Der Motten-Prototyp

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Gelangweilt saß er auf seinem Thron.

Schon seit drei Stunden wurde Belshazzer von frischen Datteln, kostbaren Gewürzen und edlen Stoffen erstickt.
Als hätte er nicht schon genug von allem.

Wieder einmal wedelte er mit der Hand, betrachtete ausdruckslos die braunen Augen der Händlerin, die kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Mit gesenktem Kopf sammelte sie die Stoffbahnen auf, die sie auf dem Boden ausgerollt hatte, um die ganze Pracht zu verdeutlichen.

Schleimerin, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf.

Kurz vor der Tür drehte sie sich nochmal um.

»Wann habt ihr euch so verändert?«, fragte sie leise.
Ihre Augen wirkten unendlich traurig.
»Ihr wart immer mein Held.«

Seine Stimme durchschnitt ihre wie ein scharfes Messer.

»Raus.«

Sie reckte das Kinn und sah ihn kühl an.
Bei ihrem kämpferischen Blick durchzuckte ihn eine Erinnerung wie ein Geistesblitz.

Ihr lachendes Gesicht; ihre Wangen, die sich röten, als er ihre Hand nimmt und einen sanften Kuss darauf haucht.
Sareena.

Als Belshazzer verwirrt in die Gegenwart zurückkehrte, verschwand ihr violettes Gewand gerade durch die Tür.

Er hatte sie vergessen; dachte, er würde sie nicht kennen. Aber ihr Blick hatte sich eingebrannt.

So sehr, dass ihm fröstelte.

Und ihm wurde noch kälter, als der Nächste eintrat.

»Erinnert Ihr euch an mich, Sultan?«

Ein Lächeln umspielte seine Lippen, doch in seinen Augen, die so schwarz wie sein Gewand waren, schimmerte nur Grausamkeit.

»Wie könnte ich euch vergessen.«

Es war erst ein Jahr her.

»Es ist mir eine Ehre, euch endlich kennenzulernen, Sultan. Nach allem, was ihr für dieses Land getan habt.«

In seinen Augen glänzte etwas undefinierbares; etwas, das ihm Schauer über den Rücken jagte.

Unschlüssig, wie er reagieren sollte, blieb er still.

»Ihr fragt Euch sicher, was ich zu bieten habe?«

Sein Blick flog verächtlich über die Gewürze und Stoffe, die Belshazzer zuvor gutmütig abgekauft hatte.

»Auf jeden Fall was besseres als das hier.«

Als der Sultan abermals nicht antwortete, lachte sein Gegenüber leise.

»Ihr redet wohl nicht gern, Sultan?«

Er trat näher und beugte sich vor. Die Wachen richteten sich alarmiert auf.

»Du wirst noch genug Zeit haben, zu schweigen«, hauchte er in sein Ohr und klopfte ihm auf die Schulter.

Der Sultan räusperte sich.

»Die Freude war ganz meinerseits«, gab er unmissverständlich zu bedeuten.

»Auf das nächste Mal, Sultan.«

»Ich wollte nur schauen, wie ihr euch macht.«

Der Satz blieb in der Luft stehen. Er antwortete nicht. Er verstand den Satz nicht.

»Was wollt Ihr? Mich wieder antatschen?«, entgegnete er kühl.

»Oh, wir sind deswegen doch nicht eingeschnappt?«, sagte der Schwarzgekleidete mit einer Stimme, die ihn ganz krankmachte.

»Doch«, knurrte er.

In die Augen seines Gegenübers schlich sich Anerkennung.

»Ich hätte nicht erwartet, dass es gleich beim ersten Mal funktioniert«, murmelte er.

»Was?!«, fauchte der Sultan.

Der Schwarzgekleidete verschränkte die Hände hinter seinem Rücken.

»Ich erzähle dir jetzt ein Geheimnis, Sultan«, säuselte er. »Behältst du es auch für dich?«

»Ja.«

»Dann höre gut zu.« Er räusperte sich.

»Es war einmal ein kleiner Junge, dessen Herz nur Platz für Hass hatte. Seine Familie kehrte ihm den Rücken zu, als er acht war. Er verstand es nicht, tut es heute noch nicht. Er war ganz auf sich allein gestellt, lebte auf der Straße, kämpfte ums Überleben. Mit der Zeit wurde er natürlich älter, und damit verschwanden seine letzten Hoffnungen, seine Mutter würde ihn zurückholen. Sein Hass wuchs so schnell wie Unkraut, er umrankte sein Herz, bis es nichts anderes mehr gab. Er hasste jeden. Und weil er die Auslöser des Ganzen nicht zur Rechenschaft ziehen konnte - wie sollte er sie jetzt noch finden - beschloss er, allen Leuten wehzutun. Und wie geht das? Man nimmt die Person, die alle lieben. Den Helden.«
Er spuckte das Wort förmlich aus.
»Man zerstört ihn von innen. Er forschte,  er reiste in die hintersten Ecken des Landes, befragte die zwielichtigsten Gestalten. Mit Erfolg. Er entwickelte einen winzigen Prototyp in Form einer Motte, die das Scheinwerferlicht ebenso anzieht wie den Jungen. Seine Funktionsweise zu erklären, würde jetzt zu lange dauern. Nur soviel: Das Opfer der Motte wird nie mehr er selbst sein.«

Er lächelte teuflisch.

»Richtig, der Junge bin ich. Und du bist mein Opfer. Spürst du schon, wie deine Gedanken wirbeln, dich förmlich auseinanderreißen?«

Der Sultan sank auf die Knie und hielt sich den Kopf, keuchte, als wären die Worte des Fremden ein Auslöser gewesen, ein Knopf, den man ganz einfach drücken kann.

Zerstören.

»Übrigens, an dich ranzukommen, war läppisch einfach.« Er betrachtete seine Fingernägel. »Einmal auf die Schulter geklopft, hat sich die Motte an deiner Kleidung festgebissen. Und konnte so ganz einfach auf deine Haut gelangen.«

Sein Blick war überheblich. Belshazzer wollte schreien vor Wut, doch aus seinem Mund kam kein Laut.

»Du fragst dich wohl, was ich jetzt vorhabe? Denn ein Erfolg ist noch nicht genug, nicht wahr? Das weißt du selbst genau.«

Der Körper des Sultans erbebte vor Zorn.

»Sultan, mach mich zum Sultan. Werde das Monster an meiner Seite, das alle fürchten. Zu dritt werden wir das Land in Angst und Schrecken versetzen.«

»Zu... Dritt?«, hauchte der Sultan tonlos. Er konnte kaum noch klar denken, es fühlte sich an, als würde sein Inneres wie eine Pusteblume zerstäuben. Als würde an allen Seiten seines Körpers gezogen werden.

Die Tür öffnete sich im lautlosen Befehl. Zwei Wachen traten ein, mit der Händlerin im violetten Gewand im Schlepptau.

»Die Wachen habe ich auch gleich abgerichtet«, meinte der Schwarzgekleidete beiläufig.

So als wäre ihre Erwähnung ein Befehl gewesen, ließen die Wachen ruckartig die Handgelenke der jungen Frau los, sodass diese auf den Boden fiel.
Ihre Augen waren weit aufgerissen vor Schreck, ihr Körper wurde von leisen Schluchzern geschüttelt.

»Ich werde deine Liebste heiraten«, ergriff er wieder das Wort.

Sareenas Mund öffnete sich zu einem Schrei.

»Oder deine ehemalige Liebste, denn jetzt fühlst du nichts mehr dergleichen. Keine Liebe, keine Freundschaft, keine Freude. Nur noch Unterordnung mir gegenüber und eine ewig brodelnde Wut, wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch.«

Er machte eine Kunstpause.

»Mach mich zum Sultan, Sultan.«

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987 Wörter
sweet_predator

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