46 - Wir und sie

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Der Asphalt brennt unter meinen Füßen. Durch die dünne Sohle der Chucks spüre ich das Feuer, als ich mich mit dem 11er-Kasten in den Händen auf die Studiotür zubewege. Die luftigen weißen Leinen-Shorts sind heute ein wahrer Glücksgriff gewesen. Dazu trage ich ein ebenso schneeweißes Croptop. Die Sommerhitze ist schon wieder unerträglich. Im Auto habe ich mich nochmal mit Deo eingesprüht. Schweißperlen rinnen meinen Nacken hinunter, seit ich ausgestiegen bin. Was unter anderem daran liegen dürfte, dass ich meine langen Haare offen trage. Es gefällt Vincent, aber diesmal verfluche ich mich dafür, nicht wenigstens einen Haargummi mitgenommen zu haben.

Ächzend stelle ich den Kasten auf dem Boden ab, drücke die Beine gerade durch und bleibe in der Vorbeuge, um meinen Rücken auszuhängen, bis ich mich Wirbel für Wirbel wieder aufrichte und auf den Klingelknopf drücke. Der Schatten unter dem Vordach ist so unglaublich wohltuend. Mit geschlossenen Augen atme ich tief ein. Auch wenn die Luft stickig ist, enthält sie Sauerstoff, den ich gebrauchen kann.

Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Vor mir steht Dag mit einem breiten Grinsen im Gesicht, er hält eine Flasche Cola in der Hand, von der kühles Kondenswasser auf die Fußmatte tropft.
„Hi", begrüße ich ihn, lächle und funktioniere meine Hand zum Fächer um. „Es ist eine Affenhitze hier draußen. Ist es bei euch drinnen besser?"
„Komm rein und find es raus", erwidert er. Ich gehe in die Hocke, will den Bierkasten wieder hochheben, doch Dag hält mich an der Schulter fest. „Lass, ich mach schon. Keine Sorge wegen der Hitze. Dein Macker hat das ganze Studio mit genügend Ventilation ausgestattet, weil er sich auch bei über vierzig Grad nicht von seinem Schreibtisch trennen kann."

Kaum bin ich durch die Tür getreten, verstehe ich, was er meint. Wind wirbelt durch mein Haar. Ich stehe einer schwarzen Säule gegenüber, die angenehme, wunderbar frische Luft in den Raum pustet. Erleichtert seufze ich.
„Ein Mann, der mitdenkt - Jetzt habe ich wirklich alles, was ich im Leben brauche." Ich drehe mich lächelnd zu Dag um.
„Wie geht's dir?", fragt er mich, hält mir seine Cola hin und ich nehme sie ihm ab. Vincents bester Freund schnappt sich die Kiste. „Folg mir, dann hör ich dich weiter", fordert er mich auf, also trabe ich ihm hinterher. Nebenbei teile ich meine Haare am Hinterkopf und hole die beiden Partien nach vorn. Genau da brauche ich Kühlung. Liebkosung mithilfe eines Eiswürfels oder sowas wäre perfekt. Schluss mit deinen Fantasien, Charlotte.

Dag verströmt eine Mischung aus Tabak- und Deoduft; sehr herb, nicht so ganz mein Fall, aber dennoch angenehm.
„Ich glaube nicht, dass ich dir viel Neues erzählen kann", antworte ich ihm. „Vincent hält dich doch bestimmt eh auf dem Laufenden." Dag lacht und es wirkt ansteckend, also kichere ich mit.
„Na, hör mal, du hast ja wohl noch ein Leben außerhalb eurer Beziehung. Oder nicht?", frotzelt er.
„Habe ich. Beruflich läuft es super. Ich bin froh, nachdem ich aussetzen musste, endlich wieder arbeiten zu können." Die Tür zum Getränkelager steht offen und ich sehe bereits meinen Freund darin, der uns den Rücken zugewandt hat und die Bierauswahl kritisch beäugt. Sein Blick fliegt zu uns. Sofort sehe ich das Funkeln in seinen braunen Augen und das urtypische Kribbeln stellt sich ein.
„Chacha." Er schlingt einen Arm um meine Taille und zieht mich seitlich zu sich ran. Ich küsse ihn für den Bruchteil einer Sekunde und verharre noch kurz in der Nähe seiner Lippen, ehe ich mein Gesicht den Türmen aus Getränkekisten zuwende.
Dag schiebt mein Mitbringsel in die passende Ecke.
Mein Freund malt derweil mit seinen Fingerspitzen eine Spirale auf meinem Bauch. Die Berührung macht mich glatt ekstatisch, trotzdem zwinge ich mich, die Lust im Schach zu halten. Wir haben später noch Zeit dazu ...

+

Es dauert nicht lange, bis auch Sina zu uns stößt. Genauso wie jede Menge andere Männer und Frauen in unserem Alter, aber ich halte mich an Dags Freundin.
„Du hast seine Mutter vor ein paar Tagen kennengelernt, meinte Vince", versuche ich mich an einem weiteren Gesprächseinstieg. Wir haben schon mehrfach den Faden verloren, was daran liegen wird, dass ich mir Sina als Freundin unter anderen Umständen nicht ausgesucht hätte. Allerdings bin ich zu faul, aufzustehen und mich ins Getümmel zu stürzen, um nutzlose Bekanntschaften zu schließen.

Dags Freundin grinst schmal. Ich schätze, ich habe einen wunden Punkt gefunden.
„Seine Mutter hasst mich", konstatiert sie. Anlässlich ihres merkwürdigen Tonfalls ziehe ich jedoch eine Augenbraue hoch. Sie klingt fast, als würde diese Tatsache sie ein bisschen stolz machen. Dabei hat Vincent mir neulich mitgeteilt, dass er Dags Mutter total gernhat, weil sie viel cooler ist als seine eigene. Gut, cooler als Christine Stein ist kein Kunststück.

„Warum denn?", hake ich nach. Sina fährt sich durch ihren Long-Bob und schnaubt amüsiert.
„Er ist ihr Ein und Alles. Ich bin nicht gut genug für ihn."
„Hat sie dir das ins Gesicht gesagt?", wende ich skeptisch ein und Sina schüttelt prompt den Kopf.
„Quatsch. Natürlich nicht. Aber ich hab's gespürt, Nora hasst mich."
„Und du interpretierst da nicht zu viel rein?", frage ich, ohne meine Betonung anzupassen. „Hast du mit Dag drüber gesprochen?"
„Er sagt, ich spinne."

„Tust du auch", ertönt plötzlich Vincents Stimme neben mir. Sido, mit dem er sich eigentlich bis eben noch unterhalten hat, ist wohl gerade abgedampft. Er lässt sich neben mich aufs Sofa fallen. Ich nehme ihm seine Bierflasche ab und trinke einen Schluck, ehe ich sie ihm wiedergebe. „Nora kennt dich kaum. So schnell urteilt sie über niemanden." Für mich wird daraus deutlich, dass er sie beruhigen will. Bloß scheint Dags Freundin das nicht zu checken.
„Du warst nicht dabei", knurrt Sina. Vincent will gerade von ihr angestachelt zu einem frechen Konter ansetzen, als er von einer Unbekannten unterbrochen wird, die die Treppe erklimmt.

„Ah, da is' ja die bessere Hälfte von SDP." Die Frau, die sich uns nähert, ist etwa in meinem Alter, schätze ich, und ein verschmitztes Lächeln schmückt ihre vollen Lippen. Sie hat riesengroße Augen und eine schmale, kurze Nase. Sommersprossen tummeln sich auf ihrem Gesicht und ich glaube, von Natur aus hat sie rote Haare. Aber sie sind gefärbt, erdbeerblond. Make Up trägt sie - soweit ich das erkennen kann - nicht. Vielleicht ein bisschen Rouge und Wimperntusche. Vincents Augen leuchten auf.
„Dag, Dicka! Hast du das gehört?", fragt er die anscheinend schlechtere Hälfte von SDP.
„Ja, hab ich", brummt der gleichgültig. „Wenn du wüsstest, Antonia", fügt er noch an den neusten Partygast gewandt hinzu, bevor er Sido, der eigentlich Paul heißt, zu den Stufen rüberschiebt. „Das sagst du nur, weil du keinen Plan hast." Antonia lacht.
„Du findest schon noch jemanden, der dein Ego streichelt."
„Bin raus", nuschelt Sina neben mir.
„Ich bin für ihn zuständig", fährt das Mädel fort, auf dem meine Aufmerksamkeit lastet. Sie deutet mit dem Finger auf meinen Freund. Vincent grinst Dag geschmeichelt an. Antonia boxt spielerisch gegen seine Schulter. „Na, wie geht's, altes Haus?"
„Gut, gut", antwortet Vincent und schenkt ihr ein ehrliches Lächeln, bevor er sein Bier austrinkt. Dann trifft sie meinen Blick. Sie guckt nicht direkt abschätzig auf mich, aber ihre offensichtliche Neugierde wirkt dann doch eher kühl-distanziert.
„Du bist also die Neue", sagt sie.
„Wer bin ich bitte?", frage ich und bemühe mich dabei, nicht unnötig bissig zu klingen. Irgendwas verrät mir, dass das Mädchen Ärger bedeutet.
„Ich bin Antonia", stellt sie sich mir vor.
„Charlotte", erwidere ich.
„Ich hab gehört, dass es eine Neue gibt." Sie macht eine Pause und als ihr Mund erneut aufklappt, traue ich meinen Ohren kaum. „Vincent und ich waren ein paar Mal miteinander im Bett."

Vincent stiert sie völlig perplex an.

„Ähm", macht er. Ihm ist das unangenehm. Ich höre, dass er unterschwellig ziemlich sauer sein muss. Leider greift sein Fluchtinstinkt in diesem Moment. „Ich geh Bier holen, du wirst schon wieder hässlich", sagt er zu Antonia und steht für meinen Geschmack zu nah an ihr dran, weil sie keinen Schritt zurückgewichen ist, als er aufgestanden ist. Ihre Körper berühren sich beinah. Antonia setzt bloß ein süffisantes Lächeln auf.
„Bring mir eins mit." Er reagiert nicht darauf und schiebt sich an ihr vorbei. Sie nutzt die Gelegenheit und lässt sich auf seinen Platz fallen, fischt ihr Drehzeug aus ihrer Tasche und träufelt Tabak in ein Blättchen. Sina neben mir steht auf, murmelt irgendwas über einen unvermeidlichen Zickenkrieg und sucht das Weite.

„Wie lange ist das zwischen euch her?", frage ich Antonia unverblümt und lasse die Fingerknöchel knacken. Das Geräusch beruhigt mich irgendwie. Sie konzentriert sich weiter auf ihre Zigarette, während sie mir antwortet.
„Ein paar Jährchen mittlerweile. Wir haben uns an der Uni kennengelernt. War schön." Jetzt mustert sie mich doch. „Wie lange datet ihr einander jetzt?" Ich schüttle den Kopf.
„Wir daten nicht mehr", korrigiere ich sie. „Wir sind ein Paar." Ich rechne fast mit einer Entschuldigung für ihren unangemessenen Kommentar vorhin, aber Antonia überrascht mich.

„Das meinte ich damit." Sie sinkt gelassen gegen die Rückenlehne der Couch, zündet ihre Zigarette an. Dann zwinkert sie mir zu. „Mir wäre er ja zu anstrengend in 'ner Beziehung. Er hat ein so irres Aufmerksamkeitsbedürfnis. Aber das funktioniert auch bloß in eine Richtung. Du schenkst ihm Aufmerksamkeit, wenn er sie gerade braucht", analysiert sie Vincent.
„So würde ich das nicht sehen", widerspreche ich zähneknirschend und wieder wirft sie mir einen dieser Blicke zu, die ich nicht einordnen kann.
„Wirst du noch", beteuert sie. „Er ist wie ein Welpe, was das angeht."
„Danke, ich behalte es im Hinterkopf und bilde mir meine eigene Meinung", sage ich und langsam klingt es zu meiner Schande auch nicht mehr sonderlich neutral. „Er schlägt sich ganz passabel bisher."

Nun sieht sie mich das erste Mal länger an und beginnt freimütig zu erzählen: „Das mit Vincent und mir ging circa ein Jahr und wir haben es einvernehmlich beendet, als er mit SDP auf Tour gegangen ist. Wir wollten beide keinen ganzen Monat lang auf Sex verzichten, aber es hätte sich komisch angefühlt, einfach so mit jemand anders zu schlafen, nach einem Jahr. Ich meine, er war voll in mein Leben integriert und ich in seins, wir haben uns jede Woche gesehen. Deswegen konnten wir auch offen darüber sprechen, wir hatten einen guten Draht zueinander, damals wie heute. Am Ende hat das Schicksal uns wohl auseinandergetrieben. Ist vielleicht besser so, wer weiß." Sie zieht an ihrer selbstgedrehten Kippe. „Ich hätte nicht gedacht, dass er sich nochmal auf eine Beziehung einlässt. Du musst was auf dem Kasten haben, wenn du ihn davon überzeugen konntest."

„Keine Ahnung, was du dir da vorstellst, aber ich musste ihn nicht überreden", stelle ich klar. Antonia erwidert nichts darauf. Eine Frau, die ich nicht kenne, hat sie angesprochen. Vielleicht auch eine ehemalige Kommilitonin der beiden. Ich stehe auf und lächle sie honigsüß an, als ich an ihr vorbeigehe. Die Mordlust funkelt vermutlich in meinen Augen. Mir ist das egal und Antonia lässt sich ohnehin nicht so leicht einschüchtern.

In der Küche stelle ich mich neben Vincent, der in ein Gespräch mit seinem Bandkollegen vertieft ist, während er sich Sprite und Bier in einem Glas mischt. Eine natürliche Pause entsteht, die ich nutze, um ihn auf Antonia anzusprechen.
„Wie hältst du das mit der bloß aus?" Vincent rückt näher an mich ran und grinst.
„Mit Toni? Gerade du solltest doch wissen, wie's um meine Ausdauer bestellt ist." Ich lehne mich gegen ihn und küsse ihn am Hals, so sanft und zart, dass ich ihn leise seufzen höre. Dann beiße ich ihn kurzerhand an derselben Stelle. „Au", schmollt er.
„Geschieht dir recht, den Spruch hättest du dir klemmen sollen", rüge ich ihn und Vincent wendet sich mit finsterer Miene von mir ab. „Bist du jetzt beleidigt?", frage ich ihn kurz darauf.
„Ja, bin ich", gibt er verärgert zurück. „Du reagierst schon wieder sensibel auf irgendeine andere Frau, die mir nichts bedeutet und fühlst dich von ihr bedroht. Gott bewahre, wenn ich in solchen Situationen einen dummen Spruch bringe. Sobald du unsicher wirst, fängst du an, mir den Mund zu verbieten, fällt dir das auf?"

Ich sehe ihn an und er hält meinen Blick stand.
„Du hast recht, Antonia verunsichert mich", gebe ich zu, weil es mir vorkommt, als wäre das die einzige, erwachsene Möglichkeit, mit dem Thema umzugehen. Vincent nickt, bevor er noch einen Schritt auf mich zugeht und meine Hände in seine nimmt.
„Chacha, bitte hör auf dir Sorgen zu machen. Das mit Antonia ist lange her und wiederholen würde ich das heute sicher auch nicht mehr. Zu viel Heckmeck. Sie und ich sind bloß noch Freunde." Er lehnt seine Stirn gegen meine und küsst mich kurz. Das macht die Sache aber auch nicht wirklich erträglicher für mich. Durch meinen Kopf kreist die Frage, warum sie befreundet sind, aber ich sollte erstmal eine Weile in mich gehen und schauen, wie lange mich das Thema noch beschäftigt. Vincent angelt an mir vorbei nach einer Bierflasche aus dem angebrochenen Sixer. „Hier, für dich", überreicht er sie mir und ich muss gegen meinen Willen schmunzeln. „Komm mit, ich glaube, wir sollten demonstrativ kuscheln, bis es dir besser geht", schlägt er vor. Ich greife nach seiner Hand verschränke meine Finger mit seinen und wir tauschen ein Lächeln. Sein Einfall hätte möglicherweise Erfolgschancen.

Antonia hockt leider noch immer auf einem der Sofas auf der Galerie des Studios und lacht. Als Vincent wieder in ihrem Sichtfeld auftaucht, leuchten ihre großen blauen Augen.
„Ich habe Justine gerade die Geschichte erzählt, wie du mich aus dem See gerettet hast", verkündet sie. „Weißt du noch? Kurz bevor wir damals zu mir sind."
„Klar weiß ich das noch, das Wasser war so arschkalt, dass ich mir, während ich zu dir geschwommen bin, gewünscht hab, ich hätte dich ertrinken lassen."
„Ach, komm", grinst sie. „Ich hab mich erkenntlich gezeigt oder nicht?"
„Ja, alles danach ist bestimmt aus purer Dankbarkeit passiert", murmelt er, setzt sich dabei auf die Couch und zieht mich mit sich.
„Gern geschehen." Antonia schenkt ihm einen verführerischen Augenaufschlag, der zwar ironisch gemeint ist, mit dem sie es aber dennoch fertigbringt, dass ich im Strahl kotzen möchte.

Vincents Hand landet auf meinem Rücken und ich spüre Antonias durchbohrenden Blick auf mir, als ich mich an seine Brust kuschle. Tatsächlich beobachtet sie uns. Ich versuche diese Tatsache auszublenden, schließe die Augen und atme den frischen Duft ein, der von meinem Freund ausgeht. Er fährt mit den Fingerspitzen meinen Oberarm hinauf und hinunter, bis sich eine feine Gänsehaut darauf abzeichnet. Ich lege eine Hand über seinen Bauch und ziehe die Beine an. Vincent haucht mir einen Kuss auf die Schläfe. Mich stimmt seine Nähe langsam milde, doch als ich drauf und dran bin, mein Gleichgewicht wiederzufinden, spricht Antonia nebenan schon wieder über ihn. „Ich weiß noch, wie der da mir vorgeworfen hat, ich würde mich nicht genügend anstrengen." Bei der da deutet sie mit dem Daumen über die Schulter.

„War auch so", erwidert er. „Du hast die Beine breitgemacht, wo ist da die Leistung?"

Ich starre meinen Freund dunkler als düster an, doch er achtet einzig und allein auf Antonia.
„Ich war total erledigt an dem Tag", verteidigt sie sich.
„An dem Tag", wiederholt er spöttisch. „Tu doch nicht so, als hätte ich je irgendwas umsonst von dir bekommen, so wie du von mir."
„Da war sie wohl einfach schlauer als du und hat dich ausgenutzt", mische ich mich gereizt ein. Mein Blut kocht förmlich.
„Ich war immer fleißig", übergeht Antonia meinen Einwand empört. Genervt klopfe ich Vincent auf die Brust und kämpfe mich von ihm runter. Er sieht mir nach, läuft mir aber nicht hinterher und darum finde ich mich bald neben Dag und Paul wieder, die noch immer in der Küche rumhängen.

„Ärger im Paradies?", fragt Dag mich.
„Der Ärger hat einen Namen, er heißt Antonia", spucke ich es aus und Dag nickt verständnisvoll.
„Die reißen echt nur ihre Witzchen", versichert er mir. „Nimm's dir nicht so zu Herzen." Schwungvoll verleibe ich mir einen Shot ein und verziehe das Gesicht dabei.
„Ich hau ab", beschließe ich.
„Allein?", fragt Dag mich ungläubig.
„Vince weiß nicht, wie man sich benimmt, von dem lasse ich mich heute nirgendwo mehr hinbringen", knurre ich. Und wie in einer schlechten Sitcom taucht mein Freund just in diesem Augenblick im Türrahmen auf.

„Möchtest du das vor noch wem ausbreiten, den das überhaupt nichts angeht?", fragt er mich kühl.
„Nein, ich möchte nur nach Hause", sage ich und recke ihm trotzig mein Kinn entgegen. „Ich will nicht mit dir streiten", füge ich noch hinzu.

Vincent folgt mir durchs Studio und bis runter auf die Straße. Ich zwinge mich, nach vorn zu schauen. „Du musst mich nicht nach Hause bringen, ich bin schon groß", sage ich. Er hört nicht auf mich.
„Lass uns bitte darüber reden."
„Ich bin sauer auf dich, ich weiß nicht, ob ich schon darüber reden kann."
„Sowas ist richtig beschissen, Charlotte." Abrupt bleibe ich stehen.
„Da bin ich ganz bei dir. Siehst du ein, dass du was falsch gemacht hast?"

„Ja", kommt es sofort wie aus der Pistole geschossen zurück. „Natürlich weiß ich das, sonst wär ich ja wohl kaum hier und würde versuchen, dieses Drama abzuwenden." Ich sehe ihn prüfend an. „Mann, ich mein's echt ernst mit dir und ich will nicht, dass du wegen so einer Kleinigkeit wütend auf mich bist. Tut mir leid, dass ich mich auf das eingelassen habe, was sie gesagt hat. Das ist so ein Gewohnheitsding. Macht es nicht besser, aber du musst verstehen, dass Antonia und ich eben schon lange befreundet sind. Ich steuere nicht bewusst, worüber wir reden und manchmal labern wir Scheiße."
„Ja, das tut ihr", kommentiere ich trocken und setze meinen Weg fort.

Vincent joggt mir hinterher.
„Ist das damit abgeschlossen?", fragt er. Ich zucke die Schultern.
„Mal sehen."
„Ich dachte, du willst nicht streiten."
„Will ich auch nicht, aber ich habe Gefühle und die befinden sich in Aufruhr."
„Abseits von deinen Gefühlen verstehst du mich aber, ja?"
„Sie ist eine Freundin von dir, ja, ich hab's kapiert", murre ich. Vincent hakt sich bei mir unter.
„Was kann ich tun? Soll ich dir einen Schokokuchen backen?" Der Vorschlag ist so absurd, dass ich unwillkürlich lächeln muss. Verdammt, er kennt die Tricks.

„Nur wenn du in deiner schönsten Handschrift mit pinker Lebensmittelfarbe ‚Es tut mir leid, Charlotte' draufschreibst und alles mit herzförmigen Zartbitterstreuseln dekorierst." Vincent zückt sein Handy.
„Warte, ich schreib kurz mit. Pinke Lebensmittelfarbe hast du gesagt, oder?"

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro