19 - Wenn da irgendwas ist

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Weiche Lippen legen sich auf meine und das Erste, was ich bemerke, als ich davon aufwache, ist, mein Riesendurst.
„Wasser", murmle ich flehend und noch ganz verschlafen.
„Ich muss los, sonst stehe ich nachher auf der Stadtautobahn ihm Stau", erfindet Charlotte eine Ausrede und ich gebe ein undeutliches Brummen von mir.
„Ohne ein Glas Wasser schaffe ich es nicht aus deinem Bett", versuche ich es mit sachlichen Argumenten. Oder Halbwahrheiten, aber sie hat damit angefangen. Stau auf der Stadtautobahn ... von wegen.
„Das ist mein geringstes Problem", sagt sie leise und ich höre das Lächeln in ihrer Stimme, öffne die Augen und kneife sie zusammen. Das Deckenlicht ist irre hell. „Ah, mach das aus", stöhne ich und lege mir den Arm über die Augenpartie.
„Du hast doch gestern gemeint, ich soll dich wecken", erinnert mich Charlotte lachend. „Die Arbeit ruft, Vincent, sei kein Tagedieb."
„Die Arbeit hörst du, wenn sie ruft, aber mich nicht, wenn ich nach einem schnöden Glas Wasser verlange?", murre ich. Ein leises Klimpern lässt mich blinzeln und ich falle beinah aus allen Wolken, als Charlottes Konturen sich vor meinen Augen scharfstellen. Sie ist angezogen, Bluse, Stoffhose, Lederjacke, trägt ein natürliches Tages-Make-Up, Mascara, Eyeliner, Rouge, und hat eine große Handtasche geschultert. Das Klimpern rührt von ihren Autoschlüsseln her.

„Wann ...?", setze ich an, bringe die Frage aber nicht zu Ende.
„Ich bin vor einer halben Stunde aufgestanden, du hast geschlafen wie ein Murmeltier", informiert sie mich und streicht mir mit einer Hand über die Stirn. „Wasser steht von gestern noch im Wohnzimmer und wo das Bad ist weißt du ja. Ich habe dir ein Stück von der Quiche auf einen Teller gepackt, und eine Banane und einen Apfel auf die Anrichte gelegt, falls du was essen willst. Zieh einfach die Tür hinter dir zu, wenn du gehst, okay?" Ich nicke, hebe eine Hand, fahre durch ihre blonden Haare, die frisch gekämmt sind. Die Spuren der letzten Nacht hat Charlotte erfolgreich aus ihrem äußeren Erscheinungsbild getilgt. „Tut mir leid wegen der Kratzer auf deinem Rücken", entschuldigt sie sich dann noch. „Wenn die Schrammen wehtun sollten, probier's mit Vaseline."
„Am besten lasse ich sie von irgendeiner anderen Frau einschmieren", erwidere ich gähnend und kassiere dafür prompt die Quittung. Charlotte zwickt mich in die Brustwarze und ich schrecke jaulend auf. Immerhin bin ich jetzt wach.

„Ich kann nicht länger bleiben, aber ich freu mich auf unser Essen heute Abend." Sie hat sich auf die Bettkante gesetzt und ihre Stirn gegen meine gelehnt. „Das gestern war wundervoll. Lass uns das wiederholen, ja?"
Ich drücke ihr lächelnd einen Kuss auf. „Wenn du ganz lieb bitte sagst, lasse ich mich vielleicht dazu breitschlagen", necke ich sie. Charlotte schnaubt gespielt verärgert.
„Ich hab gestern schon danke gesagt, überfordere mich doch nicht gleich so", meint sie und küsst mich ein letztes Mal, bevor sie sich von mir löst und aufsteht. „Bis später", verabschiedet sie sich.
„Bis dann", meine ich und sinke noch einmal zurück in ihr Bett, das nach Lavendel duftet. Kein Wunder, dass ich tief und fest geschlafen habe. Die Wohnungstür fällt ins Schloss. Charlotte ist fort und zurück bleibe ich, mit dem Gefühl etwas verloren zu haben. Ich vermisse sie. Nach zwei Dates und einer gemeinsamen Nacht. Ich muss völlig verrückt geworden sein.

+

Im Studio komme ich trotz der kurzen Nacht noch vor Dag an. Eigentlich erweckt nichts den Anschein, dass irgendwas anders ist als sonst, aber als mein bester Freund ein paar Minuten nach mir reinschneit, breitet sich direkt ein fettes Grinsen auf seinem Gesicht aus.
„Digga, du strahlst ja wie 'n Atomkraftwerk", stellt er lachend fest und ich falle mit ein. „War geil gestern?", fragt er mich und winkt mir, damit ich ihm in die Kaffeeküche folge.
„War richtig geil", bestätige ich und fahre mir durch die Haare.
„Ja?"
„Ja."
Allein der Gedanke ... – „Komm schon, Alter, pack mal die Details aus, sei doch nich' so prüde jetze." Dag stößt mir seinen Ellbogen in die Seite und ich werfe ihm einen belustigten Seitenblick zu.
„Du weißt, dass ich über sowas nicht rede", erinnere ich ihn, denn es stimmt. Ich bin überhaupt nicht der Typ, der mit solchen Geschichten hausieren geht.
„Ey, ein Gentleman genießt und schweigt, ich versteh das voll", bemerkt Dag. „Aber 'n paar Stichwörter kannst du schon raushauen." Ich ergebe mich seufzend.
„Couch, Esstisch, Bett – Missionar, von hinten, Cowgirl."
„Wie von hinten? Doggy oder was?"
„Esstisch", wiederhole ich.
„Ah", macht Dag verstehend und schließt die Kaffeedose. „Klingt nach 'nem gelungenen Abend", urteilt er und kippt Wasser in den Tank der Filtermaschine.

„Dag?"
„Was iss'n?"
„Kennst du diesen komischen Moment, wenn ihr nur rumgeknutscht habt und irgendwas zwischen euch ist da?", frage ich ihn.
„Dein Ständer?", hakt er primitiv ein. Ich schüttle lachend den Kopf.
„Du bist so ein beschränkter Vollhorst, Alter, mit dir kann man auch nie ernst reden, Mann."
„Ich bin bloß überrascht. Du hast mich immer ausgelacht, wenn ich dir diesen Moment beschrieben habe. Ich dachte, du verstehst das nicht, weil du so 'n gefühlloser Eisklumpen bist."
„Fick dich, Dicka", gebe ich lachend zurück .
„Du brauchst gar nicht so zu grinsen, du weißt, dass ein Funke Wahrheit da drinsteckt", belehrt Dag mich. Ich brauche ihm das nicht erst verbal zu bestätigen, Dag weiß, dass er recht hat.

In den letzten paar Jahren habe ich Frauen kaum beachtet und mich hauptsächlich auf Mucke konzentriert. Ich hatte Onenightstands, hier und dort, aber echte Gefühle sind seit meiner letzten Beziehung nicht mehr aufgekommen, nicht mal ansatzweise – und heute habe ich Charlotte gesagt, dass ich ganz heiß darauf bin, dass sie meine Freundin wird. Vor drei Stunden klang das in meinem Kopf auf jeden Fall noch weniger hirnrissig als nun im Nachhinein betrachtet. Kein Wunder, dass sie mir nicht freudestrahlend um den Hals gefallen ist und stattdessen verlegen reagiert hat. Ich habe sie überrumpelt. Wäre es umgekehrt gewesen, hätte ich wahrscheinlich sogar umgehend das Weite gesucht. Der Schock über die Erkenntnis muss mir ins Gesicht geschrieben stehen, denn Dag rüttelt leicht an meiner Schulter.

„Vincent, alles okay?"
„Mir ist eben klargeworden, dass ich was richtig Dummes zu ihr gesagt habe", erkläre ich. „Gestern haben wir mitten in der Nacht noch geredet. Sie hat mich gebeten, keine anderen Frauen zu daten und ich sollte mir Gedanken machen, wohin das mit ihr und mir geht. Mir ist rausgerutscht, dass ich eine Beziehung ansteuere. Das hat sie logischerweise verunsichert." Dag zieht die Luft durch die Zähne ein.
„Nach dem zweiten Date?"
„Wir haben's davor dreimal miteinander getrieben, ich war total fertig und durch den Wind, weil sie mir diese Regeln präsentiert hat", zische ich.
„Hey, das war kein Vorwurf", stellt Dag klar.
„Klang aber wie einer", grummle ich.
„Guck mal, wenn sie dich danach nicht direkt achtkant rausgeworfen hat, nachdem du so mit der Tür ins Haus gefallen bist, dann bist du doch safe", versucht Dag mich zu beruhigen. „Du hast doch bei ihr gepennt, oder?"
„Ja, wir waren noch zusammen duschen und sind dann richtig kitschig Löffelchen eingepennt." Dag lacht auf.
„Was denn?", frage ich gereizt.
„Boah, Digga, du bist voll in die verschossen."
„Ich weiß", sage ich langgezogen. Dag nimmt zwei Tassen aus dem Küchenkabinett und gießt uns den frisch aufgebrühten Kaffee ein. Die Erste reicht er mir. „Danke."
„Für den Kaffee?"
„Und fürs Zuhören."
„Beides selbstverständlich." Er lächelt, schnappt sich seine eigene Tasse und verlässt unsere Studioküche. „Komm, du musst arbeiten und ich muss faullenzen", ruft er mich. Ich ignoriere ihn, trinke einen Schluck und meine Gedanken streifen sofort zu Charlotte, aber nicht zu dem fantastischen Sex, den ich mit ihr hatte, sondern zu den Gesprächen danach. Sie ist monogam eingestellt und gleichzeitig lässt sie aber mich entscheiden, wohin das mit uns führen soll. In meinem dämlichen Hirn will das nicht zusammenpassen. Schnaubend werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Es ist ein bewölkter Tag. Die Wolken am Himmel wirken genauso undurchdringlich wie der Schutzwall, den Charlotte um ihr Herz errichtet zu haben scheint.

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