Epilog

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Moira

Es war noch nie so still gewesen.

Ich war von Drachenjägern in eine viel zu kleine Zelle gesperrt worden, hatte jahrelang mit so gut wie keinem Menschen gesprochen, war eines Morgens mutterseelenallein im Tunnel eines Flüsternden Todes aufgewacht- aber so eine Stille hatte ich noch nie erlebt.

Um mich herum redeten die Drachenreiter. Sie sprachen über mich, das wusste ich, ohne ihnen zuzuhören.
Tatschlich überraschte es mich nicht ansatzweise. Ich musste wie eine Marionette aussehen; leerer Blick, keine Emotionen im Gesicht und Bewegungen, als würde jemand anderes meinen Körper steuern.
Was sollte ich dazu sagen?
Genau so fühlte ich mich.

Natürlich wusste ich, dass Hicks Antworten wollte. Sie alle wollten welche.
Ich wusste, dass sie ein Recht auf sie hatten, besonders jetzt.
Aber ich konnte nicht.

Ich konnte nicht reden.
Ich konnte nicht lächeln.
Ich konnte nicht antworten.
Ich konnte nichtmal aufstehen.
Eigentlich war ich froh, kaum noch Kontrolle über meine Muskeln zu haben. Sonst hätte ich wahrscheinlich Essen und Trinken verweigert, welches Selma mir ständig brachte.

Seit zwei Tagen saß ich nun neben Nachtblitz.
Aß, trank, atmete.
Mehr nicht.

Schlafen funktionierte nicht, ich dämmerte einfach die ganze Zeit über vor mich hin, mit einer Hand auf Nachtblitz' Pfote.
Selma machte mir keine Vorwürfe, dabei saß ich ihr äußerst offensichtlich im Weg. Ständig musste sie um mich herumlaufen, wenn sie sich um meine Freundin kümmerte.
Es wäre mir lieber gewesen, wenn sie mich angeschrien und an den Haaren nach draußen gezerrt hätte. Dann käme ich mir nicht mehr so nutzlos vor.

„Hier. Trink das, dann geht es euch besser."
Mir wurde etwas Warmes in die Hand gedrückt. Auch mit geschlossenen Augen erkannte ich den Gegenstand sofort; Eine Tasse Tee. Dem Geruch nach zu urteilen Pfefferminz.
Meine Finger schlossen sich um das Gefäß, führten es zu meinen Lippen und kippten es schließlich in mich hinein. Dann stellten sie die Tasse wieder auf dem Boden ab.
Und ich ließ alles geschehen. Nicht einen einzigen Muskel konnte ich gewollt bewegen, aber es machte mir nichts aus.
Ich hatte immer gedacht, die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren wäre das Schlimmste, was einem widerfahren konnte, doch jetzt war es mir einfach nur egal. Es kümmerte mich nicht, denn es verlor in der endlosen Stille an Bedeutung.

Denken.
Das war das Einzige, was ich bewusst tat.
Und es war gleichzeitig das, was ich am wenigsten machen wollte.
Mein Kopf war voller Gedanken. Sorge vermischte sich mit Wut, Trauer mit Freude, Angst mit Tollkühnheit. Alles neutralisierte sich gegenseitig, bis nur noch ein zäher, stumpfer Brei übrig war.
Ich spürte alles und nichts.

Gestern war eine Träne über meine Wange gelaufen. Erst war ich verwundert, denn ich hatte schon lange nicht mehr geweint. Doch dann hatte ich das Gefühl des Wassers, welches über meine Haut lief, als willkommene Abwechslung zu der Leere empfangen.
Und genau das war das Problem. Die Leere.

Sie war überall.
Um mich herum liefen Menschen, die Hütte war bis zum Rand mit Gegenständen vollgestopft, irgendwo musste sich Kjell befinden, um den Selma sich auch noch kümmerte.
Oder war er im selben Raum wie ich?
Selbst wenn, ich hätte es nicht mitbekommen.
Für mich war es, als befände ich mich am Grunde eines tiefen Meergrabens.
Das Wasser drückte von allen Seiten auf mich, es versuchte, mich zu zerquetschen. Das Salz brannte, als hätte ich überall offenen Wunden.
Jegliche Geräusche wurden abgedämpft.
Vermutlich hatte Selma mir vorhin ins Ohr geschrien, sonst hätte ich sie nicht verstanden.
Das salzige Nass schloss mich ein in einen Kokon der Einsamkeit. Als wäre ich taub gegenüber allem, was sich in meiner Nähe befand. Oder als wäre um mich herum nur diese Leere, die alles verschlingende, alles einnehmende Leere.

Hatte Selma mich nicht vor ein paar Stunden zugedeckt?
Falls ja, konnte ich die Decke nicht spüren.
Vielleicht sollte es mich verängstigen, dass das so war.
Tat es nicht.
Es war halt einfach so. Und ich akzeptierte es, weil mir nichts Anderes übrig blieb.

Die Leere war das Eine. Sie war schlimm, sehr schlimm. Übermächtig. Aber während ich über sie nachdachte, fiel mir auf: sie fürchtete ich nicht.
Weder die in mir, noch die um mich herum.

Leer hatte ich mich schon oft gefühlt.
Als meine Mutter starb und einige Jahre später, als Nira und Kjell mich an die Drachenjäger verrieten. Als die gesamte Insel mich verraten hatte. Seit dem machte sie mir nichts mehr aus. Ich hatte mich an sie gewöhnt. Schön war sie nicht, aber sie war auch kein Grund, aufzugeben. Dafür hatte ich einfach zu viel zu tun.

Nein, das wirklich Beängstigende war die ganze Zeit über da gewesen, verkleidet, damit ich die Grausamkeit erst langsam erkannte.
Stille.
Die Leere ließ meine Gedanken ungewohnt laut durch meinen Kopf hallen, die Stille erstickte alles. Inklusive der Pflichten, die mich vor den Fängen der Leere abgeschirmt hatten.

Egal worüber ich nachdachte, das Abhandensein der Geräusche war allgegenwärtig.
Ich fühlte mich hohl, mir fehlte etwas. Etwas, dessen Platz nun von der Stille eingenommen worden war. Ich wollte es zurück haben. Was auch immer es war, es sollte zurückkommen.

Oder?

Es konnte auch weg bleiben. Dann blieb die Stille eben. Eigentlich war es egal. Stille hier, Leere dort. Mittendrin mein Körper, der auch nicht mehr als eine fast leere Hülle war. Eine Hülle der Stille.
Einfach nur überflüssig. Eine Platzverschwendung.

Wo war mein Lebenswille hin?
Egal.
Wollte ich ihn zurück?
Es war mir gleich.
Was war mit mir passiert?
Interessierte mich nicht.

Warum hatte ich überhaupt mit Nira gekämpft?
Wieso hatte ich solche Angst verspürt, als meine Axt auf mich zuflog?
Und solche Erleichterung, als nicht mein Kopf, sondern mein langer Zopf vom Rest des Körpers getrennt wurde?
Meine Haare und mein Helm hatten mir das Leben gerettet.
Weshalb? Wofür brauchte ich dieses Leben denn?

Warum hatte ich noch nicht aufgegeben?
Ich hätte Sungird doch den Gefallen tun können. Was hatte mich davon abgehalten? Wo war es jetzt?
Wieso war es nun so still?

Fühlte es sich so an, wenn man starb?
Stille, Leere und ganz viel Nichts?
Wenn ja, dann war es mir egal.
Wenn nein, dann machte es mir nichts aus.
Hicks würde mich umbringen, wenn er meine Gedanken hören könnte.
Wer war überhaupt Hicks?
Der Anführer der Drachenreiter.
Drachenreiter?
Was zum- Worauf wollte ich gleich nochmal fluchen?
Fluchen? Wieso wollte ich fluchen?
Ich? Was war das? Was war ein „ich"?
Brauchte man das?
Brauchen?
Warum brauchen?
Was war das?

Es wurde dunkler. Dunkler. Hm. Woher kannte dieses Ich das Wort?
Schwärze breitete sich aus. Sie war nicht kalt und nicht warm. Aber sie war weich. Wie Samt.
Samt? Hm...  Nein, egal.

Dieses Ich löste sich auf. Der graue Gedankenbrei verpuffte langsam zu Nebel, der sich über alles legte.
Wo der Nebel war, verschwand sämtliches. Sogar das Schwarz. Und die Stille. Und die Leere.

Komm her, Nebel.
Komm schneller.
Das Ich will zu dir, aber es kann sich nicht bewegen.
Na los, Beeilung.






Dann rammte mit voller Wucht ein Blitz in den Nebel.
Grelles Licht riss das Farblos auseinander, zersprengte die Fetzen und riss sich in Sekundenschnelle alles, wirklich ALLES unter den Nagel.
Überall leuchtete es so hell, dass es blendete.

Die Stille wurde weggeschleudert.
Die Leere zerfetzt.
Ich wurde von einer solchen Kraftwelle durchflutet, dass ich unwillkürlich aufschrie, als sich sämtliche Muskeln verkrampften.
Von allen Seiten gleichzeitig stürmten Geräusche auf mich ein. Ich riss die Augen auf und zog gierig Luft in meine Lungen, bevor ich sie hastig wieder ausstieß.

Ich nahm alles wahr. Absolut, wirklich und wahrhaftig alles. Staubkörner wirbelten durch die Luft, ich hätte sie zählen können. Eine Fliege war aufgeschreckt und sah mich mit ihren riesigen Augen dumpfsinnig an.

Doch am meisten spürte ich eine gigantische Menge an Energie direkt neben mir.
Ihre Schuppen funkelten stärker, als es Diamanten vermochten.

Mit großen, dunklen Augen starrte sie mich an.
Dann hörte ich klar und deutlich ihre Stimme in meinem Kopf.

<Moira!>

Sie war gesund.
Sie lebte.
Sie LEBTE!

<Moira?!>

Und ich lebte auch. Ich war froh drüber. So verdammt froh.
Was in aller Welt hatte ich gerade eben nur gedacht?!

<MOIRA!>
<Nachtblitz!>

Ich fiel ihr um den Hals. Ihre scharfen Schuppen störten mich nicht, das hatten sie noch nie. Überglücklich lehnte ich mein Gesicht gegen ihre Schulter.

<Was zum verknoteten Aal ist bitte mit deinen Haaren passiert?> 

Ich lachte. Das war so typisch für sie.
Nachtblitz warf sich auf den Rücken, sodass sie nun auch mich umarmen konnte und stimmte in mein Lachen mit ein.

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Ich hoffe, das war nicht zu verwirrend.

Es ist wirklich schwer, allein darauf zu kommen, aber im zweiten Band bekommen alle, die Moiras Reaktion nicht verstanden haben, eine Erklärung.

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