EIGHT - Das Angebot steht noch

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Victoria POV

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Keine Stunde später steht mein Kleiderschrank fertig zusammengebaut an Ort und Stelle, und scheint nur darauf zu warten, dass ich ihn einräume. Keshaw scheint sich handwerklich ziemlich auszukennen. Obwohl, ich kann das nicht beurteilen. Meiner Meinung nach ist alles, was besser als mein handwerkliches Wissen ist, Naturtalent.

„Ähm, danke", murmle ich, und weiss nicht, wieso es sich so komisch anfühlt, mich bei Keshaw zu bedanken. Nicht, weil ich ihn nicht mag, sondern weil ich das Gefühl habe, dass es nicht wirklich etwas ist, was Keshaw hören will. Wieso auch immer. „Mom hätte mir den Kopf abgerissen, wenn ich dir nicht geholfen hätte. Bedank dich bei ihrer konstanten Stimme der Vernunft in meinem Kopf, nicht bei mir." Mit diesen Worten verlässt Keshaw mein Zimmer, und ich seufze.

Was sagte ich nochmals?

Ah ja, genau.

Er will meinen Dank nicht hören.

Kopfschüttelnd torkle ich müde zu meinem Bett, lasse mich rücklings drauffallen, und bleibe dann eine Weile mit beiden Armen von mir gestreckt liegen. Während ich die Decke anstarre, lausche ich den Verkehrsgeräuschen von draußen, die, begleitet mit einer kühlen Briese, durch das gekippte Fenster in mein Zimmer dringen. Dafür, dass es tagsüber so unglaublich warm ist, sinken die Temperaturen nachts so sehr, dass ich fast fröstle. In Deutschland ist das fast nie so. Wenn tagsüber eine Mordshitze herrscht, herrscht diese auch in der Nacht. Ende der Geschichte.

Ich rolle mich gähnend auf die Seite, und greife mit einer Hand unter mein Kissen. Ich ziehe meine Schlafsachen hervor, und beginne dann, mich ziemlich umständlich an Ort und Stelle umzuziehen. Meine Kleider werfe ich dann achtlos von meinem Bett quer durch mein Zimmer, und krieche unter meine noch angenehm kühle Decke. Ich strecke mich nach oben, und betätige den Lichtschalter, der direkt über meinem Bett angebracht ist. Kurz darauf ist alles dunkel, und obwohl so viele Gedanken in meinem Kopf umherschwirren, bin ich innerhalb weniger Minuten eingeschlafen.

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„Kannst du dich bitte mal beeilen?!" Ich drehe mich mürrisch zu meinem reizenden Exemplar von Gastbruder um, der zum fünften Mal diesen Morgen seinen viel zu grossen Kopf in mein Zimmer reinstreckt. „Ich bin ja fast fertig", antworte ich nur, und ziehe mir meine Schuhe an. „Außerdem haben wir noch mehr als genug Zeit. Was ist denn dein Problem?" Keshaw schüttelt den Kopf, und seufzt. „Wir haben nicht mehr als genug Zeit. Ash fährt heute mit." Ich runzle die Stirn. „Wer ist denn Ash?"

„Das wirst du früh genug erfahren, und jetzt mach endlich schneller. In zwei Minuten fahre ich los, mit oder ohne dich." Mit diesen Worten knallt Keshaw meine Türe zu, und ich schliesse kurz die Augen, um mich zu fassen.

Er kann nichts dafür. Ihm fehlt einfach ein entscheidender Teil an Hirnmasse, das ist alles.

Ich nicke, so als würde ich mir selbst zustimmen, atme tief durch, und stehe dann auf. Mit meinem Rucksack in der Hand verlasse ich mein Zimmer, und laufe die Treppe runter. In der Küche packe ich noch drei Riegel ein, für den Notfall, ehe ich das Haus verlasse. Tatsächlich läuft der Motor von Keshaws Auto schon, und ich sehe zu, dass ich so schnell wie möglich bei ihm bin. Ich setze mich automatisch auf die Rückbank, da ich mir ziemlich sicher bin, dass Kesh mich sonst dorthin verbannen würde.

Ich kann mir gut vorstellen, dass er lieber seine Freunde auf seinem Beifahrersitz sieht, als meine. Und ehrlich gesagt verspüre ich auch nicht gerade den Drang danach, neben ihm zu sitzen. Wortlos fährt Keshaw los, und ungefähr fünf Minuten später halten wir vor einem Haus, welches schon etwas älter aussieht. Heraus kommt ein Junge, den ich ungefähr auf dieselbe Größe wie Keshaw schätze, mit braunen Locken. Er öffnet die Beifahrertüre, und sein Blick fällt zuerst auf Keshaw, dann auf mich.

„Oh, wir haben Begleitung, sehe ich", bemerkt er, und seine Stimme ist angenehm tief. Etwas umständlich dreht Ash sich in seinem Sitz um, sobald Keshaw wieder losgefahren ist, und streckt mir seine Hand entgegen. „Hey, ich bin Ash. Also, eigentlich Asher. Aber nenn mich Ash." Ich lächle leicht, und schüttle seine Hand. „Victoria, aber Vicky reicht." Keshaw verdreht die Augen, und sieht mich durch den Rückspiegel böse an. „Außer man heisst Keshaw. Dann bist du Victoria, oder was?"

Verwirrt sieht Ash seinen Kumpel an, während ich schnaube. „Das liegt nicht an deinem Namen. Das liegt daran, dass du ein Vollidiot bist, Keshaw. Und deinem Benehmen nach zu urteilen ist es dir doch eigentlich egal, ob ich überhaupt einen Namen habe, richtig? Oder willst du mich plötzlich so unglaublich gerne bei meinem Spitznamen nennen, nur, weil dein Kumpel es auch darf?" Keshaw antwortet mir nicht mehr, doch ich kann sehen, dass seine Hände das Lenkrad umklammern, und seine Knöchel weiss hervortreten.

„Wow, ihr versteht euch ja blendend", bemerkt Ash ziemlich überrascht, und sieht zwischen uns hin und her. „Was machst du eigentlich hier?", fragt er mich dann ehrlich interessiert, und scheint sich wohl gerade einen Reim darauf machen zu wollen, wieso um alles in der Welt ich bei Keshaw im Auto sitze, wenn wir uns nicht mal annähernd verstehen. Verständlich, wenn ihr mich fragt. Ich verstehe es ja ehrlich gesagt selbst nicht. „Ich bin eine Austauschschülerin, und Keshaws Familie ist meine Gastfamilie. Somit bin ich seine Gastschwester."

„Leider."

Ich werfe Keshaw einen vernichtenden Blick zu, den er jedoch entweder nicht sieht, oder einfach ignoriert. „Das erklärt immerhin, wieso du freiwillig in diesem Auto sitzt", bemerkt Ash, und ich schmunzle. Anscheinend kennt er seinen Freund und weiss, wie schlecht gelaunt dieser meistens ist. „In welchen Jahrgang gehst du denn?" Erneut dreht der Lockenkopf sich zu mir um, wobei Keshaw ihn verwirrt ansieht. „Ich bin ein Junior. Und du?" „Senior." Ich nicke, und stöhne innerlich genervt auf, als das Schulgebäude in Sicht kommt.

„Bro, bist du bei der Party dabei?" Keshaw sieht zu Ash, ehe er langsam nickt. „Bin dabei", antwortet er dann nur, und ich runzle die Stirn. Welche Party denn? „Endstation. Aussteigen." Keshaw hat sein Auto vor der Schule parkiert, und ich sehe zu, dass ich so schnell wie möglich von der Rückbank verschwinden kann. „Hey, man sieht sich bestimmt mal." Ash lächelt mich warm an, und ich lächle zurück. „Bestimmt." Ich ignoriere die Todesmiene von Keshaw, und drehe mich dann von den Jungs weg, um Helen zu suchen.

Mittlerweile bin ich ungefähr eine Woche hier auf dieser Schule, und sie ist für mich jetzt schon sowas wie meine neue beste Freundin. Liv hat sich auch ziemlich schnell mit ihr angefreundet, und eigentlich sind wir jetzt schon so gut befreundet, als würden wir einander schon Jahrelang kennen. Ich entdecke den schwarzen Haarschopf meiner Freundin vor dem Eingang, und grinse sie breit an, als Helen mich ebenfalls entdeckt. Bei ihr angelangt umarmen wir uns kurz, und betreten dann das Schulgebäude.

Ich werde in der ersten Stunde Deutsch haben, was für mich bedeutet, dass ich nicht viel machen muss. Immerhin ist das meine Muttersprache. Ich verstehe nicht ganz, wieso meine Schule in Deutschland wollte, dass ich dieses Fach wähle, doch um nicht wiederholen zu müssen, nehme ich das gerne auf mich. „Ich glaube, wir werden bald irgendein Projekt oder so machen müssen", mutmaßt Helen, als wir den Raum betreten, und ich schaue sie etwas panisch an.

„Wie meinst du?", frage ich sie, und Helen schmunzelt. „Naja, wir müssen jedes Jahr direkt am Anfang des Semesters ein Projekt machen für den Deutschunterricht. Sei es ein Vortrag oder so, das ist ziemlich egal." Ich lasse mich mit einem gequälten Seufzen auf meinen Stuhl nieder, und Helen setzt sich neben mich. „Ich hasse Projekte", murre ich, und stütze meinen Kopf auf meine Hand. „Aber Deutsch ist hier doch kein Problem für dich! Stell dir mal vor, wie das für jemanden ist, der die Sprache nicht beherrscht?"

Ich schliesse die Augen, und nicke dann. „Ich weiss", sage ich dann bloss, und reibe mir übers Gesicht. „Aber es geht mir nicht um die Sprache. Es geht mir darum, dass ich wahrscheinlich vor einer ganzen Klasse etwas vortragen muss. Es könnte sogar Chinesisch sein, und die Sprache wäre mir egal. Es geht mir viel mehr ums Prinzip." Meine neugewonnene, beste Freundin nickt langsam, und lächelt dann schief. „Das schaffst du schon irgendwie. Und hey, vielleicht gibt es ja gar keine Präsentation. Es könnte ja auch gut sein, dass wir bloss einen Bericht über irgendwas schreiben müssen, oder zu Hause etwas dokumentieren sollen."

Ich weiss, dass sie nur versucht, mir Hoffnung zu schenken, doch das klappt bei mir selten wirklich. Wenn ich mit einer Situation konfrontiert werde, die möglicherweise schlecht für mich ausgehen könnte, ist jede von außen kommende Hoffnung nutzlos. „Bestimmt", antworte ich deshalb nur, und verdrehe prompt die Augen, als Jasper den Raum betritt. Sofort liegt sein Blick auf mir, und ich schlucke trocken. Ich habe keine Ahnung, wie er nach Keshaws Aktion auf mich zu sprechen ist.

Die vergangenen Tage bin ich ihm so gut es eben ging aus dem Weg gegangen, wobei er auch noch fast die halbe Woche krank war. Jetzt scheint er aber wieder gesund zu sein, und wenn mich nicht alles täuscht, steuert er den Platz vor mir an. Tatsächlich lässt er sich mit seinen Kumpels in der zweithintersten Reihe nieder, somit sitzen sie direkt vor Helen und mir. Toll! Helen entdeckt die Zielperson meines gefühlsgemischten Blickes, und hebt eine Augenbraue. Sie weiss, was passiert ist, und scheint mich ganz gut verstehen zu können.

Ich selbst weiss nicht so richtig, was ich jetzt von ihm denken soll. Einerseits finde ich es schön von ihm, dass er sich für sein Verhalten in der Klasse entschuldigt hat, jedoch war es wiederum nicht wirklich eine Glanzleistung, dass er mich daraufhin mehr oder weniger zu einem Treffen drängen wollte. Anscheinend hat er Probleme damit, ein „Nein" akzeptieren zu können. Vielleicht hat er bisher immer alles bekommen, was er wollte?

„Wenn du weiterhin so starrst, wird er ganz bestimmt falsche Hoffnungen bekommen." Helen sieht mich tadelnd an, und ich wende meinen Blick sofort von Jasper ab. „Ich hab' das gar nicht bemerkt", murmle ich, und Helen seufzt. „Gut, dass du eine Freundin hast." Ich lächle, und nicke. „Das kann man wohl sagen."

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„Ich sagte doch, wir werden ein Projekt machen müssen!" Helen sieht mich triumphierend an, während ich bloss die Augen verdrehe. „Und natürlich hast du dir mich sofort geschnappt." Helen schmunzelt. „Gute Noten geben ein gutes Gefühl. Und jetzt mal ehrlich – hättest du lieber mit Jasper gearbeitet?" Sofort schüttle ich den Kopf, und Helen grinst. „Na also." Ich gebe murrend nach, und öffne meinen Spind. In der nächsten Stunde werden wir Kunst haben, zu meinem Vorteil. Ich liebe alles, was mit Kunst zu tun hat.

Dieses Fach ist der einzige Grund, weshalb ich mich morgens einigermaßen auf die Schule freue.

Ich schliesse meinen Spind wieder, als mir jemand auf die Schulter tippt. Ich drehe mich um, und blicke Jasper direkt entgegen. „Kann ich kurz mit dir reden?" Ich schaue etwas hilfesuchend zu Helen, die mich nur grinsend ansieht. „Ich lass euch dann mal alleine." Na, vielen Dank auch. „Schiess los", sage ich deshalb an Jasper gerichtet, der mich erleichtert ansieht. „Also, naja... ich glaube, ich bin dir nochmals eine Entschuldigung schuldig. Ich war an deinem ersten Schultag nicht gerade... nun ja, gut drauf. Tut mir leid, dass ich dich so drängen wollte. Das war nicht gerade eine Glanzleistung."

Ich seufze, und hebe eine Augenbraue. „Das war es nicht, nein", stimme ich ihm dann zu, und sehe, wie Jasper etwas in sich zusammenschrumpft. „Aber ich vergebe dir. Unter der Bedingung, dass das nicht nochmal vorkommt, natürlich." Jasper grinst mich breit an, und nickt dann. „Danke", sagt er dann lächelnd, und ich schmunzle. Dann erklingt die Schulklingel, und ich reiße schockiert die Augen auf. „Man sieht sich!" Schnell verabschiede ich mich von Jasper, doch der dreht sich nochmals um. „Nur damit du's weißt – das Angebot steht noch!"

Ich grinse nur, und schüttle den Kopf, ehe ich um die nächste Ecke biege. Ich hoffe, mein Lehrer hat Nachsicht mit mir.

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Was haltet ihr so von Jasper?

Und von Ash?

- Xo, Zebisthoughts

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