90 - eine echte Überraschung

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Die Fahrt zur Villa dauert so lange wie noch nie. Endlich biege ich durchs Tor ein und will bis zum Rondell hochfahren, um auszuladen. Aber so weit komme ich nicht. Schon bald steht ein grinsender Jeongguk mitten auf dem Weg und lässt mich nicht durch. Stattdessen brüllt er laut:”Bescheid!”
Seufz. Er kann wirklich nicht anders.
Ich warte ab und sehe mich um. Die Bänke am Weg sind schneefrei, und am Fuße der alten Alleenbäume stehen Jimins Laternen mit Deko. Die Wege im Barockgarten sind gefegt, so dass die verschneiten Beete sich deutlich abheben und ihr Muster zeigen.

Aha, da kommt die Meute. Alle. Grinsend. Oh - und Minnie! Und … Junghyuk. Irre! Namjoons Bruder Yeon-Jun ist auch dabei. Was wird DAS denn?
Namjoon kommt ans Auto, öffnet schwungvoll die Tür und gibt mir einen Kuss.
“Bitte sehr, die Dame. Ab hier geht es zu Fuß weiter.”
“Ich hab aber das Auto voll mit Zeug für die Villa. Das muss gleich reingebracht werden.”
Jin kommt dazu.
“Aussteigen, das machen wir.”
Energisch zieht er mich auf meine Füße, schiebt mich zu Namjoon, steigt selbst ein und fährt das Auto hoch. Unsere drei Jüngsten folgen ihm und machen sich am Kofferraum zu schafen. Mehr kann ich von hier nicht erkennen.

Namjoon nimmt mich in die Arme.
“So schlimm?”
“Noch schlimmer! Das ist echt nicht fair.”
“Dann sollten wir dich erlösen.”
Er nimmt meine Hand, und unser ganzer Trupp setzt sich gemächlich den Berg rauf in Bewegung.

Als erstes stelle ich fest, dass das eine Spenden-Auto bereits auf seinem Podest über dem Rondell steht. Aufgeregt redet Minnie einfach los.
“Die waren heute Morgen da und haben beide Autos aufgestellt. Stell dir vor - die Podeste werden angestrahlt, und die drehen sich auch noch langsam.”
“Auch schon bei der Gründung? Das ist mir eigentlich zu früh.”
Namjoon schaltet sich ein.
“Mir auch. Tut mir leid, Schatz. Aber die Summe, die dafür in unser Stiftungskapital fließt, die konnte ich einfach nicht ausschlagen.”
“Na dann.”
Das ist natürlich ein schlagendes Argument.

Außerdem drängelt sich sofort wieder meine Neugierde in den Vordergrund. Jin fährt mein Auto wieder den Berg runter und kommt dann zu uns raufgesprintet. Auch die drei anderen gesellen sich zu uns. Umringt von meiner Meute wenden wir uns endlich der Pförtnerei zu. In der gesamten Gruppe herrscht eine gewisse Grundspannung, und wissende Blicke huschen hin und her. Als wir bei der Hecke ankommen, schiebt Namjoon mich nach vorne und durch die Lücke.

Ich mache eine Vollbremsung und versuche zu verstehen, was sich an der alt gewohnten Pförtnerei verändert hat. Denn irgendwas ist anders. Soviel steht fest.
“Was … Hä? Was ist denn hier passiert?”
“Kommst du selbst drauf, oder müssen wir nachhelfen?”
Provokativ grinst Jeongguk mich an.
“Nachhelfen bitte. Ich bin völlig überfordert.” 

Hobi schaltet sich ein.
“Pass auf. Es stand ja von Anfang an fest, dass auch das Pförtnerhaus nochmal richtig saniert werden soll. Je schlechter es dir im Herbst ging, desto klarer wurde uns, dass wir dir diese weitere Unruhe aus dem Kreuz schaffen wollten. Also haben wir uns mit den Lees und den entsprechenden Handwerkern zusammengesetzt und geplant, was, wann, wer und wie. Es schien uns machbar.
Im November ist schon ganz viel hinter den Kulissen passiert. Dass du dann nach Berlin wolltest, hat den Startschuss gegeben. Wir sind zurückgezogen in die Villa, haben hier alles leergeräumt und losgelegt.”
“Um Himmels Willen, ihr seid verrückt! Ihr hattet doch nun wirklich genug eigenes um die Ohren.”
Yoongi lächelt.
“Du auch, liebe Nelli. Du auch.”

Namjoon tritt wieder an meine Seite.
“Hier draußen haben wir einfach mehrere Terrassen mit Pflasterung gestaltet, und Jimin hat Beete angelegt. Die beiden Waggons sind fest zu Gewächshaus und Werkstatt geworden, dadurch wurde die Garage frei. Der kleine Grill- und Chillplatz ist jetzt da, und zwei uralte Sonnenschirme ließen sich retten. Lass uns reingehen. Wir zeigen dir alles.”
“Und Minni, Junghyuk und Yeon-Jun haben auch mitgemacht?”
Namjoons Bruder seufzt zufrieden.
“Tja. Anfang dieser Woche wurde klar, dass die Zeit nicht reichen würde. Also hat der erweiterte Familienrat getagt und mit angepackt. Sogar Taehyungs Eltern waren zeitweilig dabei, seine Mutter hat alle bekocht, damit Jin am Bau mitarbeiten konnte. Bis vor einer Stunde haben wir noch Kisten zurückgeschleppt und Möbel gerückt. Aaaaaber - wir haben es rechtzeitig geschafft.”

Fieberhaft überlege ich, was sich an der Fassade denn nun verändert hat.
Das Garagentor sieht anders aus.
“Oh! Ah! Ich weiß!”
Allgemeines Gelächter unterbricht mich.
“Die Haustür und das Garagentor sehen so … ‘heile’ aus. Und das Tor scheint jetzt fest geschlossen zu sein. Stattdessen sind in die Torflügel eine Haustür und ein Fenster eingelassen. Raffiniert.”
“Ganz genau. Wo willst du zuerst reingehen, Schatz?”
Ich steuere auf die normale Haustür zu und öffne sie. 

“Habt ihr den Flur verbreitert? Und …”
Der Flur ist viel heller als früher. Die Dielenbohlen sind abgeschliffen und neu versiegelt. Und am Ende steht ein dunkles gewaltiges Möbelstück. Ich muss zweimal hinsehen, bis ich es erkenne. Es ist der riesige, gradezu antike Wäscheschrank aus dem Hauswirtschaftsraum der Villa. Wie hypnotisiert gehe ich darauf zu und möchte das Trumm am liebsten umarmen.
Was hab ich als Kind damit alles angestellt!
Mich drin versteckt, es nach meinen Vorstellungen umsortiert - sehr zum Entzücken unserer Haushälterin. Ich bin draufgeklettert, drunter gekrochen. Einmal soll ich sogar mitten in der Bettwäsche darin eingeschlafen sein.

Meine Stimme klingt ganz belegt, während meine Hand langsam über das frisch polierte Holz gleitet.
“Jungs … Wo habt ihr DAS Monstrum denn so lange versteckt? Das passt perfekt hier hin.”
Leise antwortet Taehyung.
“In der Schreinerei, die alles aufbereitet hat. Und es erfüllt noch immer den selben Zweck.”
Ich öffne eine der knarzenden Türen und blicke auf Tisch- und Bettwäsche. Ich kann mich kaum lösen. An der Wand hängt wie eh und je das alte Garderobenbrett, ergänzt durch ein neues Baugleiches. Gegenüber befindet sich jetzt neben einer der neuen Zimmertüren das große Kommunikationspinnbrett. Dazu …

“Der Spiegel aus der Eingangshalle. Der war doch völlig blind!”
Ich muss ein paarmal schlucken und in den gar nicht mehr blinden Spiegel starren, bevor ich mich den Jungs wieder zuwende. Mein ganzes Inneres vibriert, so sehr bin ich erfasst von alten und neuen Gefühlen.

Jetzt sehe ich auch, warum der Flur so hell ist. Direkt an der Hauswand entlang führt eine breite Diele fast bis zum Ende der ehemaligen Garage. Dieser großzügige Raum ist mit einer großen Glaswand und -Tür vom Flur getrennt, hat mehrere Fenster nach draußen, eine kleine Teeküche und eine gemütliche Sitzecke.

Ich gehe durch die Glastür, stelle mich mitten in die Diele und drehe mich wie ein Brummkreisel. Die beiden im Sommer neu gebauten Zimmer scheinen wieder abgetragen zu sein. Stattdessen führen jetzt zwei Türen zur Rückseite des Hauses. Jin folgt meinem Blick.
“Hier sind jetzt drei Zimmer. Das ehemalige Zimmer von Namjoon hat die Tür noch vom Flur, die beiden anderen von diesem Wohnzimmer aus. Da hinten ist ein zweites Bad und davor eine kleine Waschküche. Und da …”

Er zeigt auf das seltsame Möbelstück, das eine kleine offene Teeküche bildet. Ich schaue genauer hin und schneide ihm das Wort ab.
“Das … gibts doch nicht! Das ist Harrys Schreibtisch. An dem wir drüben am ersten Tag …”
“... zusammen Pizza gegessen haben. Ganz genau.”
Sturzbachartig schießen mir die Tränen aus den Augen. Es hatte so weh getan im Mai, dieses vertraute Stück in so kaputtem Zustand zu sehen. Jetzt ist es mit sehr viel Liebe zum Detail wieder hergerichtet. Matt schimmert die Tischplatte. Das Messing der gereinigten Tür- und Schubladenbeschläge glänzt. Das mittendrin eingelassene Waschbecken bringt mich zum Lächeln.

Ich gehe hinüber und ziehe rechts die oberste Schublade auf. Reste vom alten Alltagsbesteck, gemischt mit neuem, strahlen mir entgegen. Jetzt bin ich neugierig. Und tatsächlich - links hinter der Schreibtischtür erwartet mich ein Sammelsurium aus Geschirrteilen, die fast ausnahmslos aus der Zeit stammen, als ich in der Villa gelebt und diese ganzen Schätze viel zu selbstverständlich hingenommen habe.

Auf einmal hockt Hobi neben mir und fragt ganz leise.
“Hast du wirklich geglaubt, ich hätte das alles weggeworfen?”
Ich nicke bloß. Ein paar Sachen hatte er mir ja gegeben. Mit mehr hatte ich wirklich nicht gerechnet.
“Zu dem Zeitpunkt wussten wir doch längst, wie sehr dein Herz an allem hängt. Wir haben wirklich ALLES, das irgendwie rettbar oder brauchbar war, zusammengetragen. Wir wussten noch nicht, wann und wo und wozu - aber wir waren von Anfang an wild entschlossen, so viel wie möglich aufzuheben.”
“Danke. So sehr!”

Blind vor Freudentränen strecke ich meine Hand in die Richtung, wo ich Namjoon vermute. Er kommt sofort zu mir, zieht mich hoch und nimmt mich fest in die Arme, bis ich mich wieder gefasst habe.
Überlaufend vor Dankbarkeit und Glück wende ich mich wieder der Truppe zu. Ich sehe Schmunzeln, Verlegenheit, Strahlen und in manchem Augenwinkel auch eine Träne schimmern.
“Ach, ihr Lieben! Geht das jetzt immer so weiter? Ich weiß nicht, wie viel ich noch aushalte.”
Namjoon drückt mich kurz nochmal.
“Ein bisschen musst du noch durchhalten. Schau mal auf den Boden.”

Gehorsam blicke ich zu meinen Füßen und entdecke nicht mehr den Betongaragenboden sondern …
“Was ist das?”
“Schau genau hin!”
Ich bücke mich wieder. Der ganze große Raum ist ausgelegt mit kleinteiligem Parkett. Es ist kräftig abgeschliffen.
Oder neu verlegt. Obwohl …
Schon wieder mutiere ich zum Wasserfall.

“Ist das … sind das die Reste vom Parkett von drüben?”
“Ganz genau. Wirklich viele Teile waren noch zu brauchen, nachdem ich beim Schreiner alles gereinigt und ein Drittel runtergeholt hatte. Die Zimmer haben eine normale Heizung, die beiden großen Wohnräume haben Fußbodenheizungen mit dem alten Parkett drauf. Es hat grade so gereicht.”
Beim genaueren Hinsehen kann ich jetzt auch unter der neuen Versiegelung ein paar der alten Macken erkennen. Hier und da ist noch eine flache Delle im Holz zu sehen.
“Ach, Tae. Was für eine Arbeit! Ich danke dir.”
“Gerne! Komm, drüben ist auch einiges verändert.”

Ich lasse mich von Namjoon hochziehen. Wir sind schon auf dem Weg nach drüben, doch da fällt mein Blick auf die Wand hinter dem ‘Küchenschreibtisch’.
Die Kacheln. Aber wo waren die vorher?
Es fällt mir ziemlich schnell wieder ein. Es sind die Kacheln aus der Gästetoilette im Erdgeschoss der Villa. Spontan mache ich kehrt und flitze nach hinten zu dem neuen Bad. Mir entfährt ein leiser Schrei, denn hier sind die Kacheln aus meinem Mädchenbad im zweiten Stock verlegt. Es tut so weh und macht mich gleichzeitig sooo glücklich.
Hinter mir höre ich Namjoons sanfte Stimme.
“Du gibst dir wirklich die volle Packung. Lass uns nach nebenan gehen, da ist auch viel umgebaut, aber nicht so viel von drüben.”

Er legt seinen Arm um mich und lotst mich zielstrebig zur Glastür, über den Flur, rein in den großen Gemeinschaftsraum. Auch hier liegt das schöne alte Parkett. Vor den Fenstern stehen die lange Bank, der große Tisch und die vielen Stühle des Pförtnerehepaares.
Wenigstens das ist geblieben.
Dafür fällt sofort ins Auge, dass die Wand zum hinteren Flur weggefallen ist. Stattdessen sieht man nun auf die Türen eines Büros und zweier Zimmer. Der Kachelofen ist an seinem Platz geblieben, jetzt eben ohne Wand.

Wobei …
Sofa, zwei Sessel und der Couchtisch stehen am alten Platz, ohne die Wand etwas seltsam mitten im Raum. Aber dann entdecke ich, dass an Stelle der Wand jetzt eine Art ‘Balkon’brüstung aus dicken alten Balken entstanden ist. Der Flur ist dadurch doch noch Flur, aber der Raum wirkt insgesamt heller und weiter.
“Toll! Das ist echt schön! Wo kommen die Balken her?”
Die sind bestimmt auch aus der Villa.
Hoseok antwortet mir.
“Das sind die Dachbalken von der Seite, wo es nicht gebrannt hat.”

Namjoon hatte recht.
Das hier macht mir nicht so viel aus wie Möbel und Kacheln. Ich entspanne mich allmählich und kann wieder lächeln.
“Habt ihr eigentlich irgendwas  nicht auf den Kopf gestellt?”
“Klar! Jins Küche ist geblieben, wie sie war. Jimin hat nur den Küchengarten wieder vorbereitet fürs Frühjahr. Das Bad auf dieser Seite ist einfach modernisiert worden. Und das Ende vom Flur ist eine weitere Toilette geworden, damit es keine Staus gibt.”

“Und wer wohnt jetzt hier wo?”
Yoongis leise Stimme dringt durchs allgemeine Gesumm.
“Jin, Jeongguk und Taehyung haben die drei neuen, größeren Zimmer drüben bekommen. Sie werden sicher noch eine ganze Weile hier bleiben.
Hoseok hat Nägel mit Köpfen gemacht und ist zeitgleich mit seinem Partner in eine der beiden Wohnungen über der Tanzschule gezogen. Und ich … ich hab hier wieder einen Brückenkopf, weil die Fahrerei einfach nervt. Für meine Eltern ist es auch okay, wenn ich jetzt wieder ausziehe. Irgendwo in die Stadt, auf halbem Wege. Ich muss mir halt noch was suchen. Jedenfalls bewohnen Joon und ich im Moment die beiden kleineren Zimmer hier am Flur.”

Ich bin sprachlos.
Ich bin glücklich! Wie zufrieden sie alle strahlen. WIE schön das alles geworden ist. Wie viele Erinnerungen hier bewahrt sind. Was für ein himmelweiter Unterschied zu vor sieben Monaten! Wenn Harry das alles doch sehen könnte.
Vollkommen unangekündigt sacken mir plötzlich die Beine weg.

“Hoppla! Wo willst du denn hin?”
Geschickt fängt Namjoon mich auf und bringt mich zum Sofa. Ich lasse mich halten, schließe die Augen und genieße die Liebe dieser wunderbaren Menschen.
“Nelli, bist du da? Und kannst du sagen, was grade der Auslöser war?”
“Keine Sorge, mir ist nur ein bisschen schwindelig. Ich … hab grad gedacht … wenn Harry das alles doch nur sehen und erleben dürfte …”
“Stell dir vor, dass er es durch deine Augen sehen kann, Liebes. Er ist im Moment genau so glücklich wie du.”
Ich brumme zufrieden, denn Joon hat recht.
“Dann ist er jetzt grade ganz schön dolle glücklich.”

Erst nach und nach kann ich wieder vernünftig denken. Wir sitzen zusammen am Tisch, das Holz knackt im Kachelofen, die Stimmung ist entspannt. Wir essen Jins Kekse und knacken Nüsse. Die Jungs freuen sich, dass ihre viele Arbeit der letzten Wochen und ihre ganzen liebevoll geplanten Überraschungen so gut bei mir angekommen sind. Immer wieder entdecke ich am Boden, an den Wänden und Möbeln, von der Decke baumelnd oder sonstwo noch ein Stück aus meiner Kindheit. Es ist echt erstaunlich, wie viel aus den Trümmern gerettet werden konnte.

Mir fällt erst nach einer Weile auf, dass der Adventsschmuck noch nicht wieder aufgetaucht ist.
Aber wann hätten sie das denn auch noch machen sollen?
“Jungs, wollen wir zusammen den Adventsschmuck wieder aufbauen? Ich hab auch noch was für die Krippenfiguren mitgebracht.”
Hobi lächelt. Wahrscheinlich denkt er genau wie ich an den Moment, in dem er mir die geretteten Figuren gegeben hat.
“Klar, dann müssen wir das nicht morgen noch machen. Hast du die Figuren denn mitgebracht?”
“Logo. Und in Berlin hab ich noch ein paar Kleinigkeiten dazu besorgt. Im Auto war eine ganze Kiste."
"Die haben wir glaube ich in die Garderobe gestellt. Holt ihr das von drüben? Und wir fangen hier schon mal an.”

Namjoon und ich ziehen uns unsere Jacken an.
“Ach - Jimin, du könntest mir bei einer Sache helfen. Wir bräuchten noch etwas Holzleim, einen Hammer und relativ kleine Nägel. Hast du sowas im Bus?”
Er steht auf und schnappt sich seine Jacke. Er hat den ganzen Nachmittag noch kein Wort gesagt. Ihm war aber deutlich anzusehen, wie sehr auch ihn meine Freude angesteckt hat.
“Ich schau mal, was ich finden kann. Ist die Taschenlampe schon wieder an ihrem Platz?”
Tae zieht zwei Schubladen an einer Kommode auf.
“Keine Ahnung. Aber hier ist die Stirnlampe.”
Zu dritt treten wir raus in den kalten dunklen Park. Jimin setzt sich die Stirnlampe auf und biegt nach links zu den Waggons ab.

Wir dagegen steuern die Hecke an. Von dort aus stehen im ganzen Park Laternen, die uns den Weg zur Villa weisen.
“Jetzt bin ich ja gespannt, was du mitgebracht hast.”
“Warts ab.”
“Na … ob ich DAS schaffe?”
Mit einem schnellen Blick zur Seite sehe ich sein Grinsen und bin schon wieder unbeschreiblich glücklich.
“Danke! Danke, dass ihr euch diese irre Arbeit gemacht, das alles koordiniert, geplant und durchgezogen habt. Es ist alles so wunderschön geworden. So viele warme Erinnerungen, wohin ich auch geschaut habe.”
“Das freut mich. Ein bisschen Sorge hatte ich wegen der Teeküche. Dass du uns das Waschbeckenloch in der Tischplatte übel nehmen könntest.”
“Überhaupt nicht. Ich dachte doch, der wäre längst weg. Da ist er doch lieber mit Loch da als ohne Loch auf der Müllhalde. Außerdem finde ich die Lösung unglaublich originell.”
“Das haben Taehyung und der Tischler zusammen ausgekaspert.”

Namjoon schließt das große Portal der Villa auf und macht erstmal Licht in der Halle an.
“Mal sehen, wo die ganzen Kisten abgestellt sind.”
Die Jungs haben in der kurzen Zeit vorhin gleich alles sortiert. Die Kekstütchen sind in der Küche gelandet, meine Unterlagen zur Gründung im Saal. Und die private Kiste, in der die Briefe und das Wichtelgeschenk unter dem Krippenzubehör versteckt sind, steht tatsächlich neben der Garderobe. Kurz schaue ich in den dunklen Saal, in dem schon alles für morgen bereitsteht.
Licht fällt durch die hohen Terrassentüren und lässt die Stuhlreihen Schatten aufs Parkett werfen. Ein paar Glitzerfunken vom Weihnachtsbaum werden von den hohen Spiegeln reflektiert.
Zeitweilig hab ich gedacht, dieser Tag käme nie herbei. Ich würde scheitern. Mit allem. Jetzt ist dieser Tag da. Und alles fühlt sich gut und richtig an. Ein Segen!

Mit der Kiste unterm Arm schlendern wir zurück zur Pförtnerei, wo die anderen uns schon erwartungsvoll entgegenschauen. Ich stelle die alten Krippenfiguren auf den großen Tisch und winke Jimin zu mir.
“Macht, wie ihr denkt, Jungs. Macht es uns einfach ein bisschen festlich für morgen.
Jimin? Hast du was gefunden?”
Während alle anderen den Adventsschmuck wieder hervorholen und sich mit Glitzern und Leuchten aufs ganze Haus verteilen, zeigt Jimin mir seine Beute.
“Na dann, schau mal. In der Weihnachtsgeschichte bekommt Maria ihr Baby in einem Stall. Und dafür habe ich in Berlin einen Bausatz gekauft. Hier. Auf dem Deckel ist ein Bild, daran können wir uns orientieren.”

Geschickt sortiert er den Inhalt der Schachtel nach dem, was er auf dem Bild erkennen kann. Bald hämmern und leimen wir - Bodenplatte, Wände, ein Strohdach.
“Und wo willst du das aufstellen?”
“Ich dachte - vielleicht auf dem Kachelofen. Da ist es nicht im Weg.”
“Aber da kann man es auch nicht gescheit sehen. Das ist so weit oben.”
“Stimmt. Dann dort auf der Kommode.”
Wir räumen die Fläche auf, breiten ein grünes Tuch aus und stellen den fertigen Stall darauf.

“Was bedeuten diese ganzen Figuren?”
Ich freue mich über diese Frage. Während ich eine Person nach der anderen aus dem Seidenpapier wickele und sie an ihren Platz stelle, erzähle ich Jimin die Weihnachtsgeschichte. Aufmerksam hört er mir zu.
“Und das ist der eigentliche Grund, warum die ganze Welt Weihnachten feiert?”
Ich muss lächeln. Ein bisschen auch wehmütig.
“Eigentlich ja. Das wissen nur ganz viele nicht. Oder nicht mehr.”

Als letztes greife ich noch nach dem Tütchen mit den Krippenkleinigkeiten und lasse das Jimin entscheiden. Vorsichtig packt er alles aus und reiht die Zäune, den Ziehbrunnen, den Hackklotz, den Besen und die Laterne vor sich auf.
“Hm.”
Als erstes tüddelt er die Laterne irgendwie unters Dach des Stalles und holt aus einer Schublade eine Batterie, die tatsächlich passt und eine winzige Glühbirne zum Leuchten bringt.
Der Besen kommt ganz hinten in die Ecke zum Esel.
Brunnen und Hackklotz stellt er neben den Stall.
Und die Zaunelemente reiht er auf an dem ‘Weg’, auf dem die Hirten mit ihrer kleinen Herde in Richtung Stall ziehen.

Mein Herz macht einen kleinen, warmen und sehr glücklichen Hüpfer. Das fühlt sich so sehr nach Weihnachten an, dass es beinahe weh tut. Ich schlucke ein paarmal und flüstere nur.
“Das hier, Jimin. DAS ist Weihnachten. Das Zeichen, dass es einen Gott gibt, der sich wirklich um uns sorgt und kümmert.”
Einen Moment lang ist es ganz still um uns.
“Auch um mich?”
Ich stocke kurz.
Was weiß denn ich? Und was für Hoffnungen stehen hinter dieser Frage?
“Ich … glaube schon. Ich habe nur nicht viel Übung darin rauszufinden, woran man das erkennen kann. Das Kümmern.”

“Das verstehe ich. Das hier … das ist schön! Das in dem Stall. Das ist eine richtige Familie - … oder?”
Was für eine Frage!
Es versetzt mir einen Stich, wie zaghaft er das fragt.
“Ja, genau. Das ist eine richtige kleine Familie. Und wenn die Bibel recht hat, dann hat dieser Vater immer sehr gut auf seine Frau und seinen Sohn aufgepasst und sie beschützt.”
Nur ein Hauch ist zu hören. Jimins helle Stimme klingt ganz belegt. Wie zugedrückt.
“Sowas … kenne ich nicht. … Das muss schön sein.”

Leider endet nun die Stille, denn die Schmückkolonne scheint im Rest des Hauses fertig zu sein und macht sich nun übers Wohnzimmer her. Unruhe und Stimmen rücken uns auf den Pelz. Jimins offener Moment ist vorbei.
“Danke, dass ich helfen durfte.”
Schnell dreht er sich um und geht raus.
Tae taucht neben mir auf.
“Alles in Ordnung mit ihm?”
Ich wende mich ihm zu.
“Ich denke schon. Er hatte sich ein winziges bisschen geöffnet und muss sich jetzt wahrscheinlich einfach in Ruhe sortieren.”
“Dann seh ich nachher nochmal nach ihm.”

Aber das ist gar nicht nötig, denn kaum meldet Jin aus der Küche, dass das Abendessen fertig ist und bitte alle den Tisch decken sollen, steht Jimin wieder in der Tür, lächelt mir kurz zu, wie um mich zu beruhigen, und hilft dann den anderen.
Es wird ein sehr gemütlicher Abend. Wir versichern uns nur kurz, dass wir für morgen an alles gedacht haben. Dann breche ich auf. Namjoon bringt mich noch runter zum Parkplatz. Minnie nehme ich mit, Jeongguks Bruder fährt bei Yeon-Jun mit. Kurz bleiben wir neben dem Auto stehen, während Minnie schon einsteigt.

“Bist du zufrieden, Liebes?”
“Ach, Joonie. Was fragst du? Sehr! Ich bin glücklich. Es ist alles so liebevoll durchdacht und schön geworden. Es hat sich gelohnt, darauf zu warten.”
“Dann freue ich mich jetzt auf morgen. Schlaf gut, Liebes.”
Gute Nacht-Küsse sind einfach die allerschönsten Küsse!
“Gute Nacht, Schatz! Ich liebe dich.”
Namjoon wartet noch, bis wir aus dem Tor gerollt sind. Dann verschwindet er in der Dämmerung des Parks.

……………..........
21.11.2023    -    28.3.2024

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