42 - Zappeln und zappen

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„Seit drei Tagen wache ich auf und habe sofort schlechte Laune. Dann schlurfe ich aus dem Schlafzimmer in die Küche, koche mir einen fucking Erkältungstee, der nach getragenen Socken stinkt, und ziehe um auf die Couch. Da lieg ich dann und telefoniere den lieben langen Tag. Was soll ich auch sonst machen? Ich verabscheue es, krank zu sein", beklage ich mich bei Didi, die mir ohne Unterbrechungen oder Einwürfe zuhört. Das Taschentuch, das ich in der Hand halte, zerknülle ich und werfe es zu den anderen zwanzig. Vor meinen Füßen türmt sich mittlerweile ein flacher Hügel auf. Dummer grippaler Infekt. Was soll das überhaupt sein? Schlimmer als eine Erkältung, aber keine vollwertige Grippe - sozusagen der Göffel unter den Krankheiten. Der Gedanke lässt mich schmunzeln. Diesen Vergleich hätte auch eins zu eins mein fester Freund anbringen können. Mit uns läuft es fantastischer denn je. Mich emotional zuletzt so bei ihm fallenzulassen, hat sich gelohnt. Warum das Universum mich nun aber mit dieser Möchtegern-Grippe bestraft, entzieht sich meiner Kenntnis.

„Klingt ja schrecklich", lässt meine Freundin gelangweilt verlauten und ich lenke meine Aufmerksamkeit zurück in die Gegenwart. Irgendwas ist seltsam. Vielleicht verschluckt der schlechte Lautsprecher meines Handys die Tonnuancen, doch ich meine zu hören, dass mit meiner Kollegin etwas nicht stimmt.
„Was ist los?", frage ich sie ernst und ziehe dabei die Stirn kraus. Ihre helle Stimme lässt die für sie so typische Unbeschwertheit vermissen. „Nerve ich dich?", rate ich ins Blaue hinein. Didi schnaubt.
„Tust du." Vor Überraschung wirft meine Stirn gleich noch ein paar Falten mehr. „Du willst dich doch bloß bei mir auskotzen", brummt sie angesäuert.
„Aber das ist doch nicht verboten", erwidere ich perplex.
„Schön, dass du mich wieder mal so unverblümt daran erinnerst, welchen Stellenwert ich in deinem Leben habe, Charlotte."

„Wieso bist du sauer auf mich?", möchte ich von ihr wissen, setze mich auf und drücke dabei aus Versehen einige Tasten auf meiner Fernbedienung. Die Flimmerkiste springt an und posaunt die Star-Wars-Filmmusik durch meine Wohnung. „'Tschuldige", sage ich zu Didi und schniefe, angle nach einem neuen Papiertaschentuch, während sie mich aufklärt: „Ich weiß, es ist länger her, aber ich hab festgestellt, dass es mich doch wurmt: Du hast mich komplett ignoriert, als ich mit dir über meinen letzten Streit mit Jay reden wollte." Ich verdrehe die Augen und schalte den SciFi-Streifen stumm, der über meinen Bildschirm flackert.

„Didi, komm schon, hab ein bisschen Verständnis dafür. Vincent und ich waren auf dem Weg zu seinen Eltern. Ich nehme mir gern Zeit für dich, wenn ich sie denn habe, aber an dem Abend hat's einfach nicht gepasst." Sie lacht gekünstelt.
„Weißt du, was ich gerade mache? Ich sitze in der Kaffeeküche der Redaktion und überziehe meine Mittagspause, indem ich mit dir telefoniere, während mein aufgewärmtes Essen kalt wird."
„Ich wollte nicht stören", murre ich. Ich verstehe ihren Aufriss gar nicht. Schließlich ist sie nicht von mir dazu verpflichtet worden, sich mein Gejammer heute reinzuziehen - so wie sie mir anscheinend die Pflicht aufbürden wollte, mich von ihrem Kummer nach dem doofen Streit mit Jay überschütten zu lassen. Dass sie scheinbar schon länger ihre Wut unterdrückt, erklärt allerdings auch, warum sie mir gegenüber in der Redaktion eher reserviert war, bevor mich der Vorbote des Todes in Form einer fiesen Göffel-Erkrankung ereilt hat. Offenbar steckt mehr dahinter, als ich erwartet hätte.
„Das hat mich echt enttäuscht, als du mich mit nichts weiter als einer groben Nachricht vertröstet hast. Ich dachte, du entschuldigst dich vielleicht mal dafür."
„Jetzt noch? Zwei Wochen später?", wehre ich mich empört. Ich höre Didi übertrieben melancholisch aufseufzen.

„Tut mir leid", entschuldigt sie sich nun plötzlich bei mir. „Ich höre dir natürlich zu, wenn du mich brauchst, aber du musst selbst einsehen, dass ein verbaler Erguss über dein aktuelles Krankheitsbild mir meine Pause nicht versüßt."
„Mir tut es auch leid", entschuldige ich mich automatisch ebenfalls. „Möchtest du mir von deinem Tag erzählen?" Sie zögert, dann tut sie es aber doch.
„Es geht mir zurzeit nicht sonderlich gut. Ich möchte eigentlich nur nach Hause. Die Arbeit hier ist ohne dich anstrengender für mich. Du bist so zielstrebig und boostest sonst immer meine Moral, ich vermisse das. Dadurch lasse ich mich für gewöhnlich weniger leicht ablenken." Ich lächle, ihre Worte schmeicheln mir. „Aber besonders heute geht mir irre viel im Kopf rum", fährt sie fort. „Mein Vater soll bald an der Hüfte operiert werden. Für die Zeit danach werden wir eine Pflegekraft einstellen müssen, und höchstwahrscheinlich bleibt das an mir hängen, weil meine Eltern von ihrer spärlichen Rente nur einen kleinen Teil entbehren können."
„Schaffst du das sicher mit dem Geld?", hake ich ein, denn ich kann mir vorstellen, dass das nicht billig für sie wird.
„Jay möchte mir mit seinen Ersparnissen aushelfen. Darum ging's in unserem Streit. Das würde bedeuten, dass ich mich solange finanziell von ihm abhängig machen müsste. Ich hätte Schulden bei ihm."

„Dass dir das unangenehm wäre, kann ich gut verstehen", sage ich. „Ob du Jay vertrauen kannst, musst du allein entscheiden. In deinen Erzählungen wirkt er wie ein vernünftiger Kerl. Aber so eine Bindung einzugehen ist riskant. Verlass dich auf deine Menschenkenntnis."
„Apropos, du kennst meinen Freund nicht persönlich und ich wäre eigentlich dafür, dass wir das bald mal ändern. Was hältst du von einem Doppeldate mit Vincent?", wechselt sie auf einmal das Thema.
„Ein Doppeldate?", amüsiere ich mich über ihre Idee.
„Das wird lustig. Wir könnten zu viert was trinken gehen." Ich muss grinsen.
„Verlockender Vorschlag. Ich rede mit ihm darüber, er ist ohnehin der nächste auf meiner Liste, dem ich ein Ohr abkauen werde."
„Na dann, gute Besserung", wünscht sie mir zum Abschied.
„Danke, lass dich von Napoleon nicht kleinkriegen."
„Niemals. Vive la rédaction." Ich lache, leider geht es rasch in ein Husten über.
„Bis bald", keuche ich, bevor ich röchelnd auflege.

Star Wars läuft nach wie vor. Da Vincent alle Teile mitgebracht hat, um mich dazu zu zwingen, sie mit ihm anzuschauen, hab ich sie nun da und lasse mich oft von der Filmreihe in den Schlaf langweilen. Ich zerre meine Bettdecke über meinen Körper, fröstle wegen eines Fieberschubs und lege mich hin. Mit meinem Freund telefoniere ich, wenn ich die Müdigkeit besiegt habe ...

Oder auch nicht.

Als ich aus dem Schlaf hochschrecke, ist es noch früher Nachmittag. Schreiben ist besser, wenn er im Studio hockt, hat er mir eingetrichtert.
Gähnend setze ich die YouTube-Wiedergabe eines alten SDP-Albums über meinen Fernseher fort. Seit ich mich in meiner Wohnung eingesperrt habe, um keine Bazillen draußen an die Leute zu verschenken, versuche ich mehr über Vincents Karriere herauszufinden. Inzwischen habe ich einen Haufen Songs gehört, die mich zum Lachen gebracht haben, doch das Lied, das die teure Soundbar diesmal ausspuckt, hebt das Ganze auf ein völlig neues Level. Kichernd verfasse ich eine Nachricht an meinen Freund.

Ich höre mich aktuell noch immer durch eure Alben und will eine Erklärung hierfür.

Es folgt eine Audio von Zappeln, Vincents Opus Magnum.

Ich seh schon, du hast dir gleich die mit Abstand besten Songs rausgesucht. Dieses Kunstwerk steht für sich, Erklärungen gibt's nicht.

Was ist da los mit dir? xD

Könnte sein, dass das gesamte Album auf Pillen entstanden ist ...

😂 Was auch immer du da geschmissen hast, ich will eine sofort und zehn auf Vorrat.

Er schreibt, löscht anscheinend alles und ich erhalte etwas zeitverzögert die nächste Nachricht von ihm.

Wie geht's dir im Moment? Langweilst du dich zu Hause ohne mich?

Was für eine Frage. Star Wars ödet mich an :P

Diese liebevolle Neckerei kann ich mir nicht verkneifen.

Sekunde, muss nur kurz deine letzte Nachricht löschen. Oder am besten gleich den gesamten Chat. Wie wär's, wenn wir die Beziehung an dieser Stelle einfach beenden?

🖕😂 Wie wär's, wenn du keine Witze darüber reißt, wie du mich verlässt?

Na, meinetwegen 😤 ;* Wie geht's dir?

Ach, alles okay. Grippaler Infekt ist wie ein typischer Schnupfen, bloß ein bisschen heikler. Ich bin genervt, weil ich weiß, wie viele Artikel mir auf Arbeit durch die Lappen gehen. Das stresst mich, und Stress ist der schnellen Genesung logischerweise nicht zuträglich. Unter normalen Umständen würde ich auf Yoga zurückgreifen. Aber ich bin zu platt dafür.

Ich würde meine Gesundheit noch immer klaglos riskieren, um nach dir zu sehen <3

Das ist süß von dir, Vince, aber ich möchte wirklich nicht, dass du dich ansteckst :( <3 Vorhin hab ich mit Didi gesprochen: Sie hat uns auf ein Doppeldate eingeladen.

😂😂😂 Ernsthaft? Willst du hingehen?

Klar, bei der Gelegenheit kann ich prima mit dir angeben :P Also, ich hätte jedenfalls Lust. Ich kenne Didis festen Freund gar nicht persönlich. Sie war auch sauer auf mich, weil ich ihr nach ihrem Streit mit ihm nicht beistehen wollte. Das war an dem Abend, als wir bei deinen Eltern gegessen haben.

Ich erinnere mich. Wenn du gehen willst, lass ich mich drauf ein.

Allerdings nur ungern. Lese ich das richtig bei dir raus?

Wieder dauert es einen Moment länger.

Ist wie mit Elterntreffen. Hab keine guten Erfahrungen mit Doppeldates in der Vergangenheit gemacht.

Aber Elterntreffen lief super für uns :D

Deswegen hab ich doch auch geschrieben, ich lass mich drauf ein :P Komm erstmal auf die Beine, du krankes Huhn. Ich vermisse dich </3

Ich dich auch </3

Dag grüßt dich übrigens.

Grüß ihn zurück von mir :) Rufst du mich später an?

Auf jeden 😘

Mit einem Lächeln auf den Lippen lege ich mein Handy weg. Garantiert finde ich noch weitere Songs zu meiner Erbauung. Die Musik der Jungs wirkt besser als jedes Antibiotikum. Und Lachen ist ja bekanntlich gesund.

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