53 - Neuanfang

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Der verheerende Orkan wird von freundlichem Oktoberwetter abgelöst. Blauer Himmel, strahlende Sonne, milde Temperaturen, leuchtende Wälder. Mensch und Natur erhalten eine Atempause, um möglichst schnell und gut die Spuren der Katastrophe beseitigen zu können.

Yoongi bekommt zum Glück keinen weiteren Ärger sondern sein letztes Gehalt, ein Zeugnis und eine Mitteilung, dass das Institut und der Kunde von einer Anzeige absähen, falls ... blablabla. Zwei seiner Kollegen im Straßeneinsatz und sogar einer der beiden Projektleiter folgen seinem Beispiel und kündigen. Yoongis Abgang mit Paukenschlag hat ihnen wohl bewusst gemacht, dass auch sie lieber ein reines Gewissen als ein volles Konto haben. Yoongi schaltet sofort und informiert die drei über die Stiftung und ihre Ziele. Er will Kontakt halten.

Bis das öffentliche Leben sich wieder normalisiert hat und So-Ra und ich nicht mehr Monsterschichten schieben müssen, werden noch Wochen vergehen. Aber allmählich lichtet sich das Chaos - vor allem an der Villa. Die Innenausstatter arbeiten wieder, das Aufbauteam für die Stiftung trifft sich, um weitere Weichen zu stellen, es wird über verschiedene Angestellte nachgedacht.

Yoongi will mir nicht mehr aus dem Kopf. Er ist so umfassend ausgebildet, eigentlich hätte ich gerne ihn als Mitarbeiter. Aber solange da nicht eine Versöhnung oder zumindest Aussprache mit Jeongguk stattgefunden hat, kann ich mir den Gedanken aus dem Kopf schlagen. Solange wird er untätig bei seinen Eltern sitzen, warten, irgendwann aufgeben und uns endgültig entgleiten. Ich gebe aber noch nicht auf. Ich beobachte Guk sorgfältig und hoffe auf einen guten Moment zum Gespräch. 
Jeongguk wirkt inzwischen so fröhlich und stabil. Er schleicht nur noch heimlich zu Yoongis Zimmer. Er redet nie darüber. Aber ich nehme ihm einfach nicht ab, dass ihn das so kalt lässt.
Da muss doch was zu machen sein!

Immer öfter schaue ich bei meinen Besuchen aus irgendeinem Fenster in Richtung Sandkasten.
Das Wetter ist jetzt wieder so freundlich - ich könnte ausnahmsweise endlich mal an mich denken.
Je öfter ich stumm in den Park starre, desto mehr drängen sich Fragen nach vorne.
Will ich das wirklich tun? Will ich das wirklich wissen? Will ich in der Vergangenheit wühlen? Oder sollte ich mich vielleicht bewusst dagegen entscheiden, den Traum fortschicken, nach vorne blicken?
Keeeiiiiine Ahnung. DIE Antworten kann mir nun wirklich keiner abnehmen. Es könnte mich weiter bringen auf meinem Weg - oder mich endgültig umwerfen. Und vermutlich ist das Zeitfenster mit dem guten Wetter nur sehr klein. Ach, Mist!
Schnell konzentriere ich mich wieder auf die Villa und die Jungs.

Es ist Samstag. Heute habe ich mal wieder das Frühstück besorgt und dazu noch Milchreis gekocht. Fröhlich sitzen wir um den großen Tisch, genießen die knisternde Wärme vom Kachelofen und schwätzen nebenbei über dies und das.
Anschließend schnappe ich mir fünf Decken und einige mitgebrachte Stiftungsgründungsunterlagen und baue mir draußen auf einem der Gartenstühle ein kuscheliges Plätzchen. Wieder einmal geht es darum, Entscheidungen zu fällen und Rechnungen zu bezahlen. Die klare, kalte Luft tut richtig gut, verhilft mir zu Konzentration und lässt mich flott vorwärtskommen.

Aber irgendwann stocke ich. Ich fühle mich beobachtet. Ich wende meinen Blick zum Wohnzimmerfenster, aber ich erkenne nicht, wer da so schnell den Kopf einzieht. Gespannt warte ich ab, ob noch etwas folgt. Und wer wohl grade zu wasauchimmer innerlich Anlauf nimmt.
Das Rätsel löst sich schnell, denn wenige Minuten später knackt die Haustür der Pförtnerei leise, obwohl sich jemand große Mühe gibt, die Tür lautlos zu öffnen. Schnell wende ich mich wieder meinen Papieren zu.

Es ist nur ein Flüstern.
"Nelli? Nicht erschrecken!"
Ich lächele Jeongguk an.
"Tu ich nicht, fest versprochen. Hol dir auch ein paar Decken und setz dich zu mir. Du hast doch was auf dem Herzen, oder?"
Jeongguk zögert. Ich halte meine vorschnelle Klappe.
"Ich ... Ne, geht schon, ich frier nicht so schnell."
Einen Moment überlegt er noch. Dann schnappt er sich einen weiteren Stuhl und setzt sich. Ich warte einfach ab.

Er bleibt so leise und unsicher. Allmählich bin ich echt neugierig.
"Hast du mal was von ... Yoongi gehört?"
Hurra! Da ist der Moment. Jetzt ganz vorsichtig sein, Nelli.
Ich lächele wieder.
"Warum fragst du?"
Jeongguk sieht ein bisschen frustriert aus.
"Weil ich ... ihn vermisse. Hast du nun oder nicht?"
"Ja, hab ich. Aber erst seit kurzem wieder."
"Seit kurzem?"
Ich stapele meine Papiere und lege sie beiseite.
"Ja, genau. Ich hatte ihn ja ins Krankenhaus gebracht. Und habe mehrfach lange mit ihm geredet. Nach zwei Tagen ist er von dort verschwunden. Ich habe noch einen Brief an ihn in seinem Institut abgegeben, aber von da an nichts mehr von ihm gehört. Das hat mir richtig weh getan, denn ... er ... er fehlt hier einfach - egal, was war. Trotzdem war immer klar, dass die Entscheidung bei dir liegt. Und ich hatte ja sowieso keine Spur mehr von ihm."

"Aber was hat er dann gemacht die ganze Zeit? Wo hat er gewohnt? Wann ..."
"Eine Frage nach der anderen. Er war bei dem Taifun in der Stadt unterwegs, kam nicht mehr über den Han nach Hause und hat sich darum zu mir durchgeschlagen. Du erinnerst dich bestimmt, dass ihr beide mal bei mir wart. Gegen Abend hat er nass bis auf die Knochen und schon etwas fiebrig vor der Tür gestanden. Namjoon war auch da. Wir haben ihn aufgetaut und aufs Sofa gepackt. Ein bisschen hat er uns erzählt, dann ist er erstmal im Fieber ersoffen."
"Ist er noch bei dir? Will er mich sehen?"
"Sowas von! Also ... dass er dich sehen will. Er ist nicht mehr bei mir, aber er ist auch nicht auf der Straße, und wir haben guten Kontakt. Und was deine anderen Fragen angeht - die musst du ihm stellen. Ich weiß alles. Aber ich bin nicht diejenige, die dir das erzählen sollte."

Ein bisschen sieht sein Gesicht jetzt bockig aus.
"Er wartet nur auf mein Signal, dass er dir das alles selbst erzählen und erklären darf."
Lange gibt Jeongguk keinen Laut von sich, aber in seinem Gesicht arbeitet es. Ich warte ab. Ich denke, er hat verstanden.
"Aber ... von dem, was er zu erzählen hat, will ich abhängig machen, ob ich ihn sehen will."
Okay. Hat er nicht.
"Das halte ich für falsch. Andersrum wird ein Schuh draus. Du solltest ihm die Chance zu einer Begegnung geben. Dann kann er erzählen, du kannst hinfühlen, all deine Fragen stellen und dabei erleben, wie er dazu steht. Du kannst dabei viel besser rausfinden, ob das für Dich ehrlich und richtig klingt. Wenn ICH dir das erzähle, kannst du das sonstwie interpretieren und hinterher einfach kneifen."

Wieder ist es ganz still.
"Aber ... wenn er dann ... ich hab Angst ..., dass er mich schon wieder anlügt."
...
"Und ... ich dann wieder zuschlage."
"Wirst du nicht. Einfach, weil du dir der Gefahr bewusst bist."
Verblüfft sieht er mich an.
"Tief drinnen willst du ihn sehen, willst ihn wieder haben. Hab ich recht? Und ich schwöre, er sehnt sich nach dir wie ungescheit. Aber du hast das Recht, den Startschuss geben zu dürfen."
Einen Augenblick lang herrscht noch absolute Stille. Dann steht er wortlos auf und geht in Richtung Villa davon. Kein Blick zurück. Der offene Moment der Sehnsucht ist vorüber. Aber es war ein Anfang, der mich hoffen lässt.

Nachdenklich bleibe ich noch eine Weile dort sitzen, nehme die schwachen Strahlen der diesig verschleierten Novembersonne auf und lasse meinen Gedanken freien Lauf.
Wir sind schon ein ganz spezieller Haufen hier. Lauter gebrannte Kinder, die sich gegenseitig auf die richtige Spur schubsen. Ihre WG gibt ihnen allen unglaublich viel Halt.
Eigentlich verrückt, dass ich immer noch dauernd hin und her fahre. Ich sollte mich mal langsam entscheiden. Wenn ich hier herziehe ... Nein. Das passt einfach nicht. Könnte ich ... hier was in der Nähe? Uff - NOCH ein Haus oder Wohnung finden, renovieren, umziehen, zu meinem zu Hause machen. Und ich hänge so an meiner Dachwohnung. Sie war Harrys Geschenk zum Studiumsbeginn.
Okay - jetzt werde ich sentimental. Reicht dann auch.

Ich habe jedes Zeitgefühl verloren und keine Ahnung, wie lange Namjoon noch schlafen wird. Aber ich könnte gut ein bisschen Ablenkung vertragen. Also greife ich all meinen Pröttel und gehe rein.
Zum Glück kommt Namjoon kurz darauf aus seinem Zimmer, und wir trinken erstmal gemeinsam Kaffee. Ich will grade das Thema Wohnen ansprechen, da steht plötzlich Jeongguk am Tisch.
"Nelli, ... wenn Yoongi hierher kommt und du dabei bist ... Ich ... es macht mich verrückt! Ich will endlich ... ich will verstehen, was los war und wie er sich das jetzt denkt. Sonst ... keine Ahnung!"
Unruhig wippt er auf seinen Füßen vor und zurück. Sein Blick ist fast flehend. Er will wirklich erlöst werden.
"Kein Problem. Soll ich den Kontakt wieder herstellen und einen Termin für euch machen? Oder soll ich dir seine Kontaktdaten geben, und d..."
"Ja! Nein!! Oder ... doch! Oder so ..."

Namjoon steht still auf und zieht den hilflos stotternden Jungen in seine Arme.
"Hol mal ganz tief Luft, Gukkie. Das ist eine große Nummer für dich. Lass es wachsen, irgendwann weißt du, wie du es haben möchtest. Aber zwing dich jetzt zu nichts. Okay?"
Jeongguk entspannt sich etwas und nickt schließlich. Aber er lässt Joon nicht los. Es tut ihm offensichtlich gut, gehalten zu werden, und wir geben ihm diese Zeit. Nach einer Weile dann kann er sich lösen, sich zu uns setzen und sich auch einen Kaffee einschenken.

"Ich glaube, ich hab jetzt lange genug darüber gegrübelt. Ich mag Yoongi bald sehen. ... Gibst du mir seine Nummer?"
"Na klar doch. Er hat es mir ausdrücklich erlaubt. Hier."
Ich halte ihm mein Handy unter die Nase, und er speichert sich die Nummer ab. Er hat von seinem Bruder ein eigenes Handy zum Geburtstag bekommen. Zu unser aller Verblüffung verschwendet er keine Zeit sondern schreibt Yoongi sofort an. Seine Hände zittern, während er auf eine Reaktion wartet.
Zum Glück lässt die nicht lange auf sich warten. Aufgeregt zeigt Guk uns seinen Chatverlauf und tippselt die nächste Antwort.

"Hallo ..."
"Wer da?"
"Yoongi ... Jeongguk."
Eine kleine Pause entsteht. Yoongis Antwort braucht wohl eine Weile. Dann klingt er sehr unsortiert - und sehr sehnsüchtig.

"Danke! Musste mich erstmal setzen. Danke! Was ... Wie geht es Dir? Was möchtest du, soll ich tun?"
Jeongguk zuckt kurz zusammen, bevor er antwortet.
"Mir die Wahrheit sagen. Hier, zu Hause. Und mich zurückerobern. Das hast du doch schon einmal geschafft."
"Jetzt sofort? Heute Abend? Wann immer du willst! Hauptsache, dieser grauenvolle Zustand hat ein Ende."
Verwirrt von so viel Zugewandtheit starrt Guk aufs Display, dann zu mir.
"Was soll ich da denn jetzt antworten?"
"Was immer du willst. Ich habe Wochenende und ganz viel Zeit."

Viermal fängt Guk seine Antwort an, löscht aber gleich alles wieder. Ich werde ganz kribbelig vom Zusehen. Aber ich reiße mich zusammen. Guk seufzt. Und schreibt schließlich nur ein Wort.

"Morgen?"
"Soll ich zum Frühstück kommen? Oder willst du lieber erstmal reden? Dann komme ich danach. Wie Du willst."

Der arme Junge tut mir echt leid. Erst wochenlang nichts und jetzt so plötzlich lauter Entscheidungen. Er ringt mit sich. Das geht auf einmal alles so schnell.

"Hm. Erst reden, dann brunchen?"
"Gerne. Ich bin dann gegen 9.00 Uhr da, okay?"
"Okay."
"Danke, Jeongguk. Wirklich. Danke!"

Jeongguk steckt sein Handy ein, starrt auf seine Schuhspitzen, gibt keinen Laut von sich.
Auf seinem Gesicht und in ihm drin tobt ein Sturm der Gefühle. Der Ärmste weiß grad nicht, wo oben und unten ist. Aber er hat die Gespräche heute alle selbst angeleiert. Also war es wohl Zeit dafür.
Namjoon nimmt ihn einfach wieder in die Arme. Guk bricht in Tränen aus.
Hoseok kommt aus dem hinteren Flur, stutzt und fragt gleich nach.
"Hallo, allerseits. ... Äh - alles in Ordnung, Gukkie? Kann ich helfen?"
Jeongguk schüttelt nur den Kopf. Ich übersetze das.
"Guk hat grade mit Yoongi geschrieben. Morgen früh gibts erst eine Aussprache und dann allgemeines Brunch."

Hobi kommt sofort näher und streicht Guk brüderlich über den Rücken.
"Da wär ich auch aufgeregt und durch den Wind. Aber das ist ein toller Schritt. Und bis dahin bist du hier nicht alleine."
Jeongguk nickt, schnieft und richtet sich auf.
"Gehst du tanzen?"
"Ja, warum?"
"Ich weiß nicht, ob das Sinn hat. Aber ich könnte jetzt Bewegung und Powern vertragen ..."
Hoseok lacht.
"Na, dann! Du brauchst bequeme Klamotten ohne Strippen und Tüddel und flexible Schuhe, die deine Fußgelenke stützen. Aufauf!"
Jeongguk wächst noch fünf Zentimeter und strahlt.
"Bin schon wieder da!"
Weg ist er.

Wir grinsen uns an und zählen gemeinsam laut von zehn rückwärts. Bei drei stürzt Guk wieder zur Tür rein.
"Looooos!"
Ich zwinkere Hobi zu, der sich unseren Wirbelwind schnappt und in den Flur schiebt.
Ach, Gukkie. Bei Hoseok zu sein und dich auszupowern, dürfte jetzt genau das richtige für dich sein. Hab Spaß heute!

Namjoon setzt sich wieder zu mir.
"Und - was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Nachmittag?"
"Mir schwirrt so viel im Kopf rum."
"Lass mal laut schwirren."
Ich gebe Joon einen schnellen Kuss, ernte zwei kratertiefe Grübchen und versuche, laut zu schwirren.
"Ich möchte bald an den Sandkasten ran. Sobald sich Guk und Yoongi stabilisiert haben. Ich möchte endlich auch meine 'Märchenstunde' für die Jungs halten. Und ich bin die bescheuerte Fahrerei SO leid. Zur Arbeit, nach Hause, auf den Berg, hin und her. Es kostet Zeit und Sprit und Nerven. Ich hab schon überlegt, ob ich näher ran ziehe. Aber die Villa ist verplant, die Pförtnerei ist zu voll und zu trubelig. Und ..."

Namjoon nimmt meine Hand, die unruhig durch die Luft saust.
"Und du liebst deine Wohnung. Deinen Balkon. Deine Ruhe. Du willst nicht da weg sondern nur hier näher ran."
"Ganz genau."
"Das wird aber schwierig. Menschen beamen ist ja inzwischen normal. Aber ganze Häuser ... Und die anderen im Haus wollen vielleicht gar nicht umziehen."
"Idiot!"
"Bei der Arbeit. ... Spaß beiseite. Hast du bewusst vorgehabt, immer in dieser Wohnung zu leben? Oder schrecken dich nur die Suche nach einer neuen Bleibe und das Renovieren und der Umzug ab?"
"Ich ... glaube, ... beides?"

"Dann gäbe es die Möglichkeit, dass wir dir hier im Stadtteil etwas passendes suchen, die Renoviererei den Profis überlassen, den Umzug für dich fahren. Und dass du deine Wohnung als Stadtdomizil einfach behältst. Du hast doch Zeit. Vielleicht zieht mal einer von uns in die Stadt und hält dir dort das Nest warm. Kannst du dir das vorstellen? Dann ist die Entscheidung nicht so endgültig und du kannst zurückrudern, falls du das brauchst."
"Hm. Das ist eine Möglichkeit."
"Sehr überzeugt klingst du nicht. Lass das einfach mal sacken."

Wir werden unterbrochen. Jimin kommt von seinem Bus rüber, wie immer Hyebit im Schlepptau. Er will sich ein bisschen aufwärmen, bevor er zur Gärtnerei radelt und lehnt sich dafür an den bullernden Kachelofen.
"Hallo, Jimin. Warum musst du da heute Nachmittag eigentlich hin?"
"Hi. Der Chef möchte mit mir die letzten Pflanzen für den Barockgarten aussuchen und bestellen. Das Farbkonzept hatten wir dir ja schon vorgestellt und dein Okay bekommen. Im Gewächshaus geht die Saat auf. Jetzt geht es darum zu entscheiden, welche Pflanzenfarben wir noch brauchen für die Muster und so weiter. Dann können wir für jedes Beet planen, was wir wo reinsetzen. Ziel ist, dass die Beete lückenlos ganzjährig die Farben zeigen, weil irgendwas immer blüht."

"Das klingt spannend. Musst du gleich los?"
"Hm. Dauert mit dem Rad nicht mehr so lang wie früher, aber ich bin doch eine Weile unterwegs."
"Namjoon? Hast du Lust, dass wir mitfahren und den beiden über die Schulter schauen?"
"Warum nicht? Wenn wir im Weg sind, können wir uns ja absetzen. Ich wollte mal zur Tanke, weil es mir komisch vorkommt, dass ich immer noch nicht wieder arbeiten soll."
"Gut. Jimin, magst du mit uns im Auto fahren? Wir würden euch gerne bei der Planung belauschen."
Erst kuckt er verblüfft, aber dann hellt sich sein Gesicht auf.
"Gerne. Der Chef hat sicher nichts dagegen."

Gemeinsam fahren wir den Berg runter. Auf halbem Wege zwischen Samsung Museum und dem Kreisel dirigiert Jimin Namjoon nach rechts durch kleinere Straßen in Richtung Gärtnerei. Wir schlängeln uns durch eine fast dorfähnliche kleine Ansiedlung über einen flachen Ausläufer des Bukhansan ins nächste Tal.
"Schaut mal, Jungs. Das sieht ja richtig nett aus hier. Fast wie eine geschlossene Siedlung. Und riesige Schäden vom Sturm scheint es hier auch nicht gegeben zu haben."
Begeistert drücke ich mir die Nase an der Scheibe platt, um möglichst viel zu sehen.
"Ich glaube, dass das tatsächlich mal ein Bergdorf war. Kuck mal, wie alt die Häuser sind, und fast alle haben einen Innenhof oder kleinen Garten. Seoul ist einfach drumrum gewachsen."

Wir fahren über einen kleinen Platz, der ein bisschen wie eine Dorfmitte wirkt. Mehrere Straßen zweigen von hier ab. Wir folgen der Breitesten davon.
Bis Namjoon plötzlich den Wagen anhält und einfach aus dem Fenster zeigt. Am Anfang einer Seitenstraße stehen drei winzige Häuser mit schmalen Streifen Blumenbeet davor, dicht aneinander gedrängt. Alle Fenster sind verschlossen, und vor allen drei Türen steht das gleiche Schild. "Zu Verkaufen".

Der alte Putz hat wohl mal verschiedene Farben gehabt, ist jetzt aber völlig verblichen, so dass zwei Häuschen aussehen, als ob sie ineinander übergehen. Das dritte steht ein Stück weiter, aber die Mauer geht in einem durch.
Ich bekomme eine Gänsehaut. Fühle mich überrumpelt. Und ein bisschen auch von Namjoon gedrängt.
"Das ... das geht mir zu schnell. Kannst du bitte weiterfahren?"
"Natürlich, Liebes. Ich war grade nur selbst so verblüfft."

Kurz darauf rollen wir auf den Parkplatz der Gärtnerei. Die Spuren des Taifuns sind hier noch deutlich zu sehen, aber es geht offensichtlich aufwärts. Da Jimin uns angekündigt hat, werden wir von seinem Chef bereits erwartet.
"Frau Cho, herzlich willkommen. Herr Kim. Jimin, bringst du unsere Gäste in mein Büro? Ich bin gleich da."
Er verbeugt sich vor uns und verschwindet dann in seinem Laden, während Jimin uns an den Kassen vorbei in ein Büro führt. Schnell taucht der Gärtner wieder auf mit zwei weiteren Stühlen und fordert uns höflich auf, uns zu setzen.

In der folgenden Stunde werden wir Zeuge, wie die beiden mit bunten Kärtchen in den von uns ausgesuchten Farben auf einem großen Tisch Puzzle spielen. Jahreszeit für Jahreszeit entstehen vor unseren Augen bunte Muster, die sich ständig verwandeln, aber in der Farbgebung nahezu gleich bleiben. Es ist faszinierend, wie eingespielt die beiden sind, wie viel Raum der Chef seinem Angestellten gibt - und wie viel noch sicherer Jimin sich in dieser vertrauten Situation fühlt.

Am Ende liegen Berge von Skizzen, Fotos und Listen vor uns und erhöhen meine Vorfreude noch mehr als bisher schon.
Wir verabschieden uns und nehmen Jimin noch ein Stück mit. Namjoon wählt wahrscheinlich bewusst einen anderen Weg durch das alte Dorf. Das ist mir ganz lieb, denn diese kleine Entdeckung so kurz, nachdem ich zum ersten Mal laut drüber nachgedacht habe - das überfordert mich völlig.

Erst setzen wir Jimin an der nächsten Bushaltestelle ab, dann steuert Namjoon seine Arbeitsstelle an. Die Tankstelle liegt am Highway 77, der sich am nördlichen Ufer des Han entlang windet.
Als wir darauf zufahren, werden wir schlagartig still. Der Highway ist völlig leer, viele Straßen sind noch immer von einer Schlammschicht bedeckt, mehrere Zapfsäulen sind abgeknickt. Und das Kassenhaus ist komplett verwüstet. Ein Wunder, dass es noch steht.
"Ach, du liebes Bisschen! Fahr ran. Vielleicht ist dein Chef ja da."
Ist er. Von Kopf bis Fuß verdreckt und ganz alleine schaufelt er matschige Landkarten und Zeitschriften, Scherben von Getränkeflaschen und Verkaufsvitrinen, Schrott und Schlamm in einen Müllcontainer. Einige Tüten Gummibärchen fliegen hinterher, dann folgt eine Palette aufgeplatzter Felgenreinigersprühdosen. In einer Kühltruhe schwappen aufgetaute Eis am Stiel im Brackwasser. Es ist ein einziges Schlachtfeld.

Namjoons Chef ist grau im Gesicht wie der Schlamm zu seinen Füßen. Mit zusammengebissenen Zähnen entsorgt er die Reste seiner wirtschaftlichen Existenz. Das alles sieht nicht sehr rosig aus. Joon fasst sich ein Herz.
"Oje, das ist ja furchtbar. Wenn es in Ordnung ist, komme ich ab morgen zum Helfen."
Der erschöpfte Mann hält einen Moment inne.
"Das wäre eigentlich gut. Aber ich finde keine Bank, die mir den Wiederaufbau finanzieren will. Die Versicherung wird Monate brauchen, um meinen Fall zu bearbeiten. Also kann ich so lange keine Angestellten bezahlen und muss das hier eben alleine abwickeln."
Namjoon schüttelt den Kopf.
"Das ist verrückt. Mir ist schon klar, dass es hier nicht so schnell weitergeht. Aber ich habe ein Dach über dem Kopf, das reicht. Mir ist egal, ob ich dabei was verdiene oder nicht. Ich will helfen. Das ist das Mindeste, was ich für Ihr Vertrauen zurückgeben kann."

Zum ersten Mal lächelt der Mann.
"Wenn Sie das wirklich ernst meinen, Herr Kim, dann wehre ich mich nicht mehr."
"Abgemacht. Dann werde ich für die nächsten Wochen ausnahmsweise mal tagaktiv und packe hier mit an. Wir checken gemeinsam die Finanzen und versuchen, ob es nicht doch eine Chance gibt, den Betrieb zu retten."
Erschüttert machen wir uns auf den Weg zurück zum Bukhansan.
"Und das ist ja nur der eine Betrieb. Im ganzen Land sind hunderte von Firmen so abgesoffen und zerstört. Hoffentlich lässt sich da noch was retten."
Namjoon antwortet nicht. 

Als wir an der Pförtnerei ankommen, wechselt er abrupt das Thema.
"Willst du jetzt eigentlich nach Hause fahren, oder magst du mal wieder bei mir übernachten? Dann kannst du vor dem Termin mit Yoongi etwas länger schlafen."
Länger schlafen ist genau das richtige Stichwort. 
"Das ist eine hervorragende Idee. Mit Schatzi kuscheln UND länger schlafen - das kombiniert sich perfekt."
Mit einem Lächeln steuert Namjoon mein Auto durch den Kreisel und den Berg rauf. Auch ihm gefällt offensichtlich diese Kombination.

........................
1.4.2023    -    24.3.2024

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro