301-Ende der ganzen Schikane, Beleidigungen und Tränen

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"Soll ich klopfen", neckt Harry mich frech, vor der Tür meiner Nachbarin Miss Anchin stehen. Seine Hand schwebt nur wenige Zentimeter von dem Holz entfernt. "Sie würde sich bestimmt freuen uns zu sehen."

"Dich", korrigiere ich ihn, bevor meine Hand das Handgelenk des erhobenen Arms umfasst, um ihn weg zu ziehen. "Kannst du bitte von der Tür wegkommen?", bettele ich dann.

Der Mann will mich wirklich auf hundertachtzig treiben. Bis ich wütend und beleidigt bin, und er es damit geschafft hat, dass ich wegstampfe.

Warum ihm eigentlich nicht einen kleinen Schock einjagen, denke ich mir nun, amüsiert in mich hineinschmunzelnd. Verdient hätte er es alle male.

"Es wäre schon irgendwie lustig dein Gesicht zu sehen, wenn sie wieder versucht sich an mich ran zumachen", meint der Lockenkopf, womit er mir den Schubs gibt, der mich nun dazu bringt, meine Arme vor der Brust zu verschränken und mit einem monotonen Unterton zu sagen: "Wenn du meinst."

Schnellen Schrittes haste ich die Treppen nach oben, von denen ich einige überspringe. In meiner Tasche suche ich vergebens nach dem Haustürschlüssel, den ich einfach nicht finden kann. Stöhnend raufe ich mir meine Haare, höre von der Treppe die lässigen Schritte Harrys, der dann erscheint und etwas an seiner Hand in die Luft hält.

"Suchst du, den hier?", fragt er mich grinsend, Briefkastenschlüssel plus Haustürenschlüssel belustigt hin und her schwingen lassend.

Peinlich berührt verdrehe ich meine Augen, lasse beschämt Luft aus, bevor ich nicke. "Schließ schon auf", fordere ich den Mann auf, der an mir vorbei kommt, kurz einen Kuss auf meine Wange drückt, ehe er die Haustür aufschließt.

"Wolltest du mir einen Schock bereiten, als du hochgelaufen bist?", erkundigt der Lockenkopf sich bei mir, wozu er sein Grinsen einfach nicht unterdrücken kann.

"Eventuell", gebe ich zu, beiße mir auf meine Unterlippe.

Wir beide müssen dann aber auflachen, amüsieren uns beide darüber, wie sehr mein Plan scheiterte, während jeder sich seine Schuhe auszieht. Meine, stelle ich ordentlich, wie es sich gehört in den Schuhschrank, muss danach jedoch nach Harrys greifen, da er seine einfach auf den Boden kickte.

"Könntest du wenigstens für Ordnung in meiner Wohnung sorgen?", bitte ich ihn inständig, obwohl er diese eine Regel von mir schon lange kennt. Sie gilt heute genauso, wie vor drei Jahren!

"Ich gebe mir alle größte Mühe, Baby."

Genau!

Eine Braue hebend schlendere ich nun langsam auf ihn zu, meine Arme dann um seinen Torso schlingend und meinen Kopf an seine Brust legend. Ebenso der Mann legt die starken Arme um mich, drückt liebevoll einen Kuss auf meinen Scheitel.

Eine Weile stehen wir beide einfach so hier, schwanken leicht hin und her. Wir lauschen dem Herzschlag des anderen, der ruhigen Atmung und genießen die innige Nähe, die angenehme Wärme.

Ich liebe es, wenn er so dicht an mir steht, ich mich nur auf ihn konzentrieren muss. Dann kann ich all die Probleme vergessen, muss mir nur Gedanken zu dem Wichtigsten und Besten in meinem Leben machen. Harry, der Mann, welcher mich so oft zum Lachen bringt, glücklich macht und mir Liebe schenkt, mich aufmuntert. Zu dem erhalte ich durch ihn Mut, traue mich, mich zu wehren, anderen Menschen langsam meine Meinung zu sagen.

Deswegen ist Harry das Wichtigste, Beste und Kostbarste in meinem Leben, weil er es überhaupt erst zu einem Leben macht.

"Worüber denkst du nach, Honor?", murmelt er leise an mein Ohr, hebt mich sanft, sowie vorsichtig hoch, worauf ich meine Beine um seine Hüfte schlinge.

"Wie es ohne dich war", gebe ich zurück. Meinen Kopf lege ich verträumt an seine Schulter, schließe meine Augen.

Harrys Hände halten mich an meinen Oberschenkeln fest, sorgen dort für ein Kribbeln in meiner Haut, da der Stoff des Rocks etwas hochgerutscht ist. Mir gefällt die warme, weiche Haut auf meiner, die Nähe zwischen uns beiden, die mir nichts mehr ausmacht.

Wenn ich daran denke, wie sehr ich mich noch vor ein paar Wochen sträubte den Lockenkopf überhaupt zu berühren, dann verstehe ich mich kein Stück. Wie kann jemand zu diesem perfekten, atemberaubenden Mann nein sagen?

Nur jemand, der wütend war und dem das Herz gebrochen wurde.

Ich war sehr aufgebracht, gereizt und vor allem verletzt. Harry brach mir ohne Vorwarnung durch den Brief mein Herz, ließ es in tausende Stücke zerspringen. Der Schmerz saß über Jahre hinweg fest, tief in mir und wollte nicht verschwinden.

Langsam sehe ich die ganze Situation ein Stück anders. Meine Wut gegenüber meinem Freund ist vollkommen weg. Um ehrlich zu sein, verspüre ich diese hasserfüllten, aggressiven Gefühle nun für eine ganz andere Person, die für alles die Schuld trägt, unsere Beziehung so zerstörte.

Seinen Vater.

Im Schlafzimmer, dessen Tür der Mann mit der Schulter aufdrückte, werde ich auf dem Bett abgesetzt. Müde lehne ich mich zurück, meine Beine über die Bettkante baumeln lassen und hoch zu dem Mann blickend, der mich von oben herab mustert.

"Ich denke daran, wie wütend und enttäuscht ich war", beginne ich nun zu erzählen. "Alleine gelassen, mit einem gebrochenen Herzen und der Dunkelheit als besten Freunden lässt es sich nicht gut leben, Harry."

"Mir tut das immer noch so leid", entschuldigt er sich bei mir, betrübt den Kopf hängen lassen.

"Du konntest mir nicht den wahren Grund nennen", beschwichtige ich ihn.

Er konnte und durfte es einfach nicht. Wahrscheinlich wäre die Gefahr zu groß gewesen. Deswegen gehe ich nicht weiter auf diese Sache ein, sondern strecke meine Arme aus, richte meine Hände zu Harry, worauf dieser seine mit meinen verbindet.

Mit ein wenig Kraft ziehe ich ihn zu mir, sodass er auf mir liegt, seine Arme neben meinem Kopf abgestützt. Diese grünen Augen sehen mich so mitleidig an, so traurig, dass ich ahne woran er denkt, wofür er sich alles selber die Schuld gibt.

"Baby, es tut mir so unendlich leid. Du wurdest da von mir mit rein gezogen und bist die, die am meisten leidet. Das wollte ich nie!" Seine Stimme klingt gebrochen, raue und ich erkenne eine Träne in seinen Augen, welche ich wegwische, in dem mein Zeigefinger sanft über seine Haut streicht. "Ich wollte dich immer nur vor allem Bösen beschützen."

Dieser gebrochene Harry gefällt mir nicht. Die Zeit bei seinem Vater, all die Jahre in denen er leiden musste, zerren an ihm. Er musste grauenhaftes erleben.

Der Junge damals im Kindergarten, er schaffte sich diesen Panzer, um wenigstens dort keine Gewalt und Schmerzen zu erfahren, er wollte die Worte anderer nicht an sich ranlassen. In der Schule, wehrte er sich, obwohl niemand ihn was tat. Doch ich glaube, dass er sich dadurch ein Stück selbst akzeptierte und jeden Tag aufmunterte. Wenn er sich auch nie gegen seinen eigenen Vater wehrte. Der Mann, der mir nach vier Jahren wieder begegnete und so unfreundlich und grimmig war, war das Ende der ganzen Schikane, Beleidigungen und Tränen der vergangenen Zeit. Niemand sollte ihn mehr verletzen und wenn er jeden dafür auf Abstand halten musste, dann tat er das. Mit Ausnahme von Olivia.

"Das hast du Harry", antworte ich ihm, drehe mich mit ihm, da er sich nun auf die Seite legt. "Auch wenn du nicht anwesend warst, sorgtest du trotzdem für meine Sicherheit."

"Wie?"

Seufzend meine ich, sanft über seine Wange streichend: "Indem du meine Eltern, Großeltern und Freunde über die Lage informiertest."

Dafür bin ich ihm immer noch so dankbar. Wenn er meinen Eltern heimlich nicht alles erklärt hätte, dann hätte meine Mom mir Fragen gestellt, die mich zerrissen hätten. Ethan und Nathan wären nicht so lieb mit ihrer Aufmunterung gewesen, da sie ebenfalls noch wütend auf Harry gewesen wären. Aber sie wussten Bescheid und konzentrierten sich deswegen darauf, mich glücklich zu machen.

"Aber wir müssen dafür sorgen, dass uns nie wieder jemand trennen kann. Denn es fühlt sich grauenhaft an", gebe ich Harry ernst zu verstehen, an dessen Brust ich mich nun mit meinem Rücken anlehne, bevor er seine Arme fest um meinen Oberkörper schlingt, sein Gesicht in meinen Nacken vergräbt, dort leichte Küsse verteilt.

"Einsam und kalt", haucht Harry hinter mir, ein Nicken erhaltend.

Langsam rinnen Tränen über meine Wange, da ich zurück an all die einsamen und kalten Tage zurückdenke.

"Dunkel und schmerzhaft", murmele ich nun, bevor ein Schluchzen meine Lippen verlässt.

Auch an diese dunklen und schmerzhaften Tage erinnere ich mich.

"Ohne Sinn eines Lebens."

Die Jahre waren schrecklich. Ich quälte mich nur noch durch, freute mich, wenn ich endlich in mein Bett konnte und mich unter der Decke verstecken. Dort weinte ich Stunden, solange, bis ich heißer war und meine Augen rot angeschwollen.

"Weißt du, nachdem ich den Brief gelesen habe, da krachte alles in mir zusammen", gestehe ich dem Lockenkopf. "Ich lass den Brief erneut und hoffte, dass irgendwo steht, wie lustig du es findest, dass ich auf den Witz reingefallen bin. Und dann musste ich ihn nochmals und nochmals lesen."

"Tut mir übrigens leid, dass ich ihn nicht einfach neu geschrieben habe, wenn mir einiges als Mist erschien."

Bei dieser Sache muss ich eher schmunzeln, da ich mich gut an das viele Gekritzel und Gestreiche auf dem Papier erinnere. Harry korrigierte eine Menge seiner Aussagen, einige davon nicht nur einmal.

"Schon gut", beruhige ich ihn, kuschele mich mehr an ihn, damit er mich noch sicherer hält.

Seitdem wir so offen über unsere schlimmste Zeit reden, friere ich sehr und verspüre ein wenig die alten Gefühle in mir, welche ich nicht mag. Harrys Berührungen erinnern mich jedoch daran, dass es nur alte Zeiten waren.

Er wird diesen Boxkampf gewinnen -oder verlieren, was auch immer sein Vater von ihm will. Danach sind wir raus aus der Nummer.

"Hey." Leicht lächelnd richte ich mich nun auf. "Kannst du immer noch so, wie vor ein paar Jahren boxen und den Boxsack zerschlagen?"

"Zum Glück hast du mein altes Ding nie abgenommen", scherzt der Mann, bevor er sich aufrichtet, das Lederding, welches wie vor Jahren von der Decke baumelt, mustert. "Handschuhe?", fragt er mich, eine Braue skeptisch hebend.

"Unten im Schrank", teile ich ihm mit und deute zu der Tür. "Aber vorher- Kannst du nochmal herkommen?" Bittend strecke ich meine Arme aus, warte bis er dicht genug vor mir steht.

Mit leicht zitternden Fingern greife ich nach dem Saum seines Oberteils, welches ich ihm über den Kopf ziehe. Verlegen beiße ich dann auf meine Unterlippe, da Harry mich mit einem vielsagenden Blick ansieht.

"Und jetzt du!", raunt er befehlerisch, nach vorne gebeugt an mein Ohr und zieht mir ebenfalls mein Shirt über den Kopf.

"Blödmann", verlässt es kichernd meine Lippen.

Mit angespannten Rückenmuskeln, den letzten Verschluss der Handschuhe mit seinem Mund schließend, geht Harry auf den schwarzen Boxsack zu, an dem ich ab und zu auch mal meine Wüt und Energie ausließ.

Da zog ich mir einfach die Handschuhe an, schlüpfte vorher in eine kurze Hose und einen Sport-BH, ehe ich wild mit rechts und links gegen das wackelnde Ding schlug.

Bei dem Mann sieht es jedoch eindeutig besser aus, wie er immer von einem Fuß leichtfüßig auf den anderen tänzelt, mit viel Kraft zuschlägt. Die andere Hand behält er immer als Deckung oben, den Sack nicht aus dem Auge verlieren, als sei er sein Gegner.

Mir graut es vor Samstag. Ich werde neben dem Ring sitzen oder stehen müssen, zu sehen, wie Harry gegen jemanden kämpft. Und dieses Mal wird es kein Boxsack sein, der nicht zurückschlägt.

"Weißt du eigentlich schon, gegen wen du kämpfen musst?", frage ich ihn neugierig.

"Bis jetzt weiß ich nur, dass er Russe ist", antwortet er, wobei er immer wieder nach Luft schnappt.

Es gibt keinen anderen Ausweg, um aus dieser Sache zu kommen, als das Harry sich in Gefahr begibt, gegen diesen Kerl kämpft und der Kampf so ausgehen wird, wie sein Vater es möchte. Genau das macht mich traurig, dass ich ihm kein bisschen helfen kann.

All die vergangen Jahre liegen jetzt, seit dem Treffen dieses grauenvollen Mannes, so sehr auf mir, belasten mich. Immer mehr spüre ich die Schmerzen und Trauer in mir, will laut schreien, damit ich wieder lachen kann. Die Trennung war grauenvoll, so scheußlich und schmerzhaft.

Die darauffolgenden Stunden, die ersten Minuten, in denen man realisiert, dass man verlassen wurde, nun alleine ist sind schmerzvoll.

Vor mir erscheint das weinende Mädchen, welches in der Küche auf dem Boden liegt, ein zusammen geknülltes Stück Papier fest an die Brust pressend.

"Baby." Hastig läuft Harry auf mich zu, zieht mich mit diesen viel zu großen Handschuhen an sich.

"Weißt du, wie es sich anfühlt verlassen zu werden, ohne einen richtigen Grund genannt zu bekommen, sodass du die gesamte Schuld bei dir suchst und an Selbstzweifeln erstickst?", schluchze ich gegen seine nackte, verschwitzte Haut.

"Nein", haucht er ehrlich, worauf ein Rascheln folgt, da er den ersten Klettverschluss öffnet.

"Wenn dir jegliche Luft fehlt, du weinend am Boden liegst und du das Messer in deiner Brust spürst dann..." Mein Herz pocht so schnell. "Dir fehlt jegliche Kraft und du kannst nicht mehr, weil eine einzige, wichtige Person fehlt. Nichts geht mehr. Und..."

Kläglich muss ich nach Luft schnappen, klammere mich so sehr an den großen Körper, um mir immer nahe zu führen, dass er bei mir ist.

"Es fühlt sich an wie Sterben!"

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