18 - Rache ist süß

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Noch nie in meinem Leben war ich so dankbar und erleichtert darüber, gemeinsam mit Mile Harrison in meinem Zimmer zu sitzen, wie jetzt gerade.

„Oh mein Gott!", kreische ich überwältigt. „Wir haben es tatsächlich geschafft! Du bist ein verdammtes Genie, Honiglocke!" Vor lauter Euphorie und Glücksgefühlen lasse ich mich in Miles Arme fallen. Da er nicht auf meinen Überfall vorbereitet war, plumpsen wir rücklings auf den pinken Flauschiteppich und schauen uns verwirrt an.

Ich liege halb auf Miles Oberkörper und bin seinem Gesicht so nahe, dass ich die winzigen, goldenen Sprenkel in seinen Iriden erkenne, die wie ein Sternenhimmel seinen Blick säumen. Außerdem lachen mich seine Lippen so verführerisch an, dass ich der Versuchung nicht widerstehen kann und mir einen unschuldigen Kuss klaue.

Ganz langsam und vorsichtig bewegen sich unsere Lippen aufeinander. Sie liebkosen sich und geben sich ein Versprechen, das für die Ewigkeit halten soll.

Da diese romantischen Gefühle Neuland für mich sind, bin ich die Erste, die sich nach ein paar Sekunden aus dem Kuss löst. „Bilde dir bloß nichts darauf ein, Honiglocke, kapiert?!", ärgere ich ihn.

Mile grinst. Obwohl sein schelmischer Gesichtsausdruck etwas anderes verrät, behauptet er: „Natürlich nicht!"

Ich rolle mich von seinem Oberkörper und lande direkt neben meinem alten Samsung-Handy. Keine Ahnung, warum es sich nach dem Stromschlag doch noch eingeschaltet hat, aber die Uhrzeit springt gerade auf 4:16 PM um. Dann ist der Akku leer und das Smartphone fährt sich selbstständig herunter.

Oh man. So etwas Verrücktes wie unsere Reise durch die Welt der Apps ist mir noch nie zuvor passiert.

Auch wenn ich Lucy und David anfangs für ihre blöden Ausreden verflucht habe, bin ich im Nachhinein dankbar und glücklich, dass sie mich beziehungsweise uns versetzt haben. Trotzdem schreit ihre hinterhältige Aktion nach Rache.

Ächzend hieve ich mich von dem Teppich auf und tapse dann zu meinem Schreibtisch, auf dem eine große Tüte liegt. Was sich darin befindet? Ein Fotoalbum, mehrere Glitzerstifte, Aufkleber und viele, andere Bastelutensilien.

„Was hast du vor, Eiskönigin?", fragt mich Mile misstrauisch, als ich mir die Tüte unter den Arm klemme.

„Ach, weißt du", säusele ich bemüht unschuldig, „die ganzen Spiele haben mich total hungrig gemacht. Was hältst du von einem Eis in der Frozen Frenzy Factory?"

Mit jedem Wort, das meine Lippen verlässt, wandern Miles Augenbrauen ein kleines Stückchen höher. So lange, bis sie beinahe unter dem Ansatz seiner honigblonden Locken verschwunden sind. „Und warum nimmst du dann die Sachen für Hayes' Fotoalbum mit?"

Mein unschuldiges Lächeln bröckelt und verwandelt sich in ein teuflisches Grinsen. „Man weiß ja nie, wen man da so trifft ..."

Es dauert ein paar Sekunden, bis sich die Falten auf Miles Stirn glätten und er lachend den Kopf schüttelt. „Oh man", gluckst er amüsiert, „dann nichts wie los!"

Ich möchte mich schon in Bewegung setzen, da hält mich Mile nochmal vorsichtig am Handgelenk zurück. Ein flehendes Leuchten glimmt in seinen Augen auf, während er leise flüstert: „Aber versprich mir bitte, dass wir danach nochmal über alles reden, okay?"

Auch wenn es mir davor graut, meine ganzen Fehler aus der Vergangenheit aufzuwühlen, nicke ich. „Versprochen!" Um meine Worte zu unterstreichen, hauche ich Mile einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Gott, ist das komisch! Wahrscheinlich wird es noch ein paar Wochen oder Monate dauern, bis ich mich an unser neues Verhältnis gewöhnt habe.

Voller Tatendrang hopsen Mile und ich die vielen Treppenstufen ins Erdgeschoss hinab. Dieses Mal ist es mir sogar egal, ob er meinen Hintern anstarrt oder sich über die peinlichen Kinderfotos von mir lustig macht.

Während Mile wie immer in seine hässlichen Pikachu-Schuhe schlüpft, entscheide ich mich für meine weißen, abgetragenen Adidas-Sneaker. Dann werfen wir uns beide eine Jeansjacke über – meine sieht natürlich besser aus als Miles – und machen uns auf den Weg in Richtung Eisdiele.

Zum Glück ist es nicht weit bis in die Stadt. Nur sieben Minuten zu Fuß.

Draußen scheint die Sonne und ein paar zwitschernde Vögel heißen uns mit ihren Liedern zurück in der echten Welt willkommen. Ich genieße es, wie der Wind an meinen Locken zerrt und der Geruch von frisch gemähtem Rasen an meiner Nase kitzelt. Selbst das Rauschen der vorbeifahrenden Autos und das Geschrei von kleinen Kindern lösen ein positives Gefühl der Vertrautheit in meinem Inneren aus.

Ganz egal, wie viel Spaß ich in den Handy-Apps hatte, ich bin froh, wieder hier zu sein. Im realen Leben.

Meine Gedanken werden unterbrochen, als ich plötzlich etwas Warmes und Großes an meiner rechten Hand spüre. Ein flüchtiger Blick nach unten verrät mir, dass Mile unsere Finger miteinander verschränken möchte.

Huch, das geht aber ganz schön schnell!

„Übertreib mal nicht!", entfährt es mir eine Spur zu hysterisch, weil mich diese neue Situation total überfordert. Ein bisschen versöhnlicher schiebe ich hinterher: „Mein Körper verträgt noch nicht so viel Knoblauchsalamigestank auf einmal."

„Keine Sorge", lacht Mile unbeschwert und schnappt sich trotzdem meine Hand, „daran wirst du dich sehr schnell gewöhnen, Eiskönigin."

Es ist ein merkwürdiges Gefühl, Miles Hand in der Öffentlichkeit zu halten. Auch wenn es gemein klingt, bete ich innerlich, dass uns niemand zusammen sieht. Nicht, weil ich mich für Mile schäme, sondern weil ich selbst erstmal mit unserer neuen Beziehung klarkommen muss. Außerdem steht ja noch unser klärendes Abschlussgespräch auf dem Programm.

Und wer weiß? Vielleicht sind wir danach doch wieder Feinde?!

Nach exakt sieben Minuten kommen Mile und ich vor der Frozen Frenzy Factory zum Stehen. Da die Eisdiele recht klein und überschaubar ist, entdecke ich Lucy und David sofort. Sie sitzen in einer etwas abgelegenen Nische und ...

Moment mal! Sie füttern sich gegenseitig mit Eis?

Ich bleibe mitten im Gang stehen und erinnere mich an Miles Worte zurück, als wir die Snap Map besucht haben. „Die beiden wollen wahrscheinlich einfach mal ihre Zweisamkeit genießen."

Bisher war ich blind und dumm, aber plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Die beiden sind Hals über Kopf ineinander verliebt!

Oh man. Wie konnte ich das denn nicht früher sehen? Ihre Blicke und ihre Körpersprache sind eindeutig.

Je länger ich Lucy und David beim Herumturteln beobachte, umso mehr muss ich mir eingestehen, dass sie ein süßes Paar abgeben würden. Vorausgesetzt, sie schlabbern sich nicht die ganze Zeit ab, wenn ich in der Nähe bin.

Kurz überlege ich, die beiden Turteltäubchen ungestört zu lassen, entscheide mich dann aber doch dafür, dass Rache sein muss.

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen steuere ich den Tisch von Lucy und David an. Als mich nur noch fünf Meter von ihnen trennen, rufe ich laut: „Oh, was für eine schöne Überraschung, euch hier zu sehen!"

Ertappt fliegen Lucys und Davids Köpfe in meine Richtung. Die ungesunde, rote Gesichtsfärbung verrät mir, wie unangenehm ihnen diese Situation ist.

„Wie geht es Aquarius Maximus und Aquamanta?", erkundige ich mich bei Lucy und quetsche mich im selben Atemzug neben sie auf die Sitzbank. Dann richte ich mein Augenmerk auf David und lobe ihn gespielt begeistert: „Wow, du hast Javier ja echt in Rekordzeit zum Fußballtraining gefahren! Hoffentlich wurdest du unterwegs nicht geblitzt!"

Meine beiden Freunde schweigen betreten. Normalerweise haben sie genauso ein loses Mundwerk wie Mile, aber das scheint ihnen ganz plötzlich abhandengekommen zu sein.

Apropos Mile ...

Der lässt sich gerade neben David nieder und klopft ihm freundschaftlich auf den Rücken. Dadurch gelangt wieder Leben in seinen Körper und er stammelt verzweifelt: „Hör zu, Elsie, wir hatten keine bösen Absichten. Wirklich nicht!" Seine Augen wandern zu Lucy und schauen sie flehend und hilfesuchend an.

„Genau!", bestätigt sie nur eine Sekunde später. „Wir, na ja, wir dachten, wir schlagen einfach zwei Fliegen mit einer Klappe, wenn wir dich und Mile alleinlassen."

„Hä?", entwischt mir daraufhin ein unintelligenter Laut. Scheinbar haben sich die vielen Handy-Apps negativ auf mein Hirn ausgewirkt.

Oh Gott. Bin ich jetzt genauso ein großer Idiot wie Mile?

„Wir hatten die Hoffnung, dass ihr euch vielleicht mal aussprecht und eure Differenzen klärt", erläutert Lucy ihren Plan. „Es weiß sowieso jeder, dass ihr euch insgeheim mögt."

Dieses Mal bin ich diejenige, die sich ertappt fühlt. Ein Feuer wird in meinen Wangen entfacht und siedend heiße Blitze zucken durch meinen Körper.

„Außerdem konnten David und ich so auch ein bisschen Zeit zusammen verbringen", fährt Lucy mit krächzender Stimme fort. Für ein paar Sekunden zögert sie, bis sie über ihren Schatten springt und zugibt: „Eventuell sind wir nämlich mehr als nur Freunde."

Ich weiß, dass es gemein ist, ihre letzte Aussage zu ignorieren, doch ich donnere die Tüte mit dem Fotoalbum und den vielen Bastelutensilien auf den Tisch. Genau zwischen die beiden Eisbecher. „Mile und ich haben euch eine Kleinigkeit mitgebracht", raune ich möglichst geheimnisvoll. „Damit könnt ihr noch mehrere Stunden lang eure Zweisamkeit genießen."

Lucys Augen weiten sich, als sie das goldene Cover des Fotoalbums entdeckt. „Oh nein", murmelt sie leise.

„Oh doch!", erwidere ich schadenfroh.

Im Einklang mit meinen Worten erhebe ich mich von der Sitzbank und strecke Mile meine Hand entgegen. „Komm!", fordere ich ihn auf. „Wir wollen Lucy und David ja nicht bei ihrer Zweisamkeit stören." Ich zwinkere meinen Freunden frech zu und darf im Gegenzug ihre wunderschönen Mittelfinger bestaunen.

„Und was macht ihr jetzt?", möchte David mit gerunzelter Stirn von uns wissen.

Ich nutze seine und Lucys Überforderung aus und beuge mich langsam zu Mile hinüber. Seine blauen Ozeanaugen glitzern und sprühen Funken. Als würden sie mir sagen wollen: „Nun mach schon!"

Mein Herz hämmert wild gegen meinen Brustkorb. Ich spüre die ungläubigen Blicke von Lucy und David wie feine Nadelstiche auf meiner Haut, doch blende sie aus und hauche Mile einen federleichten Kuss auf die Lippen. So lange, bis das überraschte Luftschnappen von Lucy verklungen ist.

Danach drehe ich mich wieder zu meinen Freunden um und flöte unschuldig: „Wir zwei Süßen haben noch eine Rechnung mit meinem alten Samsung-Handy offen."

Das ist alles, was ich sage, bevor Mile und ich händchenhaltend aus der Eisdiele spazieren.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro