tausende Szenen, grauenhafte Szenen, in einer Sekunde ablaufen. Auf wackligen Beinen gehe ich weiter vor, werfe kurz einen Blick auf den großen, braunen Blumentopf der vor der Steintreppe steht, ehe ich diese hoch gehe.

Mir wird ein wenig schlecht, weil ich mir solch große Sorgen um Harry mache. Was wenn etwas passiert ist. Die Möglichkeit besteht doch, oder?

Sein Vater weiß bestimmt wo sich sein Sohn befindet, wo er wohnt, wo er arbeitet und eine Menge mehr. Wenn er schon weiß, dass Harry und ich wieder zusammen sind und eventuell sogar die Chance besteht, dass er von meinem Treffen mit Anne weiß. Wieso sollte er dann nicht jetzt hier auftauchen und...?

Diesen Gedanken führe ich lieber nicht zu ende, bevor diese hässliche, verschmutzte Straße, noch mehr Dreck bekommt. Schlimmer kann sie zwar nicht werden, doch möchte ich nicht vor die Haustür von Harrys Vermieter spuken. Das wäre mir sehr peinlich und unangenehm.

Der Flur sieht immer noch so aus, wie an dem Tag, an dem ich wütend von Harry wegstürmte, nachdem er mir erzählte, dass meine Eltern alles wussten. Ich war einfach so sauer und enttäuscht, fühlte mich ebenso verraten und hintergangen.

"Passen Sie auf, wo Sie hintreten", höre ich jemand laut, warnend rufen, erblicke danach denn Mann mit seinem Krückstock, der vor der Treppe steht, welche Harry mich, letztens hoch führte. Der Mann, ein graues Hemd tragen, schaut nach oben, wo ich nun den Lockenkopf erkenne -oder zumindest vermute, dass es sich um ihn handelt, da ein riesiger Blumentopf ihn verdeckt.

Ein Kaktus befindet sich in dem Topf, welchen der Mann unter Schnauben und Meckern weiter runter trägt. "Sie müssen diese tausend Kilo nicht tragen, also hören Sie auf zu meckern", fährt der Jüngere den Älteren an, der auflachend kontert: "Sie mussten nicht durch ein Feld an Landminen durchmarschieren oder die schweren Waffen von damals tragen. Außerdem meckern Sie, Mr. Styles."

"Ja, ja. Gehen Sie lieber zur Seite, damit ich durch kann!"

Kopfschüttelnd humpelt der ältere Herr von der Treppe weg, dreht sich um, worauf er mich erblickt, sofort misstrauisch ansieht. "Was suchen Sie in meinem Haus?", fährt er mich dann grimmig an.

Es war vielleicht ein Fehler, ohne Klingeln oder Klopfen das Haus zu betreten.

Unwohl tippe ich von einen Fuß auf den anderen, starre ihn entschuldigend an, wie er mit lauten Klopfern seines Stockes, einen Schritt auf mich zukommt. "Wollten Sie mich bestehlen?"

"Was, nein", entgegne ich sofort, schüchtern in die dunklen Augen blickend.

"Honor?" Erschrocken wirft Harry einen Blick an dem riesigen Kaktus vorbei, sieht mich mit verdattertem Blick an, ehe es passiert.

Der Topf rutscht ihn aus den Händen, knallt laut auf der Treppe auf, wo er in tausend Teile zerspringt. Der Lockenkopf verzieht vor Schmerz sein Gesicht, während der alte Mann laut aufbrüllt und ich mir erschrocken die Hände vor den Mund schlage, keinen Ton mehr hervor bekomme.

"Was wollen Sie hier? Sehen Sie nicht, was Sie anrichten?", kommt der Vermieter als erstes zu sich, vorwurfsvoll mit seinen Händen auf die Erde und Scherben deutend. "Mein schöner Topf. Mein schöner Kaktus", jault er dann. "Den suchte meine geliebte Frau vor zwanzig Jahren aus."

Jetzt erkenne ich etwas Trauriges und Verletztes in seinem Blick, weswegen ich sofort meine: "Es tut mir wirklich leid. Das war nicht meine Absicht. Eigentlich wollte ich nur Harry abholen und die Tür stand offen."

Mir wird immer schlechter, wegen diesem schuldigen Gefühl. Die Tatsache, dass dieser alte Topf nun wegen mir in tausenden Scherben auf dem Boden liegt bedrückt mich. Am liebsten würde ich ihn sofort ersetzen oder reparieren, doch bin handlungsunfähig.

Warum muss mir immer solch ein Unglück passieren.

"Also eine von ihren Bekannten?", dreht sich der Alte nun zu dem Mann, der weiterhin mit einem schmerzverzogenen Gesicht auf der Treppe steht, seine Handfläche mustert.

Bei dem Wort Bekannten zieht sich mein Magen für einen Augenblick zusammen. Harrys Kopf schreckt hoch und er sieht mich voller Schock an. "Nein", knurrt er. "Honor, hey, du weißt davon!"

Hektisch springt er den Rest der Treppe nach unten, rennt an dem Mann vorbei, zu mir. "Ich hatte es dir erzählt und-"

"Schon gut, Harry", unterbreche ich ihn, weil er sich viel zu fertig wegen dieser Sache macht. Die Worte des alten Mannes taten nur kurz weh, ehe mir klar wurde, dass der Lockenkopf mir dies bereits beichtete.

"Sie sind die, die letzte Woche aus meiner Wohnung stürmte, nachdem Sie hier einfach so übernachteten. Und nun wurde mein Kaktus wegen ihnen zerstört", meckert der Ältere, wieder einen Schritt auf mich zu kommend.

"Nein. Sie ist diejenige, wegen der ich überhaupt hier bin und Ihren verfickten Kaktus diese blöden Treppen runter geschleppt habe", entgegnet ihm Harry ernst. "Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten Sie das scheiß Ding selber tragen können, aber Honor befahl mir quasi, dass ich kommen muss!"

"Oh."

Sofort ändert sich der Blick des Mannes, der nun zu überlegen scheint. Er denkt nach, ob Harry ihn anlügt, überlegt, wie er sich nun verhalten soll und ob sein gerade präsentes Verhalten akzeptabel war. Man erkennt es an seinem Blick, bis dieser sich sänftigt und er wieder einen weiteren Schritt auf mich zu macht.

Dann streckt er mir seine Hand aus, die ich verdattert ansehe.

"Verzeihen Sie mir, mein unakzeptables Ungestüm, Miss?", entschuldigt er sich bei mir, mit einem sanften Ton in der alten, gebrechlichen Stimme.

"Chapel."

"Miss Chapel. Manchmal vergesse ich, dass ich auch einmal wild, jung und verliebt war. Dann werde ich zu-"

"Einem ignoranten, egoistischen, verfickten, alten Knacker?", unterbricht Harry neben mir ihn, worauf ich ihn sofort in die Seite schlage, er daraufhin auf zischt. "Autsch. Was, denn?" Mahnend funkele ich ihn an. "Es stimmt doch. Er kann ein richtiger-"

"Harry!"

"Schon gut, schon gut", beruhigt er mich lachend, schützend die Arme hebend.

"Oh, mein Gott", keuche ich, fassungslos seine Hände betrachtend. "Deine Handflächen."

"Was?" Verwirrt sieht er mich an, dann auf seine Handflächen. "Ach, ja. Halb so wild."

Das nennt er halb so wild. An die fünfzehn Nadeln des Kaktus stecken in seiner Haut und er nimmt es auf die leichte Schulter.

"Na, na, na, Mr. Styles", mischt sich nun auch sein Vermieter kopfschüttelnd ein. "Sie sollten das behandeln lassen. Früher wurde ich einmal angeschossen. Hier, direkt an meiner Schulter", erklärt er uns, dabei auf eine Stelle an seiner rechten Schulter deutend. "Und ich sage Ihnen, das war kein Zuckerschlecken."

"Also erstens", beginnt Harry. "Vergleichen Sie gerade einen Kaktus mit einer Waffe aus dem zweiten Weltkrieg. Und zweitens, seit wann interessieren Sie sich für meine Gesundheit?"

Während er meckert, finde ich es schön, dass dieser Mann doch noch freundlich ist und sich um Harry sorgt.

"Miss Chapel, gehen Sie bitte in meine Küche und holen den Verbandskasten", bittet er mich dann sogar, worauf ich nicke, dann aber nochmal stoppe.

"Wo befindet sich Ihre Küche, Sir?"

"Durch die Tür und dann die Zweite links", antwortet er mir, schiebt Harry währenddessen zu der Treppe, wo er ihn zum Sitzen zwingt.

Nickend stoße ich die Tür zu der Wohnung des Mannes, dessen Namen ich noch gar nicht weiß, auf und gehe durch die Tür, direkt in die Küche, frage mich dabei: "Wieso muss immer ich für Unfälle und Probleme sorgen?"

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro