Verflochtene Freundschaft

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»Komm schon«, maulte Laura genervt und verdrehte die Augen. »Willst du hier etwa so lange warten, bis dir das Unkraut aus den Ohren wächst?« Ein paar Mädchen kicherten nervös. Ich ignorierte sie und bereitete mich auf das Ereignis vor, das womöglich die Kehrtwende meines armseligen Lebens bedeuten könnte.

Die gesamte Clique hatte sich um mich versammelt und schaute mich mit erwartungsvollen Blicken an. Nur Anna – die Anführerin – starrte mich mit überlegener Miene an. Sie schien zu glauben, dass sich in wenigen Sekunden nicht mehr als ein paar Staubwölkchen an meiner Stelle befinden würden.

Doch ich hatte nicht vor, zu kneifen. Dies war womöglich die letzte Möglichkeit, um in eine der beliebtesten Cliquen der Schule zu gelangen. Natürlich hatten sie sich für den Klassiker entschieden, um meine Loyalität zu prüfen – eine Mutprobe.

Anna sagte mir, ich solle in das Haus unseres Chemielehrers eindringen, um die Lösungen für den angeschriebenen Chemietest zu besorgen. Ein Klacks für jemanden wie mich, der schon etliche Male in kleine Kriminalitäten verwickelt war.

Doch ein wenig mulmig zumute war mir schon. Unsere Lehrer – Schüler – Beziehung hatte in letzter Zeit stark gelitten. Er würde mich vermutlich nicht mit offenen Armen empfangen, wenn er mich schweißgebadet und mit seinen überlebenswichtigen Unterlagen in seinem Arbeitszimmer vorfinden würde.

Zögernd trat ich ein paar Schritte auf das Fenster zu. Die Farbe an den Rahmen blätterte bereits ab und einige lose Farbfetzen flogen mir ins Gesicht. Alles in mir sträubte sich dagegen einen Einbruch bei meinem wenig sympathischen Lehrer zu begehen, um es nett auszudrücken, doch wenn es mir gelingen würde, könnte mein Leben einen besseren Verlauf nehme, als bisher. Da musste ich eben ein kleines Risiko in Kauf nehmen.

Als hätte ich mich schon bewusst zu einer Entscheidung entschieden, schwang ich mich leichtfüßig in das geräumige Zimmer. Bücher und verstaubte Akten schlugen mir entgegen und ich musste einem befleckten Computer ausweichen, dessen Flecken gefährlich nach Bärenkacke rochen.

Schnell fing ich an das gesamte Zimmer abzusuchen. Eine dünne Staubschicht hatte sich über die längst vergessene Arbeitsblätter und Schulutensilien gelegt. Der Staub kitzelte mir unangenehm in der Nase, sodass ich ein Niesen unterdrücken musste.

Erst als ich mich erschöpft auf einen hölzernen Lehnstuhl sinken ließ, fiel mein Blick auf die verhältnismäßig saubere Wanduhr. Beide Zeiger deuten auf die Plastikziffer 9. Als wäre es ein unsichtbarer Auslöser für meine plötzliche Müdigkeit gewesen, sank ich in den Schlaf.

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Benommen öffnete ich die Augen und starrte auf die Szene, die sich vor mir auftat. Zwei schimmernde rote Augen blickten mich schalkhaft an. Prompt fuhr mir ein Schreck in die Glieder, da ich weder unseren Aufenthaltsort identifizieren konnte noch das überdimensionale Koloss.

Panisch wich ich zurück und wäre beinahe ins Leere gestürzt, als sich etwas Weiches gegen meinen Rücken presste. Ich wandte meinen Kopf und blickte auf eine perlenbesetzte Schwanzspitze, die amüsiert zu zucken schien.

Ich hielt den Atem an und starrte wieder auf das Geschöpf vor mir. Die karmesinroten Augen schienen mich zu durchbohren, andernfalls wäre ich vermutlich nicht gegen die Wand neben mir gesunken.

Trotz der Welle von Autorität, die das Wesen ausstrahlte, konnte ich die Wärme unter der Fassade greifbar spüren. Es schien beinahe, als würde es mir ein warmherziges Lächeln zuwerfen. Obwohl ich keinerlei Anlass oder Verlangen hatte, die Geste des Geschöpfs zu erwidern, entwischte mir unwillkürlich ein zögerliches Lächeln.

Erst jetzt fing ich an mir ein Gesamtbild von dem Geschöpf zu machen, da ich den ersten Schrecken nun halbwegs verdaut hatte.

Die Schultern des Geschöpfs überragten mich bei weitem und ich musste schon beinahe den Kopf in den Nacken legen, um ein Blick auf das Wesen zu erhaschen. Obwohl es einen zierlichen, fast schon zerbrechlichen Eindruck machte, konnte ich die Muskeln unter dem blaugrauen Pelz erkennen.

Die kleinen Wasserperlen auf dem seidenen Fell der Kreatur glitzerten im Schein der aufgehenden Sonne. Sie lagen so dicht beinander, wie die Bügelbilder, die ich ehemals häufig machte, um meine Frust abzubauen.

Mein Blick wanderte über die langen, atemberaubenden Flügel. Ich stockte, als ich an die Märchenbücher aus den vergangenen Jahren dachte. Mächtige Drachen in aller Farbenpracht hatten die Buchseiten verziert.

Ich war immer in der Auffassung gewesen, dass es so etwas wie Drachen nicht gäbe. Doch die Beweislage war erdrückend. Die gigantischen Schwingen schoben jeden Zweifel in den Hintergrund ... Oder war all das doch nur eine Halluzination meiner selbst?

Der Drache legte seinen prunkvollen Kopf schief. »Ich bin ein wenig überrascht über deine Reaktion. Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet ich dir Angst einflöße, obwohl du schon einiges an Erfahrungen im Umgang Kriminalitäten gemacht hast, die weitaus überragender waren, als meine protzigen Schwingen«, sagte er amüsiert.

Ich grinste ihn schräg an. »Was hast du denn erwartet? Verbrechen gehören zu meinem Leben, daran gewöhnt man sich ... Ja, okay, ich geb s zu. Anfangs hatte ich natürlich auch ein wenig Bammel und Gewissensbisse, aber, ... die Zeit heilt jede Wunden«

Erstaunt stellte ich fest, dass ich soeben mit einem ausgewachsenen Fabelwesen gesprochen hatte. Am liebsten hätte ich mir eine Gabel in die Finger gerammt, um den irrsinnigen Traum zu beenden. Insofern es nun einer war.

Er taxierte mich. Ihm war mein Zögern nicht entgangen. »Auch die Einsamkeit?«

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4 Jahre später


»Höher Luftschwinge!«, rief ich dem Drachen verzweifelt zu. Eisige Nachtluft peitschte mir ins Gesicht und brachte meine Augen zum Tränen. Unsere Verfolger waren uns dicht auf den Fersen.

Hätte ich ihn doch bloß nicht zu einem heimlichen Nachtausflug überredet. Warum hatte ich mich nicht mit seinem Urteil zufriedengegeben? Er hatte mir von Anfang die Folgen eines nächtlichen Ausflugs erklärt.

»Drachen waren eigens Dämmerungs- bis Nachtaktiv. Bereits kurz nach Anbruch der Dämmerung brechen sie zur Beutejagd auf« Diese beiden Sätze hatten sich in mein Gedächtnis eingebrannt, als Luftschwinge mir einen Vortrag über Drachen und dessen Eigenschaften erzählte.

Wenn ich nur ein wenig schlauer gewesen wäre, würden wir beide nun geborgen und friedlich in unseren Betten liegen – oder in Luftschwinges Fall: Geborgen in dem demolierten Gartenschuppen.

Für einen kurzen Moment musste ich an unsere erste Begegnung denken. Wenn Luftschwinge mich nicht geradewegs aus den Händen meines jähzornigen Chemielehrers gerettet hätte, würden wir uns vermutlich nie kennengelernt haben.

Jeder hätte sein Leben so weitergelebt, wie bisher. Ich hinter Gittern im Jugendknast, und Luftschwinge frei und wild zwischen den fernen Wolken am Horizont.

Ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönte neben uns und riss mich aus meinen Gedanken. Ein Schatten, so schwarz wie die tiefste Nacht, hatte sich an unsere Seite gesellt. »Vorsicht!«, rief ich panisch, als er uns mit seinem massigen Körper nur haarscharf verfehlte.

Ich atmete erleichtert auf, aber nur bis ich erkannt, dass Luftschwinge zum Landeflug ansetzte. »Was machst du?«, rief ich aufgebracht. Er schwieg und setzte seinen Landeflug unbeirrt fort.

Einige Augenblicke später landeten wir unsanft auf dem ungeraden Asphalt. »Warum landen wir?«, rief ich erregt.

»Weil es für mich kein Entkommen gibt«, sagte er sanft und setzte sich auf seine Hinterpfoten. »Was meist du mit „für mich"?«

Er wedelte unruhig mit seiner perlenbesetzen Schwanzspitze. »Weißt du noch, als wir uns kennengelernt haben?« Ich nickte intensiv. Unsere erste Begegnung würde ich um keinen Preis der Welt hergeben wollen.

»Du batest mich bei dir zu bleiben, als ich dich aus den Fängen deiner ... „Freunde" befreite«, begann er zögernd. »Du hattest außer mir in deinem bisherigen Leben keine Freunde gehabt und hast gestohlen, um deine Frustration abzubauen«

Ich senkte den Kopf. Bisher hatte er das Thema vermieden, da es keinen Grund gab es zu erwähnen. Er wusste, dass ich mich geändert hatte. Hoffentlich ...

»Ich habe dich eine Weile beobachtet, als ich mich in deiner Stadt niederließ. Mir entging nicht dein inneres Gefühlschaos, als du dich abermals aus deinem Zimmer schlichst, um Graffiti an die Schulwände zu sprühen. Ein seltsames Gefühl des Déjà-vus beschlich mich in jener Nacht, als hätte ich ähnliche Szenen bereits erlebt. Erinnerungsfetzen aus meiner Kindheit blitzen in meinem Gedächtnis aus, als hättest du die Steine ins Wanken gebracht, die meine Erinnerungen verdeckten. Erst dann wurde klar, dass du ebenso meine Seelenverwandte sein könntest«, er hielt inne, um meine Reaktion abzuschätzen.

Ich musterte ihn und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er jemals so sein könnte wie ich. Nicht einmal in den wildesten Träumen beging dieses göttliche Geschöpf eine Straftat. Konnte er wirklich so dermaßen wie ich gewesen sein?

»Du teiltest Angewohnheiten aus meiner Kindheit in dir, die ich selten zu Gesicht bekam. Damals hatte ich Mitleid mit dir und überwachte jeden deiner Schritte, um dich vor großen Katastrophen zu bewahren« Abermals hielt er inne.

Ich schluckte und biss mir heftig auf die Unterlippe. Hatte er wirklich all jene Verbrechen angucken müssen, als ich noch mit den Tücken der Jugend zu kämpfen hatte? Ich wusste, dass ich eigentlich wütend auf ihn sein sollte, dass er mir nachspioniert hatte, doch in mir war nichts außer Reue und ein Anflug von Scham. Mit einer Handbewegung forderte ich ihn auf, weiterzusprechen.

»Ich wusste, wie schlimm es war, verlassen worden zu sein oder gar betrogen. Ich rettete dich aus dem Zimmer deines Lehrers und entschied mich dir zu offenbaren, da ich nicht wollte, dass du den gleichen Fehler begingst, den ich in jungen Jahren tat, als ich Menschen bestahl sowie verletzte. Ich entschied mich bei dir zu bleiben, obwohl ich wusste in welcher Gefahr ich dich aussetzte. Revierkämpfe unter meinesgleichen sind so gut wie unvermeidlich, doch um deines Willen blieb ich bei dir. Doch ich werde nicht dein Leben aufs Spiel setzen, um meines zu retten«, beendete er sein Geständnis.

Mir traten Tränen in die Augen, als ich begriff, was er mir eben mitgeteilt hatte. Er blieb bei mir, obwohl er sich der Konsequenzen bewusst war. Er hatte nie vor, ohne mich zu leben.

Ein amüsiertes Schnauben ertönte aus der Dunkelheit vor uns. »Wie herzzerreißend! Aber leider muss ich euch mitteilen, dass dein Geständnis verschwendete Worte waren. Niemand wird sich jemals wieder an deine Worte erinnern, wenn ihr einmal nicht mehr seid«

Ich wirbelte herum und errötete unmittelbar, als mir klar wurde, dass sie unser ganzes Gespräch mit angehört hatten. Trotz der Angst, die sich, wie eine eisige Kralle um mein Herz geschlossen hatte, trat ich tapfer an die Seite meines Drachens.

»Wenn ich dir ein Zeichen gebe, rennst du los. Halte um deines Willen nicht an. Ich werde in den frühen Morgenstunden wieder bei dir sein. Versprichst du es mir?«, raunte er mir ins Ohr.

Er entfesselte die überwältigende Kraft seines gesamten Blickes und rieb seine Nüstern vorsichtig an meine Stirn.

»Versprichst du mir wiederzukommen?«, flüsterte ich. Er schwieg und wandte den Blick ab.

»Jetzt!«, rief er ohne Vorwarnung und spie eine meterlange Feuerflamme, der einem Drachen den Schweif versenkte.

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»Bitte lass mich nicht im Stich«, flüsterte ich mit tränenerstickter Stimme, als die Sonne hinter den letzten Baumwipfeln verschwand.

Er hatte die vereinbarte Zeit bereits seit Stunden überschritten und die Hoffnung war mit jeder Sekunde mehr aus meinem Körper gewichen. Meine Seele würde diese Trennung nicht überleben, das wusste ich.

Aber er hatte doch versprochen wiederzukommen ..., oder nicht?

Ich schloss die Augen, lehnte mich an die Wand und wartete auf den Tod.

- 1780 Wörter

Dies hier ist meine Abgabe für den Schreibwettbewerb von @C_the_Saint. Tut mir leid für die späte Abgabe ...

Ich hoffe sie gefällt dir :)

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